The Project Gutenberg EBook of Kritik der reinen Vernunft (2nd Edition) by Immanuel Kant Copyright laws are changing all over the world. Be sure to check the copyright laws for your country before downloading or redistributing this or any other Project Gutenberg eBook. This header should be the first thing seen when viewing this Project Gutenberg file. Please do not remove it. Do not change or edit the header without written permission. Please read the "legal small print," and other information about the eBook and Project Gutenberg at the bottom of this file. Included is important information about your specific rights and restrictions in how the file may be used. You can also find out about how to make a donation to Project Gutenberg, and how to get involved. **Welcome To The World of Free Plain Vanilla Electronic Texts** **eBooks Readable By Both Humans and By Computers, Since 1971** *****These eBooks Were Prepared By Thousands of Volunteers!***** Title: Kritik der reinen Vernunft (2nd Edition) Author: Immanuel Kant Release Date: August, 2004 [EBook #6343] [Yes, we are more than one year ahead of schedule] [This file was first posted on November 28, 2002] Edition: 10 Language: German Character set encoding: ASCII *** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, KRITIK DER REINEN VERNUNFT (2ND EDITION) *** This text has been derived from HTML files at "Projekt Gutenberg - DE" (http://www.gutenberg2000.de/kant/krvb/krvb.htm), prepared by Gerd Bouillon. Kritik der reinen Vernunft von Immanuel Kant Professor in Koenigsberg, der Koenigl. Akademie der Wissenschaften in Berlin Mitglied Zweite hin und wieder verbesserte Auflage (1787) Inhalt Zueignung Vorrede Einleitung I. Von dem Unterschiede der reinen und empirischen Erkenntnis II. Wir sind im Besitze gewisser Erkenntnisse a priori, und selbst der gemeine Verstand ist niemals ohne solche III. Die Philosophie bedarf einer Wissenschaft, welche die Moeglichkeit, die Prinzipien und den Umfang aller Erkenntnisse a priori bestimme IV. Von dem Unterschiede analytischer und synthetischer Urteile V. In allen theoretischen Wissenschaften der Vernunft sind synthetische Urteile a priori als Prinzipien enthalten VI. Allgemeine Aufgabe der reinen Vernunft VII. Idee und Einteilung einer besonderen Wissenschaft, unter dem Namen einer Kritik der reinen Vernunft I. Transzendentale Elementarlehre Erster Teil. Die transzendentale Aesthetik Paragraph 1 1. Abschnitt. Von dem Raume Paragraph 2. Metaphysische Eroerterung dieses Begriffs Paragraph 3. Transzendentale Eroerterung des Begriffs vom Raume 2. Abschnitt. Von der Zeit Paragraph 4. Metaphysische Eroerterung des Begriffs der Zeit Paragraph 5. Transzendentale Eroerterung des Begriffs der Zeit Paragraph 6. Schluesse aus diesen Begriffen Paragraph 7. Erlaeuterung Paragraph 8. Allgemeine Anmerkungen zur transzendentalen Aesthetik Zweiter Teil. Die transzendentale Logik Einleitung. Idee einer transzendentalen Logik I. Von der Logik ueberhaupt II. Von der transzendentalen Logik III. Von der Einteilung der allgemeinen Logik in Analytik und Dialektik IV. Von der Einteilung der transzendentalen Logik in die transzendentale Analytik und Dialektik Erste Abteilung. Die transzendentale Analytik Erstes Buch. Die Analytik der Begriffe 1. Hauptstueck. Von dem Leitfaden der Entdeckung aller reinen Verstandesbegriffe 1. Abschnitt. Von dem logischen Verstandesgebrauche ueberhaupt 2. Abschnitt Paragraph 9. Von der logischen Funktion des Verstandes in Urteilen 3. Abschnitt Paragraph 10. Von den reinen Verstandesbegriffen oder Kategorien Paragraph 11 Paragraph 12 2. Hauptstueck. Von der Deduktion der reinen Verstandesbegriffe 1. Abschnitt Paragraph 13. Von den Prinzipien einer transzendentalen Deduktion ueberhaupt Paragraph 14. Uebergang zur transzendentalen Deduktion der Kategorien 2. Abschnitt. Transzendentale Deduktion der reinen Verstandesbegriffe Paragraph 15. Von der Moeglichkeit einer Verbindung ueberhaupt Paragraph 16. Von der urspruenglich-synthetischen Einheit der Apperzeption Paragraph 17. Der Grundsatz der synthetischen Einheit der Apperzeption ist das oberste Prinzip alles Verstandesgebrauchs Paragraph 18. Was objektive Einheit des Selbstbewusstseins sei Paragraph 19. Die logische Form aller Urteile besteht in der objektiven Einheit der Apperzeption der darin enthaltenen Begriffe Paragraph 20. Alle sinnliche Anschauungen stehen unter den Kategorien, als Bedingungen, unter denen allein das Mannigfaltige derselben in ein Bewusstsein zusammenkommen kann Paragraph 21. Anmerkung Paragraph 22. Die Kategorie hat keinen andern Gebrauch zum Erkenntnisse der Dinge, als ihre Anwendung auf Gegenstaende der Erfahrung Paragraph 23 Paragraph 24. Von der Anwendung der Kategorien auf Gegenstaende der Sinne ueberhaupt Paragraph 25 Paragraph 26. Transzendentale Deduktion des allgemein moeglichen Erfahrungsgebrauchs der reinen Verstandesbegriffe Paragraph 27. Resultat dieser Deduktion der Verstandesbegriffe Zweites Buch. Die Analytik der Grundsaetze Einleitung. Von der transzendentalen Urteilskraft ueberhaupt 1. Hauptstueck. Von dem Schematismus der reinen Verstandesbegriffe 2. Hauptstueck. System aller Grundsaetze des reinen Verstandes 1. Abschnitt. Von dem obersten Grundsatze aller analytischen Urteile 2. Abschnitt. Von dem obersten Grundsatze aller synthetischen Urteile 3. Abschnitt. Systematische Vorstellung aller synthetischen Grundsaetze desselben 1. Axiome der Anschauung 2. Antizipationen der Wahrnehmung 3. Analogien der Erfahrung A. Erste Analogie. Grundsatz der Beharrlichkeit der Substanz B. Zweite Analogie. Grundsatz der Zeitfolge nach dem Gesetze der Kausalitaet C. Dritte Analogie. Grundsatz des Zugleichseins, nach dem Gesetze der Wechselwirkung, oder Gemeinschaft 4. Die Postulate des empirischen Denkens ueberhaupt Widerlegung des Idealismus Allgemeine Anmerkung zum System der Grundsaetze 3. Hauptstueck. Von dem Grunde der Unterscheidung aller Gegenstaende ueberhaupt in Phaenomena und Noumena Anhang. Von der Amphibolie der Reflexionsbegriffe Anmerkung zur Amphibolie der Reflexionsbegriffe Zweite Abteilung. Die transzendentale Dialektik Einleitung I. Vom transzendentalen Schein II. Von der reinen Vernunft als dem Sitze des transzendentalen Scheins A. Von der Vernunft ueberhaupt B. Vom logischen Gebrauche der Vernunft C. Von dem reinen Gebrauche der Vernunft Erstes Buch. Von den Begriffen der reinen Vernunft 1. Abschnitt. Von den Ideen ueberhaupt 2. Abschnitt. Von den transzendentalen Ideen 3. Abschnitt. System der transzendentalen Ideen Zweites Buch. Von den dialektischen Schluessen der reinen Vernunft 1. Hauptstueck. Von den Paralogismen der reinen Vernunft Widerlegung des Mendelssohnschen Beweises der Beharrlichkeit der Seele Beschluss der Aufloesung des psychologischen Paralogisms Allgemeine Anmerkung, den Uebergang von der rationalen Psychologie zur Kosmologie betreffend 2. Hauptstueck. Die Antinomie der reinen Vernunft 1. Abschnitt. System der kosmologischen Ideen 2. Abschnitt. Antithetik der reinen Vernunft Erster Widerstreit der transzendentalen Ideen Zweiter Widerstreit der transzendentalen Ideen Dritter Widerstreit der transzendentalen Ideen Vierter Widerstreit der transzendentalen Ideen 3. Abschnitt. Von dem Interesse der Vernunft bei diesem ihrem Widerstreite 4. Abschnitt. Von den transzendentalen Aufgaben der reinen Vernunft, insofern sie schlechterdings muessen aufgeloeset werden koennen 5. Abschnitt. Skeptische Vorstellung der kosmologischen Fragen durch alle vier transzendentalen Ideen 6. Abschnitt. Der transzendentale Idealism als der Schluessel zu Aufloesung der kosmologischen Dialektik 7. Abschnitt. Kritische Entscheidung des kosmologischen Streits der Vernunft mit sich selbst 8. Abschnitt. Regulatives Prinzip der reinen Vernunft in Ansehung der kosmologischen Ideen 9. Abschnitt. Von dem empirischen Gebrauche des regulativen Prinzips der Vernunft, in Ansehung aller kosmologischen Ideen I. Aufloesung der kosmologischen Idee von der Totalitaet der Zusammensetzung der Erscheinungen von einem Weltganzen II. Aufloesung der kosmologischen Idee von der Totalitaet der Teilung eines gegebenen Ganzen in der Anschauung Schlussanmerkung zur Aufloesung der mathematisch-transzendentalen, und Vorerinnerung zur Aufloesung der dynamisch-transzendentalen Ideen III. Aufloesung der kosmologischen Ideen von der Totalitaet der Ableitung der Weltbegebenheit aus ihren Ursachen Moeglichkeit der Kausalitaet durch Freiheit, in Vereinigung mit dem allgemeinen Gesetze der Naturnotwendigkeit Erlaeuterung der kosmologischen Idee einer Freiheit in Verbindung mit der allgemeinen Naturnotwendigkeit IV. Aufloesung der kosmologischen Idee von der Totalitaet der Abhaengigkeit der Erscheinungen, ihrem Dasein nach ueberhaupt Schlussanmerkung zur ganzen Antinomie der reinen Vernunft 3. Hauptstueck. Das Ideal der reinen Vernunft 1. Abschnitt. Von dem Ideal ueberhaupt 2. Abschnitt. Von dem transzendentalen Ideal (Prototypon transscendentale) 3. Abschnitt. Von den Beweisgruenden der spekulativen Vernunft, auf das Dasein eines hoechsten Wesens zu schliessen 4. Abschnitt. Von der Unmoeglichkeit eines ontologischen Beweises vom Dasein Gottes 5. Abschnitt. Von der Unmoeglichkeit eines kosmologischen Beweises vom Dasein Gottes Entdeckung und Erklaerung des dialektischen Scheins in allen transzendentalen Beweisen vom Dasein eines notwendigen Wesens 6. Abschnitt. Von der Unmoeglichkeit des physikotheologischen Beweises 7. Abschnitt. Kritik aller Theologie aus spekulativen Prinzipien der Vernunft Anhang zur transzendentalen Dialektik Von dem regulativen Gebrauch der Ideen der reinen Vernunft Von der Endabsicht der natuerlichen Dialektik der menschlichen Vernunft II. Transzendentale Methodenlehre 1. Hauptstueck. Die Disziplin der reinen Vernunft 1. Abschnitt. Die Disziplin der reinen Vernunft im dogmatischen Gebrauche 2. Abschnitt. Die Disziplin der reinen Vernunft in Ansehung ihres polemischen Gebrauchs Von der Unmoeglichkeit einer skeptischen Befriedigung der mit sich selbst veruneinigten reinen Vernunft 3. Abschnitt. Die Disziplin der reinen Vernunft in Ansehung der Hypothesen 4. Abschnitt. Die Disziplin der reinen Vernunft in Ansehung ihrer Beweise 2. Hauptstueck. Der Kanon der reinen Vernunft 1. Abschnitt. Von dem letzten Zwecke des reinen Gebrauchs unserer Vernunft 2. Abschnitt. Von dem Ideal des hoechsten Guts, als einem Bestimmungsgrunde des letzten Zwecks der reinen Vernunft 3. Abschnitt. Vom Meinen, Wissen und Glauben 3. Hauptstueck. Die Architektonik der reinen Vernunft 4. Hauptstueck. Die Geschichte der reinen Vernunft Baco de Verulamio Instauratio magna. Praefatio. De nobis ipsis silemus: De re autem, quae agitur, petimus: ut homines eam non Opinionem, sed Opus esse cogitent; ac pro certo habeant, non Sectae nos alicuius, aut Placiti, sed utilitatis et amplitudinis humanae fundamenta moliri. Deinde ut suis commodis aequi in commune consulant et ipsi in partem veniant. Praeterea ut bene sperent, neque Instaurationem nostram ut quidam infinitum et ultra mortale fingant, et animo concipiant; quum revera sit infiniti erroris finis et terminus legitimus. Sr. Exzellenz, dem Koenigl. Staatsminister Freiherrn von Zedlitz Gnaediger Herr! Den Wachstum der Wissenschaften an seinem Teile befoerdern, heisst an Ew. Exzellenz eigenem Interesse arbeiten; denn dieses ist mit jenen, nicht bloss durch den erhabenen Posten eines Beschuetzers, sondern durch das viel vertrautere eines Liebhabers und erleuchteten Kenners, innigst verbunden. Deswegen bediene ich mich auch des einigen Mittels, das gewissermassen in meinem Vermoegen ist, meine Dankbarkeit fuer das gnaedige Zutrauen zu bezeigen, womit Ew. Exzellenz mich beehren, als koenne ich zu dieser Absicht etwas beitragen. Demselben gnaedigen Augenmerke, dessen Ew. Exzellenz die erste Auflage dieses Werks gewuerdigt haben, widme ich nun auch diese zweite und hiermit zugleich alle uebrige Angelegenheit meiner literarischen Bestimmung, und bin mit der tiefsten Verehrung Ew. Exzellenz untertaenig gehorsamster Diener Koenigsberg den 23sten April 1787 Immanuel Kant Vorrede zur zweiten Auflage Ob die Bearbeitung der Erkenntnisse, die zum Vernunftgeschaefte gehoeren, den sicheren Gang einer Wissenschaft gehe oder nicht, das laesst sich bald aus dem Erfolg beurteilen. Wenn sie nach viel gemachten Anstalten und Zuruestungen, sobald es zum Zweck kommt, in Stecken geraet, oder, um diesen zu erreichen, oefters wieder zurueckgehen und einen andern Weg einschlagen muss; imgleichen wenn es nicht moeglich ist, die verschiedenen Mitarbeiter in der Art, wie die gemeinschaftliche Absicht erfolgt werden soll, einhellig zu machen: so kann man immer ueberzeugt sein, dass ein solches Studium bei weitem noch nicht den sicheren Gang einer Wissenschaft eingeschlagen, sondern ein blosses Herumtappen sei, und es ist schon ein Verdienst um die Vernunft, diesen Weg womoeglich ausfindig zu machen, sollte auch manches als vergeblich aufgegeben werden muessen, was in dem ohne Ueberlegung vorher genommenen Zwecke enthalten war. Dass die Logik diesen sicheren Gang schon von den aeltesten Zeiten her gegangen sei, laesst sich daraus ersehen, dass sie seit dem Aristoteles keinen Schritt rueckwaerts hat tun duerfen, wenn man ihr nicht etwa die Wegschaffung einiger entbehrlicher Subtilitaeten, oder deutlichere Bestimmung des Vorgetragenen als Verbesserungen anrechnen will, welches aber mehr zur Eleganz, als zur Sicherheit der Wissenschaft gehoert. Merkwuerdig ist noch an ihr, dass sie auch bis jetzt keinen Schritt vorwaerts hat tun koennen, und also allem Ansehen nach geschlossen und vollendet zu sein scheint. Denn, wenn einige Neuere sie dadurch zu erweitern dachten, dass sie teils psychologische Kapitel von den verschiedenen Erkenntniskraeften (der Einbildungskraft, dem Witze), teils metaphysische ueber den Ursprung der Erkenntnis oder der verschiedenen Art der Gewissheit nach Verschiedenheit der Objekte (dem Idealismus, Skeptizismus usw.), teils anthropologische von Vorurteilen (den Ursachen derselben und Gegenmitteln) hineinschoben, so ruehrt dieses von ihrer Unkunde der eigentuemlichen Natur dieser Wissenschaft her. Es ist nicht Vermehrung, sondern Verunstaltung der Wissenschaften, wenn man ihre Grenzen ineinander laufen laesst; die Grenze der Logik aber ist dadurch ganz genau bestimmt, dass sie eine Wissenschaft ist, welche nichts als die formalen Regeln alles Denkens (es mag a priori oder empirisch sein, einen Ursprung oder Objekt haben, welches es wolle, in unserem Gemuete zufaellige oder natuerliche Hindernisse antreffen) ausfuehrlich darlegt und strenge beweist. Dass es der Logik so gut gelungen ist, diesen Vorteil hat sie bloss ihrer Eingeschraenktheit zu verdanken, dadurch sie berechtigt, ja verbunden ist, von allen Objekten der Erkenntnis und ihrem Unterschiede zu abstrahieren, und in ihr also der Verstand es mit nichts weiter, als sich selbst und seiner Form, zu tun hat. Weit schwerer musste es natuerlicherweise fuer die Vernunft sein, den sicheren Weg der Wissenschaft einzuschlagen, wenn sie nicht bloss mit sich selbst, sondern auch mit Objekten zu schaffen hat; daher jene auch als Propaedeutik gleichsam nur den Vorhof der Wissenschaften ausmacht, und wenn von Kenntnissen die Rede ist, man zwar eine Logik zur Beurteilung derselben voraussetzt, aber die Erwerbung derselben in eigentlich und objektiv so genannten Wissenschaften suchen muss. Sofern in diesen nun Vernunft sein soll, so muss darin etwas a priori erkannt werden, und ihre Erkenntnis kann auf zweierlei Art auf ihren Gegenstand bezogen werden, entweder diesen und seinen Begriff (der anderweitig gegeben werden muss) bloss zu bestimmen, oder ihn auch wirklich zu machen. Die erste ist theoretische, die andere praktische Erkenntnis der Vernunft. Von beiden muss der reine Teil, soviel oder sowenig er auch enthalten mag, naemlich derjenige, darin Vernunft gaenzlich a priori ihr Objekt bestimmt, vorher allein vorgetragen werden, und dasjenige, was aus anderen Quellen kommt, damit nicht vermengt werden, denn es gibt ueble Wirtschaft, wenn man blindlings ausgibt, was einkommt, ohne nachher, wenn jene in Stecken geraet, unterscheiden zu koennen, welcher Teil der Einnahme den Aufwand tragen koenne, und von welcher man denselben beschneiden muss. Mathematik und Physik sind die beiden theoretischen Erkenntnisse der Vernunft, welche ihre Objekte a priori bestimmen sollen, die erstere ganz rein, die zweite wenigstens zum Teil rein, dann aber auch nach Massgabe anderer Erkenntnisquellen als der der Vernunft. Die Mathematik ist von den fruehesten Zeiten her, wohin die Geschichte der menschlichen Vernunft reicht, in dem bewundernswuerdigen Volke der Griechen den sicheren Weg einer Wissenschaft gegangen. Allein man darf nicht denken, dass es ihr so leicht geworden, wie der Logik, wo die Vernunft es nur mit sich selbst zu tun hat, jenen koeniglichen Weg zu treffen, oder vielmehr sich selbst zu bahnen; vielmehr glaube ich, dass es lange mit ihr (vornehmlich noch unter den Aegyptern) beim Herumtappen geblieben ist, und diese Umaenderung einer Revolution zuzuschreiben sei, die der glueckliche Einfall eines einzigen Mannes in einem Versuche zustande brachte, von welchem an die Bahn, die man nehmen musste, nicht mehr zu verfehlen war, und der sichere Gang einer Wissenschaft fuer alle Zeiten und in unendliche Weiten eingeschlagen und vorgezeichnet war. Die Geschichte dieser Revolution der Denkart, welche viel wichtiger war, als die Entdeckung des Weges um das beruehmte Vorgebirge, und des Gluecklichen, der sie zustande brachte, ist uns nicht aufbehalten. Doch beweist die Sage, welche Diogenes der Laertier uns ueberliefert, der von den kleinsten, und, nach dem gemeinen Urteil, gar nicht einmal eines Beweises benoetigten, Elementen der geometrischen Demonstrationen den angeblichen Erfinder nennt, dass das Andenken der Veraenderung, die durch die erste Spur der Entdeckung dieses neuen Weges bewirkt wurde, den Mathematikern aeusserst wichtig geschienen haben muesse, und dadurch unvergesslich geworden sei. Dem ersten, der den gleichseitigen Triangel demonstrierte (er mag nun Thales oder wie man will geheissen haben), dem ging ein Licht auf; denn er fand, dass er nicht dem, was er in der Figur sah, oder auch dem blossen Begriffe derselben nachspueren und gleichsam davon ihre Eigenschaften ablernen, sondern durch das, was er nach Begriffen selbst a priori hineindachte und darstellte (durch Konstruktion), hervorbringen muesse, und dass er, um sicher etwas a priori zu wissen, er der Sache nichts beilegen muesse, als was aus dem notwendig folgte, was er seinem Begriffe gemaess selbst in sie gelegt hat. Mit der Naturwissenschaft ging es weit langsamer zu, bis sie den Heeresweg der Wissenschaft traf, denn es sind nur etwa anderthalb Jahrhunderte, dass der Vorschlag des sinnreichen Baco von Verulam diese Entdeckung teils veranlasste, teils, da man bereits auf der Spur derselben war, mehr belebte, welche eben sowohl durch eine schnell vorgegangene Revolution der Denkart erklaert werden kann. Ich will hier nur die Naturwissenschaft, so fern sie auf empirische Prinzipien gegruendet ist, in Erwaegung ziehen. Als Galilei seine Kugeln die schiefe Flaeche mit einer von ihm selbst gewaehlten Schwere herabrollen, oder Torricelli die Luft ein Gewicht, was er sich zum voraus dem einer ihm bekannten Wassersaeule gleich gedacht hatte, tragen liess, oder in noch spaeterer Zeit Stahl Metalle in Kalk und diesen wiederum in Metall verwandelte, indem er ihnen etwas entzog und wiedergab*; so ging allen Naturforschern ein Licht auf. Sie begriffen, dass die Vernunft nur das einsieht, was sie selbst nach ihrem Entwurfe hervorbringt, dass sie mit Prinzipien ihrer Urteile nach bestaendigen Gesetzen vorangehen und die Natur noetigen muesse auf ihre Fragen zu antworten, nicht aber sich von ihr allein gleichsam am Leitbande gaengeln lassen muesse; denn sonst haengen zufaellige, nach keinem vorher entworfenen Plane gemachte Beobachtungen gar nicht in einem notwendigen Gesetze zusammen, welches doch die Vernunft sucht und bedarf. Die Vernunft muss mit ihren Prinzipien, nach denen allein uebereinkommende Erscheinungen fuer Gesetze gelten koennen, in einer Hand, und mit dem Experiment, das sie nach jenen ausdachte, in der anderen, an die Natur gehen, zwar um von ihr belehrt zu werden, aber nicht in der Qualitaet eines Schuelers, der sich alles vorsagen laesst, was der Lehrer will, sondern eines bestallten Richters, der die Zeugen noetigt, auf die Fragen zu antworten, die er ihnen vorlegt. Und so hat sogar Physik die so vorteilhafte Revolution ihrer Denkart lediglich dem Einfalle zu verdanken, demjenigen, was die Vernunft selbst in die Natur hineinlegt, gemaess, dasjenige in ihr zu suchen (nicht ihr anzudichten), was sie von dieser lernen muss, und wovon sie fuer sich selbst nichts wissen wuerde. Hierdurch ist die Naturwissenschaft allererst in den sicheren Gang einer Wissenschaft gebracht worden, da sie so viel Jahrhunderte durch nichts weiter als ein blosses Herumtappen gewesen war. * Ich folge hier nicht genau dem Faden der Geschichte der Experimentalmethode, deren erste Anfaenge auch nicht wohl bekannt sind. Der Metaphysik, einer ganz isolierten spekulativen Vernunfterkenntnis, die sich gaenzlich ueber Erfahrungsbelehrung erhebt, und zwar durch blosse Begriffe (nicht wie Mathematik durch Anwendung derselben auf Anschauung), wo also Vernunft selbst ihr eigener Schueler sein soll, ist das Schicksal bisher noch so guenstig nicht gewesen, dass sie den sicheren Gang einer Wissenschaft einzuschlagen vermocht haette; ob sie gleich aelter ist, als alle uebrige, und bleiben wuerde, wenn gleich die uebrigen insgesamt in dem Schlunde einer alles vertilgenden Barbarei gaenzlich verschlungen werden sollten. Denn in ihr geraet die Vernunft kontinuierlich in Stecken, selbst wenn sie diejenigen Gesetze, welche die gemeinste Erfahrung bestaetigt, (wie sie sich anmasst) a priori einsehen will. In ihr muss man unzaehlige Male den Weg zurueck tun, weil man findet, dass er dahin nicht fuehrt, wo man hin will, und was die Einhelligkeit ihrer Anhaenger in Behauptungen betrifft, so ist sie noch so weit davon entfernt, dass sie vielmehr ein Kampfplatz ist, der ganz eigentlich dazu bestimmt zu sein scheint, seine Kraefte im Spielgefechte zu ueben, auf dem noch niemals irgend ein Fechter sich auch den kleinsten Platz hat erkaempfen und auf seinen Sieg einen dauerhaften Besitz gruenden koennen. Es ist also kein Zweifel, dass ihr Verfahren bisher ein blosses Herumtappen, und, was das Schlimmste ist, unter blossen Begriffen, gewesen sei. Woran liegt es nun, dass hier noch kein sicherer Weg der Wissenschaft hat gefunden werden koennen? Ist er etwa unmoeglich? Woher hat denn die Natur unsere Vernunft mit der rastlosen Bestrebung heimgesucht, ihm als einer ihrer wichtigsten Angelegenheiten nachzuspueren? Noch mehr, wie wenig haben wir Ursache, Vertrauen in unsere Vernunft zu setzen, wenn sie uns in einem der wichtigsten Stuecke unserer Wissbegierde nicht bloss verlaesst, sondern durch Vorspiegelungen hinhaelt und am Ende betruegt! Oder ist er bisher nur verfehlt; welche Anzeige koennen wir benutzen, um bei erneuertem Nachsuchen zu hoffen, dass wir gluecklicher sein werden, als andere vor uns gewesen sind? Ich sollte meinen, die Beispiele der Mathematik und Naturwissenschaft, die durch eine auf einmal zustande gebrachte Revolution das geworden sind, was sie jetzt sind, waere merkwuerdig genug, um dem wesentlichen Stuecke der Umaenderung der Denkart, die ihnen so vorteilhaft geworden ist, nachzusinnen, und ihnen, soviel ihre Analogie, als Vernunfterkenntnisse, mit der Metaphysik verstattet, hierin wenigstens zum Versuche nachzuahmen. Bisher nahm man an, alle unsere Erkenntnis muesse sich nach den Gegenstaenden richten, aber alle Versuche ueber sie a priori etwas durch Begriffe auszumachen, wodurch unsere Erkenntnis erweitert wuerde, gingen unter dieser Voraussetzung zunichte. Man versuche es daher einmal, ob wir nicht in den Aufgaben der Metaphysik damit besser fortkommen, dass wir annehmen, die Gegenstaende muessen sich nach unserem Erkenntnis richten, welches so schon besser mit der verlangten Moeglichkeit einer Erkenntnis derselben a priori zusammenstimmt, die ueber Gegenstaende, ehe sie und gegeben werden, etwas festsetzen soll. Es ist hiermit ebenso, als mit den ersten Gedanken des Kopernikus bewandt, der, nachdem es mit der Erklaerung der Himmelsbewegungen nicht gut fort wollte, wenn er annahm, das ganze Sternenheer drehe sich um den Zuschauer, versuchte, ob es nicht besser gelingen moechte, wenn er den Zuschauer sich drehen, und dagegen die Sterne in Ruhe liess. In der Metaphysik kann man nun, was die Anschauung der Gegenstaende betrifft, es auf aehnliche Weise versuchen. Wenn die Anschauung sich nach der Beschaffenheit der Gegenstaende richten muesste, so sehe ich nicht ein, wie man a priori von ihr etwas wissen koenne; richtet sich aber der Gegenstand (als Objekt der Sinne) nach der Beschaffenheit unseres Anschauungsvermoegens, so kann ich mir diese Moeglichkeit ganz wohl vorstellen. Weil ich aber bei diesen Anschauungen, wenn sie Erkenntnisse werden sollen, nicht stehen bleiben kann, sondern sie als Vorstellungen auf irgend etwas als Gegenstand beziehen und diesen durch jene bestimmen muss, so kann ich entweder annehmen, die Begriffe, wodurch ich diese Bestimmung zustande bringe, richten sich auch nach dem Gegenstande, und dann bin ich wiederum in derselben Verlegenheit, wegen der Art, wie ich a priori hiervon etwas wissen koenne; oder ich nehme an, die Gegenstaende oder, welches einerlei ist, die Erfahrung, in welcher sie allein (als gegebene Gegenstaende) erkannt werden, richte sich nach diesen Begriffen, so sehe ich sofort eine leichtere Auskunft, weil Erfahrung selbst eine Erkenntnisart ist, die Verstand erfordert, dessen Regel ich in mir, noch ehe mir Gegenstaende gegeben werden, mithin a priori voraussetzen muss, welche in Begriffen a priori ausgedrueckt wird, nach denen sich also alle Gegenstaende der Erfahrung notwendig richten und mit ihnen uebereinstimmen muessen. Was Gegenstaende betrifft, sofern sie bloss durch Vernunft und zwar notwendig gedacht, die aber (so wenigstens, wie die Vernunft sie denkt) gar nicht in der Erfahrung gegeben werden koennen, so werden die Versuche sie zu denken (denn denken muessen sie sich doch lassen), hernach einen herrlichen Probierstein desjenigen abgeben, was wir als die veraenderte Methode der Denkungsart annehmen, dass wir naemlich von den Dingen nur das a priori erkennen, was wir selbst in sie legen.* * Diese dem Naturforscher nachgeahmte Methode besteht also darin: die Elemente der reinen Vernunft in dem zu suchen, was sich durch ein Experiment bestaetigen oder widerlegen laesst. Nun laesst sich zur Pruefung der Saetze der reinen Vernunft, vornehmlich wenn sie ueber alle Grenze moeglicher Erfahrung hinaus gewagt werden, kein Experiment mit ihren Objekten machen (wie in der Naturwissenschaft): also wird es nur mit Begriffen und Grundsaetzen, die wir a priori annehmen, tunlich sein, indem man sie naemlich so einrichtet, dass dieselben Gegenstaende einerseits als Gegenstaende der Sinne und des Verstandes fuer die Erfahrung, andererseits aber doch als Gegenstaende, die man bloss denkt, allenfalls fuer die isolierte und ueber Erfahrungsgrenze hinausstrebende Vernunft, mithin von zwei verschiedenen Seiten betrachtet werden koennen. Findet es sich nun, dass, wenn man die Dinge aus jenem doppelten Gesichtspunkte betrachtet, Einstimmung mit dem Prinzip der reinen Vernunft stattfinde, bei einerlei Gesichtspunkte aber ein unvermeidlicher Widerstreit der Vernunft mit sich selbst entspringe, so entscheidet das Experiment fuer die Richtigkeit jener Unterscheidung. Dieser Versuch gelingt nach Wunsch, und verspricht der Metaphysik in ihrem ersten Teile, da sie sich naemlich mit Begriffen a priori beschaeftigt, davon die korrespondierenden Gegenstaende in der Erfahrung jenen angemessen gegeben werden koennen, den sicheren Gang einer Wissenschaft. Denn man kann nach dieser Veraenderung der Denkart die Moeglichkeit einer Erkenntnis a priori ganz wohl erklaeren, und, was noch mehr ist, die Gesetze, welche a priori der Natur, als dem Inbegriffe der Gegenstaende der Erfahrung, zum Grunde liegen, mit ihren genugtuenden Beweisen versehen, welches beides nach der bisherigen Verfahrungsart unmoeglich war. Aber es ergibt sich aus dieser Deduktion unseres Vermoegens a priori zu erkennen, im ersten Teile der Metaphysik ein befremdliches und dem ganzen Zwecke derselben, der den zweiten Teil beschaeftigt, dem Anscheine nach sehr nachteiliges Resultat, naemlich dass wir mit ihm nie ueber die Grenze moeglicher Erfahrung hinauskommen koennen, welches doch gerade die wesentlichste Angelegenheit dieser Wissenschaft ist. Aber hierin liegt eben das Experiment einer Gegenprobe der Wahrheit des Resultats jener ersten Wuerdigung unserer Vernunfterkenntnis a priori, dass sie naemlich nur auf Erscheinungen gehe, die Sache an sich selbst dagegen zwar als fuer sich wirklich, aber von uns unerkannt, liegen lasse. Denn das, was uns notwendig ueber die Grenze der Erfahrung und aller Erscheinungen hinaus zu gehen treibt, ist das Unbedingte, welches die Vernunft in den Dingen an sich selbst notwendig und mit allem Recht zu allem Bedingten, und dadurch die Reihe der Bedingungen als vollendet verlangt. Findet sich nun, wenn man annimmt, unsere Erfahrungserkenntnis richte sich nach den Gegenstaenden als Dingen an sich selbst, dass das Unbedingte ohne Widerspruch gar nicht gedacht werden koenne; dagegen, wenn man annimmt, unsere Vorstellung der Dinge, wie sie uns gegeben werden, richte sich nicht nach diesen, als Dingen an sich selbst, sondern diese Gegenstaende vielmehr, als Erscheinungen, richten sich nach unserer Vorstellungsart, der Widerspruch wegfalle; und dass folglich das Unbedingte nicht an Dingen, sofern wir sie kennen, (sie uns gegeben werden,) wohl aber an ihnen, sofern wir sie nicht kennen, als Sachen an sich selbst, angetroffen werden muesse: so zeigt sich, dass, was wir Anfangs nur zum Versuche annahmen, gegruendet sei.* Nun bleibt uns immer noch uebrig, nachdem der spekulativen Vernunft alles Fortkommen in diesem Felde des Uebersinnlichen abgesprochen worden, zu versuchen, ob sich nicht in ihrer praktischen Erkenntnis Data finden, jenen transzendenten Vernunftbegriff des Unbedingten zu bestimmen, und auf solche Weise, dem Wunsche der Metaphysik gemaess, ueber die Grenze aller moeglichen Erfahrung hinaus mit unserem, aber nur in praktischer Absicht moeglichen Erkenntnisse a priori zu gelangen. Und bei einem solchen Verfahren hat uns die spekulative Vernunft zu solcher Erweiterung immer doch wenigstens Platz verschafft, wenn sie ihn gleich leer lassen musste, und es bleibt uns also noch unbenommen, ja wir sind gar dazu durch sie aufgefordert, ihn durch praktische Data derselben, wenn wir koennen, auszufuellen.** * Dieses Experiment der reinen Vernunft hat mit dem der Chemiker, welches sie manchmal den Versuch der Reduktion, im allgemeinen aber das synthetische Verfahren nennen, viel Aehnliches. Die Analysis des Metaphysikers schied die reine Erkenntnis a priori in zwei sehr ungleichartige Elemente, naemlich die der Dinge als Erscheinungen, und dann der Dinge an sich selbst. Die Dialektik verbindet beide wiederum zur Einhelligkeit mit der notwendigen Vernunftidee des Unbedingten und findet, dass diese Einhelligkeit niemals anders, als durch jene Unterscheidung herauskomme, welche also die wahre ist. ** So verschafften die Zentralgesetze der Bewegung der Himmelskoerper dem, was Kopernikus, anfaenglich nur als Hypothese annahm, ausgemachte Gewissheit und bewiesen zugleich die unsichtbare, den Weltbau verbindende Kraft (der Newtonischen Anziehung), welche auf immer unentdeckt geblieben waere, wenn der erstere es nicht gewagt haette, auf eine widersinnische, aber doch wahre Art, die beobachteten Bewegungen nicht in den Gegenstaenden des Himmels, sondern in ihrem Zuschauer zu suchen. Ich stelle in dieser Vorrede die in der Kritik vorgetragene, jener Hypothese analogische, Umaenderung der Denkart auch nur als Hypothese auf, ob sie gleich in der Abhandlung selbst aus der Beschaffenheit unserer Vorstellungen von Raum und Zeit und den Elementarbegriffen des Verstandes, nicht hypothetisch, sondern apodiktisch bewiesen wird, um nur die ersten Versuche einer solchen Umaenderung, welche allemal hypothetisch sind, bemerklich zu machen. In jenem Versuche, das bisherige Verfahren der Metaphysik umzuaendern, und dadurch, dass wir nach dem Beispiele der Geometer und Naturforscher eine gaenzliche Revolution mit derselben vornehmen, besteht nun das Geschaeft dieses Kritik der reinen spekulativen Vernunft. Sie ist ein Traktat von der Methode, nicht ein System der Wissenschaft selbst; aber sie verzeichnet gleichwohl den ganzen Umriss derselben, sowohl in Ansehung ihrer Grenzen, als auch den ganzen inneren Gliederbau derselben. Denn das hat die reine, spekulative Vernunft Eigentuemliches an sich, dass sie ihr eigen Vermoegen, nach Verschiedenheit der Art, wie sie sich Objekte zum Denken waehlt, ausmessen, und auch selbst die mancherlei Arten, sich Aufgaben vorzulegen, vollstaendig vorzaehlen, und so den ganzen Vorriss zu einem System der Metaphysik verzeichnen kann und soll; weil, was das erste betrifft, in der Erkenntnis a priori den Objekten nichts beigelegt werden kann, als was das denkende Subjekt aus sich selbst hernimmt, und, was das zweite anlangt, sie in Ansehung der Erkenntnisprinzipien eine ganz abgesonderte, fuer sich bestehende Einheit ist, in welcher ein jedes Glied, wie in einem organisierten Koerper, um aller anderen und alle um eines willen da sind, und kein Prinzip mit Sicherheit in einer Beziehung genommen werden kann, ohne es zugleich in der durchgaengigen Beziehung zum ganzen reinen Vernunftgebrauch untersucht zu haben. Dafuer aber hat auch die Metaphysik das seltene Glueck, welches keiner anderen Vernunftwissenschaft, die es mit Objekten zu tun hat (denn die Logik beschaeftigt sich nur mit der Form des Denkens ueberhaupt), zuteil werden kann, dass, wenn sie durch diese Kritik in den sicheren Gang einer Wissenschaft gebracht worden, sie das ganze Feld der fuer sie gehoerigen Erkenntnisse voellig befassen und also ihr Werk vollenden und fuer die Nachwelt, als einen nie zu vermehrenden Hauptstuhl, zum Gebrauche niederlegen kann, weil sie es bloss mit Prinzipien und den Einschraenkungen ihres Gebrauchs zu tun hat, welche durch jene selbst bestimmt werden. Zu dieser Vollstaendigkeit ist sie daher, als Grundwissenschaft, auch verbunden, und von ihr muss gesagt werden koennen: nil actum reputam, si quid superesset agendum 1). 1. "Sie haelt noch nichts fuer erledigt, so lange noch etwas zu tun uebrig ist." Aber was ist denn das, wird man fragen, fuer ein Schatz, den wir der Nachkommenschaft mit einer solchen durch Kritik gelaeuterten, dadurch aber auch in einen beharrlichen Zustand gebrachten Metaphysik zu hinterlassen gedenken? Man wird bei einer fluechtigen Uebersicht dieses Werkes wahrzunehmen glauben, dass der Nutzen davon doch nur negativ sei, uns naemlich mit der spekulativen Vernunft niemals ueber die Erfahrungsgrenze hinaus zu wagen, und das ist auch in der Tat ihr erster Nutzen. Dieser aber wird alsbald positiv, wenn man inne wird, dass die Grundsaetze, mit denen sich spekulative Vernunft ueber ihre Grenze hinauswagt, in der Tat nicht Erweiterung, sondern, wenn man sie naeher betrachtet, Verengung unseres Vernunftgebrauchs zum unausbleiblichen Erfolg haben, indem sie wirklich die Grenzen der Sinnlichkeit, zu der sie eigentlich gehoeren, ueber alles zu erweitern und so den reinen (praktischen) Vernunftgebrauch gar zu verdraengen drohen. Daher ist eine Kritik, welche die erstere einschraenkt, sofern zwar negativ, aber, indem sie dadurch zugleich ein Hindernis, welches den letzteren Gebrauch einschraenkt oder gar zu vernichten droht, aufhebt, in der Tat von positivem und sehr wichtigem Nutzen, sobald man ueberzeugt wird, dass es einen schlechterdings notwendigen praktischen Gebrauch der reinen Vernunft (den moralischen) gebe, in welchem sie sich unvermeidlich ueber die Grenzen der Sinnlichkeit erweitert, dazu sie zwar von der spekulativen keiner Beihilfe bedarf, dennoch aber wider ihre Gegenwirkung gesichert sein muss, um nicht in Widerspruch mit sich selbst zu geraten. Diesem Dienste der Kritik den positiven Nutzen abzusprechen, waere eben so viel, als sagen, dass Polizei keinen positiven Nutzen schaffe, weil ihr Hauptgeschaeft doch nur ist, der Gewalttaetigkeit, welche Buerger von Buergern zu besorgen haben, einen Riegel vorzuschieben, damit ein jeder seine Angelegenheit ruhig und sicher treiben koenne. Dass Raum und Zeit nur Formen der sinnlichen Anschauung, also nur Bedingungen der Existenz der Dinge als Erscheinungen sind, dass wir ferner keine Verstandesbegriffe, mithin auch gar keine Elemente zur Erkenntnis der Dinge haben, als sofern diesen Begriffen korrespondierende Anschauung gegeben werden kann, folglich wir von keinem Gegenstande als Dinge an sich selbst, nur sofern es Objekt der sinnlichen Anschauung ist, d.i. als Erscheinung, Erkenntnis haben koennen, wird im analytischen Teile der Kritik bewiesen; woraus denn freilich die Einschraenkung aller nur moeglichen spekulativen Erkenntnis der Vernunft auf blosse Gegenstaende der Erfahrung folgt. Gleichwohl wird, welches wohl gemerkt werden muss, doch dabei immer vorbehalten, dass wir eben dieselben Gegenstaende auch als Dinge an sich selbst, wenn gleich nicht erkennen, doch wenigstens muessen denken koennen*. Denn sonst wuerde der ungereimte Satz daraus folgen, dass Erscheinung ohne etwas waere, was da erscheint. Nun wollen wir annehmen, die durch unsere Kritik notwendiggemachte Unterscheidung der Dinge als Gegenstaende der Erfahrung, von eben denselben, als Dingen an sich selbst, waere gar nicht gemacht, so musste der Grundsatz der Kausalitaet und mithin der Naturmechanismus in Bestimmung derselben durchaus von allen Dingen ueberhaupt als wirkenden Ursachen gelten. Von eben demselben Wesen also, z.B. der menschlichen Seele, wuerde ich nicht sagen koennen, ihr Wille sei frei, und er sei doch zugleich der Naturnotwendigkeit unterworfen, d.i. nicht frei, ohne in einen offenbaren Widerspruch zu geraten; weil ich die Seele in beiden Saetzen in eben derselben Bedeutung, naemlich als Ding ueberhaupt (als Sache an dich selbst) genommen habe, und, ohne vorhergehende Kritik, auch nicht anders nehmen konnte. Wenn aber die Kritik nicht geirrt hat, da sie das Objekt in zweierlei Bedeutung nehmen lehrt, naemlich als Erscheinung, oder als Ding an sich selbst; wenn die Deduktion ihrer Verstandesbegriffe richtig ist, mithin auch der Grundsatz der Kausalitaet nur auf Dinge im ersten Sinne genommen, naemlich sofern sie Gegenstaende der Erfahrung sind, geht, eben dieselben aber nach der zweiten Bedeutung ihm nicht unterworfen sind, so wird eben derselbe Wille in der Erscheinung (den sichtbaren Handlungen) als dem Naturgesetze notwendig gemaess und sofern nicht frei, und doch andererseits, als einem Dinge an sich selbst angehoerig, jenem nicht unterworfen, mithin als frei gedacht, ohne dass hierbei ein Widerspruch vorgeht. Ob ich nun gleich meine Seele, von der letzteren Seite betrachtet, durch keine spekulative Vernunft (noch weniger durch empirische Beobachtung), mithin auch nicht die Freiheit als Eigenschaft eines Wesens, dem ich Wirkungen in der Sinnenwelt zuschreibe, erkennen kann, darum weil ich ein solches seiner Existenz nach, und doch nicht in der Zeit, bestimmt erkennen muesste, (welches, weil ich meinem Begriffe keine Anschauung unterlegen kann, unmoeglich ist), so kann ich mir doch die Freiheit denken, d.i. die Vorstellung davon enthaelt wenigstens keinen Widerspruch in sich, wenn unsere kritische Unterscheidung beider (der sinnlichen und intellektuellen) Vorstellungsarten und die davon herruehrende Einschraenkung der reinen Verstandesbegriffe, mithin auch der aus ihnen fliessenden Grundsaetze, statt hat. Gesetzt nun, die Moral setze notwendig Freiheit (im strengsten Sinne) als Eigenschaft unseres Willens voraus, indem sie praktische in unserer Vernunft liegende urspruengliche Grundsaetze als Data derselben a priori anfuehrt, die ohne Voraussetzung der Freiheit schlechterdings unmoeglich waeren, die spekulative Vernunft aber haette bewiesen, dass diese sich gar nicht denken lasse, so muss notwendig jene Voraussetzung, naemlich die moralische, derjenigen weichen, deren Gegenteil einen offenbaren Widerspruch enthaelt, folglich Freiheit und mit ihr Sittlichkeit (denn deren Gegenteil enthaelt keinen Widerspruch, wenn nicht schon Freiheit vorausgesetzt wird,) dem Naturmechanismus den Platz einraeumen. So aber, da ich zur Moral nichts weiter brauche, als dass Freiheit sich nur nicht selbst widerspreche, und sich also doch wenigstem denken lasse, ohne noetig zu haben, sie weiter einzusehen, dass sie also dem Naturmechanismus eben derselben Handlung (in anderer Beziehung genommen) gar kein Hindernis in den Weg lege: so behauptet die Lehre der Sittlichkeit ihren Platz, und die Naturlehre auch den ihrigen, welches aber nicht stattgefunden haette, wenn nicht Kritik uns zuvor von unserer unvermeidlichen Unwissenheit in Ansehung der Dinge an sich selbst belehrt, und alles, was wir theoretisch erkennen koennen, auf blosse Erscheinungen eingeschraenkt haette. Eben diese Eroerterung des positiven Nutzens kritischer Grundsaetze der reinen Vernunft laesst sich in Ansehung des Begriffs von Gott und der einfachen Natur unserer Seele zeigen, die ich aber der Kuerze halber vorbeigehe. Ich kann also Gott, Freiheit und Unsterblichkeit zum Behuf des notwendigen praktischen Gebrauchs meiner Vernunft nicht einmal annehmen, wenn ich nicht der spekulativen Vernunft zugleich ihre Anmassung ueberschwenglicher Einsichten benehme, weil sie sich, um zu diesen zu gelangen, solcher Grundsaetze bedienen muss, die, indem sie in der Tag bloss auf Gegenstaende moeglicher Erfahrung reichen, wenn sie gleichwohl auf das angewandt werden, was nicht ein Gegenstand der Erfahrung sein kann, wirklich dieses jederzeit in Erscheinung verwandeln, und so alle praktische Erweiterung der reinen Vernunft fuer unmoeglich erklaeren. Ich musste also das Wissen aufheben, um zum Glauben Platz zu bekommen, und der Dogmatismus der Metaphysik, d.i. das Vorurteil, in ihr ohne Kritik der reinen Vernunft fortzukommen, ist die wahre Quelle alles der Moralitaet widerstreitenden Unglaubens, der jederzeit gar sehr dogmatisch ist. - Wem es also mit einer nach Massgabe der Kritik der reinen Vernunft abgefassten systematischen Metaphysik eben nicht schwer sein kann, der Nachkommenschaft ein Vermaechtnis zu hinterlassen, so ist dies kein fuer gering zu achtendes Geschenk; man mag nun bloss auf die Kultur der Vernunft durch den sicheren Gang einer Wissenschaft ueberhaupt, in Vergleichung mit dem grundlosen Tappen und leichtsinnigen Herumstreifen derselben ohne Kritik sehen, oder auch auf bessere Zeitanwendung einer wissbegierigen Jugend, die beim gewoehnlichen Dogmatismus so fruehe und so viele Aufmunterung bekommt, ueber Dinge, davon sie nichts versteht, und darin sie, so wie niemand in der Welt, auch nie etwas einsehen wird, bequem zu vernuenfteln, oder gar auf Erfindung neuer Gedanken und Meinungen auszugehen, und so die Erlernung gruendlicher Wissenschaften zu verabsaeumen; am meisten aber, wenn man den unschaetzbaren Vorteil in Anschlag bringt, allen Einwuerfen wider Sittlichkeit und Religion auf sokratische Art, naemlich durch den klarsten Beweis der Unwissenheit der Gegner, auf alle kuenftige Zeit ein Ende zu machen. Denn irgend eine Metaphysik ist immer in der Welt gewesen, und wird auch wohl ferner, mit ihr aber auch eine Dialektik der reinen Vernunft, weil sie ihr natuerlich ist, darin anzutreffen sein. Es ist also die erste und wichtigste Angelegenheit der Philosophie, einmal fuer allemal ihr dadurch, dass man die Quelle der Irrtuemer verstopft, allen nachteiligen Einfluss zu benehmen. * Einen Gegenstand erkennen, dazu wird erfordert, dass ich seine Moeglichkeit (es sei nach dem Zeugnis der Erfahrung aus seiner Wirklichkeit, oder a priori durch Vernunft) beweisen koenne. Aber denken kann ich, was ich will, wenn ich mir nur nicht selbst widerspreche, d.i. wenn mein Begriff nur ein moeglicher Gedanke ist, ob ich zwar dafuer nicht stehen kann, ob im Inbegriffe aller Moeglichkeiten diesem auch ein Objekt korrespondiere oder nicht. Um einem solchen Begriffe aber objektive Gueltigkeit (reale Moeglichkeit, denn die erstere war bloss die logische) beizulegen, dazu wird etwas mehr erfordert. Dieses Mehrere aber braucht eben nicht in theoretischen Erkenntnisquellen gesucht zu werden, es kann auch in praktischen liegen. Bei dieser wichtigen Veraenderung im Felde der Wissenschaften, und dem Verluste, den spekulative Vernunft an ihrem bisher eingebildeten Besitze erleiden muss, bleibt dennoch alles mit der allgemeinen menschlichen Angelegenheit, und dem Nutzen, den die Welt bisher aus den Lehren der reinen Vernunft zog, in demselben vorteilhaften Zustande, als es jemalen war, und der Verlust trifft nur das Monopol der Schulen, keineswegs aber das Interesse der Menschen. Ich frage den unbiegsamsten Dogmatiker, ob der Beweis von der Fortdauer unserer Seele nach dem Tode aus der Einfachheit der Substanz, ob der von der Freiheit des Willens gegen den allgemeinen Mechanismus durch die subtilen, obzwar ohnmaechtigen Unterscheidungen subjektiver und objektiver praktischer Notwendigkeit, oder ob der vom Dasein Gottes aus dem Begriffe eines allerrealsten Wesens, (der Zufaelligkeit des Veraenderlichen, und der Notwendigkeit eines ersten Bewegers,) nachdem sie von den Schulen ausgingen, jemals haben bis zum Publikum gelangen und auf dessen Ueberzeugung den mindesten Einfluss haben koennen? Ist dieses nun nicht geschehen, und kann es auch, wegen der Untauglichkeit des gemeinen Menschenverstandes zu so subtiler Spekulation, niemals erwartet werden; hat vielmehr, was das erstere betrifft, die jedem Menschen bemerkliche Anlage seiner Natur, durch das Zeitliche (als zu den Anlagen seiner ganzen Bestimmung unzulaenglich) nie zufrieden gestellt werden zu koennen, die Hoffnung eines kuenftigen Lebens, in Ansehung des zweiten die blosse klare Darstellung der Pflichten im Gegensatze aller Ansprueche der Neigungen das Bewusstsein der Freiheit, und endlich, was das dritte anlangt, die herrliche Ordnung, Schoenheit und Fuersorge, die allerwaerts in der Natur hervorblickt, allein den Glauben an einen weisen und grossen Welturheber, die sich aufs Publikum verbreitende Ueberzeugung, sofern sie auf Vernunftgruenden beruht, ganz allein bewirken muessen: so bleibt ja nicht allein dieser Besitz ungestoert, sondern er gewinnt vielmehr dadurch noch an Ansehen, dass die Schulen nunmehr belehrt werden, sich keine hoehere und ausgebreitetere Einsicht in einem Punkte anzumassen, der die allgemeine menschliche Angelegenheit betrifft, als diejenige ist, zu der die grosse (fuer uns achtungswuerdigste) Menge auch eben so leicht gelangen kann, und sich also auf die Kultur dieser allgemein fasslichen und in moralischer Absicht hinreichenden Beweisgruende allein einzuschraenken. Die Veraenderung betrifft also bloss die arroganten Ansprueche der Schulen, die sich gerne hierin (wie sonst mit Recht in vielen anderen Stuecken) fuer die alleinigen Kenner und Aufbewahrer solcher Wahrheiten moechten halten lassen, von denen sie dem Publikum nur den Gebrauch mitteilen, den Schluessel derselben aber fuer sich behalten (quod mecum nescit, solus vult scire videri). Gleichwohl ist doch auch fuer einen billigeren Anspruch des spekulativen Philosophen gesorgt. Er bleibt immer ausschliesslich Depositaer einer dem Publikum ohne dessen Wissen nuetzlichen Wissenschaft, naemlich der Kritik der Vernunft; denn die kann niemals populaer werden, hat aber auch nicht noetig, es zu sein; weil, so wenig dem Volke die fein gesponnenen Argumente fuer nuetzliche Wahrheiten in den Kopf wollen, ebensowenig kommen ihm auch die eben so subtilen Einwuerfe dagegen jemals in den Sinn; dagegen, weil die Schule, so wie jeder sich zur Spekulation erhebende Mensch, unvermeidlich in beide geraet, jene dazu verbunden ist, durch gruendliche Untersuchung der Rechte der spekulativen Vernunft einmal fuer allemal dem Skandal vorzubeugen, das ueber kurz oder lang selbst dem Volke aus den Streitigkeiten aufstossen muss, in welche sich Metaphysiker (und als solche endlich auch wohl Geistliche) ohne Kritik unausbleiblich verwickeln, und die selbst nachher ihre Lehren verfaelschen. Durch diese kann nun allein dem Materialismus, Fatalismus, Atheismus, dem freigeisterischen Unglauben, der Schwaermerei und Aberglauben, die allgemein schaedlich werden koennen, zuletzt auch dem Idealismus und Skeptizismus, die mehr den Schulen gefaehrlich sind und schwerlich ins Publikum uebergehen koennen, selbst die Wurzel abgeschnitten werden. Wenn Regierungen sich ja mit Angelegenheiten der Gelehrten zu befassen gut finden, so wuerde es ihrer weisen Fuersorge fuer Wissenschaften sowohl als Menschen weit gemaesser sein, die Freiheit einer solchen Kritik zu beguenstigen, wodurch die Vernunftbearbeitungen allein auf einen festen Fuss gebracht werden koennen, als den laecherlichen Despotismus der Schulen zu unterstuetzen, welche ueber oeffentliche Gefahr ein lautes Geschrei erheben, wenn man ihre Spinneweben zerreisst, von denen doch das Publikum niemals Notiz genommen hat, und deren Verlust es also auch nie fuehlen kann. Die Kritik ist nicht dem dogmatischen Verfahren der Vernunft in ihrem reinen Erkenntnis als Wissenschaft entgegengesetzt, (denn diese muss jederzeit dogmatisch, d.i. aus sicheren Prinzipien a priori strenge beweisend sein,) sondern dem Dogmatismus, d.i. der Anmassung, mit einer reinen Erkenntnis aus Begriffen (der philosophischen), nach Prinzipien, so wie sie die Vernunft laengst im Gebrauche hat, ohne Erkundigung der Art und des Rechts, womit sie dazu gelangt ist, allein fortzukommen. Dogmatismus ist also das dogmatische Verfahren der reinen Vernunft, ohne vorangehende Kritik ihres eigenen Vermoegens. Diese Entgegensetzung soll daher nicht der geschwaetzigen Seichtigkeit, unter dem angemassten Namen der Popularitaet, oder wohl gar dem Skeptizismus, der mit der ganzen Metaphysik kurzen Prozess macht, das Wort reden; vielmehr ist die Kritik die notwendige vorlaeufige Veranstaltung zur Befoerderung einer gruendlichen Metaphysik als Wissenschaft, die notwendig dogmatisch und nach der strengsten Forderung systematisch, mithin schulgerecht (nicht populaer) ausgefuehrt werden muss; denn diese Forderung an sie, da sie sich anheischig macht, gaenzlich a priori, mithin zu voelliger Befriedigung der spekulativen Vernunft ihr Geschaeft auszufuehren, ist unnachlaesslich. In der Ausfuehrung also des Plans, den die Kritik vorschreibt, d.i. im kuenftigen System der Metaphysik, muessen wir dereinst der strengen Methode des beruehmten Wolf, des groessten unter allen dogmatischen Philosophen, folgen, der zuerst das Beispiel gab, (und durch dies Beispiel der Urheber des bisher noch nicht erloschenen Geistes der Gruendlichkeit in Deutschland wurde,) wie durch gesetzmaessige Feststellung der Prinzipien, deutliche Bestimmung der Begriffe, versuchte Strenge der Beweise, Verhuetung kuehner Spruenge in Folgerungen der sichere Gang einer Wissenschaft zu nehmen sei, der auch eben darum eine solche, als Metaphysik ist, in diesen Stand zu versetzen vorzueglich geschickt war, wenn es ihm beigefallen waere, durch Kritik des Organs, naemlich der reinen Vernunft selbst, sich das Feld vorher zu bereiten: ein Mangel, der nicht sowohl ihm, als vielmehr der dogmatischen Denkungsart seines Zeitalters beizumessen ist, und darueber die Philosophen seiner sowohl, als aller vorigen Zeiten einander nichts vorzuwerfen haben. Diejenigen, welche seine Lehrart und doch zugleich auch das Verfahren der Kritik der reinen Vernunft verwerfen, koennen nichts anderes im Sinne haben, als die Fesseln der Wissenschaft gar abzuwerfen, Arbeit in Spiel, Gewissheit in Meinung und Philosophie in Philodoxie zu verwandeln. Was diese zweite Auflage betrifft, so habe ich, wie billig, die Gelegenheit derselben nicht vorbei lassen wollen, um den Schwierigkeiten und der Dunkelheit so viel moeglich abzuhelfen, woraus manche Missdeutungen entsprungen sein moegen, welche scharfsinnigen Maennern, vielleicht nicht ohne meine Schuld, in der Beurteilung dieses Buchs aufgestossen sind. In den Saetzen selbst und ihren Beweisgruenden, imgleichen der Form sowohl als der Vollstaendigkeit des Plans, habe ich nichts zu aendern gefunden; welches teils der langen Pruefung, der ich sie unterworfen hatte, ehe ich es dem Publikum vorlegte, teils der Beschaffenheit der Sache selbst, naemlich der Natur einer reinen spekulativen Vernunft, beizumessen ist, die einen wahren Gliederbau enthaelt, worin alles Organ ist, naemlich alles um eines willen und ein jedes Einzelne um aller willen, mithin jede noch so kleine Gebrechlichkeit, sie sei ein Fehler (Irrtum) oder Mangel, sich im Gebrauche unausbleiblich verraten muss. In dieser Unveraenderlichkeit wird sich dieses System, wie ich hoffe, auch fernerhin behaupten. Nicht Eigenduenkel, sondern bloss die Evidenz, welche das Experiment der Gleichheit des Resultats, im Ausgange von den mindesten Elementen bis zum Ganzen der reinen Vernunft, und im Rueckgange vom Ganzen (denn auch dieses ist fuer sich durch die Endabsicht derselben im Praktischen gegeben) zu jedem Teile bewirkt, indem der Versuch, auch nur den kleinsten Teil abzuaendern, sofort Widersprueche, nicht bloss des Systems, sondern der allgemeinen Menschenvernunft herbeifuehrt, berechtigt mich zu diesem Vertrauen. Allein in der Darstellung ist noch viel zu tun, und hierin habe ich mit dieser Auflage Verbesserungen versucht, welche teils dem Missverstande der Aesthetik, vornehmlich dem im Begriffe der Zeit, teils der Dunkelheit der Deduktion der Verstandesbegriffe, teils dem vermeintlichen Mangel einer genuegsamen Evidenz in den Beweisen der Grundsaetze des reinen Verstandes, teils endlich der Missdeutung der der rationalen Psychologie vorgerueckten Paralogismen abhelfen sollen. Bis hierher (naemlich nur bis zu Ende des ersten Hauptstuecks der transzendentalen Dialektik) und weiter nicht erstrecken sich meine Abaenderungen der Darstellungsart*, weil die Zeit zu kurz und mir in Ansehung des uebrigen auch kein Missverstand sachkundiger und unparteiischer Pruefer vorgekommen war, welche, auch ohne dass ich sie mit dem ihnen gebuehrenden Lobe nennen darf, die Ruecksicht, die ich auf ihre Erinnerungen genommen habe, schon von selbst an ihren Stellen antreffen werden. Mit dieser Verbesserung aber ist ein kleiner Verlust fuer den Leser verbunden, der nicht zu verhueten war, ohne das Buch gar zu voluminoes zu machen, naemlich, dass verschiedenes, was zwar nicht wesentlich zur Vollstaendigkeit des Ganzen gehoert, mancher Leser aber doch ungern missen moechte, indem es sonst in anderer Absicht brauchbar sein kann, hat weggelassen oder abgekuerzt vorgetragen werden muessen, um meiner, wie ich hoffe, jetzt fasslicheren Darstellung Platz zu machen, die im Grunde in Ansehung der Saetze und selbst ihrer Beweisgruende, schlechterdings nichts veraendert, aber doch in der Methode des Vortrags hin und wieder so von der vorigen abgeht, dass sie durch Einschaltungen sich nicht bewerkstelligen liess. Dieser kleine Verlust, der ohnedem, nach jedes Belieben, durch Vergleichung mit der ersten Auflage ersetzt werden kann, wird durch die groessere Fasslichkeit, wie ich hoffe, ueberwiegend ersetzt. Ich habe in verschiedenen oeffentlichen Schriften (teils bei Gelegenheit der Rezension mancher Buecher, teils in besonderen Abhandlungen) mit dankbarem Vergnuegen wahrgenommen, dass der Geist der Gruendlichkeit in Deutschland nicht erstorben, sondern nur durch den Modeton einer geniemaessigen Freiheit im Denken auf kurze Zeit ueberschrieen worden, und dass die dornigen Pfade der Kritik, die zu einer schulgerechten, aber als solche allein dauerhaften und daher hoechstnotwendigen Wissenschaft der reinen Vernunft fuehren, mutige und helle Koepfe nicht gehindert haben, sich derselben zu bemeistern. Diesen verdienten Maennern, die mit der Gruendlichkeit der Einsicht noch das Talent einer lichtvollen Darstellung (dessen ich mir eben nicht bewusst bin) so gluecklich verbinden, ueberlasse ich meine in Ansehung der letzteren hin und wieder etwa noch mangelhafte Bearbeitung zu vollenden, denn widerlegt zu werden ist in diesem Falle keine Gefahr, wohl aber nicht verstanden zu werden. Meinerseits kann ich mich auf Streitigkeiten von nun an nicht einlassen, ob ich zwar auf alle Winke, es sei von Freunden oder Gegnern, sorgfaeltig achten werde, um sie in der kuenftigen Ausfuehrung des Systems dieser Propaedeutik gemaess zu benutzen. Da ich waehrend dieser Arbeiten schon ziemlich tief ins Alter fortgerueckt bin (in diesem Monat ins vierundsechzigste Jahr,) so muss ich, wenn ich meinen Plan, die Metaphysik der Natur sowohl als der Sitten, als Bestaetigung der Richtigkeit der Kritik der spekulativen sowohl als praktischen Vernunft, zu liefern, ausfuehren will, mit der Zeit sparsam verfahren, und die Aufhellung sowohl der in diesem Werke anfangs kaum vermeidlichen Dunkelheiten, als die Verteidigung den Ganzen von den verdienten Maennern, die es sich zu eigen gemacht haben, erwarten. An einzelnen Stellen laesst sich jeder philosophische Vortrag zwacken, (denn er kann nicht so gepanzert auftreten, als der mathematische,) indessen, dass doch der Gliederbau des Systems, als Einheit betrachtet, dabei nicht die mindeste Gefahr laeuft, zu dessen Uebersicht, wenn es neu ist, nur wenige die Gewandtheit des Geistes, noch wenigere aber, weil ihnen alle Neuerung ungelegen kommt, Lust besitzen. Auch scheinbare Widersprueche lassen sich, wenn man einzelne Stellen, aus ihrem Zusammenhange gerissen, gegeneinander vergleicht, in jeder, vornehmlich als freie Rede fortgehenden Schrift ausklauben, die in den Augen dessen, der sich auf fremde Beurteilung verlaesst, ein nachteiliges Licht auf diese werfen, demjenigen aber, der sich der Idee im Ganzen bemaechtigt hat, sehr leicht aufzuloesen sind. Indessen, wenn eine Theorie in sich Bestand hat, so dienen Wirkung und Gegenwirkung, die ihr anfaenglich grosse Gefahr drohten, mit der Zeit nur dazu, um ihre Unebenheiten abzuschleifen, und wenn sich Maenner von Unparteilichkeit, Einsicht und wahrer Popularitaet damit beschaeftigen, ihr in kurzer Zeit auch die erforderliche Eleganz zu verschaffen. Koenigsberg, im Aprilmonat 1787. * Eigentliche Vermehrung, aber doch nur in der Beweisart, koennte ich nur die nennen, die ich durch eine neue Widerlegung des psychologischen Idealismus, und einen strengen (wie ich glaube auch einzig moeglichen) Beweis von der objektiven Realitaet der aeusseren Anschauung S. 273 gemacht habe. Der Idealismus mag in Ansehung der wesentlichen Zwecke der Metaphysik fuer noch so unschuldig gehalten werden, (das er in der Tat nicht ist,) so bleibt es immer ein Skandal der Philosophie und allgemeinen Menschenvernunft, das Dasein der Dinge ausser uns (von denen wir doch den ganzen Stoff zu Erkenntnissen selbst fuer unseren inneren Sinn her haben) bloss auf Glauben annehmen zu muessen, und, wenn es jemand einfaellt es zu bezweifeln, ihm keinen genugtuenden Beweis entgegenstellen zu koennen. Weil sich in den Ausdruecken des Beweises von der dritten Zeile bis zur sechsten einige Dunkelheit findet, so bitte ich diesen Period so umzuaendern: "Dieses Beharrliche aber kann nicht eine Anschauung in mir sein. Denn alle Bestimmungsgruende meines Daseins, die in mir angetroffen werden koennen, sind Vorstellungen, und beduerfen, als solche, selbst ein von ihnen unterschiedenes Beharrliches, worauf in Beziehung der Wechsel derselben, mithin mein Dasein in der Zeit, darin sie wechseln, bestimmt werden koenne." Man wird gegen diesen Beweis vermutlich sagen: ich bin mir doch nur dessen, was in mir ist, d.i. meiner Vorstellung aeusserer Dinge, unmittelbar bewusst; folglich bleibe es immer noch unausgemacht, ob etwas ihr Korrespondierendes ausser mir sei, oder nicht. Allein ich bin mir meines Daseins in der Zeit (folglich auch der Bestimmbarkeit desselben in dieser) durch innere Erfahrung bewusst, und dieses ist mehr, als bloss mich meiner Vorstellung bewusst zu sein, doch aber einerlei mit dem empirischen Bewusstsein meines Daseins, welches nur durch Beziehung auf etwas, was mit meiner Existenz verbunden, ausser mir ist, bestimmbar ist. Dieses Bewusstsein meines Daseins in der Zeit ist also mit dem Bewusstsein eines Verhaeltnisses zu etwas ausser mir identisch verbunden, und es ist also Erfahrung und nicht Erdichtung, Sinn und nicht Einbildungskraft, welches das Aeussere mit meinem inneren Sinn unzertrennlich verknuepft; denn der aeussere Sinn ist schon an sich Beziehung der Anschauung auf etwas Wirkliches ausser mir, und die Realitaet desselben, zum Unterschiede von der Einbildung, beruht nur darauf, dass er mit der inneren Erfahrung selbst, als die Bedingung der Moeglichkeit derselben unzertrennlich verbunden werde, welches hier geschieht. Wenn ich mit dem intellektuellen Bewusstsein meines Daseins, in der Vorstellung Ich bin, welche alle meine Urteile und Verstandeshandlungen begleitet, zugleich eine Bestimmung meines Daseins durch intellektuelle Anschauung verbinden koennte, so waere zu derselben das Bewusstsein eines Verhaeltnisses zu etwas ausser mir nicht notwendig gehoerig. Nun aber jenes intellektuelle Bewusstsein zwar vorangeht, aber die innere Anschauung, in der mein Dasein allein bestimmt werden kann, sinnlich und an Zeitbedingung gebunden ist, diese Bestimmung aber, mithin die innere Erfahrung selbst, von etwas Beharrlichem, welches in mir nicht ist, folglich nur in etwas ausser mir, wogegen ich mich in Relation betrachten muss, abhaengt: so ist die Realitaet des aeusseren Sinnes mit der des inneren, zur Moeglichkeit einer Erfahrung ueberhaupt, notwendig verbunden: d.i. ich bin mir eben so sicher bewusst, dass es Dinge ausser mir gebe, die sich auf meinen Sinn beziehen, als ich mir bewusst bin, dass ich selbst in der Zeit bestimmt existiere. Welchen gegebenen Anschauungen nun aber wirklich Objekte ausser mir korrespondieren, und die also zum aeusseren Sinne gehoeren, welchem sie und nicht der Einbildungskraft zuzuschreiben sind, muss nach den Regeln, nach welchen Erfahrung ueberhaupt (selbst innere) von Einbildung unterschieden wird, in jedem besonderen Falle ausgemacht werden, wobei der Satz: dass es wirklich aeussere Erfahrung gebe, immer zum Grunde liegt. Man kann hiezu noch die Anmerkung fuegen: die Vorstellung von etwas Beharrlichem im Dasein ist nicht einerlei mit der beharrlichen Vorstellung; denn diese kann sehr wandelbar und wechselnd sein, wie alle unsere und selbst die Vorstellungen der Materie, und bezieht sich doch auf etwas Beharrliches, welches also ein von allen meinen Vorstellungen unterschiedenes und aeusseres Ding sein muss, dessen Existenz in der Bestimmung meines eigenen Daseins notwendig mit eingeschlossen wird, und mit derselben nur eine einzige Erfahrung ausmacht, die nicht einmal innerlich stattfinden wuerde, wenn sie nicht (zum Teil) zugleich aeusserlich waere. Das Wie? laesst sich hier ebensowenig weiter erklaeren, als wie wir ueberhaupt das Stehende in der Zeit denken, dessen Zugleichsein mit dem Wechselnden den Begriff der Veraenderung hervorbringt. Einleitung I. Von dem Unterschiede der reinen und empirischen Erkenntnis Dass alle unsere Erkenntnis mit der Erfahrung anfange, daran ist gar kein Zweifel; denn wodurch sollte das Erkenntnisvermoegen sonst zur Ausuebung erweckt werden, geschaehe es nicht durch Gegenstaende, die unsere Sinne ruehren und teils von selbst Vorstellungen bewirken, teils unsere Verstandestaetigkeit in Bewegung bringen, diese zu vergleichen, sie zu verknuepfen oder zu trennen, und so den rohen Stoff sinnlicher Eindruecke zu einer Erkenntnis der Gegenstaende zu verarbeiten, die Erfahrung heisst? Der Zeit nach geht also keine Erkenntnis in uns vor der Erfahrung vorher, und mit dieser faengt alle an. Wenn aber gleich alle unsere Erkenntnis mit der Erfahrung anhebt, so entspringt sie darum doch nicht eben alle aus der Erfahrung. Denn es koennte wohl sein, dass selbst unsere Erfahrungserkenntnis ein Zusammengesetztes aus dem sei, was wir durch Eindruecke empfangen, und dem, was unser eigenes Erkenntnisvermoegen (durch sinnliche Eindruecke bloss veranlasst) aus sich selbst hergibt, welchen Zusatz wir von jenem Grundstoffe nicht eher unterscheiden, als bis lange Uebung uns darauf aufmerksam und zur Absonderung desselben geschickt gemacht hat. Es ist also wenigstens eine der naeheren Untersuchung noch benoetigte und nicht auf den ersten Anschein sogleich abzufertigende Frage: ob es ein dergleichen von der Erfahrung und selbst von allen Eindruecken der Sinne unabhaengiges Erkenntnis gebe. Man nennt solche Erkenntnisse a priori, und unterscheidet sie von den empirischen, die ihre Quellen a posteriori naemlich in der Erfahrung, haben. Jener Ausdruck ist indessen noch nicht bestimmt genug, um den ganzen Sinn, der vorgelegten Frage angemessen, zu bezeichnen. Denn man pflegt wohl von mancher aus Erfahrungsquellen abgeleiteten Erkenntnis zu sagen, dass wir ihrer a priori faehig oder teilhaftig sind, weil wir sie nicht unmittelbar aus der Erfahrung, sondern aus einer allgemeinen Regel, die wir gleichwohl selbst doch aus der Erfahrung entlehnt haben, ableiten. So sagt man von jemand, der das Fundament seines Hauses untergrub: er konnte es a priori wissen, dass es einfallen wuerde, d.i. er durfte nicht auf die Erfahrung, dass es wirklich einfiele, warten. Allein gaenzlich a priori konnte er dieses doch auch nicht wissen. Denn dass die Koerper schwer sind, und daher, wenn ihnen die Stuetze entzogen wird, fallen, musste ihm doch zuvor durch Erfahrung bekannt werden. Wir werden also im Verfolg unter Erkenntnissen a priori nicht solche verstehen, die von dieser oder jener, sondern die schlechterdings von aller Erfahrung unabhaengig stattfinden. Ihnen sind empirische Erkenntnisse, oder solche, die nur a posteriori, d.i. durch Erfahrung, moeglich sind, entgegengesetzt. Von den Erkenntnissen a priori heissen aber die jenigen rein, denen gar nichts Empirisches beigemischt ist. So ist z.B. der Satz: eine jede Veraenderung hat ihre Ursache, ein Satz a priori, allein nicht rein, weil Veraenderung ein Begriff ist, der nur aus der Erfahrung gezogen werden kann. II. Wir sind im Besitze gewisser Erkenntnisse a priori, und selbst der gemeine Verstand ist niemals ohne solche Es kommt hier auf ein Merkmal an, woran wir sicher ein reines Erkenntnis vom empirischen unterscheiden koennen. Erfahrung lehrt uns zwar, dass etwas so oder so beschaffen sei, aber nicht, dass es nicht anders sein koenne. Findet sich also erstlich ein Satz, der zugleich mit seiner Notwendigkeit gedacht wird, so ist er ein Urteil a priori, ist er ueberdem auch von keinem abgeleitet, als der selbst wiederum als ein notwendiger Satz gueltig ist, so ist er schlechterdings a priori. Zweitens: Erfahrung gibt niemals ihren Urteilen wahre oder strenge, sondern nur angenommene und komparative Allgemeinheit (durch Induktion), so dass es eigentlich heissen muss: soviel wir bisher wahrgenommen haben, findet sich von dieser oder jener Regel keine Ausnahme. Wird also ein Urteil in strengen Allgemeinheit gedacht, d.i. so, dass gar keine Ausnahme als moeglich verstattet wird, so ist es nicht von der Erfahrung abgeleitet, sondern schlechterdings a priori gueltig. Die empirische Allgemeinheit ist also nur eine willkuerliche Steigerung der Gueltigkeit, von der, welche in den meisten Faellen, zu der, die in allen gilt, wie z.B. in dem Satze: alle Koerper sind schwer; wo dagegen strenge Allgemeinheit zu einem Urteile wesentlich gehoert, da zeigt diese auf einen besonderen Erkenntnisquell desselben, naemlich ein Vermoegen des Erkenntnisses a priori. Notwendigkeit und strenge Allgemeinheit sind also sichere Kennzeichen einer Erkenntnis a priori, und gehoeren auch unzertrennlich zueinander. Weil es aber im Gebrauche derselben bisweilen leichter ist, die empirische Beschraenktheit derselben, als die Zufaelligkeit in den Urteilen, oder es auch manchmal einleuchtender ist, die unbeschraenkte Allgemeinheit, die wir einem Urteile beilegen, als die Notwendigkeit desselben zu zeigen, so ist es ratsam, sich gedachter beider Kriterien, deren jedes fuer sich unfehlbar ist, abgesondert zu bedienen. Dass es nun dergleichen notwendige und im strengsten Sinne allgemeine, mithin reine Urteile a priori, im menschlichen Erkenntnis wirklich gebe, ist leicht zu zeigen. Will man ein Beispiel aus Wissenschaften, so darf man nur auf alle Saetze der Mathematik hinaussehen, will man ein solches aus dem gemeinsten Verstandesgebrauche, so kann der Satz, dass alle Veraenderung eine Ursache haben muesse, dazu dienen; ja in dem letzteren enthaelt selbst der Begriff einer Ursache so offenbar den Begriff einer Notwendigkeit der Verknuepfung mit einer Wirkung und einer strengen Allgemeinheit der Regel, dass er gaenzlich verlorengehen wuerde, wenn man ihn, wie Hume tat, von einer oeftern Beigesellung dessen, was geschieht, mit dem, was vorhergeht, und einer daraus entspringenden Gewohnheit, (mithin bloss subjektiven Notwendigkeit,) Vorstellungen zu verknuepfen, ableiten wollte. Auch koennte man, ohne dergleichen Beispiele zum Beweise der Wirklichkeit reiner Grundsaetze a priori in unserem Erkenntnisse zu beduerfen, dieser ihre Unentbehrlichkeit zur Moeglichkeit der Erfahrung selbst, mithin a priori dartun. Denn wo wollte selbst Erfahrung ihre Gewissheit hernehmen, wenn alle Regeln, nach denen sie fortgeht, immer wieder empirisch, mithin zufaellig waeren; daher man diese schwerlich fuer erste Grundsaetze gelten lassen kann. Allein hier koennen wir uns damit begnuegen, den reinen Gebrauch unseres Erkenntnisvermoegens als Tatsache samt den Kennzeichen desselben dargelegt zu haben. Aber nicht bloss in Urteilen, sondern selbst in Begriffen zeigt sich ein Ursprung einiger derselben a priori. Lasset von eurem Erfahrungsbegriffe eines Koerpers alles, was daran empirisch ist, nach und nach weg: die Farbe, die Haerte oder Weiche, die Schwere, selbst die Undurchdringlichkeit, so bleibt doch der Raum uebrig, den er (welcher nun ganz verschwunden ist) einnahm, und den koennt ihr nicht weglassen. Ebenso, wenn ihr von eurem empirischen Begriffe eines jeden, koerperlichen oder nicht koerperlichen, Objekts alle Eigenschaften weglasst, die euch die Erfahrung lehrt; so koennt ihr ihm doch nicht diejenige nehmen, dadurch ihr es als Substanz oder einer Substanz anhaengend denkt, (obgleich dieser Begriff mehr Bestimmung enthaelt, als der eines Objekts ueberhaupt). Ihr muesst also, ueberfuehrt durch die Notwendigkeit, womit sich dieser Begriff euch aufdringt, gestehen, dass er in eurem Erkenntnisvermoegen a priori seinen Sitz habe. III. Die Philosophie bedarf einer Wissenschaft, welche die Moeglichkeit, die Prinzipien und den Umfang aller Erkenntnisse a priori bestimme Was noch weit mehr sagen will als alles vorige, ist dieses, dass gewisse Erkenntnisse sogar das Feld aller moeglichen Erfahrungen verlassen, und durch Begriffe, denen ueberall kein entsprechender Gegenstand in der Erfahrung gegeben werden kann, den Umfang unserer Urteile ueber alle Grenzen derselben zu erweitern den Anschein haben. Und gerade in diesen letzteren Erkenntnissen, welche ueber die Sinnenwelt hinausgehen, wo Erfahrung gar keinen Leitfaden, noch Berichtigung geben kann, liegen die Nachforschungen unserer Vernunft, die wir, der Wichtigkeit nach, fuer weit vorzueglicher, und ihre Endabsicht fuer viel erhabener halten, als alles, was der Verstand im Felde der Erscheinungen lernen kann, wobei wir, sogar auf die Gefahr zu irren, eher alles wagen, als dass wir so angelegene Untersuchungen aus irgendeinem Grunde der Bedenklichkeit, oder aus Geringschaetzung und Gleichgueltigkeit aufgeben sollten. Diese unvermeidlichen Aufgaben der reinen Vernunft selbst sind Gott, Freiheit und Unsterblichkeit. Die Wissenschaft aber, deren Endabsicht mit allen ihren Zuruestungen eigentlich nur auf die Aufloesung derselben gerichtet ist, heisst Metaphysik, deren Verfahren im Anfange dogmatisch ist, d.i. ohne vorhergehende Pruefung des Vermoegens oder Unvermoegens der Vernunft zu einer so grossen Unternehmung zuversichtlich die Ausfuehrung uebernimmt. Nun scheint es zwar natuerlich, dass, sobald man den Boden der Erfahrung verlassen hat, man doch nicht mit Erkenntnissen, die man besitzt, ohne zu wissen woher, und auf den Kredit der Grundsaetze, deren Ursprung man nicht kennt, sofort ein Gebaeude errichten werde, ohne der Grundlegung desselben durch sorgfaeltige Untersuchungen vorher versichert zu sein, dass man also vielmehr die Frage vorlaengst werde aufgeworfen haben, wie denn der Verstand zu allen diesen Erkenntnissen a priori kommen koenne, und welchen Umfang, Gueltigkeit und Wert sie haben moegen. In der Tat ist auch nichts natuerlicher, wenn man unter dem Worte natuerlich das versteht, was billiger- und vernuenftigerweise geschehen sollte; versteht man aber darunter das, was gewoehnlichermassen geschieht, so ist hinwiederum nichts natuerlicher und begreiflicher, als dass diese Untersuchung lange unterbleiben musste. Denn ein Teil dieser Erkenntnisse, als die mathematischen, ist im alten Besitze der Zuverlaessigkeit, und gibt dadurch eine guenstige Erwartung auch fuer andere, ob diese gleich von ganz verschiedener Natur sein moegen. Ueberdem, wenn man ueber den Kreis der Erfahrung hinaus ist, so ist man sicher, durch Erfahrung nicht widerlegt zu werden. Der Reiz, seine Erkenntnisse zu erweitern, ist so gross, dass man nur durch einen klaren Widerspruch, auf den man stoesst, in seinem Fortschritte aufgehalten werden kann. Dieser aber kann vermieden werden, wenn man seine Erdichtungen nur behutsam macht, ohne dass sie deswegen weniger Erdichtungen bleiben. Die Mathematik gibt uns ein glaenzendes Beispiel, wie weit wir es, unabhaengig von der Erfahrung, in der Erkenntnis a priori bringen koennen. Nun beschaeftigt sie sich zwar mit Gegenstaenden und Erkenntnissen bloss so weit, als sich solche in der Anschauung darstellen lassen. Aber dieser Umstand wird leicht uebersehen, weil gedachte Anschauung selbst a priori gegeben werden kann, mithin von einem blossen reinen Begriff kaum unterschieden wird. Durch einen solchen Beweis von der Macht der Vernunft eingenommen, sieht der Trieb zur Erweiterung keine Grenzen. Die leichte Taube, indem sie im freien Fluge die Luft teilt, deren Widerstand sie fuehlt, koennte die Vorstellung fassen, dass es ihr im luftleeren Raum noch viel l besser gelingen werde. Ebenso verliess Plato die Sinnenwelt, weil sie dem Verstande so enge Schranken setzt, und wagte sich jenseit derselben, auf den Fluegeln der Ideen, in den leeren Raum des reinen Verstandes. Er bemerkte nicht, dass er durch seine Bemuehungen keinen Weg gewoenne, denn er hatte keinen Widerhalt, gleichsam zur Unterlage, worauf er sich steifen, und woran er seine Kraefte anwenden konnte, um den Verstand von der Stelle zu bringen. Es ist aber ein gewoehnliches Schicksal der menschlichen Vernunft in der Spekulation, ihr Gebaeude so frueh, wie moeglich, fertigzumachen, und hintennach allererst zu untersuchen, ob auch der Grund dazu gut gelegt sei. Alsdann aber werden allerlei Beschoenigungen herbeigesucht, um uns wegen dessen Tuechtigkeit zu troesten, oder auch eine solche spaete und gefaehrliche Pruefung lieber gar abzuweisen. Was uns aber waehrend dem Bauen von aller Besorgnis und Verdacht frei haelt, und mit scheinbarer Gruendlichkeit schmeichelt, ist dieses. Ein grosser Teil, und vielleicht der groesste, von dem Geschaefte unserer Vernunft, besteht in Zergliederungen der Begriffe, die wir schon von Gegenstaenden haben. Dieses liefert uns eine Menge von Erkenntnissen, die, ob sie gleich nichts weiter als Aufklaerungen oder Erlaeuterungen desjenigen sind, was in unsern Begriffen (wiewohl noch auf verworrene Art) schon gedacht worden, doch wenigstens der Form nach neuen Einsichten gleich geschaetzt werden, wiewohl sie der Materie, oder dem Inhalte nach die Begriffe, die wir haben, nicht erweitern, sondern nur auseinander setzen. Da dieses Verfahren nun eine wirkliche Erkenntnis a priori gibt, die einen sichern und nuetzlichen Fortgang hat, so erschleicht die Vernunft, ohne es selbst zu merken, unter dieser Vorspiegelung Behauptungen von ganz anderer Art, wo die Vernunft zu gegebenen Begriffen ganz fremde und zwar a priori hinzutut, ohne dass man weiss, wie sie dazu gelangen und ohne sich eine solche Frage auch nur in die Gedanken kommen zu lassen. Ich will daher gleich anfangs von dem Unterschiede dieser zweifachen Erkenntnisart handeln. IV. Von dem Unterschiede analytischer und synthetischer Urteile In allen Urteilen, worinnen das Verhaeltnis eines Subjekts zum Praedikat gedacht wird, (wenn ich nur die bejahenden erwaege, denn auf die verneinenden ist nachher die Anwendung leicht,) ist dieses Verhaeltnis auf zweierlei Art moeglich. Entweder das Praedikat B gehoert zum Subjekt A als etwas, was in diesem Begriffe A (versteckterweise) enthalten ist; oder B liegt ganz ausser dem Begriff A, ob es zwar mit demselben in Verknuepfung steht. Im ersten Fall nenne ich das Urteil analytisch, in dem andern synthetisch. Analytische Urteile (die bejahenden) sind also diejenigen, in welchen die Verknuepfung des Praedikats mit dem Subjekt durch Identitaet, diejenigen aber, in denen diese Verknuepfung ohne Identitaet gedacht wird, sollen synthetische Urteile heissen. Die ersteren koennte man auch Erlaeuterungs-, die andern Erweiterungs-Urteile heissen, weil jene durch das Praedikat nichts zum Begriff des Subjekts hinzutun, sondern diesen nur durch Zergliederung in seine Teilbegriffe zerfaellen, die in selbigen schon (obgleich verworren) gedacht waren: dahingegen die letzteren zu dem Begriffe des Subjekts ein Praedikat hinzutun, welches in jenem gar nicht gedacht war, und durch keine Zergliederung desselben haette koennen herausgezogen werden. Z.B. wenn ich sage: alle Koerper sind ausgedehnt, so ist dies ein analytisch Urteil. Denn ich darf nicht ueber den Begriff, den ich mit dem Koerper verbinde, hinausgehen, um die Ausdehnung, als mit demselben verknuepft, zu finden, sondern jenen Begriff nur zergliedern, d.i. des Mannigfaltigen, welches ich jederzeit in ihm denke, mir nur bewusst werden, um dieses Praedikat darin anzutreffen; es ist also ein analytisches Urteil. Dagegen, wenn ich sage: alle Koerper sind schwer, so ist das Praedikat etwas ganz anderes, als das, was ich in dem blossen Begriff eines Koerpers ueberhaupt denke. Die Hinzufuegung eines solchen Praedikats gibt also ein synthetisch Urteil. Erfahrungsurteile, als solche, sind insgesamt synthetisch. Denn es waere ungereimt, ein analytisches Urteil auf Erfahrung zu gruenden, weil ich aus meinem Begriffe gar nicht hinausgehen darf, um das Urteil abzufassen, und also kein Zeugnis der Erfahrung dazu noetig habe. Dass ein Koerper ausgedehnt sei, ist ein Satz, der a priori feststeht, und kein Erfahrungsurteil. Denn, ehe ich zur Erfahrung gehe, habe ich alle Bedingungen zu meinem Urteile schon in dem Begriffe, aus welchem ich das Praedikat nach dem Satze des Widerspruchs nur herausziehen, und dadurch zugleich der Notwendigkeit des Urteils bewusst werden kann, welche mir Erfahrung nicht einmal lehren wuerde. Dagegen, ob ich schon in dem Begriff eines Koerpers ueberhaupt das Praedikat der Schwere gar nicht einschliesse, so bezeichnet jener doch einen Gegenstand der Erfahrung durch einen Teil derselben, zu welchem ich also noch andere Teile eben derselben Erfahrung, als zu dem ersteren gehoerten, hinzufuegen kann. Ich kann den Begriff des Koerpers vorher analytisch durch die Merkmale der Ausdehnung, der Undurchdringlichkeit, der Gestalt usw., die alle in diesem Begriffe gedacht werden, erkennen. Nun erweitere ich aber meine Erkenntnis, und, indem ich auf die Erfahrung zuruecksehe, von welcher ich diesen Begriff des Koerpers abgezogen hatte, so finde ich mit obigen Merkmalen auch die Schwere jederzeit verknuepft, und fuege also diese als Praedikat zu jenem Begriffe synthetisch hinzu. Es ist also die Erfahrung, worauf sich die Moeglichkeit der Synthesis des Praedikats der Schwere mit dem Begriffe des Koerpers gruendet, weil beide Begriffe, ob zwar einer nicht in dem anderen enthalten ist, dennoch als Teile eines Ganzen, naemlich der Erfahrung, die selbst eine synthetische Verbindung der Anschauungen ist, zueinander, wiewohl nur zufaelligerweise, gehoeren. Aber bei synthetischen Urteilen a priori fehlt dieses Hilfsmittel ganz und gar. Wenn ich ueber den Begriff A hinausgehen soll, um einen andern B als damit verbunden zu erkennen, was ist das, worauf ich mich stuetze, und wodurch die Synthesis moeglich wird? da ich hier den Vorteil nicht habe, mich im Felde der Erfahrung danach umzusehen. Man nehme den Satz: Alles, was geschieht, hat seine Ursache. In dem Begriff von etwas, das geschieht, denke ich zwar ein Dasein, vor welchem eine Zeit vorhergeht usw. und daraus lassen sich analytische Urteile ziehen. Aber der Begriff einer Ursache liegt ganz ausser jenem Begriffe, und zeigt etwas von dem, was geschieht, Verschiedenes an, ist also in dieser letzteren Vorstellung gar nicht mit enthalten. Wie komme ich denn dazu, von dem, was ueberhaupt geschieht, etwas davon ganz Verschiedenes zu sagen, und den Begriff der Ursache, obzwar in jenem nicht enthalten, dennoch, als dazu und sogar notwendig gehoerig, zu erkennen. Was ist hier das Unbekannte = X, worauf sich der Verstand stuetzt, wenn er ausser dem Begriff von A ein demselben fremdes Praedikat B aufzufinden glaubt, welches er gleichwohl damit verknuepft zu sein erachtet? Erfahrung kann es nicht sein, weil der angefuehrte Grundsatz nicht allein mit groesserer Allgemeinheit, sondern auch mit dem Ausdruck der Notwendigkeit, mithin gaenzlich a priori und aus blossen Begriffen, diese zweite Vorstellungen zu der ersteren hinzugefuegt. Nun beruht auf solchen synthetischen d.i. Erweiterungs-Grundsaetzen die ganze Endabsicht unserer spekulativen Erkenntnis a priori; denn die analytischen sind zwar hoechst wichtig und noetig, aber nur um zu derjenigen Deutlichkeit der Begriffe zu gelangen, die zu einer sicheren und ausgebreiteten Synthesis, als zu einem wirklich neuen Erwerb, erforderlich ist. V. In allen theoretischen Wissenschaften der Vernunft sind synthetische Urteile a priori als Prinzipien enthalten 1. Mathematische Urteile sind insgesamt synthetisch. Dieser Satz scheint den Bemerkungen der Zergliederer der menschlichen Vernunft bisher entgangen, ja allen ihren Vermutungen gerade entgegengesetzt zu sein, ob er gleich unwidersprechlich gewiss und in der Folge sehr wichtig ist. Denn weil man fand, dass die Schluesse der Mathematiker alle nach dem Satze des Widerspruchs fortgehen, (welches die Natur einer jeden apodiktischen Gewissheit erfordert,) so ueberredet man sich, dass auch die Grundsaetze aus dem Satze des Widerspruchs erkannt wuerden; worin sie sich irrten; denn ein synthetischer Satz kann allerdings nach dem Satze des Widerspruchs eingesehen werden, aber nur so, dass ein anderer synthetischen Satz vorausgesetzt wird, aus dem er gefolgert werden kann, niemals aber an sich selbst. Zuvoerderst muss bemerkt werden: dass eigentliche mathematische Saetze jederzeit Urteile a priori und nicht empirisch sind, weil sie Notwendigkeit bei sich fuehren, welche aus Erfahrung nicht abgenommen werden kann. Will man aber dieses nicht einraeumen, wohlan, so schraenke ich meinen Satz auf die reine Mathematik ein, deren Begriff es schon mit sich bringt, dass sie nicht empirische, sondern bloss reine Erkenntnis a priori enthalte. Man sollte anfaenglich zwar denken: dass der Satz 7 + 5 = 12 ein bloss analytischer Satz sei, der aus dem Begriffe einer Summe von Sieben und Fuenf nach dem Satze des Widerspruches erfolge. Allein, wenn man es naeher betrachtet, so findet man, dass der Begriff der Summe von 7 und 5 nichts weiter enthalte, als die Vereinigung beider Zahlen in eine einzige, wodurch ganz und gar nicht gedacht wird, welches diese einzige Zahl sei, die beide zusammenfasst. Der Begriff von Zwoelf ist keineswegs dadurch schon gedacht, dass ich mir bloss jene Vereinigung von Sieben und Fuenf denke, und, ich mag meinen Begriff von einer solchen moeglichen Summe noch solange zergliedern, so werde ich doch darin die Zwoelf nicht antreffen. Man muss ueber diese Begriffe hinausgehen, indem man die Anschauung zu Hilfe nimmt, die einem von beiden korrespondiert, etwa seine fuenf Finger, oder (wie Segner in seiner Arithmetik) fuenf Punkte, und so nach und nach die Einheiten der in der Anschauung gegebenen Fuenf zu dem Begriffe der Sieben hinzutut. Denn ich nehme zuerst die Zahl 7, und, indem ich fuer den Begriff der 5 die Finger meiner Hand als Anschauung zu Hilfe nehme, so tue ich die Einheiten, die ich vorher zusammennahm, um die Zahl 5 auszumachen, nun an jenem meinem Bilde nach und nach zur Zahl 7, und sehe so die Zahl 12 entspringen. Dass 7 zu 5 hinzugetan werden sollten, habe ich zwar in dem Begriffe einer Summe = 7 + 5 gedacht, aber nicht, dass diese Summe der Zahl 12 gleich sei. Der arithmetische Satz ist also jederzeit synthetisch; welches man desto deutlicher inne wird, wenn man etwas groessere Zahlen nimmt, da es dann klar einleuchtet, dass, wir moechten unsere Begriffe drehen und wenden, wie wir wollen, wir, ohne die Anschauung zu Hilfe zu nehmen, vermittels der blossen Zergliederung unserer Begriffe die Summe niemals finden koennten. Ebensowenig ist irgendein Grundsatz der reinen Geometrie analytisch. Dass die gerade Linie zwischen zwei Punkten die kuerzeste sei, ist ein synthetischen Satz. Denn mein Begriff vom Geraden enthaelt nichts von Groesse, sondern nur eine Qualitaet. Der Begriff des Kuerzesten kommt also gaenzlich hinzu, und kann durch keine Zergliederung aus dem Begriffe der geraden Linie gezogen werden. Anschauung muss also hier zu Hilfe genommen werden, vermittels deren allein die Synthesis moeglich ist. Einige wenige Grundsaetze, welche die Geometer voraussetzen, sind zwar wirklich analytisch und beruhen auf dem Satze des Widerspruchs, sie dienen aber auch nur, wie identische Saetze, zur Kette der Methode und nicht als Prinzipien, z.B. a = a, das Ganze ist sich selber gleich, oder (a + b) > a, d.i. das Ganze ist groesser als sein Teil. Und doch auch diese selbst, ob sie gleich nach blossen Begriffen gelten, werden in der Mathematik nur darum zugelassen, weil sie in der Anschauung koennen dargestellt werden. Was uns hier gemeiniglich glauben macht, als laege das Praedikat solcher apodiktischen Urteile schon in unserm Begriffe, und das Urteil sei also analytisch, ist bloss die Zweideutigkeit des Ausdrucks. Wir sollen naemlich zu einem gegebenen Begriffe ein gewisses Praedikat hinzudenken, und diese Notwendigkeit haftet schon an den Begriffen. Aber die Frage ist nicht, was wir zu dem gegebenen Begriffe hinzudenken sollen, sondern was wir wirklich in ihm, obzwar nur dunkel, denken, und da zeigt sich, dass das Praedikat jenen Begriffen zwar notwendig, aber nicht als im Begriffe selbst gedacht, sondern vermittels einer Anschauung, die zu dem Begriffe hinzukommen muss, anhaenge. 2. Naturwissenschaft (Physica) enthaelt synthetische Urteile a priori als Prinzipien in sich. Ich will nur ein paar Saetze zum Beispiel anfuehren, als den Satz: dass in allen Veraenderungen der koerperlichen Welt die Quantitaet der Materie unveraendert bleibe, oder dass, in aller Mitteilung der Bewegung, Wirkung und Gegenwirkung jederzeit einander gleich sein muessen. An beiden ist nicht allein die Notwendigkeit, mithin ihr Ursprung a priori, sondern auch, dass sie synthetische Saetze sind, klar. Denn in dem Begriffe der Materie denke ich mir nicht die Beharrlichkeit, sondern bloss ihre Gegenwart im Raume durch die Erfuellung desselben. Also gehe ich wirklich ueber den Begriff von der- Materie hinaus, um etwas a priori zu ihm hinzuzudenken, was ich in ihm nicht dachte. Der Satz ist also nicht analytisch, sondern synthetisch und dennoch a priori gedacht, und so in den uebrigen Saetzen des reinen Teils der Naturwissenschaft. 3. In der Metaphysik, wenn man sie auch nur fuer eine bisher bloss versuchte, dennoch aber durch die Natur der menschlichen Vernunft unentbehrliche Wissenschaft ansieht, sollen synthetische Erkenntnisse a priori enthalten sein, und es ist ihr gar nicht darum zu tun, Begriffe, die wir uns a priori von Dingen machen, bloss zu zergliedern und dadurch analytisch zu erlaeutern, sondern wir wollen unsere Erkenntnis a priori erweitern, wozu wir uns solcher Grundsaetze bedienen muessen, die ueber den gegebenen Begriff etwas hinzutun, was in ihm nicht enthalten war, und durch synthetische Urteile a priori wohl gar so weit hinausgehen, dass uns die Erfahrung selbst nicht so weit folgen kann, z.B. in dem Satze: die Welt muss einen ersten Anfang haben, u. a. m. und so besteht Metaphysik wenigstens ihrem Zwecke nach aus lauter synthetischen Saetzen a priori. VI. Allgemeine Aufgabe der reinen Vernunft Man gewinnt dadurch schon sehr viel, wenn man eine Menge von Untersuchungen unter die Formel einer einzigen Aufgabe bringen kann. Denn dadurch erleichtert man sich nicht allein selbst sein eigenes Geschaelt, indem man es sich genau bestimmt, sondern auch jedem anderen, der es pruefen will, das Urteil, ob wir unserem Vorhaben ein Genuege getan haben oder nicht. Die eigentliche Aufgabe der reinen Vernunft ist nun in der Frage enthalten: Wie sind synthetische Urteile a priori moeglich? Dass die Metaphysik bisher in einem so schwankenden Zustande der Ungewissheit und Widersprueche geblieben ist, ist lediglich der Ursache zuzuschreiben, dass man sich diese Aufgabe und vielleicht sogar den Unterschied der analytischen und synthetischen Urteile nicht frueher in Gedanken kommen liess. Auf der Aufloesung dieser Aufgabe, oder einem genugtuenden Beweise, dass die Moeglichkeit, die sie erklaert zu wissen verlangt, in der Tat gar nicht stattfinde, beruht nun das Stehen und Fallen der Metaphysik. David Hume, der dieser Aufgabe unter allen Philosophen noch am naechsten trat, sie aber sich bei weitem nicht bestimmt genug und in ihrer Allgemeinheit dachte, sondern bloss bei dem synthetischen Satze der Verknuepfung der Wirkung mit ihren Ursachen (Principium causalitatis) stehen blieb, glaubte herauszubringen, dass ein solcher Satz a priori gaenzlich unmoeglich sei, und nach seinen Schluessen wuerde alles, was wir Metaphysik nennen, auf einen blossen Wahn von vermeinter Vernunfteinsicht dessen hinauslaufen, was in der Tat bloss aus der Erfahrung erborgt und durch Gewohnheit den Schein der Notwendigkeit ueberkommen hat; auf welche, alle reine Philosophie zerstoerende, Behauptung er niemals gefallen waere, wenn er unsere Aufgabe in ihrer Allgemeinheit vor Augen gehabt haette, da er dann eingesehen haben wuerde, dass, nach seinem Argumente, es auch keine reine Mathematik geben koennte, weil diese gewiss synthetische Saetze a priori enthaelt, vor welcher Behauptung ihn alsdann sein guter Verstand wohl wuerde bewahrt haben. In der Aufloesung obiger Aufgabe ist zugleich die Moeglichkeit des reinen Vernunftgebrauches in Gruendung und Ausfuehrung aller Wissenschaften, die eine theoretische Erkenntnis a priori von Gegenstaenden enthalten, mit begriffen, d.i. die Beantwortung der Fragen: Wie ist reine Mathematik moeglich? Wie ist reine Naturwissenschaft moeglich? Von diesen Wissenschaften, da sie wirklich gegeben sind, laesst sich nun wohl geziemend fragen: wie sie moeglich sind; denn dass sie moeglich sein muessen, wird durch ihre Wirklichkeit bewiesen*. Was aber Metaphysik betrifft, so muss ihr bisheriger schlechter Fortgang, und weil man von keiner einzigen bisher vorgetragenen, was ihren wesentlichen Zweck angeht, sagen kann, sie sei wirklich vorhanden, einen jeden mit Grund an ihrer Moeglichkeit zweifeln lassen. * Von der reinen Naturwissenschaft koennte mancher dieses letztere noch bezweifeln. Allein man darf nur die verschiedenen Saetze, die im Anfange der eigentlichen (empirischen) Physik vorkommen, nachsehen, als den von der Beharrlichkeit derselben Quantitaet Materie, von der Traegheit, der Gleichheit der Wirkung und Gegenwirkung usw., so wird man bald ueberzeugt werden, dass sie eine physicam puram (oder rationalem) ausmachen, die es wohl verdient, als eigene Wissenschaft, in ihrem engen oder weiten, aber doch ganzen Umfange, abgesondert aufgestellt zu werden. Nun ist aber diese Art von Erkenntnis in gewissem Sinne doch auch als gegeben anzusehen, und Metaphysik ist, wenngleich nicht als Wissenschaft, doch als Naturanlage (metaphysica naturalis) wirklich. Denn die menschliche Vernunft geht unaufhaltsam, ohne dass blosse Eitelkeit des Vielwissens sie dazu bewegt, durch eigenes Beduerfnis getrieben bis zu solchen Fragen fort, die durch keinen Erfahrungsgebrauch der Vernunft und daher entlehnte Prinzipien beantwortet werden koennen, und so ist wirklich in allen Menschen, sobald Vernunft sich in ihnen bis zur Spekulation erweitert, irgendeine Metaphysik zu aller Zeit gewesen, und wird auch immer darin bleiben. Und nun ist auch von dieser die Frage: Wie ist Metaphysik als Naturanlage moeglich? d.i. wie entspringen die Fragen, welche reine Vernunft sich aufwirft, und die sie, so gut als sie kann, zu beantworten durch ihr eigenes Beduerfnis getrieben wird, aus der Natur der allgemeinen Menschenvernunft? Da sich aber bei allen bisherigen Versuchen, diese natuerlichen Fragen, z.B. ob die Welt einen Anfang habe, oder von Ewigkeit her sei, usw. zu beantworten, jederzeit unvermeidliche Widersprueche gefunden haben, so kann man es nicht bei der blossen Naturanlage zur Metaphysik, d.i. dem reinen Vernunftvermoegen selbst, woraus zwar immer irgendeine Metaphysik (es sei welche es wolle) erwaechst, bewenden lassen, sondern es muss moeglich sein, mit ihr es zur Gewissheit zu bringen, entweder im Wissen oder Nicht-Wissen der Gegenstaende, d.i. entweder der Entscheidung ueber die Gegenstaende ihrer Fragen, oder ueber das Vermoegen und Unvermoegen der Vernunft in Ansehung ihrer etwas zu urteilen, also entweder unsere reine Vernunft mit Zuverlaessigkeit zu erweitern, oder ihr bestimmte und sichere Schranken zu setzen. Diese letzte Frage, die aus der obigen allgemeinen Aufgabe fliesst, wuerde mit Recht diese sein: Wie ist Metaphysik als Wissenschaft moeglich? Die Kritik der Vernunft fuehrt also zuletzt notwendig zur Wissenschaft; der dogmatische Gebrauch derselben ohne Kritik dagegen auf grundlose Behauptungen, denen man ebenso scheinbare entgegensetzen kann, mithin zum Skeptizismus. Auch kann diese Wissenschaft nicht von grosser abschreckender Weitlaeufigkeit sein, weil sie es nicht mit Objekten der Vernunft, deren Mannigfaltigkeit unendlich ist, sondern es bloss mit sich selbst, mit Aufgaben, die ganz aus ihrem Schosse entspringen, und ihr nicht durch die Natur der Dinge, die von ihr unterschieden sind, sondern durch ihre eigene vorgelegt sind, zu tun hat; da es denn, wenn sie zuvor ihr eigen Vermoegen in Ansehung der Gegenstaende, die ihr in der Erfahrung vorkommen moegen, vollstaendig hat kennenlernen, leicht werden muss, den Umfang und die Grenzen ihres ueber alle Erfahrungsgrenzen versuchten Gebrauchs vollstaendig und sicher zu bestimmen. Man kann also und muss alle bisher gemachten Versuche, eine Metaphysik dogmatisch zustande zu bringen, als ungeschehen ansehen; denn was in der einen oder der anderen Analytisches, naemlich blosse Zergliederung der Begriffe ist, die unserer Vernunft a priori beiwohnen, ist noch gar nicht der Zweck, sondern nur eine Veranstaltung zu der eigentlichen Metaphysik, naemlich seine Erkenntnis a priori synthetisch zu erweitern, und ist zu diesem untauglich, weil sie bloss zeigt, was in diesen Begriffen enthalten ist, nicht aber, wie wir a priori zu solchen Begriffen gelangen, um danach auch ihren gueltigen Gebrauch in Ansehung der Gegenstaende aller Erkenntnis ueberhaupt bestimmen zu koennen. Es gehoert auch nur wenig Selbstverleugnung dazu, alle diese Ansprueche aufzugeben, da die nicht abzuleugnenden und im dogmatischen Verfahren auch unvermeidlichen Widersprueche der Vernunft mit sich selbst jede bisherige Metaphysik schon laengst um ihr Ansehen gebracht haben. Mehr Standhaftigkeit wird dazu noetig sein, sich durch die Schwierigkeit innerlich und den Widerstand aeusserlich nicht abhalten zu lassen, eine der menschlichen Vernunft unentbehrliche Wissenschaft, von der man wohl jeden hervorgeschossenen Stamm abhauen, die Wurzel aber nicht ausrotten kann, durch eine andere, der bisherigen ganz entgegengesetzte, Behandlung endlich einmal zu einem gedeihlichen und fruchtbaren Wuchse zu befoerdern. VII. Idee und Einteilung einer besonderen Wissenschaft, unter dem Namen der Kritik der reinen Vernunft Aus diesem allein ergibt sich nun die Idee einer besonderen Wissenschaft, die Kritik der reinen Vernunft heissen kann. Denn ist Vernunft das Vermoegen, welches die Prinzipien der Erkenntnis a priori an die Hand gibt. Daher ist reine Vernunft diejenige, welche die Prinzipien, etwas schlechthin a priori zu erkennen, enthaelt. Ein Organon der reinen Vernunft wuerde ein Inbegriff derjenigen Prinzipien sein, nach denen alle reinen Erkenntnisse a priori koennen erworben und wirklich zustande gebracht werden. Die ausfuehrliche Anwendung eines solchen Organon wuerde ein System der reinen Vernunft verschaffen. Da dieses aber sehr viel verlangt ist, und es noch dahin steht, ob auch hier ueberhaupt eine Erweiterung unserer Erkenntnis, und in welchen Faellen sie moeglich sei; so koennen wir eine Wissenschaft der blossen Beurteilung der reinen Vernunft, ihrer Quellen und Grenzen, als die Propaedeutik zum System der reinen Vernunft ansehen. Eine solche wuerde nicht eine Doktrin, sondern nur Kritik der reinen Vernunft heissen muessen, und ihr Nutzen wuerde in Ansehung der Spekulation wirklich nur negativ sein, nicht zur Erweiterung, sondern nur zur Laeuterung unserer Vernunft dienen, und sie von Irrtuemern frei halten, welches schon sehr viel gewonnen ist. Ich nenne alle Erkenntnis transzendental, die sich nicht sowohl mit Gegenstaenden, sondern mit unserer Erkenntnisart von Gegenstaenden, insofern diese a priori moeglich sein soll, ueberhaupt beschaeftigt. Ein System solcher Begriffe wuerde Transzendental-Philosophie heissen. Diese ist aber wiederum fuer den Anfang noch zu viel. Denn, weil eine solche Wissenschaft sowohl die analytische Erkenntnis, als die synthetische a priori vollstaendig enthalten muesste, so ist sie, soweit es unsere Absicht betrifft, von zu weitem Umfange, indem wir die Analysis nur so weit treiben duerfen, als sie unentbehrlich notwendig ist, um die Prinzipien der Synthesis a priori, als warum es uns nur zu tun ist, in ihrem ganzen Umfange einzusehen. Diese Untersuchung, die wir eigentlich nicht Doktrin, sondern nur transzendentale Kritik nennen koennen, weil sie nicht die Erweiterung der Erkenntnisse selbst, sondern nur die Berichtigung derselben zur Absicht hat, und den Probierstein des Werts oder Unwerts aller Erkenntnisse a priori abgeben soll, ist das, womit wir uns jetzt beschaeftigen. Eine solche Kritik ist demnach eine Vorbereitung, wo moeglich, zu einem Organon, und wenn dieses nicht gelingen sollte, wenigstens zu einem Kanon derselben, nach welchem allenfalls dereinst das vollstaendige System der Philosophie der reinen Vernunft, es mag nun in Erweiterung oder blosser Begrenzung ihrer Erkenntnis bestehen, sowohl analytisch als synthetisch dargestellt werden koennte. Denn dass dieses moeglich sei, ja dass ein solches System von nicht gar grossem Umfange sein koenne, um zu hoffen, es ganz zu vollenden, laesst sich schon zum voraus daraus ermessen, dass hier nicht die Natur der Dinge, welche unerschoepflich ist, sondern der Verstand, der ueber die Natur der Dinge urteilt, und auch dieser wiederum nur in Ansehung seiner Erkenntnis a priori, den Gegenstand ausmacht, dessen Vorrat, weil wir ihn doch nicht auswaertig suchen duerfen, uns nicht verborgen bleiben kann, und allem Vermuten nach klein genug ist, um vollstaendig aufgenommen, nach seinem Werte oder Unwerte beurteilt und unter richtige Schaetzung gebracht zu werden. Noch weniger darf man hier eine Kritik der Buecher und Systeme der reinen Vernunft erwarten, sondern die des reinen Vernunftvermoegens selbst. Nur allein, wenn diese zum Grunde liegt, hat man einen sicheren Probierstein, den philosophischen Gehalt alter und neuer Werke in diesem Fache zu schaetzen; widrigenfalls beurteilt der unbefugte Geschichtsschreiber und Richter grundlose Behauptungen anderer, durch seine eigenen, die ebenso grundlos sind. Die Transzendental-Philosophie ist die Idee einer Wissenschaft, wozu die Kritik der reinen Vernunft den ganzen Plan architektonisch, d.i. aus Prinzipien, entwerfen soll, mit voelliger Gewaehrleistung der Vollstaendigkeit und Sicherheit aller Stuecke, die dieses Gebaeude ausmachen. Sie ist das System aller Prinzipien der reinen Vernunft. Dass diese Kritik nicht schon selbst Transzendental-Philosophie heisst, beruht lediglich darauf, dass sie, um ein vollstaendiges System zu sein, auch eine ausfuehrliche Analysis der ganzen menschlichen Erkenntnis a priori enthalten muesste. Nun muss zwar unsere Kritik allerdings auch eine vollstaendige Herzaehlung aller Stammbegriffe, welche die gedachte reine Erkenntnis ausmachen, vor Augen legen. Allein der ausfuehrlichen Analysis dieser Begriffe selbst, wie auch der vollstaendigen Rezension der daraus abgeleiteten, enthaelt sie sich billig, teils weil diese Zergliederung nicht zweckmaessig waere, indem sie die Bedenklichkeit nicht hat, welche bei der Synthesis angetroffen wird, um deren willen eigentlich die ganze Kritik da ist, teils, weil es der Einheit des Planes zuwider waere, sich mit der Verantwortung der Vollstaendigkeit einer solchen Analysis und Ableitung zu befassen, deren man in Ansehung seiner Absicht doch ueberhoben sein konnte. Diese Vollstaendigkeit der Zergliederung sowohl, als der Ableitung aus den kuenftig zu liefernden Begriffen a priori, ist indessen leicht zu ergaenzen, wenn sie nur allererst als ausfuehrliche Prinzipien der Synthesis da sind, und in Ansehung dieser wesentlichen Absicht nichts ermangelt. Zur Kritik der reinen Vernunft gehoert demnach alles, was die Transzendental-Philosophie ausmacht, und sie ist die vollstaendige Idee der Transzendental-Philosophie, aber diese Wissenschaft noch nicht selbst; weil sie in der Analysis nur so weit geht, als es zur vollstaendigen Beurteilung der synthetischen Erkenntnis a priori erforderlich ist. Das vornehmste Augenmerk bei der Einteilung einer solchen Wissenschaft ist: dass gar keine Begriffe hineinkommen muessen, die irgend etwas Empirisches in sich enthalten; oder dass die Erkenntnis a priori voellig rein sei. Daher, obzwar die obersten Grundsaetze der Moralitaet und die Grundbegriffe derselben, Erkenntnisse a priori sind, so gehoeren sie doch nicht in die Transzendental-Philosophie, weil sie die Begriffe der Lust und Unlust, der Begierden und Neigungen usw., die insgesamt empirischen Ursprungs sind, zwar selbst nicht zum Grunde ihrer Vorschriften legen, aber doch im Begriffe der Pflicht, als Hindernis, das ueberwunden, oder als Anreiz, der nicht zum Bewegungsgrunde gemacht werden soll, notwendig in die Abfassung des Systems der reinen Sittlichkeit mit hineinziehen muessen. Daher ist die Transzendental-Philosophie eine Weltweisheit der reinen bloss spekulativen Vernunft. Denn alles Praktische, sofern es Triebfedern enthaelt, bezieht sich auf Gefuehle, welche zu empirischen Erkenntnisquellen gehoeren. Wenn man nun die Einteilung dieser Wissenschaft aus dem allgemeinen Gesichtspunkte eines Systems ueberhaupt anstellen will, so muss die, welche wir jetzt vortragen, erstlich eine Elementar-Lehre, zweitens eine Methoden-Lehre der reinen Vernunft enthalten. Jeder dieser Hauptteile wuerde seine Unterabteilung haben, deren Gruende sich gleichwohl hier noch nicht vortragen lassen. Nur so viel scheint zur Einleitung, oder Vorerinnerung, noetig zu sein, dass es zwei Staemme der menschlichen Erkenntnis gebe, die vielleicht aus einer gemeinschaftlichen, aber uns unbekannten Wurzel entspringen, naemlich Sinnlichkeit und Verstand, durch deren ersteren uns Gegenstaende gegeben, durch den zweiten aber gedacht werden. Sofern nun die Sinnlichkeit Vorstellungen a priori enthalten sollte, welche die Bedingung ausmachen, unter der uns Gegenstaende gegeben werden, so wuerde sie zur Transzendental-Philosophie gehoeren. Die transzendentale Sinnenlehre wuerde zum ersten Teile der Elementarwissenschaft gehoeren muessen, weil die Bedingungen, worunter allein die Gegenstaende der menschlichen Erkenntnis gegeben werden, denjenigen vorgehen, unter welchen selbige gedacht werden. Kritik der reinen Vernunft I. Transzendentale Elementarlehre Der transzendentalen Elementarlehre Erster Teil Die transzendentale Aesthetik Paragraph 1 Auf welche Art und durch welche Mittel sich auch immer eine Erkenntnis auf Gegenstaende beziehen mag, es ist doch diejenige, wodurch sie sich auf dieselbe unmittelbar bezieht, und worauf alles Denken als Mittel abzweckt, die Anschauung. Diese findet aber nur statt, sofern uns der Gegenstand gegeben wird; dieses aber ist wiederum, uns Menschen wenigstens, nur dadurch moeglich, dass er das Gemuet auf gewisse Weise affiziere. Die Faehigkeit (Rezeptivitaet), Vorstellungen durch die Art, wie wir von Gegenstaenden affiziert werden, zu bekommen, heisst Sinnlichkeit. Vermittelst der Sinnlichkeit also werden uns Gegenstaende gegeben, und sie allein liefert uns Anschauungen; durch den Verstand aber werden sie gedacht, und von ihm entspringen Begriffe. Alles Denken aber muss sich, es sei geradezu (direkte) oder im Umschweife (indirekte), vermittelst gewisser Merkmale, zuletzt auf Anschauungen, mithin, bei uns, auf Sinnlichkeit beziehen, weil uns auf andere Weise kein Gegenstand gegeben werden kann. Die Wirkung eines Gegenstandes auf die Vorstellungsfaehigkeit, sofern wir von demselben affiziert werden, ist Empfindung. Diejenige Anschauung, welche sich auf den Gegenstand durch Empfindung bezieht, heisst empirisch. Der unbestimmte Gegenstand einer empirischen Anschauung heisst Erscheinung. In der Erscheinung nenne ich das, was der Empfindung korrespondiert, die Materie derselben, dasjenige aber, welches macht, dass das Mannigfaltige der Erscheinung in gewissen Verhaeltnissen geordnet werden kann, nenne ich die Form der Erscheinung. Da das, worinnen sich die Empfindungen allein ordnen, und in gewisse Form gestellt werden koennen, nicht selbst wiederum Empfindung sein kann, so ist uns zwar die Materie aller Erscheinung nur a posteriori gegeben, die Form derselben aber muss zu ihnen insgesamt im Gemuete a priori bereitliegen und daher abgesondert von aller Empfindung koennen betrachtet werden. Ich nenne alle Vorstellungen rein (im transzendentalen Verstande), in denen nichts, was zur Empfindung gehoert, angetroffen wird. Demnach wird die reine Form sinnlicher Anschauungen ueberhaupt im Gemuete a priori angetroffen werden, worinnen alles Mannigfaltige der Erscheinungen in gewissen Verhaeltnissen angeschaut wird. Diese reine Form der Sinnlichkeit wird auch selber reine Anschauung heissen. So, wenn ich von der Vorstellung eines Koerpers das, was der Verstand davon denkt, als Substanz, Kraft, Teilbarkeit usw., imgleichen, was davon zur Empfindung gehoert, als Undurchdringlichkeit, Haerte, Farbe usw. absondere, so bleibt mir aus dieser empirischen Anschauung noch etwas uebrig, naemlich Ausdehnung und Gestalt. Diese gehoeren zur reinen Anschauung, die a priori, auch ohne einen wirklichen Gegenstand der Sinne oder Empfindung, als eine blosse Form der Sinnlichkeit im Gemuete stattfindet. Eine Wissenschaft von allen Prinzipien der Sinnlichkeit a priori nenne ich die transzendentale Aesthetik*. Es muss also eine solche Wissenschaft geben, die den ersten Teil der transzendentalen Elementarlehre ausmacht, im Gegensatz derjenigen, welche die Prinzipien des reinen Denkens enthaelt, und transzendentale Logik genannt wird. * Die Deutschen sind die einzigen, welche sich jetzt des Worts Aesthetik bedienen, um dadurch das zu bezeichnen, was andere Kritik des Geschmacks heissen. Es liegt hier eine verfehlte Hoffnung zum Grunde, die der vortreffliche Analyst Baumgarten fasste, die kritische Beurteilung des Schoenen unter Vernunftprinzipien zu bringen, und die Regeln derselben zur Wissenschaft zu erheben. Allein diese Bemuehung ist vergeblich. Denn gedachte Regeln oder Kriterien sind ihren vornehmsten Quellen nach bloss empirisch, und koennen also niemals zu bestimmten Gesetzen a priori dienen, wonach sich unser Geschmacksurteil richten muesste, vielmehr macht das letztere den eigentlichen Probierstein der Richtigkeit der ersteren aus. Um deswillen ist es ratsam, diese Benennung entweder wiederum eingehen zu lassen, und sie derjenigen Lehre aufzubehalten, die wahre Wissenschaft ist, (wodurch man auch der Sprache und dem Sinne der Alten naeher treten wuerde, bei denen die Einteilung der Erkenntnis in aistheta kai noeta sehr beruehmt war), oder sich in die Benennung mit der spekulativen Philosophie zu teilen und die Aesthetik teils im transzendentalen Sinne, teils in psychologischer Bedeutung zu nehmen. In der transzendentalen Aesthetik also werden wir zuerst die Sinnlichkeit isolieren, dadurch, dass wir alles absondern, was der Verstand durch seine Begriffe dabei denkt, damit nichts als empirische Anschauung uebrigbleibe. Zweitens werden wir von dieser noch alles, was zur Empfindung gehoert, abtrennen, damit nichts als reine Anschauung und die blosse Form der Erscheinungen uebrigbleibe, welches das einzige ist, das die Sinnlichkeit a priori liefern kann. Bei dieser Untersuchung wird sich finden, dass es zwei reine Formen sinnlicher Anschauung, als Prinzipien der Erkenntnis a priori gebe, naemlich Raum und Zeit, mit deren Erwaegung wir uns jetzt beschaeftigen werden. Der transzendentalen Aesthetik Erster Abschnitt Von dem Raume Paragraph 2. Metaphysische Eroerterung dieses Begriffs Vermittelst des aeusseren Sinnes, (einer Eigenschaft unseres Gemuets), stellen wir uns Gegenstaende als ausser uns, und diese insgesamt im Raume vor. Darinnen ist ihre Gestalt, Groesse und Verhaeltnis gegeneinander bestimmt, oder bestimmbar. Der innere Sinn, vermittelst dessen das Gemuet sich selbst, oder seinen inneren Zustand anschaut, gibt zwar keine Anschauung von der Seele selbst, als einem Objekt; allein es ist doch eine bestimmte Form, unter der die Anschauung ihres inneren Zustandes allein moeglich ist, so dass alles, was zu den inneren Bestimmungen gehoert, in Verhaeltnissen der Zeit vorgestellt wird. Aeusserlich kann die Zeit nicht angeschaut werden, so wenig wie der Raum, als etwas in uns. Was sind nun Raum und Zeit? Sind es wirkliche Wesen? Sind es zwar nur Bestimmungen, oder auch Verhaeltnisse der Dinge, aber doch solche, welche ihnen auch an sich zukommen wuerden, wenn sie auch nicht angeschaut wuerden, oder sind sie solche, die nur an der Form der Anschauung allein haften, und mithin an der subjektiven Beschaffenheit unseres Gemuets, ohne welche diese Praedikate gar keinem Dinge beigelegt werden koennen? Um uns hierueber zu belehren, wollen wir zuerst den Begriff des Raumes eroertern. Ich verstehe aber unter Eroerterung (expositio) die deutliche, (wenn gleich nicht ausfuehrliche) Vorstellung dessen, was zu einem Begriffe gehoert; metaphysisch aber ist die Eroerterung, wenn sie dasjenige enthaelt, was den Begriff, als a priori gegeben, darstellt. 1. Der Raum ist kein empirischer Begriff, der von aeusseren Erfahrungen abgezogen worden. Denn damit gewisse Empfindungen auf etwas ausser mich bezogen werden, (d.i. auf etwas in einem anderen Orte des Raumes, als darinnen ich mich befinde), imgleichen damit ich sie als ausser- und nebeneinander, mithin nicht bloss verschieden, sondern als in verschiedenen Orten vorstellen koenne, dazu muss die Vorstellung des Raumes schon zum Grunde liegen. Demnach kann die Vorstellung des Raumes nicht aus den Verhaeltnissen der aeusseren Erscheinung durch Erfahrung erborgt sein, sondern diese aeussere Erfahrung ist selbst nur durch gedachte Vorstellung allererst moeglich. 2. Der Raum ist eine notwendige Vorstellung a priori, die allen aeusseren Anschauungen zum Grunde liegt. Man kann sich niemals eine Vorstellung davon machen, dass kein Raum sei, ob man sich gleich ganz wohl denken kann, dass keine Gegenstaende darin angetroffen werden. Er wird also als die Bedingung der Moeglichkeit der Erscheinungen, und nicht als eine von ihnen abhaengende Bestimmung angesehen, und ist eine Vorstellung a priori, die notwendigerweise aeusseren Erscheinungen zum Grunde liegt. 3. Der Raum ist kein diskursiver oder, wie man sagt, allgemeiner Begriff von Verhaeltnissen der Dinge ueberhaupt sondern eine reine Anschauung. Denn erstlich kann man sich nur einen einigen Raum vorstellen, und wenn man von vielen Raeumen redet, so versteht man darunter nur Teile eines und desselben alleinigen Raumes. Diese Teile koennen auch nicht vor dem einigen allbefassenden Raume gleichsam als dessen Bestandteile (daraus seine Zusammensetzung moeglich sei) vorhergehen, sondern nur in ihm gedacht werden. Er ist wesentlich einig, das Mannigfaltige in ihm, mithin auch der allgemeine Begriff von Raeumen ueberhaupt, beruht lediglich auf Einschraenkungen. Hieraus folgt, dass in Ansehung seiner eine Anschauung a priori (die nicht empirisch ist) allen Begriffen von demselben zum Grunde liegt. So werden auch alle geometrischen Grundsaetze, z.E. dass in einem Triangel zwei Seiten zusammen groesser sind, als die dritte, niemals aus allgemeinen Begriffen von Linie und Triangel, sondern aus der Anschauung und zwar a priori mit apodiktischer Gewissheit abgeleitet. 4. Der Raum wird als eine unendliche gegebene Groesse vorgestellt. Nun muss man zwar einen jeden Begriff als eine Vorstellung denken, die in einer unendlichen Menge von verschiedenen moeglichen Vorstellungen (als ihr gemeinschaftliches Merkmal) enthalten ist, mithin diese unter sich enthaelt, aber kein Begriff, als ein solcher, kann so gedacht werden, als ob er eine unendliche Menge von Vorstellungen in sich enthielte. Gleichwohl wird der Raum so gedacht (denn alle Teile des Raumes ins Unendliche sind zugleich). Also ist die urspruengliche Vorstellung vom Raume Anschauung a priori, und nicht Begriff. Paragraph 3. Transzendentale Eroerterung des Begriffs vom Raume Ich verstehe unter einer transzendentalen Eroerterung die Erklaerung eines Begriffes, als eines Prinzips, woraus die Moeglichkeit anderer synthetischen Erkenntnisse a priori eingesehen werden kann. Zu dieser Absicht wird erfordert, l) dass wirklich dergleichen Erkenntnisse aus dem gegebenen Begriffe herfliessen, 2) dass diese Erkenntnisse nur unter der Voraussetzung einer gegebenen Erklaerungsart dieses Begriffs moeglich sind. Geometrie ist eine Wissenschaft, welche die Eigenschaften des Raumes synthetisch und doch a priori bestimmt. Was muss die Vorstellung des Raumes denn sein, damit eine solche Erkenntnis von ihm moeglich sei? Er muss urspruenglich Anschauung sein; denn aus einem blossen Begriffe lassen sich keine Saetze, die ueber den Begriff hinausgehen, ziehen, welches doch in der Geometrie geschieht (Einleitung V). Aber diese Anschauung muss a priori, d.i. vor aller Wahrnehmung eines Gegenstandes, in uns angetroffen werden, mithin reine, nicht empirische Anschauung sein. Denn die geometrischen Saetze sind insgesamt apodiktisch, d.i. mit dem Bewusstsein der Notwendigkeit verbunden, z.B. der Raum hat nur drei Abmessungen; dergleichen Saetze aber koennen nicht empirische oder Erfahrungsurteile sein, noch aus ihnen geschlossen werden (Einleitung II). Wie kann nun eine aeussere Anschauung dem Gemuete beiwohnen, die vor den Objekten selbst vorhergeht, und in welcher der Begriff der letzteren a priori bestimmt werden kann? Offenbar nicht anders, als so fern sie, bloss im Subjekte, als die formale Beschaffenheit desselben, von Objekten affiziert zu werden, und dadurch unmittelbare Vorstellung derselben d.i. Anschauung zu bekommen, ihren Sitz hat, also nur als Form des aeusseren Sinnes ueberhaupt. Also macht allein unsere Erklaerung die Moeglichkeit der Geometrie als einer synthetischen Erkenntnis a priori begreiflich. Eine jede Erklaerungsart, die dieses nicht liefert, wenn sie gleich dem Anscheine nach mit ihr einige Aehnlichkeit haette, kann an diesen Kennzeichen am sichersten von ihr unterschieden werden. Schluesse aus obigen Begriffen a) Der Raum stellt gar keine Eigenschaft irgend einiger Dinge an sich, oder sie in ihrem Verhaeltnis aufeinander vor, d.i. keine Bestimmung derselben, die an Gegenstaenden selbst haftete, und welche bliebe, wenn man auch von allen subjektiven Bedingungen der Anschauung abstrahierte. Denn weder absolute, noch relative Bestimmungen koennen vor dem Dasein der Dinge, welchen sie zukommen, mithin nicht a priori angeschaut werden. b) Der Raum ist nichts anderes, als nur die Form aller Erscheinungen aeusserer Sinne, d.i. die subjektive Bedingung der Sinnlichkeit, unter der allein uns aeussere Anschauung moeglich ist. Weil nun die Rezeptivitaet des Subjekts, von Gegenstaenden affiziert zu werden, notwendigerweise vor allen Anschauungen dieser Objekte vorhergeht, so laesst sich verstehen, wie die Form aller Erscheinungen vor allen wirklichen Wahrnehmungen, mithin a priori im Gemuete gegeben sein koenne, und wie sie als eine reine Anschauung, in der alle Gegenstaende bestimmt werden muessen, Prinzipien der Verhaeltnisse derselben vor aller Erfahrung enthalten koenne. Wir koennen demnach nur aus dem Standpunkte eines Menschen, vom Raum, von ausgedehnten Wesen usw. reden. Gehen wir von der subjektiven Bedingung ab, unter welcher wir allein aeussere Anschauung bekommen koennen, so wie wir naemlich von den Gegenstaenden affiziert werden moegen, so bedeutet die Vorstellung vom Raume gar nichts. Dieses Praedikat wird den Dingen nur insofern beigelegt, als sie uns erscheinen, d.i. Gegenstaende der Sinnlichkeit sind. Die bestaendige Form dieser Rezeptivitaet, welche wir Sinnlichkeit nennen, ist eine notwendige Bedingung aller Verhaeltnisse, darinnen Gegenstaende als ausser uns angeschaut werden, und, wenn man von diesen Gegenstaenden abstrahiert, eine reine Anschauung, welche den Namen Raum fuehrt. Weil wir die besonderen Bedingungen der Sinnlichkeit nicht zu Bedingungen der Moeglichkeit der Sachen, sondern nur ihrer Erscheinungen machen koennen, so koennen wir wohl sagen, dass der Raum alle Dinge befasse, die uns aeusserlich erscheinen moegen, aber nicht alle Dinge an sich selbst, sie moegen nun angeschaut werden oder nicht, oder auch von welchem Subjekt man wolle. Denn wir koennen von den Anschauungen anderer denkenden Wesen gar nicht urteilen, ob sie an die naemlichen Bedingungen gebunden seien, welche unsere Anschauung einschraenken und fuer uns allgemein gueltig sind. Wenn wir die Einschraenkung eines Urteils zum Begriff des Subjekts hinzufuegen, so gilt das Urteil alsdann unbedingt. Der Satz: Alle Dinge sind nebeneinander im Raum, gilt unter der Einschraenkung, wenn diese Dinge als Gegenstaende unserer sinnlichen Anschauung genommen werden. Fuege ich hier die Bedingung zum Begriffe, und sage: Alle Dinge, als aeussere Erscheinungen, sind nebeneinander im Raum, so gilt diese Regel allgemein und ohne Einschraenkung. Unsere Eroerterungen lehren demnach l die Realitaet (d.i. die objektive Gueltigkeit) des Raumes in Ansehung alles dessen, was aeusserlich als Gegenstand uns vorkommen kann, aber zugleich die Idealitaet des Raumes in Ansehung der Dinge, wenn sie durch die Vernunft an sich selbst erwogen werden, d.i. ohne Ruecksicht auf die Beschaffenheit unserer Sinnlichkeit zu nehmen. Wir behaupten also die empirische Realitaet des Raumes (in Ansehung aller moeglichen aeusseren Erfahrung), ob zwar zugleich die transzendentale Idealitaet desselben, d.i. dass er nichts sei, sobald wir die Bedingung der Moeglichkeit aller Erfahrung weglassen, und ihn als etwas, was den Dingen an sich selbst zum Grunde liegt, annehmen. Es gibt aber auch ausser dem Raum keine andere subjektive und auf etwas Aeusseres bezogene Vorstellung, die a priori objektiv heissen koennte. Denn man kann von keiner derselben synthetische Saetze a priori, wie von der Anschauung im Raume, herleiten (Paragraph 3). Daher ihnen, genau zu reden, gar keine Idealitaet zukommt, ob sie gleich darin mit der Vorstellung des Raumes uebereinkommen, dass sie bloss zur subjektiven Beschaffenheit der Sinnesart gehoeren, z.B. des Gesichts, Gehoers, Gefuehls, durch die Empfindungen der Farben, Toene und Waerme, die aber, weil sie bloss Empfindungen und nicht Anschauungen sind, an sich kein Objekt, am wenigsten a priori, erkennen lassen. Die Absicht dieser Anmerkung geht nur dahin: zu verhueten, dass man die behauptete Idealitaet des Raumes nicht durch bei weitem unzulaengliche Beispiele zu erlaeutern sich einfallen lasse, da naemlich etwa Farben, Geschmack usw. mit Recht nicht als Beschaffenheiten der Dinge, sondern bloss als Veraenderungen unseres Subjekts, die sogar bei verschiedenen Menschen verschieden sein koennen, betrachtet werden. Denn in diesem Falle gilt das, was urspruenglich selbst nur Erscheinung ist, z.B. eine Rose, im empirischen Verstande fuer ein Ding an sich selbst, welches doch jedem Auge in Ansehung der Farbe anders erscheinen kann. Dagegen ist der transzendentale Begriff der Erscheinungen im Raume eine kritische Erinnerung, dass ueberhaupt nichts, was im Raume angeschaut wird, eine Sache an sich, noch dass der Raum eine Form der Dinge sei, die ihnen etwa an sich selbst eigen waere, sondern dass uns die Gegenstaende an sich gar nicht bekannt sind, und, was wir aeussere Gegenstaende nennen, nichts anderes als blosse Vorstellungen unserer Sinnlichkeit sind, deren Form der Raum ist, deren wahres Korrelatum aber, d.i. das Ding an sich selbst, dadurch gar nicht erkannt wird, noch erkannt werden kann, nach welchem aber auch in der Erfahrung niemals gefragt wird. Der transzendentalen Aesthetik Zweiter Abschnitt Von der Zeit Paragraph 4. Metaphysische Eroerterung des Begriffs der Zeit Die Zeit ist 1. kein empirischer Begriff, der irgend von einer Erfahrung abgezogen worden. Denn das Zugleichsein oder Aufeinanderfolgen wuerde selbst nicht in die Wahrnehmung kommen, wenn die Vorstellung der Zeit nicht a priori zum Grunde laege. Nur unter deren Voraussetzung kann man sich vorstellen, dass einiges zu einer und derselben Zeit (zugleich) oder in verschiedenen Zeiten (nacheinander) sei. 2. Die Zeit ist eine notwendige Vorstellung, die allen Anschauungen zum Grunde liegt. Man kann in Ansehung der Erscheinungen ueberhaupt die Zeit selbst nicht aufheben, ob man zwar ganz wohl die Erscheinungen aus der Zeit wegnehmen kann. Die Zeit ist also a priori gegeben. In ihr allein ist alle Wirklichkeit der Erscheinungen moeglich. Diese koennen insgesamt wegfallen, aber sie selbst (als die allgemeine Bedingung ihrer Moeglichkeit,) kann nicht aufgehoben werden. 3. Auf diese Notwendigkeit a priori gruendet sich auch die Moeglichkeit apodiktischer Grundsaetze von den Verhaeltnissen der Zeit, oder Axiomen von der Zeit ueberhaupt. Sie hat nur Eine Dimension: verschiedene Zeiten sind nicht zugleich, sondern nacheinander (so wie verschiedene Raeume nicht nacheinander, sondern zugleich sind). Diese Grundsaetze koennen aus der Erfahrung nicht gezogen werden, denn diese wuerde weder strenge Allgemeinheit, noch apodiktische Gewissheit geben. Wir wuerden nur sagen koennen: so lehrt es die gemeine Wahrnehmung; nicht aber: so muss es sich verhalten. Diese Grundsaetze gelten als Regeln, unter denen ueberhaupt Erfahrungen moeglich sind, und belehren uns vor derselben, und nicht durch dieselbe. 4. Die Zeit ist kein diskursiver, oder, wie man ihn nennt, allgemeiner Begriff, sondern eine reine Form der sinnlichen Anschauung. Verschiedene Zeiten sind nur Teile eben derselben Zeit. Die Vorstellung, die nur durch einen einzigen Gegenstand gegeben werden kann, ist aber Anschauung. Auch wuerde sich der Satz, dass verschiedene Zeiten nicht zugleich sein koennen, aus einem allgemeinen Begriff nicht herleiten lassen. Der Satz ist synthetisch, und kann aus Begriffen allein nicht entspringen. Er ist also in der Anschauung und Vorstellung der Zeit unmittelbar enthalten. 5. Die Unendlichkeit der Zeit bedeutet nichts weiter, als dass alle bestimmte Groesse der Zeit nur durch Einschraenkungen einer einigen zum Grunde liegenden Zeit moeglich sei. Daher muss die urspruengliche Vorstellung Zeit als uneingeschraenkt gegeben sein. Wovon aber die Teile selbst, und jede Groesse eines Gegenstandes, nur durch Einschraenkung bestimmt vorgestellt werden koennen, da muss die ganze Vorstellung nicht durch Begriffe gegeben sein, (denn die enthalten nur Teilvorstellungen,) sondern es muss ihnen unmittelbare Anschauung zum Grunde liegen. Paragraph 5. Transzendentale Eroerterung des Begriffs der Zeit Ich kann mich deshalb auf Nr. 3 berufen, wo ich, um kurz zu sein, das, was eigentlich transzendental ist, unter die Artikel der metaphysischen Eroerterung gesetzt habe. Hier fuege ich noch hinzu, dass der Begriff der Veraenderung und, mit ihm, der Begriff der Bewegung (als Veraenderung des Orts) nur durch und in der Zeitvorstellung moeglich ist: dass, wenn diese Vorstellung nicht Anschauung (innere) a priori waere, kein Begriff, welcher es auch sei, die Moeglichkeit einer Veraenderung, d.i. einer Verbindung kontradiktorisch entgegengesetzter Praedikate (z.B. das Sein an einem Orte und das Nichtsein eben desselben Dinges an demselben Orte) in einem und demselben Objekte begreiflich machen koennte. Nur in der Zeit koennen beide kontradiktorisch-entgegengesetzte Bestimmungen in einem Dinge, naemlich nacheinander, anzutreffen sein. Also erklaert unser Zeitbegriff die Moeglichkeit so vieler synthetischer Erkenntnis a priori, als die allgemeine Bewegungslehre, die nicht wenig fruchtbar ist, darlegt. Paragraph 6. Schluesse aus diesen Begriffen a) Die Zeit ist nicht etwas, was fuer sich selbst bestuende, oder den Dingen als objektive Bestimmung anhinge, mithin uebrig bliebe, wenn man von allen subjektiven Bedingungen der Anschauung derselben abstrahiert; denn im ersten Fall wuerde sie etwas sein, was ohne wirklichen Gegenstand dennoch wirklich waere. Was aber das zweite betrifft, so koennte sie als eine den Dingen selbst anhaengende Bestimmung oder Ordnung nicht vor den Gegenstaenden als ihre Bedingung vorhergehen, und a priori durch synthetische Saetze erkannt und angeschaut werden. Diese letztere findet dagegen sehr wohl statt, wenn die Zeit nichts als die subjektive Bedingung ist, unter der alle Anschauungen in uns stattfinden koennen. Denn da kann diese Form der inneren Anschauung vor den Gegenstaenden, mithin a priori, vorgestellt werden. b) Die Zeit ist nichts anderes, als die Form des inneren Sinnes, d.i. des Anschauens unserer selbst und unseres inneren Zustandes. Denn die Zeit kann keine Bestimmung aeusserer Erscheinungen sein; sie gehoert weder zu einer Gestalt, oder Lage usw., dagegen bestimmt sie das Verhaeltnis der Vorstellungen in unserem inneren Zustande. Und, eben weil diese innere Anschauung keine Gestalt gibt, suchen wir auch diesen Mangel durch Analogien zu ersetzen, und stellen die Zeitfolge durch eine ins Unendliche fortgehende Linie vor, in welcher das Mannigfaltige eine Reihe ausmacht, die nur von einer Dimension ist, und schliessen aus den Eigenschaften dieser Linie auf alle Eigenschaften der Zeit, ausser dem einigen, dass die Teile der ersteren zugleich, die der letzteren aber jederzeit nacheinander sind. Hieraus erhellt auch, dass die Vorstellung der Zeit selbst Anschauung sei, weil alle ihre Verhaeltnisse sich an einer aeusseren Anschauung ausdruecken lassen. c) Die Zeit ist die formale Bedingung a priori aller Erscheinungen ueberhaupt. Der Raum, als die reine Form aller aeusseren Anschauung ist als Bedingung a priori bloss auf aeussere Erscheinungen eingeschraenkt. Dagegen, weil alle Vorstellungen, sie moegen nun aeussere Dinge zum Gegenstande haben, oder nicht, doch an sich selbst, als Bestimmungen des Gemuets, zum inneren Zustande gehoeren, dieser innere Zustand aber, unter der formalen Bedingung der inneren Anschauung, mithin der Zeit gehoert, so ist die Zeit eine Bedingung a priori von aller Erscheinung ueberhaupt, und zwar die unmittelbare Bedingung der inneren (unserer Seelen) und eben dadurch mittelbar auch der aeusseren Erscheinungen. Wenn ich a priori sagen kann: alle aeusseren Erscheinungen sind im Raume, und nach den Verhaeltnissen des Raumes a priori bestimmt, so kann ich aus dem Prinzip des inneren Sinnes ganz allgemein sagen: alle Erscheinungen ueberhaupt, d.i. alle Gegenstaende der Sinne, sind in der Zeit, und stehen notwendigerweise in Verhaeltnissen der Zeit. Wenn wir von unserer Art, uns selbst innerlich anzuschauen, und vermittelst dieser Anschauung auch alle aeusseren Anschauungen in der Vorstellungskraft zu befassen, abstrahieren, und mithin die Gegenstaende nehmen, so wie sie an sich selbst sein moegen, so ist die Zeit nichts. Sie ist nur von objektiver Gueltigkeit in Ansehung der Erscheinungen, weil dieses schon Dinge sind, die wir als Gegenstaende unserer Sinne annehmen; aber sie ist nicht mehr objektiv, wenn man von der Sinnlichkeit unserer Anschauung, mithin derjenigen Vorstellungsart, welche uns eigentuemlich ist, abstrahiert, und von Dingen ueberhaupt redet. Die Zeit ist also lediglich eine subjektive Bedingung unserer (menschlichen) Anschauung, (welche jederzeit sinnlich ist, d.i. sofern wir von Gegenstaenden affiziert werden,) und an sich, ausser dem Subjekte, nichts. Nichtsdestoweniger ist sie in Ansehung aller Erscheinungen, mithin auch aller Dinge, die uns in der Erfahrung vorkommen koennen, notwendigerweise objektiv. Wir koennen nicht sagen: alle Dinge sind in der Zeit, weil bei dem Begriff der Dinge ueberhaupt von aller Art der Anschauung derselben abstrahiert wird, diese aber die eigentliche Bedingung ist, unter der die Zeit in die Vorstellung der Gegenstaende gehoert. Wird nun die Bedingung zum Begriffe hinzugefuegt, und es heisst: alle Dinge, als Erscheinungen (Gegenstaende der sinnlichen Anschauung), sind in der Zeit, so hat der Grundsatz seine gute objektive Richtigkeit und Allgemeinheit a priori. Unsere Behauptungen lehren demnach empirische Realitaet der Zeit, d.i. objektive Gueltigkeit in Ansehung aller Gegenstaende, die jemals unseren Sinnen gegeben werden moegen. Und da unsere Anschauung jederzeit sinnlich ist, so kann uns in der Erfahrung niemals ein Gegenstand gegeben werden, der nicht unter die Bedingung der Zeit gehoerte. Dagegen bestreiten wir der Zeit allen Anspruch auf absolute Realitaet, da sie naemlich, auch ohne auf die Form unserer sinnlichen Anschauung Ruecksicht zu nehmen, schlechthin den Dingen als Bedingung oder Eigenschaft anhinge. Solche Eigenschaften, die den Dingen an sich zukommen, koennen uns durch die Sinne auch niemals gegeben werden. Hierin besteht also die transzendentale Idealitaet der Zeit, nach welcher sie, wenn man von den subjektiven Bedingungen der sinnlichen Anschauung abstrahiert, gar nichts ist, und den Gegenstaenden an sich selbst (ohne ihr Verhaeltnis auf unsere Anschauung,) weder subsistierend noch inhaerierend beigezaehlt werden kann. Doch ist diese Idealitaet, ebensowenig wie die des Raumes, mit den Subreptionen der Empfindung in Vergleichung zu stellen, weil man doch dabei von der Erscheinung selbst, der diese Praedikate inhaerieren, voraussetzt, dass sie objektive Realitaet habe, die hier gaenzlich wegfaellt, ausser, sofern sie bloss empirisch ist, d.i. den Gegenstand selbst bloss als Erscheinung ansieht: wovon die obige Anmerkung des ersteren Abschnitts nachzusehen ist. Paragraph 7. Erlaeuterung Wider diese Theorie, welche der Zeit empirische Realitaet zugesteht, aber die absolute und transzendentale bestreitet, habe ich von einsehenden Maennern einen Einwurf so einstimmig vernommen, dass ich daraus abnehme, er muesse sich natuerlicherweise bei jedem Leser, dem diese Betrachtungen ungewohnt sind, vorfinden. Er lautet also: Veraenderungen sind wirklich (dies beweist der Wechsel unserer eigenen Vorstellungen, wenn man gleich alle aeusseren Erscheinungen, samt deren Veraenderungen, leugnen wollte). Nun sind Veraenderungen nur in der Zeit moeglich, folglich ist die Zeit etwas Wirkliches. Die Beantwortung hat keine Schwierigkeit. Ich gebe das ganze Argument zu. Die Zeit ist allerdings etwas Wirkliches, naemlich die wirkliche Form der inneren Anschauung. Sie hat also subjektive Realitaet in Ansehung der inneren Erfahrung, d.i. ich habe wirklich die Vorstellung von der Zeit und meinen Bestimmungen in ihr. Sie ist also wirklich nicht als Objekt, sondern als die Vorstellungsart meiner selbst als Objekts anzusehen. Wenn aber ich selbst, oder ein ander Wesen mich, ohne diese Bedingung der Sinnlichkeit, anschauen koennte, so wuerden eben dieselben Bestimmungen, die wir uns jetzt als Veraenderungen vorstellen, eine Erkenntnis geben, in welcher die Vorstellung der Zeit, mithin auch der Veraenderung, gar nicht vorkaeme. Es bleibt also ihre empirische Realitaet als Bedingung aller unserer Erfahrungen. Nur die absolute Realitaet kann ihr nach dem oben Angefuehrten nicht zugestanden werden. Sie ist nichts, als die Form unserer inneren Anschauung*. Wenn man von ihr die besondere Bedingung unserer Sinnlichkeit wegnimmt, so verschwindet auch der Begriff der Zeit, und sie haengt nicht an den Gegenstaenden selbst, sondern bloss am Subjekte, welches sie anschaut. * Ich kann zwar sagen: meine Vorstellungen folgen einander; aber das heisst nur, wir sind uns ihrer, als in einer Zeitfolge, d.i. nach der Form des inneren Sinnes, bewusst. Die Zeit ist darum nicht etwas an sich selbst, auch keine den Dingen objektiv anhaengende Bestimmung. Die Ursache aber, weswegen dieser Einwurf so einstimmig gemacht wird, und zwar von denen, die gleichwohl gegen die Lehre von der Idealitaet des Raumes nichts Einleuchtendes einzuwenden wissen, ist diese. Die absolute Realitaet des Raumes hofften sie nicht apodiktisch dartun zu koennen, weil ihnen der Idealismus entgegensteht, nach welchem die Wirklichkeit aeusserer Gegenstaende keines strengen Beweises faehig ist: dagegen die des Gegenstandes unserer inneren Sinne (meiner selbst und meines Zustandes) unmittelbar durchs Bewusstsein klar ist. Jene konnten ein blosser Schein sein, dieser aber ist, ihrer Meinung nach, unleugbar etwas Wirkliches. Sie bedachten aber nicht, dass beide, ohne dass man ihre Wirklichkeit als Vorstellungen bestreiten darf, gleichwohl nur zur Erscheinung gehoeren, welche jederzeit zwei Seiten hat, die eine, da das Objekt an sich selbst betrachtet wird, (unangesehen der Art, dasselbe anzuschauen, dessen Beschaffenheit aber eben darum jederzeit problematisch bleibt,) die andere, da auf die Form der Anschauung dieses Gegenstandes gesehen wird, welche nicht in dem Gegenstande an sich selbst, sondern im Subjekte, dem derselbe erscheint, gesucht werden muss, gleichwohl aber der Erscheinung dieses Gegenstandes wirklich und notwendig zukommt. Zeit und Raum sind demnach zwei Erkenntnisquellen, aus denen a priori verschiedene synthetische Erkenntnisse geschoepft werden koennen, wie vornehmlich die reine Mathematik in Ansehung der Erkenntnisse vom Raume und dessen Verhaeltnissen ein glaenzendes Beispiel gibt. Sie sind naemlich beide zusammengenommen reine Formen aller sinnlichen Anschauung, und machen dadurch synthetische Saetze a priori moeglich. Aber diese Erkenntnisquellen a priori bestimmen sich eben dadurch (dass sie bloss Bedingungen der Sinnlichkeit sind) ihre Grenzen, naemlich, dass sie bloss auf Gegenstaende gehen, sofern sie als Erscheinungen betrachtet werden, nicht aber Dinge an sich selbst darstellen. Jene allein sind das Feld ihrer Gueltigkeit, woraus, wenn man hinausgeht, weiter kein objektiver Gebrauch derselben stattfindet. Diese Realitaet des Raumes und der Zeit laesst uebrigens die Sicherheit der Erfahrungserkenntnis unangetastet: denn wir sind derselben ebenso gewiss, ob diese Formen den Dingen an sich selbst, oder nur unserer Anschauung dieser Dinge notwendigerweise anhaengen. Dagegen die, so die absolute Realitaet des Raumes und der Zeit behaupten, sie moegen sie nun als subsistierend, oder nur inhaerierend annehmen, mit den Prinzipien der Erfahrung selbst uneinig sein muessen. Denn, entschliessen sie sich zum ersteren, (welches gemeiniglich die Partei der mathematischen Naturforscher ist,) so muessen sie zwei ewige und unendliche fuer sich bestehende Undinge (Raum und Zeit) annehmen, welche da sind (ohne dass doch etwas Wirkliches ist), nur um alles Wirkliche in sich zu befassen. Nehmen sie die zweite Partei (von der einige metaphysische Naturlehrer sind), und Raum und Zeit gelten ihnen als von der Erfahrung abstrahierte, obzwar in der Absonderung verworren vorgestellte, Verhaeltnisse der Erscheinungen (neben- oder nacheinander), so muessen sie den mathematischen Lehren a priori in Ansehung wirklicher Dinge (z.E. im Raume) ihre Gueltigkeit, wenigstens die apodiktische Gewissheit bestreiten, indem diese a posteriori gar nicht stattfindet, und die Begriffe a priori von Raum und Zeit, dieser Meinung nach, nur Geschoepfe der Einbildungskraft sind, deren Quell wirklich in der Erfahrung gesucht werden muss, aus deren abstrahierten Verhaeltnissen die Einbildung etwas gemacht hat, was zwar das Allgemeine derselben enthaelt, aber ohne die Restriktionen, welche die Natur mit denselben verknuepft hat, nicht stattfinden kann. Die ersteren gewinnen so viel, dass sie fuer die mathematischen Behauptungen sich das Feld der Erscheinungen freimachen. Dagegen verwirren sie sich sehr durch eben diese Bedingungen, wenn der Verstand ueber dieses Feld hinausgehen will. Die zweiten gewinnen zwar in Ansehung des letzteren, naemlich, dass die Vorstellungen von Raum und Zeit ihnen nicht in den Weg kommen, wenn sie von Gegenstaenden nicht als Erscheinungen, sondern bloss im Verhaeltnis auf den Verstand urteilen wollen; koennen aber weder von der Moeglichkeit mathematischer Erkenntnisse a priori (indem ihnen eine wahre und objektiv gueltige Anschauung a priori fehlt) Grund angeben, noch die Erfahrungssaetze mit jenen Behauptungen in notwendige Einstimmung bringen. In unserer Theorie, von der wahren Beschaffenheit dieser zwei urspruenglichen Formen der Sinnlichkeit, ist beiden Schwierigkeiten abgeholfen. Dass schliesslich die transzendentale Aesthetik nicht mehr, als diese zwei Elemente, naemlich Raum und Zeit, enthalten koenne, ist daraus klar, weil alle anderen zur Sinnlichkeit gehoerigen Begriffe, selbst der der Bewegung, welcher beide Stuecke vereinigt, etwas Empirisches voraussetzen. Denn diese setzt die Wahrnehmung von etwas Beweglichem voraus. Im Raum, an sich selbst betrachtet, ist aber nichts Bewegliches: daher das Bewegliche etwas sein muss, was im Raume nur durch Erfahrung gefunden wird, mithin ein empirisches Datum. Ebenso kann die transzendentale Aesthetik nicht den Begriff der Veraenderung unter ihre Data a priori zaehlen: denn die Zeit selbst veraendert sich nicht, sondern etwas, das in der Zeit ist. Also wird dazu die Wahrnehmung von irgendeinem Dasein, und der Sukzession seiner Bestimmungen, mithin Erfahrung erfordert. Paragraph 8. Allgemeine Anmerkungen zur transzendentalen Aesthetik I. Zuerst wird es noetig sein, uns so deutlich, als moeglich, zu erklaeren, was in Ansehung der Grundbeschaffenheit der sinnlichen Erkenntnis ueberhaupt unsere Meinung sei, um aller Missdeutung derselben vorzubeugen. Wir haben also sagen wollen: dass alle unsere Anschauung nichts als die Vorstellung von Erscheinung sei: dass die Dinge, die wir anschauen, nicht das an sich selbst sind, wofuer wir sie anschauen, noch ihre Verhaeltnisse so an sich selbst beschaffen sind, als sie uns erscheinen, und dass, wenn wir unser Subjekt oder auch nur die subjektive Beschaffenheit der Sinne ueberhaupt aufheben, alle die Beschaffenheit, alle Verhaeltnisse der Objekte im Raum und Zeit, ja selbst Raum und Zeit verschwinden wuerden, und als Erscheinungen nicht an sich selbst, sondern nur in uns existieren koennen. Was es fuer eine Bewandtnis mit den Gegenstaenden an sich und abgesondert von aller dieser Rezeptivitaet unserer Sinnlichkeit haben moege, bleibt uns gaenzlich unbekannt. Wir kennen nichts, als unsere Art, sie wahrzunehmen, die uns eigentuemlich ist, die auch nicht notwendig jedem Wesen, obzwar jedem Menschen, zukommen muss. Mit dieser haben wir es lediglich zu tun. Raum und Zeit sind die reinen Formen derselben, Empfindung ueberhaupt die Materie. Jene koennen wir allein a priori, d.i. vor aller wirklichen Wahrnehmung erkennen, und sie heisst darum reine Anschauung; diese aber ist das in unserem Erkenntnis, was da macht, dass sie Erkenntnis a posteriori, d.i. empirische Anschauung heisst. Jene haengen unserer Sinnlichkeit schlechthin notwendig an, welcher Art auch unsere Empfindungen sein moegen; diese koennen sehr verschieden sein. Wenn wir diese unsere Anschauung auch zum hoechsten Grade der Deutlichkeit bringen koennten, so wuerden wir dadurch der Beschaffenheit der Gegenstaende an sich selbst nicht naeher kommen. Denn wir wuerden auf allen Fall doch nur unsere Art der Anschauung, d.i. unsere Sinnlichkeit vollstaendig erkennen, und diese immer nur unter den, dem Subjekt urspruenglich anhaengenden Bedingungen, von Raum und Zeit; was die Gegenstaende an sich selbst sein moegen, wuerde uns durch die aufgeklaerteste Erkenntnis der Erscheinung derselben, die uns allein gegeben ist, doch niemals bekannt werden. Dass daher unsere ganze Sinnlichkeit nichts als die verworrene Vorstellung der Dinge sei, welche lediglich das enthaelt, was ihnen an sich selbst zukommt, aber nur unter einer Zusammenhaeufung von Merkmalen und Teilvorstellungen, die wir nicht mit Bewusstsein auseinander setzen, ist eine Verfaelschung des Begriffs von Sinnlichkeit und von Erscheinung, welche die ganze Lehre derselben unnuetz und leer macht. Der Unterschied einer undeutlichen von der deutlichen Vorstellung ist bloss logisch, und betrifft nicht den Inhalt. Ohne Zweifel enthaelt der Begriff von Recht, dessen sich der gesunde Verstand bedient, ebendasselbe, was die subtilste Spekulation aus ihm entwickeln kann, nur dass im gemeinen und praktischen Gebrauche man sich dieser mannigfaltigen Vorstellungen in diesen Gedanken nicht bewusst ist. Darum kann man nicht sagen, dass der gemeine Begriff sinnlich sei, und eine blosse Erscheinung enthalte, denn das Recht kann gar nicht erscheinen, sondern sein Begriff liegt im Verstande, und stellt eine Beschaffenheit (die moralische) der Handlungen vor, die ihnen an sich selbst zukommt. Dagegen enthaelt die Vorstellung eines Koerpers in der Anschauung gar nichts, was einem Gegenstande an sich selbst zukommen koennte, sondern bloss die Erscheinung von etwas, und die Art, wie wir dadurch affiziert werden, und diese Rezeptivitaet unserer Erkenntnisfaehigkeit heisst Sinnlichkeit, und bleibt von der Erkenntnis des Gegenstandes an sich selbst, ob man jene (die Erscheinung) gleich bis auf den Grund durchschauen moechte, dennoch himmelweit unterschieden. Die Leibniz-Wolfische Philosophie hat daher allen Untersuchungen ueber die Natur und den Ursprung unserer Erkenntnisse einen ganz unrechten Gesichtspunkt angewiesen, indem sie den Unterschied der Sinnlichkeit vom Intellektuellen bloss als logisch betrachtete, da er offenbar transzendental ist, und nicht bloss die Form der Deutlichkeit oder Undeutlichkeit, sondern den Ursprung und den Inhalt derselben betrifft, so dass wir durch die erstere die Beschaffenheit der Dinge an sich selbst nicht bloss undeutlich, sondern gar nicht erkennen, und, sobald wir unsere subjektive Beschaffenheit wegnehmen, das vorgestellte Objekt mit den Eigenschaften, die ihm die sinnliche Anschauung beilegte, ueberall nirgend anzutreffen ist, noch angetroffen werden kann, indem eben diese subjektive Beschaffenheit die Form desselben, als Erscheinung, bestimmt. Wir unterscheiden sonst wohl unter Erscheinungen das, was der Anschauung derselben wesentlich anhaengt, und fuer jeden menschlichen Sinn ueberhaupt gilt, von demjenigen, was derselben nur zufaelligerweise zukommt, indem es nicht auf die Beziehung der Sinnlichkeit ueberhaupt, sondern nur auf eine besondere Stellung oder Organisation dieses oder jenes Sinnes gueltig ist. Und da nennt man die erstere Erkenntnis eine solche, die den Gegenstand an sich selbst vorstellt, die zweite aber nur die Erscheinung desselben. Dieser Unterschied ist aber nur empirisch. Bleibt man dabei stehen, (wie es gemeiniglich geschieht,) und sieht jene empirische Anschauung nicht wiederum (wie es geschehen sollte) als blosse Erscheinung an, so dass darin gar nichts, was irgendeine Sache an sich selbst anginge, anzutreffen ist, so ist unser transzendentaler Unterschied verloren, und wir glauben alsdann doch, Dinge an sich zu erkennen, ob wir es gleich ueberall (in der Sinnenwelt) selbst bis zu der tiefsten Erforschung ihrer Gegenstaende mit nichts, als Erscheinungen, zu tun haben, So werden wir zwar den Regenbogen eine blosse Erscheinung bei einem Sonnregen nennen, diesen Regen aber die Sache an sich selbst, welches auch richtig ist, sofern wir den letzteren Begriff nur physisch verstehen, als das, was in der allgemeinen Erfahrung, unter allen verschiedenen Lagen zu den Sinnen, doch in der Anschauung so und nicht anders bestimmt ist. Nehmen wir aber dieses Empirische ueberhaupt, und fragen, ohne uns an die Einstimmung desselben mit jedem Menschensinne zu kehren, ob auch dieses einen Gegenstand an sich selbst (nicht die Regentropfen, denn die sind dann schon, als Erscheinungen, empirische Objekte,) vorstelle, so ist die Frage von der Beziehung der Vorstellung auf den Gegenstand transzendental, und nicht allein diese Tropfen sind blosse Erscheinungen, sondern selbst ihre runde Gestalt, ja sogar der Raum, in welchen sie fallen, sind nichts an sich selbst, sondern blosse Modifikationen, oder Grundlagen unserer sinnlichen Anschauung, das transzendentale Objekt aber bleibt uns unbekannt. Die zweite wichtige Angelegenheit unserer transzendentalen Aesthetik ist, dass sie nicht bloss als scheinbare Hypothese einige Gunst erwerbe, sondern so gewiss und ungezweifelt sei, als jemals von einer Theorie gefordert werden kann, die zum Organon dienen soll. Um diese Gewissheit voellig einleuchtend zu machen, wollen wir irgendeinen Fall waehlen, woran dessen Gueltigkeit augenscheinlich werden und zu mehrer Klarheit dessen, was Paragraph 3 angefuehrt worden, dienen kann. Setzet demnach, Raum und Zeit seien an sich selbst objektiv und Bedingungen der Moeglichkeit der Dinge an sich selbst, so zeigt sich erstlich: dass von beiden a priori apodiktische und synthetische Saetze in grosser Zahl vornehmlich vom Raum vorkommen, welchen wir darum vorzueglich hier zum Beispiel untersuchen wollen. Da die Saetze der Geometrie synthetisch a priori und mit apodiktischer Gewissheit erkannt werden, so frage ich: woher nehmt ihr dergleichen Saetze, und worauf stuetzt sich unser Verstand, um zu dergleichen schlechthin notwendigen und allgemeingueltigen Wahrheiten zu gelangen? Es ist kein anderer Weg, als durch Begriffe oder durch Anschauungen; beide aber, als solche, die entweder a priori oder a posteriori gegeben sind. Die letzteren, naemlich empirische Begriffe, imgleichen das, worauf sie sich gruenden, die empirische Anschauung, koennen keinen synthetischen Satz geben, als nur einen solchen, der auch bloss empirisch, d.i. ein Erfahrungssatz ist, mithin niemals Notwendigkeit und absolute Allgemeinheit enthalten kann, dergleichen doch das Charakteristische aller Saetze der Geometrie ist. Was aber das erstere und einzige Mittel sein wuerde, naemlich durch blosse Begriffe oder durch Anschauungen a priori zu dergleichen Erkenntnissen zu gelangen, so ist klar, dass aus blossen Begriffen gar keine synthetische Erkenntnis, sondern lediglich analytische erlangt werden kann. Nehmet nur den Satz: dass durch zwei gerade Linien sich gar kein Raum einschliessen lasse, mithin keine Figur moeglich sei, und versucht ihn aus dem Begriff von geraden Linien und der Zahl zwei abzuleiten; oder auch, dass aus drei geraden Linien eine Figur moeglich sei, und versucht es ebenso bloss aus diesen Begriffen. Alle eure Bemuehung ist vergeblich, und ihr seht euch genoetigt, zur Anschauung eure Zuflucht zu nehmen, wie es die Geometrie auch jederzeit tut. Ihr gebt euch also einen Gegenstand in der Anschauung; von welcher Art aber ist diese, ist es eine reine Anschauung a priori oder eine empirische? Waere das letzte, so koennte niemals ein allgemeingueltiger, noch weniger ein apodiktischer Satz daraus werden: denn Erfahrung kann dergleichen niemals liefern. Ihr muesst also euren Gegenstand a priori in der Anschauung geben, und auf diesen euren synthetischen Satz gruenden. Laege nun in euch nicht ein Vermoegen, a priori anzuschauen; waere diese subjektive Bedingung der Form nach nicht zugleich die allgemeine Bedingung a priori, unter der allein das Objekt dieser (aeusseren) Anschauung selbst moeglich ist; waere der Gegenstand (der Triangel) etwas an sich selbst ohne Beziehung auf euer Subjekt: wie koenntet ihr sagen, dass, was in euren subjektiven Bedingungen einen Triangel zu konstruieren notwendig liegt, auch dem Triangel an sich selbst notwendig zukommen muesse? denn ihr koenntet doch zu euren Begriffen (von drei Linien) nichts neues (die Figur) hinzufuegen, welches darum notwendig an dem Gegenstande angetroffen werden muesste, da dieser vor eurer Erkenntnis und nicht durch dieselbe gegeben ist. Waere also nicht der Raum (und so auch die Zeit) eine blosse Form eurer Anschauung, welche Bedingungen a priori enthaelt, unter denen allein Dinge fuer euch aeussere Gegenstaende sein koennen, die ohne diese subjektiven Bedingungen an sich nichts sind, so koenntet ihr a priori ganz und gar nichts ueber aeussere Objekte synthetisch ausmachen. Es ist also ungezweifelt gewiss, und nicht bloss moeglich, oder auch wahrscheinlich, dass Raum und Zeit, als die notwendigen Bedingungen aller (aeusseren und inneren) Erfahrung, bloss subjektive Bedingungen aller unserer Anschauung sind, im Verhaeltnis auf welche daher alle Gegenstaende blosse Erscheinungen und nicht fuer sich in dieser Art gegebene Dinge sind, von denen sich auch um deswillen, was die Form derselben betrifft, vieles a priori sagen laesst, niemals aber das Mindeste von dem Dinge an sich selbst, das diesen Erscheinungen zum Grunde liegen mag. II. Zur Bestaetigung dieser Theorie von der Idealitaet des aeusseren sowohl als inneren Sinnes, mithin aller Objekte der Sinne, als blosser Erscheinungen, kann vorzueglich die Bemerkung dienen: dass alles, was in unserem Erkenntnis zur Anschauung gehoert, (also Gefuehl der Lust und Unlust, und den Willen, die gar nicht Erkenntnisse, sind, ausgenommen,) nichts als blosse Verhaeltnisse enthalte, der Oerter in einer Anschauung (Ausdehnung), Veraenderung der Oerter (Bewegung), und Gesetze, nach denen diese Veraenderung bestimmt wird (bewegende Kraefte). Was aber in dem Orte gegenwaertig sei, oder was es ausser der Ortsveraenderung in den Dingen selbst wirke, wird dadurch nicht gegeben. Nun wird durch blosse Verhaeltnisse doch nicht eine Sache an sich erkannt: also ist wohl zu urteilen, dass, da uns durch den aeusseren Sinn nichts als blosse Verhaeltnisvorstellungen gegeben werden, dieser auch nur das Verhaeltnis eines Gegenstandes auf das Subjekt in seiner Vorstellung enthalten koenne, und nicht das Innere, was dem Objekte an sich zukommt. Mit der inneren Anschauung ist es eben so bewandt. Nicht allein, dass darin die Vorstellungen aeusserer Sinne den eigentlichen Stoff ausmachen, womit wir unser Gemuet besetzen, sondern die Zeit, in die wir diese Vorstellungen setzen, die selbst dem Bewusstsein derselben in der Erfahrung vorhergeht, und als normale Bedingung derart, wie wir sie im Gemuete setzen, zum Grunde liegt, enthaelt schon Verhaeltnisse des Nacheinander-, des Zugleichseins und dessen, was mit dem Nacheinandersein zugleich ist (des Beharrlichen). Nun ist das, was, als Vorstellung, vor aller Handlung irgend etwas zu denken, vorhergehen kann, die Anschauung, und, wenn sie nichts als Verhaeltnisse enthaelt, die Form der Anschauung, welche, da sie nichts vorstellt, ausser so fern etwas im Gemuete gesetzt wird, nichts anderes sein kann, als die Art, wie das Gemuet durch eigene Taetigkeit, naemlich dieses Setzen ihrer Vorstellung, mithin durch sich selbst affiziert wird, d.i. ein innerer Sinn seiner Form nach. Alles, was durch einen Sinn vorgestellt wird, ist so fern jederzeit Erscheinung, und ein innerer Sinn wuerde also entweder gar nicht eingeraeumt werden muessen, oder das Subjekt, welches der Gegenstand desselben ist, wuerde durch denselben nur als Erscheinung vorgestellt werden koennen, nicht wie es von sich selbst urteilen wuerde, wenn seine Anschauung blosse Selbsttaetigkeit, d.i. intellektuell, waere. Hierbei beruht alle Schwierigkeit nur darauf, wie ein Subjekt sich selbst innerlich anschauen koenne, allein diese Schwierigkeit ist jeder Theorie gemein. Das Bewusstsein seiner selbst (Apperzeption) ist die einfache Vorstellung des Ich, und, wenn dadurch allein alles Mannigfaltige im Subjekt selbsttaetig gegeben waere, so wuerde die innere Anschauung intellektuell sein. Im Menschen erfordert dieses Bewusstsein innere Wahrnehmung von dem Mannigfaltigen, was im Subjekte vorher gegeben wird, und die Art, wie dieses ohne Spontaneitaet im Gemuete gegeben wird, muss, um dieses Unterschiedes willen, Sinnlichkeit heissen. Wenn das Vermoegen sich bewusst zu werden, das, was im Gemuete liegt, aufsuchen (apprehendieren) soll, so muss es dasselbe affizieren, und kann allein auf solche Art eine Anschauung seiner selbst hervorbringen, deren Form aber, die vorher im Gemuete zugrunde liegt, die Art, wie das Mannigfaltige im Gemuete beisammen ist, in der Vorstellung der Zeit bestimmt, da es denn sich selbst anschaut, nicht wie es sich unmittelbar selbsttaetig vorstellen wuerde, sondern nach der Art, wie es von innen affiziert wird, folglich wie es sich erscheint, nicht wie es ist. III. Wenn ich sage: im Raum und der Zeit stellt die Anschauung, sowohl der aeusseren Objekte, als auch die Selbstanschauung des Gemuets, beides vor, so wie es unsere Sinne affiziert, d.i. wie es erscheint; so will das nicht sagen, dass diese Gegenstaende ein blosser Schein waeren. Denn in der Erscheinung werden jederzeit die Objekte, ja selbst die Beschaffenheiten, die wir ihnen beilegen, als etwas wirklich Gegebenes angesehen, nur dass, sofern diese Beschaffenheit nur von der Anschauungsart des Subjekts in der Relation des gegebenen Gegenstandes zu ihm abhaengt, dieser Gegenstand als Erscheinung von ihm selber als Objekt an sich unterschieden wird. So sage ich nicht, die Koerper scheinen bloss ausser mir zu sein, oder meine Seele scheint nur in meinem Selbstbewusstsein gegeben zu sein, wenn ich behaupte, dass die Qualitaet des Raumes und der Zeit, welcher, als Bedingung ihres Daseins, gemaess ich beide setze, in meiner Anschauungsart und nicht in diesen Objekten an sich liege. Es waere meine eigene Schuld, wenn ich aus dem, was ich zur Erscheinung zaehlen sollte, blossen Schein machte*. Dieses geschieht aber nicht nach unserem Prinzip der Idealitaet aller unserer sinnlichen Anschauungen; vielmehr, wenn man jenen Vorstellungsformen objektive Realitaet beilegt, so kann man nicht vermeiden, dass nicht alles dadurch in blossen Schein verwandelt werde. Denn, wenn man den Raum und die Zeit als Beschaffenheiten ansieht, die ihrer Moeglichkeit nach in Sachen an sich angetroffen werden muessten, und ueberdenkt die Ungereimtheiten, in die man sich alsdann verwickelt, indem zwei unendliche Dinge, die nicht Substanzen, auch nicht etwas wirklich den Substanzen Inhaerierendes, dennoch aber Existierendes, ja die notwendige Bedingung der Existenz aller Dinge sein muessen, auch uebrig bleiben, wenn gleich alle existierenden Dinge aufgehoben werden; so kann man es dem guten Berkeley wohl nicht verdenken, wenn er die Koerper zu blossem Schein herabsetzte, ja es muesste sogar unsere eigene Existenz, die, auf solche Art von der fuer sich bestehenden Realitaet eines Undinges, wie die Zeit, abhaengig gemacht waere, mit dieser in lauter Schein verwandelt werden, eine Ungereimtheit, die sich bisher noch niemand hat zuschulden kommen lassen. * Die Praedikate der Erscheinung koennen dem Objekte selbst beigelegt werden, in Verhaeltnis auf unseren Sinn, z.B. der Rose die rote Farbe, oder der Geruch; aber der Schein kann niemals als Praedikat dem Gegenstande beigelegt werden, eben darum, weil er, was diesem nur in Verhaeltnis auf die Sinne, oder ueberhaupt aufs Subjekt zukommt, dem Objekt fuer sich beilegt, z.B. die zwei Henkel, die man anfaenglich dem Saturn beilegte. Was gar nicht am Objekte an sich selbst, jederzeit aber im Verhaeltnisse desselben zum Subjekt anzutreffen und von der Vorstellung des ersteren unzertrennlich ist, ist Erscheinung, und so werden die Praedikate des Raumes und der Zeit mit Recht den Gegenstaenden der Sinne, als solchen, beigelegt, und hierin ist kein Schein. Dagegen, wenn ich der Rose an sich die Roete, dem Saturn die Henkel, oder allen aeusseren Gegenstaenden die Ausdehnung an sich beilege, ohne auf ein bestimmtes Verhaeltnis dieser Gegenstaende zum Subjekt zu sehen und mein Urteil darauf einzuschraenken; alsdann allererst entspringt der Schein. IV. In der natuerlichen Theologie, da man sich einen Gegenstand denkt, der nicht allein fuer uns gar kein Gegenstand der Anschauung, sondern der ihm selbst durchaus kein Gegenstand der sinnlichen Anschauung sein kann, ist man sorgfaeltig darauf bedacht, von aller seiner Anschauung (denn dergleichen muss alles sein Erkenntnis sein, und nicht Denken, welches jederzeit Schranken beweist) die Bedingungen der Zeit und des Raumes wegzuschaffen. Aber mit welchem Rechte kann man dieses tun, wenn man beide vorher zu Formen der Dinge an sich selbst gemacht hat, und zwar solchen, die, als Bedingungen der Existenz der Dinge a priori, uebrig bleiben, wenn man gleich die Dinge selbst aufgehoben haette: denn, als Bedingungen alles Daseins ueberhaupt, muessten sie es auch vom Dasein Gottes sein. Es bleibt nichts uebrig, wenn man sie nicht zu objektiven Formen aller Dinge machen will, als dass man sie zu subjektiven Formen unserer aeusseren sowohl als inneren Anschauungsart macht, die darum sinnlich heisst, weil sie nicht urspruenglich, d.i. eine solche ist, durch die selbst das Dasein des Objekts der Anschauung gegeben wird (und die, soviel wir einsahen, nur dem Urwesen zukommen kann), sondern von dem Dasein des Objekts abhaengig, mithin nur dadurch, dass die Vorstellungsfaehigkeit des Subjekts durch dasselbe affiziert wird, moeglich ist. Es ist auch nicht noetig, dass wir die Anschauungsart in Raum und Zeit auf die Sinnlichkeit des Menschen einschraenken, es mag sein, dass alles endliche denkende Wesen hierin mit dem Menschen notwendig uebereinkommen muesse, (wiewohl wir dieses nicht entscheiden koennen,) so hoert sie um dieser Allgemeingueltigkeit willen doch nicht auf Sinnlichkeit zu sein, eben darum, weil sie abgeleitet (intuitus derivativus), nicht urspruenglich (intuitus originarius), mithin nicht intellektuelle Anschauung ist, als welche aus dem eben angefuehrten Grunde allein dem Urwesen, niemals aber einem, seinem Dasein sowohl als seiner Anschauung nach (die sein Dasein in Beziehung auf gegebene Objekte bestimmt), abhaengigen Wesen zuzukommen scheint; wiewohl die letztere Bemerkung zu unserer aesthetischen Theorie nur als Erlaeuterung, nicht als Beweisgrund gezaehlt werden muss. Beschluss der transzendentalen Aesthetik Hier haben wir nun eines von den erforderlichen Stuecken zur Aufloesung der allgemeinen Aufgabe der Transzendentalphilosophie: wie sind synthetische Saetze a priori moeglich? naemlich reine Anschauungen a priori, Raum und Zeit, in welchen wir, wenn wir im Urteile a priori ueber den gegebenen Begriff hinausgehen wollen, dasjenige antreffen, was nicht im Begriffe, wohl aber in der Anschauung, die ihm entspricht, a priori entdeckt werden und mit jenem synthetisch verbunden werden kann, welche Urteile aber aus diesem Grunde nie weiter, als auf Gegenstaende der Sinne reichen, und nur fuer Objekte moeglicher Erfahrung gelten koennen. Der transzendentalen Elementarlehre Zweiter Teil Die transzendentale Logik Einleitung Idee einer transzendentalen Logik I. Von der Logik ueberhaupt Unsere Erkenntnis entspringt aus zwei Grundquellen des Gemuets, deren die erste ist, die Vorstellungen zu empfangen (die Rezeptivitaet der Eindruecke), die zweite das Vermoegen, durch diese Vorstellungen einen Gegenstand zu erkennen (Spontaneitaet der Begriffe); durch die erstere wird uns ein Gegenstand gegeben, durch die zweite wird dieser im Verhaeltnis auf jene Vorstellung (als blosse Bestimmung des Gemuets) gedacht. Anschauung und Begriffe machen also die Elemente aller unserer Erkenntnis aus, so dass weder Begriffe, ohne ihnen auf einige Art korrespondierende Anschauung, noch Anschauung ohne Begriffe, ein Erkenntnis abgeben koennen. Beide sind entweder rein, oder empirisch. Empirisch, wenn Empfindung (die die wirkliche Gegenwart des Gegenstandes voraussetzt) darin enthalten ist: rein aber, wenn der Vorstellung keine Empfindung beigemischt ist. Man kann die letztere die Materie der sinnlichen Erkenntnis nennen. Daher enthaelt reine Anschauung lediglich die Form, unter welcher etwas angeschaut wird, und reiner Begriff allein die Form des Denkens eines Gegenstandes ueberhaupt. Nur allein reine Anschauungen oder Begriffe sind a priori moeglich, empirische nur a posteriori. Wollen wir die Rezeptivitaet unseres Gemuets, Vorstellungen zu empfangen, sofern es auf irgendeine Weise affiziert wird, Sinnlichkeit nennen, so ist dagegen das Vermoegen, Vorstellungen selbst hervorzubringen, oder die Spontaneitaet des Erkenntnisses, der Verstand. Unsere Natur bringt es so mit sich, dass die Anschauung niemals anders als sinnlich sein kann, d.i. nur die Art enthaelt, wie wir von Gegenstaenden affiziert werden. Dagegen ist das Vermoegen, den Gegenstand sinnlicher Anschauung zu denken, der Verstand. Keine dieser Eigenschaften ist der anderen vorzuziehen. Ohne Sinnlichkeit wuerde uns kein Gegenstand gegeben, und ohne Verstand keiner gedacht werden. Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind. Daher ist es ebenso notwendig, seine Begriffe sinnlich zu machen, (d.i. ihnen den Gegenstand in der Anschauung beizufuegen,) als seine Anschauungen sich verstaendlich zu machen (d.i. sie unter Begriffe zu bringen). Beide Vermoegen, oder Faehigkeiten, koennen auch ihre Funktionen nicht vertauschen. Der Verstand vermag nichts anzuschauen, und die Sinne nichts zu denken. Nur daraus, dass sie sich vereinigen, kann Erkenntnis entspringen. Deswegen darf man aber doch nicht ihren Anteil vermischen, sondern man hat grosse Ursache, jedes von dem andern sorgfaeltig abzusondern, und zu unterscheiden. Daher unterscheiden wir die Wissenschaft der Regeln der Sinnlichkeit ueberhaupt, d.i. Aesthetik, von der Wissenschaft der Verstandesregeln ueberhaupt, d.i. der Logik. Die Logik kann nun wiederum in zwiefacher Absicht unternommen werden, entweder als Logik des allgemeinen, oder des besonderen Verstandesgebrauchs. Die erste enthaelt die schlechthin notwendigen Regeln des Denkens, ohne welche gar kein Gebrauch des Verstandes stattfindet, und geht also auf diesen, unangesehen der Verschiedenheit der Gegenstaende, auf welche er gerichtet sein mag. Die Logik des besonderen Verstandesgebrauchs enthaelt die Regeln, ueber eine gewisse Art von Gegenstaenden richtig zu denken. Jene kann man die Elementarlogik nennen, diese aber das Organon dieser oder jener Wissenschaft. Die letztere wird mehrenteils in den Schulen als Propaedeutik der Wissenschaften vorangeschickt, ob sie zwar, nach dem Gange der menschlichen Vernunft, das spaeteste ist, wozu sie allererst gelangt, wenn die Wissenschaft schon lange fertig ist, und nur die letzte Hand zu ihrer Berichtigung und Vollkommenheit bedarf. Denn man muss die Gegenstaende schon in ziemlich hohem Grade kennen, wenn man die Regel angeben will, wie sich eine Wissenschaft von ihnen zustande bringen lasse. Die allgemeine Logik ist nun entweder die reine, oder die angewandte Logik. In der ersteren abstrahieren wir von allen empirischen Bedingungen, unter denen unser Verstand ausgeuebt wird, z.B. vom Einfluss der Sinne, vom Spiele der Einbildung, den Gesetzen des Gedaechtnisses, der Macht der Gewohnheit, der Neigung usw., mithin auch den Quellen der Vorurteile, ja gar ueberhaupt von allen Ursachen, daraus uns gewisse Erkenntnisse entspringen, oder untergeschoben werden moegen, weil sie bloss den Verstand unter gewissen Umstaenden seiner Anwendung betreffen, und, um diese zu kennen, Erfahrung erfordert wird. Eine allgemeine, aber reine Logik, hat es also mit lauter Prinzipien a priori zu tun, und ist ein Kanon des Verstandes und der Vernunft, aber nur in Ansehung des Formalen ihres Gebrauchs, der Inhalt mag sein, welcher er wolle, (empirisch oder transzendental). Eine allgemeine Logik heisst aber alsdann angewandt, wenn sie auf die Regeln des Gebrauchs des Verstandes unter den subjektiven empirischen Bedingungen, die uns die Psychologie lehrt, gerichtet ist. Sie hat also empirische Prinzipien, ob sie zwar insofern allgemein ist, dass sie auf den Verstandesgebrauch ohne Unterschied der Gegenstaende geht. Um deswillen ist sie auch weder ein Kanon des Verstandes ueberhaupt, noch ein Organon besonderer Wissenschaften, sondern lediglich ein Kathartikon des gemeinen Verstandes. In der allgemeinen Logik muss also der Teil, der die reine Vernunftlehre ausmachen soll, von demjenigen gaenzlich abgesondert werden, welcher die angewandte (obzwar noch immer allgemeine) Logik ausmacht. Der erstere ist eigentlich nur allein Wissenschaft, obzwar kurz und trocken, und wie es die schulgerechte Darstellung einer Elementarlehre des Verstandes erfordert. In dieser muessen also die Logiker jederzeit zwei Regeln vor Augen haben. 1. Als allgemeine Logik abstrahiert sie von allem Inhalt der Verstandeserkenntnis, und der Verschiedenheit ihrer Gegenstaende, und hat mit nichts als der blossen Form des Denkens zu tun. 2. Als reine Logik hat sie keine empirischen Prinzipien, mithin schoepft sie nichts (wie man sich bisweilen ueberredet hat) aus der Psychologie, die also auf den Kanon des Verstandes gar keinen Einfluss hat. Sie ist eine demonstrierte Doktrin, und alles muss in ihr voellig a priori gewiss sein. Was ich die angewandte Logik nenne, (wider die gemeine Bedeutung dieses Wortes, nach der sie gewisse Exerzitien, dazu die reine Logik die Regel gibt, enthalten soll,) so ist sie eine Vorstellung des Verstandes und der Regeln seines notwendigen Gebrauchs in concreto, naemlich unter den zufaelligen Bedingungen des Subjekts, die diesen Gebrauch hindern oder befoerdern koennen, und die insgesamt nur empirisch gegeben werden. Sie handelt von der Aufmerksamkeit, deren Hindernis und Folgen, dem Ursprunge des Irrtums, dem Zustande des Zweifels, des Skrupels, der Ueberzeugung usw. und zu ihr verhaelt sich die allgemeine und reine Logik wie die reine Moral, welche bloss die notwendigen sittlichen Gesetze eines freien Willens ueberhaupt enthaelt, zu der eigentlichen Tugendlehre, welche diese Gesetze unter den Hindernissen der Gefuehle, Neigungen und Leidenschaften, denen die Menschen mehr oder weniger unterworfen sind, erwaegt, und welche niemals eine wahre und demonstrierte Wissenschaft abgeben kann, weil sie ebensowohl als jene angewandte Logik empirische und psychologische Prinzipien bedarf. II. Von der transzendentalen Logik Die allgemeine Logik abstrahiert, wie wir gewiesen, von allem Inhalt der Erkenntnis, d.i. von aller Beziehung derselben auf das Objekt, und betrachtet nur die logische Form im Verhaeltnisse der Erkenntnisse aufeinander, d.i. die Form des Denkens ueberhaupt. Weil es nun aber sowohl reine, als empirische Anschauungen gibt, (wie die transzendentale Aesthetik dartut,) so koennte auch wohl ein Unterschied zwischen reinem und empirischem Denken der Gegenstaende angetroffen werden. In diesem Falle wuerde es eine Logik geben, in der man nicht von allem Inhalt der Erkenntnis abstrahierte; denn diejenige, welche bloss die Regeln des reinen Denkens eines Gegenstandes enthielte, wuerde alle diejenigen Erkenntnisse ausschliessen, welche von empirischem Inhalte waeren. Sie wuerde auch auf den Ursprung unserer Erkenntnisse von Gegenstaenden gehen, sofern er nicht den Gegenstaenden zugeschrieben werden kann; da hingegen die allgemeine Logik mit diesem Ursprunge der Erkenntnis nichts zu tun hat, sondern die Vorstellungen, sie moegen uranfaenglich a priori in uns selbst, oder nur empirisch gegeben sein, bloss nach den Gesetzen betrachtet, nach welchen der Verstand sie im Verhaeltnis gegeneinander braucht, wenn er denkt, und also nur von der Verstandesform handelt, die den Vorstellungen verschafft werden kann, woher sie auch sonst entsprungen sein moegen. Und hier mache ich eine Anmerkung, die ihren Einfluss auf alle nachfolgenden Betrachtungen erstreckt, und die man wohl vor Augen haben muss, naemlich: dass nicht eine jede Erkenntnis a priori, sondern nur die, dadurch wir erkennen, dass und wie gewisse Vorstellungen (Anschauungen oder Begriffe) lediglich a priori angewandt werden, oder moeglich sind, transzendental (d.i. die Moeglichkeit der Erkenntnis oder der Gebrauch derselben a priori) heissen muesse. Daher ist weder der Raum, noch irgendeine geometrische Bestimmung desselben a priori eine transzendentale Vorstellung, sondern nur die Erkenntnis, dass diese Vorstellungen gar nicht empirischen Ursprungs sind, und die Moeglichkeit, wie sie sich gleichwohl a priori auf Gegenstaende der Erfahrung beziehen koenne, kann transzendental heissen. Imgleichen wuerde der Gebrauch des Raumes von Gegenstaenden ueberhaupt auch transzendental sein: aber ist er lediglich auf Gegenstaende der Sinne eingeschraenkt, so heisst er empirisch. Der Unterschied des Transzendentalen und Empirischen gehoert also nur zur Kritik der Erkenntnisse, und betrifft nicht die Beziehung derselben auf ihren Gegenstand. In der Erwartung also, dass es vielleicht Begriffe geben koenne, die sich a priori auf Gegenstaende beziehen moegen, nicht als reine oder sinnliche Anschauungen, sondern bloss als Handlungen des reinen Denkens, die mithin Begriffe, aber weder empirischen noch aesthetischen Ursprungs sind, so machen wir uns zum voraus die Idee von einer Wissenschaft des reinen Verstandes und Vernunfterkenntnisses, dadurch wir Gegenstaende voellig a priori denken. Eine solche Wissenschaft, welche den Ursprung, den Umfang und die objektive Gueltigkeit solcher Erkenntnisse bestimmte, wuerde transzendentale Logik heissen muessen, weil sie es bloss mit den Gesetzen des Verstandes und der Vernunft zu tun hat, aber lediglich, sofern sie auf Gegenstaende a priori bezogen wird, und nicht, wie die allgemeine Logik, auf die empirischen sowohl, als reinen Vernunfterkenntnisse ohne Unterschied. III. Von der Einteilung der allgemeinen Logik in Analytik und Dialektik Die alte und beruehmte Frage, womit man die Logiker in die Enge zu treiben vermeinte, und sie dahin zu bringen suchte, dass sie sich entweder auf einer elenden Dialexe mussten betreffen lassen, oder ihre Unwissenheit, mithin die Eitelkeit ihrer ganzen Kunst bekennen sollten, ist diese: Was ist Wahrheit? Die Namenerklaerung der Wahrheit, dass sie naemlich die Uebereinstimmung der Erkenntnis mit ihrem Gegenstande sei, wird hier geschenkt, und vorausgesetzt; man verlangt aber zu wissen, welches das allgemeine und sichere Kriterium der Wahrheit einer jeden Erkenntnis sei. Es ist schon ein grosser und noetiger Beweis der Klugheit oder Einsicht, zu wissen, was man vernuenftigerweise fragen solle. Denn, wenn die Frage an sich ungereimt ist, und unnoetige Antworten verlangt, so hat sie, ausser der Beschaemung dessen, der sie aufwirft, bisweilen noch den Nachteil, den unbehutsamen Anhoerer derselben zu ungereimten Antworten zu verleiten, und den belachenswerten Anblick zu geben, dass einer (wie die Alten sagten) den Bock melkt, der andere ein Sieb unterhaelt. Wenn Wahrheit in der Uebereinstimmung einer Erkenntnis mit ihrem Gegenstande besteht, so muss dadurch dieser Gegenstand von anderen unterschieden werden; denn eine Erkenntnis ist falsch, wenn sie mit dem Gegenstande, worauf sie bezogen wird, nicht uebereinstimmt, ob sie gleich etwas enthaelt, was wohl von anderen Gegenstaenden gelten koennte. Nun wuerde ein allgemeines Kriterium der Wahrheit dasjenige sein, welches von allen Erkenntnissen, ohne Unterschied ihrer Gegenstaende, gueltig waere. Es ist aber klar, dass, da man bei demselben von allem Inhalt der Erkenntnis (Beziehung auf ihr Objekt) abstrahiert, und Wahrheit gerade diesen Inhalt angeht, es ganz unmoeglich und ungereimt sei, nach einem Merkmale der Wahrheit dieses Inhalts der Erkenntnisse zu fragen, und dass also ein hinreichendes, und doch zugleich allgemeines Kennzeichen der Wahrheit unmoeglich angegeben werden koenne. Da wir oben schon den Inhalt einer Erkenntnis die Materie derselben genannt haben, so wird man sagen muessen: von der Wahrheit der Erkenntnis der Materie nach laesst sich kein allgemeines Kennzeichen verlangen, weil es in sich selbst widersprechend ist. Was aber das Erkenntnis der blossen Form nach (mit Beiseitesetzung alles Inhalts) betrifft, so ist ebenso klar: dass eine Logik, sofern sie die allgemeinen und notwendigen Regeln des Verstandes vortraegt, eben in diesen Regeln Kriterien der Wahrheit darlegen muesse. Denn, was diesen widerspricht, ist falsch, weil der Verstand dabei seinen allgemeinen Regeln des Denkens, mithin sich selbst widerstreitet. Diese Kriterien aber betreffen nur die Form der Wahrheit, d.i. des Denkens ueberhaupt, und sind sofern ganz richtig, aber nicht hinreichend. Denn obgleich eine Erkenntnis der logischen Form voellig gemaess sein moechte, d.i. sich selbst nicht widerspraeche, so kann sie doch noch immer dem Gegenstande widersprechen. Also ist das bloss logische Kriterium der Wahrheit, naemlich die Uebereinstimmung einer Erkenntnis mit den allgemeinen und formalen Gesetzen des Verstandes und der Vernunft zwar die conditio sine qua non, mithin die negative Bedingung aller Wahrheit: weiter aber kann die Logik nicht gehen, und den Irrtum, der nicht die Form, sondern den Inhalt trifft, kann die Logik durch keinen Probierstein entdecken. Die allgemeine Logik loest nun das ganze formale Geschaeft des Verstandes und der Vernunft in seine Elemente auf, und stellt sie als Prinzipien aller logischen Beurteilung unserer Erkenntnis dar. Dieser Teil der Logik kann daher Analytik heissen, und ist eben darum der wenigstens negative Probierstein der Wahrheit, indem man zuvoerderst alle Erkenntnis, ihrer Form nach, an diesen Regeln pruefen und schaetzen muss, ehe man sie selbst ihrem Inhalt nach untersucht, um auszumachen, ob sie in Ansehung des Gegenstandes positive Wahrheit enthalten. Weil aber die blosse Form des Erkenntnisses, so sehr sie auch mit logischen Gesetzen uebereinstimmen mag, noch lange nicht hinreicht, materielle (objektive) Wahrheit dem Erkenntnisse darum auszumachen, so kann sich niemand bloss mit der Logik wagen, ueber Gegenstaende zu urteilen, und irgend etwas zu behaupten, ohne von ihnen vorher gegruendete Erkundigung ausser der Logik eingezogen zu haben, um hernach bloss die Benutzung und die Verknuepfung derselben in einem zusammenhaengenden Ganzen nach logischen Gesetzen zu versuchen, noch besser aber, sie lediglich danach zu pruefen. Gleichwohl liegt so etwas Verleitendes in dem Besitze einer so scheinbaren Kunst, allen unseren Erkenntnissen die Form des Verstandes zu geben, ob man gleich in Ansehung des Inhalts derselben noch sehr leer und arm sein mag, dass jene allgemeine Logik, die bloss ein Kanon zur Beurteilung ist, gleichsam wie ein Organon zur wirklichen Hervorbringung wenigstens zum Blendwerk von objektiven Behauptungen gebraucht, und mithin in der Tat dadurch gemissbraucht worden. Die allgemeine Logik nun, als vermeintes Organon, heisst Dialektik. So verschieden auch die Bedeutung ist, in der die Alten dieser Benennung einer Wissenschaft oder Kunst sich bedienten, so kann man doch aus dem wirklichen Gebrauche derselben sicher abnehmen, dass sie bei ihnen nichts anderes war, als die Logik des Scheins. Eine sophistische Kunst, seiner Unwissenheit, ja auch seinen vorsaetzlichen Blendwerken den Anstrich der Wahrheit zu geben, dass man die Methode der Gruendlichkeit, welche die Logik ueberhaupt vorschreibt, nachahmte, und ihre Topik zu Beschoenigung jedes leeren Vorgebens benutzte. Nun kann man es als eine sichere und brauchbare Warnung anmerken: dass die allgemeine Logik, als Organon betrachtet, jederzeit eine Logik des Scheins, d.i. dialektisch sei. Denn da sie uns gar nichts ueber den Inhalt der Erkenntnis lehrt, sondern nur bloss die formalen Bedingungen der Uebereinstimmung mit dem Verstande, welche uebrigens in Ansehung der Gegenstaende gaenzlich gleichgueltig sind, so muss die Zumutung, sich derselben als eines Werkzeugs (Organon) zu gebrauchen, um seine Kenntnisse, wenigstens dem Vorgeben nach, auszubreiten und zu erweitern, auf nichts als Geschwaetzigkeit hinauslaufen, alles, was man will, mit einigem Schein zu behaupten, oder auch nach Belieben anzufechten. Eine solche Unterweisung ist der Wuerde der Philosophie auf keine Weise gemaess. Um deswillen hat man diese Benennung der Dialektik lieber, als eine Kritik des dialektischen Scheins, der Logik beigezaehlt, und als eine solche wollen wir sie auch hier verstanden wissen. IV. Von der Einteilung der transz. Logik in die transzendentale Analytik und Dialektik In einer transzendentalen Logik isolieren wir den Verstand, (so wie oben in der transzendentalen Aesthetik die Sinnlichkeit) und heben bloss den Teil des Denkens aus unserem Erkenntnisse heraus, der lediglich seinen Ursprung in dem Verstande hat. Der Gebrauch dieser reinen Erkenntnis aber beruht darauf, als ihrer Bedingung: dass uns Gegenstaende in der Anschauung gegeben seien, worauf jene angewandt werden koennen. Denn ohne Anschauung fehlt es aller unserer Erkenntnis an Objekten, und sie bleibt alsdann voellig leer. Der Teil der transzendentalen Logik also, der die Elemente der reinen Verstandeserkenntnis vortraegt, und die Prinzipien, ohne welche ueberall kein Gegenstand gedacht werden kann, ist die transzendentale Analytik, und zugleich, eine Logik der Wahrheit. Denn ihr kann keine Erkenntnis widersprechen, ohne dass sie zugleich allen Inhalt verloere, d.i. alle Beziehung auf irgendein Objekt, mithin alle Wahrheit. Weil es aber sehr anlockend und verleitend ist, sich dieser reinen Verstandeserkenntnisse und Grundsaetze allein, und selbst ueber die Grenzen der Erfahrung hinaus, zu bedienen, welche doch einzig und allein uns die Materie (Objekte) an die Hand geben kann, worauf jene reinen Verstandesbegriffe angewandt werden koennen: so geraet der Verstand in Gefahr, durch leere Vernuenfteleien von den blossen formalen Prinzipien des reinen Verstandes einen materialen Gebrauch zu machen, und ueber Gegenstaende ohne Unterschied zu urteilen, die uns doch nicht gegeben sind, ja vielleicht auf keinerlei Weise gegeben werden koennen. Da sie also eigentlich nur ein Kanon der Beurteilung des empirischen Gebrauchs sein sollte, so wird sie gemissbraucht, wenn man sie als das Organon eines allgemeinen und unbeschraenkten Gebrauchs gelten laesst, und sich mit dem reinen Verstande allein wagt, synthetisch ueber Gegenstaende ueberhaupt zu urteilen, zu behaupten, und zu entscheiden. Also wuerde der Gebrauch des reinen Verstandes alsdann dialektisch sein. Der zweite Teil der transzendentalen Logik muss also eine Kritik dieses dialektischen Scheines sein, und heisst transzendentale Dialektik, nicht als eine Kunst, dergleichen Schein dogmatisch zu erregen, (eine leider sehr gangbare Kunst mannigfaltiger metaphysischer Gaukelwerke) sondern als eine Kritik des Verstandes und der Vernunft in Ansehung ihres hyperphysischen Gebrauchs, um den falschen Schein ihrer grundlosen Anmassungen aufzudecken, und ihre Ansprueche auf Erfindung und Erweiterung, die sie bloss durch transzendentale Grundsaetze zu erreichen vermeint, zur blossen Beurteilung und Verwahrung des reinen Verstandes vor sophistischem Blendwerke herabzusetzen. Der transzendentalen Logik Erste Abteilung Die transzendentale Analytik Diese Analytik ist die Zergliederung unseres gesamten Erkenntnisses a priori in die Elemente der reinen Verstandeserkenntnis. Es kommt hiebei auf folgende Stuecke an: 1. Dass die Begriffe reine und nicht empirische Begriffe seien. 2. Dass sie nicht zur Anschauung und zur Sinnlichkeit, sondern zum Denken und Verstande gehoeren. 3. Dass sie Elementarbegriffe seien und von den abgeleiteten, oder daraus zusammengesetzten, wohl unterschieden werden. 4. Dass ihre Tafel vollstaendig sei, und sie das ganze Feld des reinen Verstandes gaenzlich ausfuellen. Nun kann diese Vollstaendigkeit einer Wissenschaft nicht auf den Ueberschlag, eines bloss durch Versuche zustande gebrachten Aggregats, mit Zuverlaessigkeit angenommen werden; daher ist sie nur vermittelst einer Idee des Ganzen der Verstandeserkenntnis a priori und durch die daraus bestimmte Abteilung der Begriffe, welche sie ausmachen, mithin nur durch ihren Zusammenhang in einem System moeglich. Der reine Verstand sondert sich nicht allein von allem Empirischen, sondern sogar von aller Sinnlichkeit voellig aus. Er ist also eine fuer sich selbst bestaendige, sich selbst genugsame, und durch keine aeusserlich hinzukommenden Zusaetze zu vermehrende Einheit. Daher wird der Inbegriff seiner Erkenntnis ein unter einer Idee zu befassendes und zu bestimmendes System ausmachen, dessen Vollstaendigkeit und Artikulation zugleich einen Probierstein der Richtigkeit und Echtheit aller hineinpassenden Erkenntnisstuecke abgeben kann. Es besteht aber dieser ganze Teil der transzendentalen Logik aus zwei Buechern, deren das eine die Begriffe, das andere die Grundsaetze des reinen Verstandes enthaelt. Der transzendentalen Analytik Erstes Buch Die Analytik der Begriffe Ich verstehe unter der Analytik der Begriffe nicht die Analysis derselben, oder das gewoehnliche Verfahren in philosophischen Untersuchungen, Begriffe, die sich darbieten, ihrem Inhalte nach zu zergliedern und zur Deutlichkeit zu bringen, sondern die noch wenig versuchte Zergliederung des Verstandesvermoegens selbst, um die Moeglichkeit der Begriffe a priori dadurch zu erforschen, dass wir sie im Verstande allein, als ihrem Geburtsorte, aufsuchen und dessen reinen Gebrauch ueberhaupt analysieren; denn dieses ist das eigentuemliche Geschaeft einer Transzendental-Philosophie; das uebrige ist die logische Behandlung der Begriffe in der Philosophie ueberhaupt. Wir werden also die reinen Begriffe bis zu ihren ersten Keimen und Anlagen im menschlichen Verstande verfolgen, in denen sie vorbereitet liegen, bis sie endlich bei Gelegenheit der Erfahrung entwickelt und durch ebendenselben Verstand, von den ihnen anhaengenden empirischen Bedingungen befreit, in ihrer Lauterkeit dargestellt werden. Der Analytik der Begriffe Erstes Hauptstueck Von dem Leitfaden der Entdeckung aller reinen Verstandesbegriffe Wenn man ein Erkenntnisvermoegen ins Spiel setzt, so tun sich, nach den mancherlei Anlaessen, verschiedene Begriffe hervor, die dieses Vermoegen kennbar machen und sich in einem mehr oder weniger ausfuehrlichen Aufsatz sammeln lassen, nachdem die Beobachtung derselben laengere Zeit, oder mit groesserer Scharfsinnigkeit angestellt worden. Wo diese Untersuchung werde vollendet sein, laesst sich, nach diesem gleichsam mechanischen Verfahren, niemals mit Sicherheit bestimmen. Auch entdecken sich die Begriffe, die man nur so bei Gelegenheit auffindet, in keiner Ordnung und systematischen Einheit, sondern werden zuletzt nur nach Aehnlichkeiten gepaart und nach der Groesse ihres Inhalts, von den einfachen an, zu den mehr zusammengesetzten, in Reihen gestellt, die nichts weniger als systematisch, obgleich auf gewisse Weise methodisch zustande gebracht werden. Die Transzendental-Philosophie hat den Vorteil, aber auch die Verbindlichkeit, ihre Begriffe nach einem Prinzip aufzusuchen; weil sie aus dem Verstande, als absoluter Einheit, rein und unvermischt entspringen, und daher selbst nach einem Begriffe, oder Idee, unter sich zusammenhaengen muessen. Ein solcher Zusammenhang aber gibt eine Regel an die Hand, nach welcher jedem reinen Verstandesbegriff seine Stelle und allen insgesamt ihre Vollstaendigkeit a priori bestimmt werden kann, welches alles sonst vom Belieben, oder vom Zufall abhaengen wuerde. Des transzendentalen Leitfadens der Entdeckung aller reinen Verstandesbegriffe Erster Abschnitt Von dem logischen Verstandesgebrauche ueberhaupt Der Verstand wurde oben bloss negativ erklaert: durch ein nichtsinnliches Erkenntnisvermoegen. Nun koennen wir, unabhaengig von der Sinnlichkeit, keiner Anschauung teilhaftig werden. Also ist der Verstand kein Vermoegen der Anschauung. Es gibt aber, ausser der Anschauung, keine andere Art, zu erkennen, als durch Begriffe. Also ist die Erkenntnis eines jeden, wenigstens des menschlichen, Verstandes, eine Erkenntnis durch Begriffe, nicht intuitiv, sondern diskursiv. Alle Anschauungen, als sinnlich, beruhen auf Affektionen, die Begriffe also auf Funktionen. Ich verstehe aber unter Funktion die Einheit der Handlung, verschiedene Vorstellungen unter einer gemeinschaftlichen zu ordnen. Begriffe gruenden sich also auf der Spontaneitaet des Denkens, wie sinnliche Anschauungen auf der Rezeptivitaet der Eindruecke. Von diesen Begriffen kann nun der Verstand keinen anderen Gebrauch machen, als dass er dadurch urteilt. Da keine Vorstellung unmittelbar auf den Gegenstand geht, als bloss die Anschauung, so wird ein Begriff niemals auf einen Gegenstand unmittelbar, sondern auf irgendeine andere Vorstellung von demselben (sie sei Anschauung oder selbst schon Begriff) bezogen. Das Urteil ist also die mittelbare Erkenntnis eines Gegenstandes, mithin die Vorstellung einer Vorstellung desselben. In jedem Urteil ist ein Begriff, der fuer viele gilt, und unter diesem Vielen auch eine gegebene Vorstellung begreift, welche letztere denn auf den Gegenstand unmittelbar bezogen wird. So bezieht sich z.B. in dem Urteile: alle Koerper sind veraenderlich, der Begriff des Teilbaren auf verschiedene andere Begriffe; unter diesen aber wird er hier besonders auf den Begriff des Koerpers bezogen, dieser aber auf gewisse uns vorkommende Erscheinungen. Also werden diese Gegenstaende durch den Begriff der Teilbarkeit mittelbar vorgestellt. Alle Urteile sind demnach Funktionen der Einheit unter unseren Vorstellungen, da naemlich statt einer unmittelbaren Vorstellung eine hoehere, die diese und mehrere unter sich begreift, zur Erkenntnis des Gegenstandes gebraucht, und viel moegliche Erkenntnisse dadurch in einer zusammengezogen werden. Wir koennen aber alle Handlungen des Verstandes auf Urteile zurueckfuehren, so dass der Verstand ueberhaupt als ein Vermoegen zu urteilen vorgestellt werden kann. Denn er ist nach dem obigen ein Vermoegen zu denken. Denken ist das Erkenntnis durch Begriffe. Begriffe aber beziehen sich, als Praedikate moeglicher Urteile, auf irgendeine Vorstellung von einem noch unbestimmten Gegenstande. So bedeutet der Begriff des Koerpers etwas, z.B. Metall, was durch jenen Begriff erkannt werden kann. Er ist also nur dadurch Begriff, dass unter ihm andere Vorstellungen enthalten sind, vermittelst deren er sich auf Gegenstaende beziehen kann. Es ist also das Praedikat zu einem moeglichen Urteile, z.B. ein jedes Metall ist ein Koerper. Die Funktionen des Verstandes koennen also insgesamt gefunden werden, wenn man die Funktionen der Einheit in den Urteilen vollstaendig darstellen kann. Dass dies aber sich ganz wohl bewerkstelligen lasse, wird der folgende Abschnitt vor Augen stellen. Des Leitfadens der Entdeckung aller reinen Verstandesbegriffe Zweiter Abschnitt Paragraph 9. Von der logischen Funktion des Verstandes in Urteilen Wenn wir von allem Inhalte eines Urteils ueberhaupt abstrahieren, und nur auf die blosse Verstandesform darin achtgeben, so finden wir, dass die Funktion des Denkens in demselben unter vier Titel gebracht werden koenne, deren jeder drei Momente unter sich enthaelt. Sie koennen fueglich in folgender Tafel vorgestellt werden. 1. Quantitaet der Urteile Allgemeine Besondere Einzelne 2. Qualitaet 3. Relation Bejahende Kategorische Verneinende Hypothetische Unendliche Disjunktive 4. Modalitaet Problematische Assertorische Apodiktische Da diese Einteilung in einigen, obgleich nicht wesentlichen Stuecken, von der gewohnten Technik der Logiker abzuweichen scheint, so werden folgende Verwahrungen wider den besorglichen Missverstand nicht unnoetig sein. 1. Die Logiker sagen mit Recht, dass man beim Gebrauch der Urteile in Vernunftschluessen die einzelnen Urteile gleich den allgemeinen behandeln koenne. Denn eben darum, weil sie gar keinen Umfang haben, kann das Praedikat derselben nicht bloss auf einiges dessen, was unter dem Begriff des Subjekts enthalten ist, gezogen, von einigem aber ausgenommen werden. Es gilt also von jenem Begriffe ohne Ausnahme, gleich als wenn derselbe ein gemeingueltiger Begriff waere, der einen Umfang haette, von dessen ganzer Bedeutung das Praedikat gelte. Vergleichen wir dagegen ein einzelnes Urteil mit einem gemeingueltigen, bloss als Erkenntnis, der Groesse nach, so verhaelt sie sich zu diesem wie Einheit zur Unendlichkeit, und ist also an sich selbst davon wesentlich unterschieden. Also, wenn ich ein einzelnes Urteil (judicium singulare) nicht bloss nach seiner inneren Gueltigkeit, sondern auch, als Erkenntnis ueberhaupt, nach der Groesse, die es in Vergleichung mit anderen Erkenntnissen hat, schaetze, so ist es allerdings von gemeingueltigen Urteilen (judicia communia) unterschieden, und verdient in einer vollstaendigen Tafel der Momente des Denkens ueberhaupt (obzwar freilich nicht in der bloss auf den Gebrauch der Urteile untereinander eingeschraenkten Logik) eine besondere Stelle. 2. Ebenso muessen in einer transzendentalen Logik unendliche Urteile von bejahenden noch unterschieden werden, wenn sie gleich in der allgemeinen Logik jenen mit Recht beigezaehlt sind und kein besonderes Glied der Einteilung ausmachen. Diese naemlich abstrahiert von allem Inhalt des Praedikats (ob es gleich verneinend ist) und sieht nur darauf, ob dasselbe dem Subjekt beigelegt, oder ihm entgegengesetzt werde. Jene aber betrachtet das Urteil auch nach dem Werte oder Inhalt dieser logischen Bejahung vermittelst eines bloss verneinenden Praedikats, und was diese in Ansehung des gesamten Erkenntnisses fuer einen Gewinn verschafft. Haette ich von der Seele gesagt, sie ist nicht sterblich, so haette ich durch ein verneinendes Urteil wenigstens einen Irrtum abgehalten. Nun habe ich durch den Satz: die Seele ist nicht sterblich, zwar der logischen Form nach wirklich bejaht, indem ich die Seele in den unbeschraenkten Umfang der nichtsterbenden Wesen setze. Weil nun von dem ganzen Umfange moeglicher Wesen das Sterbliche einen Teil enthaelt, das Nichtsterbende aber den anderen, so ist durch meinen Satz nichts anderes gesagt, als dass die Seele eines von der unendlichen Menge Dinge sei, die uebrigbleiben, wenn ich das Sterbliche insgesamt wegnehme. Dadurch aber wird nur die unendliche Sphaere alles Moeglichen insoweit beschraenkt, dass das Sterbliche davon abgetrennt, und in dem uebrigen Umfang ihres Raums die Seele gesetzt wird. Dieser Raum bleibt aber bei dieser Ausnahme noch immer unendlich, und koennen noch mehrere Teile desselben weggenommen werden, ohne dass darum der Begriff von der Seele im mindesten waechst, und bejahend bestimmt wird. Diese unendlichen Urteile also in Ansehung des logischen Umfanges sind wirklich bloss beschraenkend in Ansehung des Inhalts der Erkenntnis ueberhaupt, und insofern muessen sie in der transzendentalen Tafel aller Momente des Denkens in den Urteilen nicht uebergangen werden, weil die hierbei ausgeuebte Funktion des Verstandes vielleicht in dem Felde seiner reinen Erkenntnis a priori wichtig sein kann. 3. Alle Verhaeltnisse des Denkens in Urteilen sind die a) des Praedikats zum Subjekt, b) des Grundes zur Folge, c) der eingeteilten Erkenntnis und der gesammelten Glieder der Einteilung untereinander. In der ersteren Art der Urteile sind nur zwei Begriffe, in der zweiten zwei Urteile, in der dritten mehrere Urteile im Verhaeltnis gegeneinander betrachtet. Der hypothetische Satz: wenn eine vollkommene Gerechtigkeit da ist, so wird der beharrlich Boese bestraft, enthaelt eigentlich das Verhaeltnis zweier Saetze: Es ist eine vollkommene Gerechtigkeit da, und der beharrlich Boese wird bestraft. Ob beide dieser Saetze an sich wahr seien, bleibt hier unausgemacht. Es ist nur die Konsequenz, die durch dieses Urteil gedacht wird. Endlich enthaelt das disjunktive Urteil ein Verhaeltnis zweier, oder mehrerer Saetze gegeneinander, aber nicht der Abfolge, sondern der logischen Entgegensetzung, sofern die Sphaere des einen die des anderen ausschliesst, aber doch zugleich der Gemeinschaft, insofern sie zusammen die Sphaere der eigentlichen Erkenntnis erfuellen, also ein Verhaeltnis der Teile der Sphaere eines Erkenntnisses, da die Sphaere eines jeden Teils ein Ergaenzungsstueck der Sphaere des anderen zu dem ganzen Inbegriff der eingeteilten Erkenntnis ist, z.E. die Welt ist entweder durch einen blinden Zufall da, oder durch innere Notwendigkeit, oder durch eine aeussere Ursache. Jeder dieser Saetze nimmt einen Teil der Sphaere des moeglichen Erkenntnisses ueber das Dasein einer Welt ueberhaupt ein, alle zusammen die ganze Sphaere. Das Erkenntnis aus einer dieser Sphaeren wegnehmen, heisst, sie in eine der uebrigen setzen, und dagegen sie in eine Sphaere setzen, heisst, sie aus den uebrigen wegnehmen. Es ist also in einem disjunktiven Urteile eine gewisse Gemeinschaft der Erkenntnisse, die darin besteht, dass sie sich wechselseitig einander ausschliessen, aber dadurch doch im Ganzen die wahre Erkenntnis bestimmen, indem sie zusammengenommen den ganzen Inhalt einer einzigen gegebenen Erkenntnis ausmachen. Und dieses ist es auch nur, was ich des Folgenden wegen hiebei anzumerken noetig finde. 4. Die Modalitaet der Urteile ist eine ganz besondere Funktion derselben, die das Unterscheidende an sich hat, dass sie nichts zum Inhalte des Urteils beitraegt, (denn ausser Groesse, Qualitaet und Verhaeltnis ist nichts mehr, was den Inhalt eines Urteils ausmachte,) sondern nur den Wert der Copula in Beziehung auf das Denken ueberhaupt angeht. Problematische Urteile sind solche, wo man das Bejahen oder Verneinen als bloss moeglich (beliebig) annimmt. Assertorische, da es als wirklich (wahr) betrachtet wird. Apodiktische, in denen man es als notwendig ansieht*. So sind die beiden Urteile, deren Verhaeltnis das hypothetische Urteil ausmacht, (antecedens und consequens), imgleichen in deren Wechselwirkung das Disjunktive besteht, (Glieder der Einteilung) insgesamt nur problematisch. In dem obigen Beispiel wird der Satz: es ist eine vollkommene Gerechtigkeit da, nicht assertorisch gesagt, sondern nur als ein beliebiges Urteil, wovon es moeglich ist, dass jemand es annehme, gedacht, und nur die Konsequenz ist assertorisch. Daher koennen solche Urteile auch offenbar falsch sein, und doch, problematisch genommen, Bedingungen der Erkenntnis der Wahrheit sein. So ist das Urteil: die Welt ist durch blinden Zufall da, in dem disjunktiven Urteil nur von problematischer Bedeutung, naemlich, dass jemand diesen Satz etwa auf eignen Augenblick annehmen moege, und dient doch, (wie die Verzeichnung des falschen Weges, unter der Zahl aller derer, die man nehmen kann,) den wahren zu finden. Der problematische Satz ist also derjenige, der nur logische Moeglichkeit (die nicht objektiv ist) ausdrueckt, d.i. eine freie Wahl einen solchen Satz gelten zu lassen, eine bloss willkuerliche Aufnehmung desselben in den Verstand. Der assertorische sagt von logischer Wirklichkeit oder Wahrheit, wie etwa in einem hypothetischen Vernunftschluss das Antecedens im Obersatze problematisch, im Untersatze assertorisch vorkommt, und zeigt an, dass der Satz mit dem Verstande nach dessen Gesetzen schon verbunden sei, der apodiktische Satz denkt sich den assertorischen durch diese Gesetze des Verstandes selbst bestimmt, und daher a priori behauptend, und drueckt auf solche Weise logische Notwendigkeit aus. Weil nun hier alles sich gradweise dem Verstande einverleibt, so dass man zuvor etwas problematisch urteilt, darauf auch wohl es assertorisch als wahr annimmt, endlich als unzertrennlich mit dem Verstande verbunden, d.i. als notwendig und apodiktisch behauptet, so kann man diese drei Funktionen der Modalitaet auch so viel Momente des Denkens ueberhaupt nennen. * Gleich, als wenn das Denken im ersten Fall eine Funktion des Verstandes, im zweiten der Urteilskraft, im dritten der Vernunft waere. Eine Bemerkung, die erst in der Folge ihre Aufklaerung erwartet. Des Leitfadens der Entdeckung aller reinen Verstandesbegriffe Dritter Abschnitt Paragraph 10. Von den reinen Verstandesbegriffen oder Kategorien Die allgemeine Logik abstrahiert, wie mehrmalen schon gesagt worden, von allem Inhalt der Erkenntnis, und erwartet, dass ihr anderwaerts, woher es auch sei, Vorstellungen gegeben werden, um diese zuerst in Begriffe zu verwandeln, welches analytisch zugeht. Dagegen hat die transzendentale Logik ein Mannigfaltiges der Sinnlichkeit a priori vor sich liegen, welches die transzendentale Aesthetik ihr darbietet, um zu den reinen Verstandesbegriffen einen Stoff zu geben, ohne den sie ohne allen Inhalt, mithin voellig leer sein wuerde. Raum und Zeit enthalten nun ein Mannigfaltiges der reinen Anschauung a priori, gehoeren aber gleichwohl zu den Bedingungen der Rezeptivitaet unseres Gemuets, unter denen es allein Vorstellungen von Gegenstaenden empfangen kann, die mithin auch den Begriff derselben jederzeit affizieren muessen. Allein die Spontaneitaet unseres Denkens erfordert es, dass dieses Mannigfaltige zuerst auf gewisse Weise durchgegangen, aufgenommen, und verbunden werde, um daraus eine Erkenntnis zu machen. Diese Handlung nenne ich Synthesis. Ich verstehe aber unter Synthesis in der allgemeinsten Bedeutung die Handlung, verschiedene Vorstellungen zueinander hinzuzutun, und ihre Mannigfaltigkeit in einer Erkenntnis zu begreifen. Eine solche Synthesis ist rein, wenn das Mannigfaltige nicht empirisch, sondern a priori gegeben ist (wie das im Raum und der Zeit). Vor aller Analysis unserer Vorstellungen muessen diese zuvor gegeben sein, und es koennen keine Begriffe dem Inhalte nach analytisch entspringen. Die Synthesis eines Mannigfaltigen aber (es sei empirisch oder a priori gegeben), bringt zuerst eine Erkenntnis hervor, die zwar anfaenglich noch roh und verworren sein kann, und also der Analysis bedarf; allein die Synthesis ist doch dasjenige, was eigentlich die Elemente zu Erkenntnissen sammelt, und zu einem gewissen Inhalte vereinigt; sie ist also das erste, worauf wir acht zu geben haben, wenn wir ueber den ersten Ursprung unserer Erkenntnis urteilen wollen. Die Synthesis ueberhaupt ist, wie wir kuenftig sehen werden, die blosse Wirkung der Einbildungskraft, einer blinden, obgleich unentbehrlichen Funktion der Seele, ohne die wir ueberall gar keine Erkenntnis haben wuerden, der wir uns aber selten nur einmal bewusst sind. Allein, diese Synthesis auf Begriffe zu bringen, das ist eine Funktion, die dem Verstande zukommt, und wodurch er uns allererst die Erkenntnis in eigentlicher Bedeutung verschafft. Die reine Synthesis, allgemein vorgestellt, gibt nun den reinen Verstandesbegriff. Ich verstehe aber unter dieser Synthesis diejenige, welche auf einem Grunde der synthetischen Einheit a priori beruht: so ist unser Zaehlen (vornehmlich ist es in groesseren Zahlen merklicher) eine Synthesis nach Begriffen, weil sie nach einem gemeinschaftlichen Grunde der Einheit geschieht (z.E. der Dekadik). Unter diesem Begriffe wird also die Einheit in der Synthesis des Mannigfaltigen notwendig. Analytisch werden verschiedene Vorstellungen unter einen Begriff gebracht, (ein Geschaeft, wovon die allgemeine Logik handelt). Aber nicht die Vorstellungen, sondern die reine Synthesis der Vorstellungen auf Begriffe zu bringen, lehrt die transz. Logik. Das erste, was uns zum Behuf der Erkenntnis aller Gegenstaende a priori gegeben sein muss, ist das Mannigfaltige der reinen Anschauung; die Synthesis dieses Mannigfaltigen durch die Einbildungskraft ist das zweite, gibt aber noch keine Erkenntnis. Die Begriffe, welche dieser reinen Synthesis Einheit geben, und lediglich in der Vorstellung dieser notwendigen synthetischen Einheit bestehen, tun das dritte zum Erkenntnisse eines vorkommenden Gegenstandes, und beruhen auf dem Verstande. Dieselbe Funktion, welche den verschiedenen Vorstellungen in einem Urteile Einheit gibt, die gibt auch der blossen Synthesis verschiedene Vorstellungen in einer Anschauung Einheit, welche, allgemein ausgedrueckt, der reine Verstandesbegriff heisst. Derselbe Verstand also, und zwar durch eben dieselben Handlungen, wodurch er in Begriffen, vermittelst der analytischen Einheit, die logische Form eines Urteils zustande brachte, bringt auch, vermittelst der synthetischen Einheit des Mannigfaltigen in der Anschauung ueberhaupt, in seine Vorstellungen einen transzendentalen Inhalt, weswegen sie reine Verstandesbegriffe heissen, die a priori auf Objekte gehen, welches die allgemeine Logik nicht leisten kann. Auf solche Weise entspringen gerade so viel reine Verstandesbegriffe, welche a priori auf Gegenstaende der Anschauung ueberhaupt gehen, als es in der vorigen Tafel logische Funktionen in allen moeglichen Urteilen gab: denn der Verstand ist durch gedachte Funktionen voellig erschoepft, und sein Vermoegen dadurch gaenzlich ausgemessen. Wir wollen diese Begriffe, nach dem Aristoteles Kategorien nennen, indem unsere Absicht uranfaenglich mit der seinigen zwar einerlei ist, ob sie sich gleich davon in der Ausfuehrung gar sehr entfernt. Tafel der Kategorien 1. Der Quantitaet: Einheit Vielheit Allheit. 2. Der Qualitaet: 3. Der Relation: Realitaet der Inhaerenz und Subsistenz (substantia et accidens) Negation der Kausalitaet und Dependenz (Ursache und Wirkung) Limitation. der Gemeinschaft (Wechselwirkung zwischen dem Handelnden und Leidenden). 4. Der Modalitaet: Moeglichkeit - Unmoeglichkeit Dasein - Nichtsein Notwendigkeit - Zufaelligkeit. Dieses ist nun die Verzeichnung aller urspruenglich reinen Begriffe der Synthesis, die der Verstand a priori in sich enthaelt, und um derentwillen er auch nur ein reiner Verstand ist; indem er durch sie allein etwas bei dem Mannigfaltigen der Anschauung verstehen, d.i. ein Objekt derselben denken kann. Diese Einteilung ist systematisch aus einem gemeinschaftlichen Prinzip, naemlich dem Vermoegen zu urteilen, (welches ebensoviel ist, als das Vermoegen zu denken,) erzeugt, und nicht rhapsodistisch, aus einer auf gut Glueck unternommenen Aufsuchung reiner Begriffe entstanden, von deren Vollzaehligkeit man niemals gewiss sein kann, da sie nur durch Induktion geschlossen wird, ohne zu gedenken, dass man noch auf die letztere Art niemals einsieht, warum denn gerade diese und nicht andere Begriffe dem reinen Verstande beiwohnen. Es war ein eines scharfsinnigen Mannes wuerdiger Anschlag des Aristoteles, diese Grundbegriffe aufzusuchen. Da er aber kein Prinzipium hatte, so raffte er sie auf, wie sie ihm aufstiessen, und trieb deren zuerst zehn auf, die er Kategorien (Praedikamente) nannte. In der Folge glaubte er noch ihrer fuenfe aufgefunden zu haben, die er unter dem Namen der Postpraedikamente hinzufuegte. Allein seine Tafel blieb noch immer mangelhaft. Ausserdem finden sich auch einige modi der reinen Sinnlichkeit darunter, (quando, ubi, situs, imgleichen prius, simul,) auch ein empirischer, (motus) die in dieses Stammregister des Verstandes gar nicht gehoeren, oder es sind auch die abgeleiteten Begriffe mit unter die Urbegriffe gezaehlt, (actio, passio,) und an einigen der letzteren fehlt es gaenzlich. Um der letzteren willen ist also noch zu bemerken: dass die Kategorien, als die wahren Stammbegriffe des reinen Verstandes, auch ihre ebenso reinen abgeleiteten Begriffe haben, die in einem vollstaendigen System der Transzendental-Philosophie keineswegs uebergangen werden koennen, mit deren blosser Erwaehnung aber ich in einem bloss kritischen Versuch zufrieden sein kann. Es sei mir erlaubt, diese reinen, aber abgeleiteten Verstandesbegriffe die Praedikabilien des reinen Verstandes (im Gegensatz der Praedikamente) zu nennen. Wenn man die urspruenglichen und primitiven Begriffe hat, so lassen sich die abgeleiteten und subalternen leicht hinzufuegen, und der Stammbaum des reinen Verstandes voellig ausmalen. Da es mir hier nicht um die Vollstaendigkeit des Systems, sondern nur der Prinzipien zu einem System zu tun ist, so verspare ich diese Ergaenzung auf eine andere Beschaeftigung. Man kann aber diese Absicht ziemlich erreichen, wenn man die Ontologischen Lehrbuecher zur Hand nimmt, und z.B. der Kategorie der Kausalitaet die Praedikabilien der Kraft, der Handlung, des Leidens; der der Gemeinschaft die der Gegenwart, des Widerstandes; den Praedikamenten der Modalitaet die des Entstehens, Vergehens, der Veraenderung usw. unterordnet. Die Kategorien mit den modis der reinen Sinnlichkeit oder auch untereinander verbunden, geben eine grosse Menge abgeleiteter Begriffe a priori, die zu bemerken, und wo moeglich, bis zur Vollstaendigkeit zu verzeichnen, eine nuetzliche und nicht unangenehme, hier aber entbehrliche Bemuehung sein wuerde. Der Definitionen dieser Kategorien ueberhebe ich mich in dieser Abhandlung geflissentlich, ob ich gleich im Besitz derselben sein moechte. Ich werde diese Begriffe in der Folge bis auf den Grad zergliedern, welcher in Beziehung auf die Methodenlehre, die ich bearbeite, hinreichend ist. In einem System der reinen Vernunft wuerde man sie mit Recht von mir fordern koennen: aber hier wuerden sie nur den Hauptpunkt der Untersuchung aus den Augen bringen, indem sie Zweifel und Angriffe erregten, die man, ohne der wesentlichen Absicht etwas zu entziehen, gar wohl auf eine andere Beschaeftigung verweisen kann. Indessen leuchtet doch aus dem wenigen, was ich hievon angefuehrt habe, deutlich hervor, dass ein vollstaendiges Woerterbuch mit allen dazu erforderlichen Erklaerungen nicht allein moeglich, sondern auch leicht sei zustande zu bringen. Die Faecher sind einmal da; es ist nur noetig, sie auszufuellen, und eine systematische Topik, wie die gegenwaertige, lasst nicht leicht die Stelle verfehlen, dahin ein jeder Begriff eigentuemlich gehoert, und zugleich diejenige leicht bemerken, die noch leer ist. Paragraph 11 Ueber diese Tafel der Kategorien lassen sich artige Betrachtungen anstellen, die vielleicht erhebliche Folgen in Ansehung der wissenschaftlichen Form aller Vernunfterkenntnisse haben koennten. Denn dass diese Tafel im theoretischen Teile der Philosophie ungemein dienlich, ja unentbehrlich sei, den Plan zum Ganzen einer Wissenschaft, sofern sie auf Begriffen a priori beruht, vollstaendig zu entwerfen, und sie mathematisch nach bestimmten Prinzipien abzuteilen, erhellt schon von selbst daraus, dass gedachte Tafel alle Elementarbegriffe des Verstandes vollstaendig, ja selbst die Form eines Systems derselben im menschlichen Verstande enthaelt, folglich auf alle Momente einer vorhabenden spekulativen Wissenschaft, ja sogar ihre Ordnung, Anweisung gibt, wie ich denn auch davon anderwaerts* eine Probe gegeben habe. Hier sind nun einige dieser Anmerkungen. * Metaphys. Anfangsgr. der Naturwissensch. Die erste ist: dass sich diese Tafel, welche vier Klassen von Verstandesbegriffen enthaelt, zuerst in zwei Abteilungen zerfaellen lasse, deren erstere auf Gegenstaende der Anschauung (der reinen sowohl als empirischen), die zweite aber auf die Existenz dieser Gegenstaende (entweder in Beziehung aufeinander oder auf den Verstand) gerichtet sind. Die erste Klasse wuerde ich die der mathematischen, die zweite der dynamischen Kategorien nennen. Die erste Klasse hat, wie man sieht, keine Korrelate, die allein in der zweiten Klasse angetroffen werden. Dieser Unterschied muss doch einen Grund in der Natur des Verstandes haben. 2te Anmerk. Dass allerwaerts eine gleiche Zahl der Kategorien jeder Klasse, naemlich drei sind, welches eben sowohl zum Nachdenken auffordert, da sonst alle Einteilung a priori durch Begriffe Dichtomie sein muss. Dazu kommt aber noch, dass die dritte Kategorie allenthalben aus der Verbindung der zweiten mit der ersten ihrer Klasse entspringt. So ist die Allheit (Totalitaet) nichts anderes als die Vielheit als Einheit betrachtet, die Einschraenkung nichts anderes als Realitaet mit Negation verbunden, die Gemeinschaft ist die Kausalitaet einer Substanz in Bestimmung der anderen wechselseitig, endlich die Notwendigkeit nichts anderes als die Existenz, die durch die Moeglichkeit selbst gegeben ist. Man denke aber ja nicht, dass darum die dritte Kategorie ein bloss abgeleiteter und kein Stammbegriff des reinen Verstandes sei. Denn die Verbindung der ersten und zweiten, um den dritten Begriff hervorzubringen, erfordert einen besonderen Aktus des Verstandes, der nicht mit dem einerlei ist, der beim ersten und zweiten ausgeuebt wird. So ist der Begriff einer Zahl (die zur Kategorie, der Allheit gehoert) nicht immer moeglich, wo die Begriffe der Menge und der Einheit sind (z.B. in der Vorstellung des Unendlichen), oder daraus, dass ich den Begriff einer Ursache und den einer Substanz beide verbinde, noch nicht sofort der Einfluss, d.i. wie eine Substanz Ursache von etwas in einer anderen Substanz werden koenne, zu verstehen. Daraus erhellt, dass dazu ein besonderer Aktus des Verstandes erforderlich sei; und so bei den uebrigen. 3te Anmerk. Von einer einzigen Kategorie, naemlich der der Gemeinschaft, die unter dem dritten Titel befindlich ist, ist die Uebereinstimmung mit der in der Tafel der Logischen Funktionen ihm korrespondierenden Form eines disjunktiven Urteils nicht so in die Augen fallend, als bei den uebrigen. Um sich dieser Uebereinstimmung zu versichern, muss man bemerken: dass in allen disjunktiven Urteilen die Sphaere (die Menge alles dessen, was unter ihm enthalten ist) als ein Ganzes in Teile (die untergeordneten Begriffe) geteilt vorgestellt wird, und, weil einer nicht unter dem anderen enthalten sein kann, sie als einander koordiniert, nicht subordiniert, so dass sie einander nicht einseitig, wie in einer Reihe, sondern wechselseitig, wie in einem Aggregat, bestimmen (wenn ein Glied der Einteilung gesetzt wird, alle uebrigen ausgeschlossen werden, und so umgekehrt), gedacht werden. Nun wird eine aehnliche Verknuepfung in einem Ganzen der Dinge gedacht, da nicht eines, als Wirkung, dem anderen, als Ursache seines Daseins, untergeordnet, sondern zugleich und wechselseitig als Ursache in Ansehung der Bestimmung der anderen beigeordnet wird, (z.B. in einem Koerper, dessen Teile einander wechselseitig ziehen, und auch widerstehen,) welches eine ganz andere Art der Verknuepfung ist, als die, so im blossen Verhaeltnis der Ursache zur Wirkung (des Grundes zur Folge) angetroffen wird, in welchem die Folge nicht wechselseitig wiederum den Grund bestimmt, und darum mit diesem (wie der Weltschoepfer mit der Welt) nicht ein Ganzes ausmacht. Dasselbe Verfahren des Verstandes, wenn er sich die Sphaere eines eingeteilten Begriffes vorstellt, beobachtet er auch, wenn er ein Ding als teilbar denkt, und, wie die Glieder der Einteilung im ersteren einander ausschliessen und doch in einer Sphaere verbunden sind, so stellt er sich die Teile des letzteren als solche, deren Existenz (als Substanzen) jedem auch ausschliesslich von den uebrigen zukommt, doch als in einem Ganzen verbunden vor. Paragraph 12 Es findet sich aber in der Transzendentalphilosophie der Alten noch ein Hauptstueck vor, welches reine Verstandesbegriffe enthaelt, die, ob sie gleich nicht unter die Kategorien gezaehlt werden, dennoch, nach ihnen, als Begriffe a priori von Gegenstaenden gelten sollten, in welchem Falle sie aber die Zahl der Kategorien vermehren wuerden, welches nicht sein kann. Diese traegt der unter den Scholastikern so berufene Satz vor: quodlibet ens est unum, verum, bonum. Ob nun zwar der Gebrauch dieses Prinzips in Absicht auf die Folgerungen (die lauter tautologische Saetze gaben) sehr kuemmerlich ausfiel, so, dass man es auch in neueren Zeiten beinahe nur ehrenhalber in der Metaphysik aufzustellen pflegt, so verdient doch ein Gedanke, der sich so lange Zeit erhalten hat, so leer er auch zu sein scheint, immer eine Untersuchung seines Ursprunges, und berechtigt zur Vermutung, dass er in irgend einer Verstandesregel seinen Grund habe, der nur, wie es oft geschieht, falsch gedolmetscht worden. Diese vermeintlich transzendentalen Praedikate der Dinge sind nichts anderes als Logische Erfordernisse und Kriterien aller Erkenntnis der Dinge ueberhaupt, und legen ihr die Kategorien der Quantitaet, naemlich der Einheit, Vielheit und Allheit, zum Grunde, nur dass sie diese, welche, eigentlich material, als zur Moeglichkeit der Dinge selbst gehoerig, genommen werden muessten, in der Tat nur in formaler Bedeutung als zur logischen Forderung in Ansehung jeder Erkenntnis gehoerig brauchten, und doch diese Kriterien des Denkens unbehutsamerweise zu Eigenschaften der Dinge an sich selbst machten. In jedem Erkenntnisse eines Objektes ist naemlich Einheit des Begriffes, welche man qualitative Einheit nennen kann, sofern darunter nur die Einheit der Zusammenfassung des Mannigfaltigen der Erkenntnisse gedacht wird, wie etwa die Einheit des Thema in einem Schauspiel, einer Rede, einer Fabel. Zweitens Wahrheit in Ansehung der Folgen. Je mehr wahre Folgen aus einem gegebenen Begriffe, desto mehr Kennzeichen seiner objektiven Realitaet. Dieses koennte man die qualitative Vielheit der Merkmale, die zu einem Begriffe als einem gemeinschaftlichen Grunde gehoeren, (nicht in ihm als Groesse gedacht werden,) nennen. Endlich drittens Vollkommenheit, die darin besteht, dass umgekehrt diese Vielheit zusammen auf die Einheit des Begriffes zurueckfuehrt, und zu diesem und keinem anderen voellig zusammenstimmt, welches man die qualitative Vollstaendigkeit (Totalitaet) nennen kann. Woraus erhellt, dass diese logischen Kriterien der Moeglichkeit der Erkenntnis ueberhaupt die drei Kategorien der Groesse, in denen die Einheit in der Erzeugung des Quantums durchgaengig gleichartig angenommen werden muss, hier nur in Absicht auf die Verknuepfung auch ungleichartiger Erkenntnisstuecke in einem Bewusstsein durch die Qualitaet eines Erkenntnisses als Prinzips verwandeln. So ist das Kriterium der Moeglichkeit eines Begriffs (nicht des Objekts derselben) die Definition, in der die Einheit des Begriffs, die Wahrheit alles dessen, was zunaechst aus ihm abgeleitet werden mag, endlich die Vollstaendigkeit dessen, was aus ihm gezogen worden, zur Herstellung des ganzen Begriffs das Erforderliche desselben ausmacht; oder so ist auch das Kriterium einer Hypothese die Verstaendlichkeit des angenommenen Erklaerungsgrundes oder dessen Einheit (ohne Hilfshypothese) die Wahrheit (Uebereinstimmung unter sich selbst und mit der Erfahrung) der daraus abzuleitenden Folgen, und endlich die Vollstaendigkeit des Erklaerungsgrundes zu ihnen, die auf nichts mehr noch weniger zurueckweisen, als in der Hypothese angenommen worden, und das, was a priori synthetisch gedacht war, a posteriori analytisch wieder liefern und dazu zusammenstimmen. - Also wird durch die Begriffe von Einheit, Wahrheit und Vollkommenheit die transzendentale Tafel der Kategorien gar nicht, als waere sie etwa mangelhaft, ergaenzt, sondern nur, indem das Verhaeltnis dieses Begriffe auf Objekte gaenzlich beiseite gesetzt wird, das Verfahren mit ihnen unter allgemeine logische Regeln der Uebereinstimmung der Erkenntnis mit sich selbst gebracht. Der transzendentalen Analytik Zweites Hauptstueck Von der Deduktion der reinen Verstandesbegriffe Erster Abschnitt Paragraph 13. Von den Prinzipien einer transz. Deduktion ueberhaupt Die Rechtslehrer, wenn sie von Befugnissen und Anmassungen reden, unterscheiden in einem Rechtshandel die Frage ueber das, was Rechtens ist, (quid juris) von der, die die Tatsache angeht, (quid facti) und indem sie von beiden Beweis fordern, so nennen sie den ersteren, der die Befugnis, oder auch den Rechtsanspruch dartun soll, die Deduktion. Wir bedienen uns einer Menge empirischer Begriffe ohne jemandes Widerrede, und halten uns auch ohne Deduktion berechtigt, ihnen einen Sinn und eingebildete Bedeutung zuzueignen, weil wir jederzeit die Erfahrung bei der Hand haben, ihre objektive Realitaet zu beweisen. Es gibt indessen auch usurpierte Begriffe, wie etwa Glueck, Schicksal, die zwar mit fast allgemeiner Nachsicht herumlaufen, aber doch bisweilen durch die Frage: quid juris, in Anspruch genommen werden, da man alsdann wegen der Deduktion derselben in nicht geringe Verlegenheit geraet, indem man keinen deutlichen Rechtsgrund weder aus der Erfahrung, noch der Vernunft anfuehren kann, dadurch die Befugnis seines Gebrauchs deutlich wuerde. Unter den mancherlei Begriffen aber, die das sehr vermischte Gewebe der menschlichen Erkenntnis ausmachen, gibt es einige, die auch zum reinen Gebrauch a priori (voellig unabhaengig von aller Erfahrung) bestimmt sind, und dieser ihre Befugnis bedarf jederzeit einer Deduktion; weil zu der Rechtmaessigkeit eines solchen Gebrauchs Beweise aus der Erfahrung nicht hinreichend sind, man aber doch wissen muss, wie diese Begriffe sich auf Objekte beziehen koennen, die sie doch aus keiner Erfahrung hernehmen. Ich nenne daher die Erklaerung der Art, wie sich Begriffe a priori auf Gegenstaende beziehen koennen, die transzendentale Deduktion derselben, und unterscheide sie von der empirischen Deduktion, welche die Art anzeigt, wie ein Begriff durch Erfahrung und Reflexion ueber dieselbe erworben worden, und daher nicht die Rechtmaessigkeit, sondern das Faktum betrifft, wodurch der Besitz entsprungen. Wir haben jetzt schon zweierlei Begriffe von ganz verschiedener Art, die doch darin miteinander uebereinkommen, dass sie beiderseits voellig a priori sich auf Gegenstaende beziehen, naemlich, die Begriffe des Raumes und der Zeit, als Formen der Sinnlichkeit, und die Kategorien, als Begriffe des Verstandes. Von ihnen eine empirische Deduktion versuchen wollen, wuerde ganz vergebliche Arbeit sein; weil eben darin das Unterscheidende ihrer Natur liegt, dass sie sich auf ihre Gegenstaende beziehen, ohne etwas zu deren Vorstellung aus der Erfahrung entlehnt zu haben. Wenn also eine Deduktion derselben noetig ist, so wird sie jederzeit transzendental sein muessen. Indessen kann man von diesen Begriffen, wie von allem Erkenntnis, wo nicht das Prinzipium ihrer Moeglichkeit, doch die Gelegenheitsursachen ihrer Erzeugung in der Erfahrung aufsuchen, wo alsdann die Eindruecke der Sinne den ersten Anlass geben, die ganze Erkenntniskraft in Ansehung ihrer zu eroeffnen, und Erfahrung zustande zu bringen, die zwei sehr ungleichartige Elemente enthaelt, naemlich eine Materie zur Erkenntnis aus den Sinnen und eine gewisse Form, sie zu ordnen, aus dem inneren Quell des reinen Anschauens und Denkens, die, bei Gelegenheit der ersteren, zuerst in Ausuebung gebracht werden, und Begriffe hervorbringen. Ein solches Nachspueren der ersten Bestrebungen unserer Erkenntniskraft, um von einzelnen Wahrnehmungen zu allgemeinen Begriffen zu steigen, hat ohne Zweifel seinen grossen Nutzen, und man hat es dem beruehmten Locke zu verdanken, dass er dazu zuerst den Weg eroeffnet hat. Allein eine Deduktion der reinen Begriffe a priori kommt dadurch niemals zustande, denn sie liegt ganz und gar nicht auf diesem Wege, weil in Ansehung ihres kuenftigen Gebrauchs, der von der Erfahrung gaenzlich unabhaengig sein soll, sie einen ganz anderen Geburtsbrief, als den der Abstammung von Erfahrungen, muessen aufzuzeigen haben. Diese versuchte physiologische Ableitung, die eigentlich gar nicht Deduktion heissen kann, weil sie eine quaestionem facti betrifft, will ich daher die Erklaerung des Besitzes einer reinen Erkenntnis nennen. Es ist also klar, dass von diesen allein es eine transzendentale Deduktion und keineswegs eine empirische geben koenne, und dass letztere, in Ansehung der reinen Begriffe a priori, nichts als eitle Versuche sind, womit sich nur derjenige beschaeftigen kann, welcher die ganz eigentuemliche Natur dieser Erkenntnisse nicht begriffen hat. Ob nun aber gleich die einzige Art einer moeglichen Deduktion der reinen Erkenntnis a priori, naemlich die auf dem transzendentalen Wege eingeraeumt wird, so erhellt dadurch doch eben nicht, dass sie so unumgaenglich notwendig sei. Wir haben oben die Begriffe des Raumes und der Zeit, vermittelst einer transzendentalen Deduktion zu ihren Quellen verfolgt, und ihre objektive Gueltigkeit a priori erklaert und bestimmt. Gleichwohl geht die Geometrie ihren sicheren Schritt durch lauter Erkenntnisse a priori, ohne dass sie sich, wegen der reinen und gesetzmaessigen Abkunft ihres Grundbegriffs vom Raume, von der Philosophie einen Beglaubigungsschein erbitten darf. Allein der Gebrauch des Begriffs geht in dieser Wissenschaft auch nur auf die aeussere Sinnenwelt, von welcher der Raum die reine Form ihrer Anschauung ist, in welcher also alle geometrische Erkenntnis, weil sie sich auf Anschauung a priori gruendet, unmittelbare Evidenz hat, und die Gegenstaende durch die Erkenntnis selbst, a priori (der Form nach) in der Anschauung, gegeben werden. Dagegen faengt mit den reinen Verstandesbegriffen die unumgaengliche Beduerfnis an, nicht allein von ihnen selbst, sondern auch vom Raum die transzendentale Deduktion zu suchen, weil, da sie von Gegenstaenden nicht durch Praedikate der Anschauung und der Sinnlichkeit, sondern des reinen Denkens a priori redet, sie sich auf Gegenstaende ohne alle Bedingungen der Sinnlichkeit allgemein beziehen, und die, da sie nicht auf Erfahrung gegruendet sind, auch in der Anschauung a priori kein Objekt vorzeigen koennen, worauf sie vor aller Erfahrung ihre Synthesis gruendeten, und daher nicht allein wegen der objektiven Gueltigkeit und Schranken ihres Gebrauchs Verdacht erregen, sondern auch jenen Begriff des Raumes zweideutig machen, dadurch, dass sie ihn ueber die Bedingungen der sinnlichen Anschauung zu gebrauchen geneigt sind, weshalb auch oben von ihm eine transzendentale Deduktion vonnoeten war. So muss denn der Leser von der unumgaenglichen Notwendigkeit einer solchen transzendentalen Deduktion, ehe er einen einzigen Schritt im Felde der reinen Vernunft getan hat, ueberzeugt werden; weil er sonst blind verfaehrt, und, nachdem er mannigfaltig umhergeirrt hat, doch wieder zu der Unwissenheit zurueckkehren muss, von der er ausgegangen war. Er muss aber auch die unvermeidliche Schwierigkeit zum voraus deutlich einsehen, damit er nicht ueber Dunkelheit klage, wo die Sache selbst tief eingehuellt ist, oder ueber die Wegraeumung der Hindernisse zu frueh verdrossen werden, weil es darauf ankommt, entweder alle Ansprueche zu Einsichten der reinen Vernunft, als das beliebteste Feld, naemlich dasjenige ueber die Grenzen aller moeglichen Erfahrung hinaus, voellig aufzugeben, oder diese kritische Untersuchung zur Vollkommenheit zu bringen. Wir haben oben an den Begriffen des Raumes und der Zeit mit leichter Muehe begreiflich machen koennen, wie diese als Erkenntnisse a priori sich gleichwohl auf Gegenstaende notwendig beziehen muessen; und eine synthetische Erkenntnis derselben, unabhaengig von aller Erfahrung, moeglich machten. Denn da nur vermittelst solcher reinen Formen der Sinnlichkeit uns ein Gegenstand erscheinen, d.i. ein Objekt der empirischen Anschauung sein kann, so sind Raum und Zeit reine Anschauungen, welche die Bedingung der Moeglichkeit der Gegenstaende als Erscheinungen a priori enthalten, und die Synthesis in denselben hat objektive Gueltigkeit. Die Kategorien des Verstandes dagegen stellen uns gar nicht die Bedingungen vor, unter denen Gegenstaende in der Anschauung gegeben werden, mithin koennen uns allerdings Gegenstaende erscheinen, ohne dass sie sich notwendig auf Funktionen des Verstandes beziehen muessen, und dieser also die Bedingungen derselben a priori enthielte. Daher zeigt sich hier eine Schwierigkeit, die wir im Felde der Sinnlichkeit nicht antrafen, wie naemlich subjektive Bedingungen des Denkens sollten objektive Gueltigkeit haben, d.i. Bedingungen der Moeglichkeit aller Erkenntnis der Gegenstaende abgeben: denn ohne Funktionen des Verstandes koennen allerdings Erscheinungen in der Anschauung gegeben werden. Ich nehme z.B. den Begriff der Ursache, welcher eine besondere Art der Synthesis bedeutet, da auf etwas A was ganz verschiedenes B nach einer Regel gesetzt wird. Es ist a priori nicht klar, warum Erscheinungen etwas dergleichen enthalten sollten, (denn Erfahrungen kann man nicht zum Beweise anfuehren, weil die objektive Gueltigkeit dieses Begriffs a priori muss dargetan werden koennen,) und es ist daher a priori zweifelhaft, ob ein solcher Begriff nicht etwa gar leer sei und ueberall unter den Erscheinungen keinen Gegenstand antreffe. Denn dass Gegenstaende der sinnlichen Anschauung den im Gemuet a priori liegenden formalen Bedingungen der Sinnlichkeit gemaess sein muessen, ist daraus klar, weil sie sonst nicht Gegenstaende fuer uns sein wuerden; dass sie aber auch ueberdem den Bedingungen, deren der Verstand zur synthetischen Einsicht des Denkens bedarf, gemaess sein muessen, davon ist die Schlussfolge nicht so leicht einzusehen. Denn es koennten wohl allenfalls Erscheinungen so beschaffen sein, dass der Verstand sie den Bedingungen seiner Einheit gar nicht gemaess faende, und alles so in Verwirrung laege, dass z.B. in der Reihenfolge der Erscheinungen sich nichts darboete, was eine Regel der Synthesis an die Hand gaebe, und also dem Begriffe der Ursache und Wirkung entspraeche, so dass dieser Begriff also ganz leer, nichtig und ohne Bedeutung waere. Erscheinungen wuerden nichtsdestoweniger unserer Anschauung Gegenstaende darbieten, denn die Anschauung bedarf der Funktionen des Denkens auf keine Weise. Gedaechte man sich von der Muehsamkeit dieser Untersuchungen dadurch loszuwickeln, dass man sagte: Die Erfahrung boete unablaessig Beispiele einer solchen Regelmaessigkeit der Erscheinungen dar, die genugsam Anlass geben, den Begriff der Ursache davon abzusondern, und dadurch zugleich die objektive Gueltigkeit eines solchen Begriffs zu bewaehren, so bemerkt man nicht, dass auf diese Weise der Begriff der Ursache gar nicht entspringen kann, sondern dass er entweder voellig a priori im Verstande muesse gegruendet sein, oder als ein blosses Hirngespinst gaenzlich aufgegeben werden muesse. Denn dieser Begriff erfordert durchaus, dass etwas A von der Art sei, dass ein anderes B daraus notwendig und nach einer schlechthin allgemeinen Regel folge. Erscheinungen geben gar wohl Faelle an die Hand, aus denen eine Regel moeglich ist, nach der etwas gewoehnlichermassen geschieht, aber niemals, dass der Erfolg notwendig sei: daher der Synthesis der Ursache und Wirkung auch eine Dignitaet anhaengt, die man gar nicht empirisch ausdruecken kann, naemlich, dass die Wirkung nicht bloss zu der Ursache hinzukomme, sondern durch dieselbe gesetzt sei, und aus ihr erfolge. Die strenge Allgemeinheit der Regel ist auch gar keine Eigenschaft empirischer Regeln, die durch Induktion keine andere als komparative Allgemeinheit, d.i. ausgebreitete Brauchbarkeit bekommen koennen. Nun wuerde sich aber der Gebrauch der reinen Verstandesbegriffe gaenzlich aendern, wenn man sie nur als empirische Produkte behandeln wollte. Paragraph 14. Uebergang zur transz. Deduktion der Kategorien Es sind nur zwei Faelle moeglich, unter denen synthetische Vorstellung und ihre Gegenstaende zusammentreffen, sich aufeinander notwendigerweise beziehen, und gleichsam einander begegnen koennen. Entweder wenn der Gegenstand die Vorstellung, oder diese den Gegenstand allein moeglich macht. Ist das erstere, so ist diese Beziehung nur empirisch, und die Vorstellung ist niemals a priori moeglich. Und dies ist der Fall mit Erscheinung, in Ansehung dessen, was an ihnen zur Empfindung gehoert. Ist aber das zweite, weil Vorstellung an sich selbst (denn von dessen Kausalitaet, vermittelst des Willens, ist hier gar nicht die Rede,) ihren Gegenstand dem Dasein nach nicht hervorbringt, so ist doch die Vorstellung in Ansehung des Gegenstandes alsdann a priori bestimmend, wenn durch sie allein es moeglich ist, etwas als einen Gegenstand zu erkennen. Es sind aber zwei Bedingungen, unter denen allein die Erkenntnis eines Gegenstandes moeglich ist, erstlich Anschauung, dadurch derselbe, aber nur als Erscheinung, gegeben wird: zweitens Begriff, dadurch ein Gegenstand gedacht wird, der dieser Anschauung entspricht. Es ist aber aus dem obigen klar, dass die erste Bedingung, naemlich die, unter der allein Gegenstaende angeschaut werden koennen, in der Tat den Objekten der Form nach a priori im Gemuet zum Grunde liegen. Mit dieser formalen Bedingung der Sinnlichkeit stimmen also alle Erscheinungen notwendig ueberein, weil sie nur durch dieselbe erscheinen, d.i. empirisch angeschaut und gegeben werden koennen. Nun fraegt es sich, ob nicht auch Begriffe a priori vorausgehen, als Bedingungen, unter denen allein etwas, wenngleich nicht angeschaut, dennoch als Gegenstand ueberhaupt gedacht wird, denn alsdann ist alle empirische Erkenntnis der Gegenstaende solchen Begriffen notwendigerweise gemaess, weil, ohne deren Voraussetzung, nichts als Objekt der Erfahrung moeglich ist. Nun enthaelt aber alle Erfahrung ausser der Anschauung der Sinne, wodurch etwas gegeben wird, noch einen Begriff von einem Gegenstande, der in der Anschauung gegeben wird, oder erscheint: demnach werden Begriffe von Gegenstaenden ueberhaupt, als Bedingungen a priori aller Erfahrungserkenntnis zum Grunde liegen: folglich wird die objektive Gueltigkeit der Kategorien, als Begriffe a priori, darauf beruhen, dass durch sie allein Erfahrung (der Form des Denkens nach) moeglich sei. Denn alsdann beziehen sie sich notwendigerweise und a priori auf Gegenstaende der Erfahrung, weil nur vermittelst ihrer ueberhaupt irgendein Gegenstand der Erfahrung gedacht werden kann. Die transz. Deduktion aller Begriffe a priori hat also ein Prinzipium, worauf die ganze Nachforschung gerichtet werden muss, naemlich dieses: dass sie als Bedingungen a priori der Moeglichkeit der Erfahrungen erkannt werden muessen, (es sei der Anschauung, die in ihr angetroffen wird, oder des Denkens). Begriffe, die den objektiven Grund der Moeglichkeit der Erfahrung abgeben, sind eben darum notwendig. Die Entwicklung der Erfahrung aber, worin sie angetroffen werden, ist nicht ihre Deduktion, (sondern Illustration,) weil sie dabei doch nur zufaellig sein wuerden. Ohne diese urspruengliche Beziehung auf moegliche Erfahrung, in welcher alle Gegenstaende der Erkenntnis vorkommen, wuerde die Beziehung derselben auf irgendein Objekt gar nicht begriffen werden koennen. Der beruehmte Locke hatte, aus Ermangelung dieser Betrachtung, und weil er reine Begriffe des Verstandes in der Erfahrung antraf, sie auch von der Erfahrung abgeleitet, und verfuhr doch so inkonsequent, dass er damit Versuche zu Erkenntnissen wagte, die weit ueber alle Erfahrungsgrenze hinausgehen. David Hume erkannte, um das letztere tun zu koennen, sei es notwendig, dass diese Begriffe ihren Ursprung a priori haben muessten. Da er sich aber gar nicht erklaeren konnte, wie es moeglich sei, dass der Verstand Begriffe, die an sich im Verstande nicht verbunden sind, doch als im Gegenstande notwendig verbunden denken muesse, und darauf nicht verfiel, dass vielleicht der Verstand durch diese Begriffe selbst Urheber der Erfahrung, worin seine Gegenstaende angetroffen werden, sein koenne, so leitete er sie, durch Not gedrungen, von der Erfahrung ab (naemlich von einer durch oeftere Assoziation in der Erfahrung entsprungenen subjektiven Notwendigkeit, welche zuletzt faelschlich fuer objektiv gehalten wird, d.i. der Gewohnheit), verfuhr aber hernach sehr konsequent, darin, dass er es fuer unmoeglich erklaerte, mit diesen Begriffen und den Grundsaetzen, die sie veranlassen, ueber die Erfahrungsgrenze hinauszugehen. Die empirische Ableitung aber, worauf beide verfielen, laesst sich mit der Wirklichkeit der wissenschaftlichen Erkenntnisse a priori, die wir haben, naemlich der reinen Mathematik und allgemeinen Naturwissenschaft, nicht vereinigen, und wird also durch das Faktum widerlegt. Der erste dieser beiden beruehmten Maenner oeffnete der Schwaermerei Tuer und Tor, weil die Vernunft, wenn sie einmal Befugnisse auf ihrer Seite hat, sich nicht mehr durch unbestimmte Anpreisungen der Maessigung in Schranken halten laesst; der zweite ergab sich gaenzlich dem Skeptizismus, da er einmal eine so allgemeine fuer Vernunft gehaltene Taeuschung unseres Erkenntnisvermoegens glaubte entdeckt zu haben. Wir sind jetzt im Begriffe einen Versuch zu machen, ob man nicht die menschliche Vernunft zwischen diesen beiden Klippen gluecklich durchbringen, ihr bestimmte Grenzen anweisen, und dennoch das ganze Feld ihrer zweckmaessigen Taetigkeit fuer sie geoeffnet erhalten koennen. Vorher will ich nur noch die Erklaerung der Kategorien voranschicken. Sie sind Begriffe von einem Gegenstande ueberhaupt, dadurch dessen Anschauung in Ansehung einer der logischen Funktionen zu Urteilen als bestimmt angesehen wird. So war die Funktion des kategorischen Urteils die des Verhaeltnisses des Subjekts zum Praedikat, z.B. alle Koerper sind teilbar. Allein in Ansehung des bloss logischen Gebrauchs des Verstandes blieb es unbestimmt, welcher von beiden Begriffen die Funktion des Subjekts, und welchem die des Praedikates man geben wolle. Denn man kann auch sagen: Einiges Teilbare ist ein Koerper. Durch die Kategorie der Substanz aber, wenn ich den Begriff eines Koerpers darunter bringe, wird es bestimmt: dass seine empirische Anschauung in der Erfahrung immer nur als Subjekt, niemals als blossen Praedikat betrachtet werden muesse; und so in allen uebrigen Kategorien. Der Deduktion der reinen Verstandesbegriffe Zweiter Abschnitt Transzendentale Deduktion der reinen Verstandesbegriffe Paragraph 15. Von der Moeglichkeit einer Verbindung ueberhaupt Das Mannigfaltige der Vorstellungen kann in einer Anschauung gegeben werden, die bloss sinnlich d.i. nichts als Empfaenglichkeit ist, und die Form dieser Anschauung kann a priori in unserem Vorstellungsvermoegen liegen, ohne doch etwas anderes, als die Art zu sein, wie das Subjekt affiziert wird. Allein die Verbindung (conjunctio) eines Mannigfaltigen ueberhaupt, kann niemals durch Sinne in uns kommen, und kann also auch nicht in der reinen Form der sinnlichen Anschauung zugleich mit enthalten sein; denn sie ist ein Aktus der Spontaneitaet der Vorstellungskraft, und, da man diese, zum Unterschiede von der Sinnlichkeit, Verstand nennen muss, so ist alle Verbindung, wir moegen uns ihrer bewusst werden oder nicht, es mag eine Verbindung des Mannigfaltigen der Anschauung, oder mancherlei Begriffe, und an der ersteren der sinnlichen, oder nicht sinnlichen Anschauung sein, eine Verstandeshandlung, die wir mit der allgemeinen Benennung Synthesis belegen wuerden, um dadurch zugleich bemerklich zu machen, dass wir uns nichts, als im Objekt verbunden, vorstellen koennen, ohne es vorher selbst verbunden zu haben, und unter allen Vorstellungen die Verbindung die einzige ist, die nicht durch Objekte gegeben, sondern nur vom Subjekte selbst verrichtet werden kann, weil sie ein Aktus seiner Selbsttaendigkeit ist. Man wird hier leicht gewahr, dass diese Handlung urspruenglich einig, und fuer alle Verbindung gleichgeltend sein muesse, und dass die Aufloesung Analysis, die ihr Gegenteil zu sein scheint, sie doch jederzeit voraussetze; denn wo der Verstand vorher nichts verbunden hat, da kann er auch nichts aufloesen, weil es nur durch ihn als verbunden der Vorstellungskraft hat gegeben werden koennen. Aber der Begriff der Verbindung fuehrt ausser dem Begriffe des Mannigfaltigen, und der Synthesis desselben, noch den der Einheit desselben bei sich. Verbindung ist Vorstellung der synthetischen Einheit des Mannigfaltilgen*. Die Vorstellung dieser Einheit kann also nicht aus der Verbindung entstehen, sie macht vielmehr dadurch, dass sie zur Vorstellung des Mannigfaltigen hinzukommt, den Begriff der Verbindung allererst moeglich. Diese Einheit, die a priori vor allen Begriffen der Verbindung vorhergeht, ist nicht etwa jene Kategorie der Einheit (Paragraph 10); denn alle Kategorien gruenden sich auf logische Funktionen in Urteilen, in diesen aber ist schon Verbindung, mithin Einheit gegebener Begriffe gedacht. Die Kategorie setzt also schon Verbindung voraus. Also muessen wir diese Einheit (als qualitative Paragraph 12) noch hoeher suchen, naemlich in demjenigen, was selbst den Grund der Einheit verschiedener Begriffe in Urteilen, mithin der Moeglichkeit des Verstandes, sogar in seinem logischen Gebrauche, enthaelt. * Ob die Vorstellungen selbst identisch sind, und also eine durch die andere analytisch koenne gedacht werden, das kommt hier nicht in Betrachtung. Das Bewusstsein der einen ist, sofern vom Mannigfaltigen die Rede ist, vom Bewusstsein der anderen doch immer zu unterscheiden, und auf die Synthesis dieses (moeglichen) Bewusstseins kommt es hier allein an. Paragraph 16. Von der urspruenglich-synthetischen Einheit der Apperzeption Das: Ich denke, muss alle meine Vorstellungen begleiten koennen; denn sonst wuerde etwas in mir vorgestellt werden, was garnicht gedacht werden koennte, welches ebensoviel heisst, als die Vorstellung wuerde entweder unmoeglich, oder wenigstens fuer mich nichts sein. Diejenige Vorstellung, die vor allem Denken gegeben sein kann, heisst Anschauung. Also hat alles Mannigfaltige der Anschauung eine notwendige Beziehung auf das: Ich denke, in demselben Subjekt, darin dieses Mannigfaltige angetroffen wird. Diese Vorstellung aber ist ein Aktus der Spontaneitaet, d.i. sie kann nicht als zur Sinnlichkeit gehoerig angesehen werden. Ich nenne sie die reine Apperzeption, um sie von der empirischen zu unterscheiden, oder auch die urspruengliche Apperzeption, weil sie dasjenige Selbstbewusstsein ist, was, indem es die Vorstellung Ich denke hervorbringt, die alle anderen muss begleiten koennen, und in allem Bewusstsein ein und dasselbe ist, von keiner weiter begleitet werden kann. Ich nenne auch die Einheit derselben die transzendentale Einheit des Selbstbewusstseins, um die Moeglichkeit der Erkenntnis a priori aus ihr zu bezeichnen. Denn die mannigfaltigen Vorstellungen, die in einer gewissen Anschauung gegeben werden, wuerden nicht insgesamt meine Vorstellungen sein, wenn sie nicht insgesamt zu einem Selbstbewusstsein gehoerten, d.i. als meine Vorstellungen (ob ich mich ihrer gleich nicht als solcher bewusst bin) muessen sie doch der Bedingung notwendig gemaess sein, unter der sie allein in einem allgemeinen Selbstbewusstsein zusammenstehen koennen, weil sie sonst nicht durchgaengig mir angehoeren wuerden. Aus dieser urspruenglichen Verbindung laesst sich vieles folgern. Naemlich diese durchgaengige Identitaet der Apperzeption eines in der Anschauung gegebenen Mannigfaltigen, enthaelt eine Synthesis der Vorstellungen, und ist nur durch das Bewusstsein dieser Synthesis moeglich. Denn das empirische Bewusstsein, welches verschiedene Vorstellungen begleitet, ist an sich zerstreut und ohne Beziehung auf die Identitaet des Subjekts. Diese Beziehung geschieht also dadurch noch nicht, dass ich jede Vorstellung mit Bewusstsein begleite, sondern dass ich eine zu der anderen hinzusetze und mir der Synthesis derselben bewusst bin. Also nur dadurch, dass ich ein Mannigfaltiges gegebener Vorstellungen in einem Bewusstsein verbinden kann, ist es moeglich, dass ich mir die Identitaet des Bewusstseins in diesen Vorstellungen selbst vorstelle, d.i. die analytische Einheit der Apperzeption ist nur unter der Voraussetzung irgendeiner synthetischen moeglich*. Der Gedanke: diese in der Anschauung gegebenen Vorstellungen gehoeren mir insgesamt zu, heisst demnach soviel, als ich vereinige sie in einem Selbstbewusstsein, oder kann sie wenigstens darin vereinigen, und ob er gleich selbst noch nicht das Bewusstsein der Synthesis der Vorstellungen ist, so setzt er doch die Moeglichkeit der letzteren voraus, d.i. nur dadurch, dass ich das Mannigfaltige derselben in einem Bewusstsein begreifen kann, nenne ich dieselben insgesamt meine Vorstellungen; denn sonst wuerde ich ein so vielfarbiges verschiedenes Selbst haben, als ich Vorstellungen habe, deren ich mir bewusst bin. Synthetische Einheit des Mannigfaltigen der Anschauungen, als a priori gegeben, ist also der Grund der Identitaet der Apperzeption selbst, die a priori allem meinem bestimmten Denken vorhergeht. Verbindung liegt aber nicht in den Gegenstaenden, und kann von ihnen nicht etwa durch Wahrnehmung entlehnt und in den Verstand dadurch allererst aufgenommen werden, sondern ist allein eine Verrichtung des Verstandes, der selbst nichts weiter ist, als das Vermoegen, a priori zu verbinden, und das Mannigfaltige gegebener Vorstellungen unter Einheit der Apperzeption zu bringen, welcher Grundsatz der oberste im ganzen menschlichen Erkenntnis ist. * Die analytische Einheit des Bewusstseins haengt allen gemeinsamen Begriffen, als solchen, an, z.B. wenn ich mir rot ueberhaupt denke, so stelle ich mir dadurch eine Beschaffenheit vor, die (als Merkmal) irgendworan angetroffen, oder mit anderen Vorstellungen verbunden sein kann; also nur vermoege einer vorausgedachten moeglichen synthetischen Einheit kann ich mir die analytische vorstellen. Eine Vorstellung, die als verschiedenen gemein gedacht werden soll, wird als zu solchen gehoerig angesehen, die ausser ihr noch etwas Verschiedenes an sich haben, folglich muss sie in synthetischer Einheit mit anderen (wenngleich nur moeglichen Vorstellungen) vorher gedacht werden, ehe ich die analytische Einheit des Bewusstseins, welche sie zum conceptus communis macht, an ihr denken kann. Und so ist die synthetische Einheit der Apperzeption der hoechste Punkt, an dem man allen Verstandesgebrauch, selbst die ganze Logik, und, nach ihr, die Transzendental-Philosophie heften muss, ja dieses Vermoegen ist der Verstand selbst. Dieser Grundsatz, der notwendigen Einheit der Apperzeption, ist nun zwar selbst identisch, mithin ein analytischer Satz, erklaert aber doch eine Synthesis des in einer Anschauung gegebenen Mannigfaltigen als notwendig, ohne welche jene, durchgaengige Identitaet des Selbstbewusstseins nicht gedacht werden kann. Denn durch das Ich, als einfache Vorstellung, ist nichts Mannigfaltiges gegeben; in der Anschauung, die davon unterschieden ist, kann es nur gegeben und durch Verbindung in einem Bewusstsein gedacht werden. Ein Verstand, in welchem durch das Selbstbewusstsein zugleich alles Mannigfaltige gegeben wuerde, wuerde anschauen; der unsere kann nur denken und muss in den Sinnen die Anschauung suchen. Ich bin mir also des identischen Selbst bewusst, in Ansehung des Mannigfaltigen der mir in einer Anschauung gegebenen Vorstellungen, weil ich sie insgesamt meine Vorstellungen nenne, die eine ausmachen. Das ist aber soviel, als, dass ich mir einer notwendigen Synthesis derselben a priori bewusst bin, welche die urspruengliche synthetische Einheit der Apperzeption heisst, unter der alle mir gegebenen Vorstellungen stehen, aber unter die sie auch durch eine Synthesis gebracht werden muessen. Paragraph 17. Der Grundsatz der synthetischen Einheit der Apperzeption ist das oberste Prinzip alles Verstandesgebrauchs Der oberste Grundsatz der Moeglichkeit aller Anschauung in Beziehung auf die Sinnlichkeit war laut der transz. Aesthetik: dass alles Mannigfaltige derselben unter den formalen Bedingungen des Raumes und der Zeit stehen. Der oberste Grundsatz eben derselben in Beziehung auf den Verstand ist: dass alles Mannigfaltige der Anschauung unter Bedingungen der urspruenglich-synthetischen Einheit der Apperzeption stehe*. Unter dem ersteren stehen alle mannigfaltigen Vorstellungen der Anschauung, sofern sie uns gegeben werden, unter dem zweiten sofern sie in einem Bewusstsein muessen verbunden werden koennen; denn ohne das kann nichts dadurch gedacht oder erkannt werden, weil die gegebenen Vorstellungen den Aktus der Apperzeption, Ich denke, nicht gemein haben, und dadurch nicht in einem Selbstbewusstsein zusammengefasst sein wuerden. * Der Raum und die Zeit und alle Teile derselben sind Anschauungen, mithin einzelne Vorstellungen mit dem Mannigfaltigen, das sie in sich enthalten (siehe die transz. Aesthetik), mithin nicht blosse Begriffe, durch die eben dasselbe Bewusstsein, als in vielen Vorstellungen, sondern viel Vorstellungen als in einer, und deren Bewusstsein, enthalten, mithin als zusammengesetzt, folglich die Einheit des Bewusstseins, als synthetisch, aber doch urspruenglich angetroffen wird. Diese Einzelnheit derselben ist wichtig in der Anwendung (siehe Paragraph 25). Verstand ist, allgemein zu reden, das Vermoegen der Erkenntnisse. Diese bestehen in der bestimmten Beziehung gegebener Vorstellungen auf ein Objekt. Objekt aber ist das, in dessen Begriff das Mannigfaltige einer gegebenen Anschauung vereinigt ist. Nun erfordert aber alle Vereinigung der Vorstellungen Einheit des Bewusstseins in der Synthesis derselben. Folglich ist die Einheit des Bewusstseins dasjenige, was allein die Beziehung der Vorstellungen auf einen Gegenstand, mithin ihre objektive Gueltigkeit, folglich, dass sie Erkenntnisse werden, ausmacht, und worauf folglich selbst die Moeglichkeit des Verstandes beruht. Das erste reine Verstandeserkenntnis also, worauf sein ganzer uebriger Gebrauch sich gruendet, welches auch zugleich von allen Bedingungen der sinnlichen Anschauung ganz unabhaengig ist, ist nun der Grundsatz der urspruenglichen synthetischen Einheit der Apperzeption. So ist die blosse Form der aeusseren sinnlichen Anschauung, der Raum, noch gar keine Erkenntnis; er gibt nur das Mannigfaltige der Anschauung a priori zu einem moeglichen Erkenntnis. Um aber irgend etwas im Raume zu erkennen, z.B. eine Linie, muss ich sie ziehen, und also eine bestimmte Verbindung des gegebenen Mannigfaltigen synthetisch zustande, bringen, so, dass die Einheit dieser Handlung zugleich die Einheit des Bewusstseins (im Begriffe einer Linie) ist, und dadurch allererst ein Objekt (ein bestimmter Raum) erkannt wird. Die synthetische Einheit des Bewusstseins ist also eine objektive Bedingung aller Erkenntnis, nicht deren ich bloss selbst bedarf, um ein Objekt zu erkennen, sondern unter der jede Anschauung stehen muss, um fuer mich Objekt zu werden, weil auf andere Art, und ohne diese Synthesis, das Mannigfaltige sich nicht in einem Bewusstsein vereinigen wuerde. Dieser letztere Satz ist, wie gesagt, selbst analytisch, ob er zwar die synthetische Einheit zur Bedingung alles Denkens macht, denn er sagt nichts weiter, als, dass alle meine Vorstellungen in irgendeiner gegebenen Anschauung unter der Bedingung stehen muessen, unter der ich sie allein als meine Vorstellungen zu dem identischen Selbst rechnen, und also, als in einer Apperzeption synthetisch verbunden durch den Allgemeinen Ausdruck Ich denke zusammenfassen kann. Aber dieser Grundsatz ist doch nicht ein Prinzip fuer jeden ueberhaupt moeglichen Verstand, sondern nur fuer den, durch dessen reine Apperzeption in der Vorstellung: Ich bin, noch gar nichts Mannigfaltiges gegeben ist. Derjenige Verstand, durch dessen Selbstbewusstsein zugleich das Mannigfaltige der Anschauung gegeben wuerde, ein Verstand, durch dessen Vorstellung zugleich die Objekte dieser Vorstellung existierten, wuerde einen besonderen Aktus der Synthesis der Mannigfaltigen zu der Einheit des Bewusstseins nicht beduerfen, deren der menschliche Verstand, der bloss denkt, nicht anschaut, bedarf. Aber fuer den menschlichen Verstand ist er doch unvermeidlich der erste Grundsatz, so, dass er sich sogar von einem anderen moeglichen Verstande, entweder einem solchen, der selbst anschaute, oder, wenngleich eine sinnliche Anschauung, aber doch von anderer Art, als die im Raume und der Zeit, zum Grunde liegend besaesse, sich nicht den mindesten Begriff machen kann. Paragraph 18. Was objektive Einheit des Selbstbewusstseins sei Die transzendentale Einheit der Apperzeption ist diejenige, durch welche alles in einer Anschauung gegebene Mannigfaltige in einen Begriff vom Objekt vereinigt wird. Sie heisst darum objektiv, und muss von der subjektiven Einheit des Bewusstseins unterschieden werden, die eine Bestimmung des inneren Sinnes ist, dadurch jenes Mannigfaltige der Anschauung zu einer solchen Verbindung empirisch gegeben wird. Ob ich mir des Mannigfaltigen als zugleich, oder nacheinander, empirisch bewusst sein koenne, kommt auf Umstaende, oder empirische Bedingungen, an. Daher die empirische Einheit des Bewusstseins, durch Assoziation der Vorstellungen, selbst eine Erscheinung betrifft, und ganz zufaellig ist. Dagegen steht die reine Form der Anschauung in der Zeit, bloss als Anschauung ueberhaupt, die ein gegebenes Mannigfaltiges enthaelt, unter der urspruenglichen Einheit des Bewusstseins, lediglich durch die notwendige Beziehung des Mannigfaltigen der Anschauung zum Einen: Ich denke; also durch die reine Synthesis des Verstandes, welche a priori der empirischen zum Grunde liegt. Jene Einheit ist allein objektiv gueltig; die empirische Einheit der Apperzeption, die wir hier nicht erwaegen, und die auch nur von der ersteren, unter gegebenen Bedingungen in concreto, abgeleitet ist, hat nur subjektive Gueltigkeit. Einer verbindet die Vorstellung eines gewissen Wortes mit einer Sache, der andere mit einer anderen Sache, und die Einheit des Bewusstseins, in dem, was empirisch ist, ist in Ansehung dessen, was gegeben ist, nicht notwendig und allgemein geltend. Paragraph 19. Die logische Form aller Urteile besteht in der objektiven Einheit der Apperzeption der darin enthaltenen Begriffe Ich habe, mich niemals durch die Erklaerung, welche die Logiker von einem Urteile ueberhaupt geben, befriedigen koennen: es ist, wie sie sagen, die Vorstellung eines Verhaeltnisses zwischen zwei Begriffen. Ohne nun hier ueber das Fehlerhafte der Erklaerung, dass sie allenfalls nur auf kategorische, aber nicht hypothetische und disjunktive Urteile passt, (als welche letztere nicht ein Verhaeltnis von Begriffen, sondern selbst von Urteilen enthalten,) mit ihnen zu zanken, (ohnerachtet aus diesem Versehen der Logik manche laestige Folgen erwachsen sind,)* merke ich nur an, dass, worin dieses Verhaeltnis bestehe, hier nicht bestimmt ist. * Die weitlaeufige Lehre von den vier syllogistischen Figuren betrifft nur die kategorischen Vernunftschluesse, und, ob sie zwar nichts weiter ist, als eine Kunst, durch Versteckung unmittelbarer Schluesse (consequentiae immediatiae) unter die Praemissen eines reinen Vernunftschlusses, den Schein mehrerer Schlussarten, als des in der ersten Figur, zu erschleichen, so wurde sie doch dadurch allein kein sonderliches Glueck gemacht haben, wenn es ihr nicht gelungen waere, die kategorischen Urteile, als die, worauf sich alle andere muessen beziehen lassen, in ausschliessliches Ansehen zu bringen, welches aber nach Paragraph 9 falsch ist. Wenn ich aber die Beziehung gegebener Erkenntnisse, in jedem Urteile, genauer untersuche, und sie, als dem Verstande angehoerige, von dem Verhaeltnisse nach Gesetzen der reproduktiven Einbildungskraft (welches nur subjektive Gueltigkeit hat) unterscheide, so finde ich, dass ein Urteil nichts anderes sei, als die Art, gegebene Erkenntnisse zur objektiven Einheit der Apperzeption zu bringen. Darauf zielt das Verhaeltniswoertchen ist in denselben, um die objektive Einheit gegebener Vorstellungen von der subjektiven zu unterscheiden. Denn dieses bezeichnet die Beziehung derselben auf die urspruengliche Apperzeption und die notwendige Einheit derselben, wenngleich das Urteil selbst empirisch, mithin zufaellig ist, z.B. die Koerper sind schwer. Damit ich zwar nicht sagen will, diese Vorstellungen gehoeren in der empirischen Anschauung notwendig zueinander, sondern sie gehoeren vermoege der notwendigen Einheit der Apperzeption in der Synthesis der Anschauungen zueinander, d.i. nach Prinzipien der objektiven Bestimmung aller Vorstellungen, sofern daraus Erkenntnis werden kann, welche Prinzipien alle aus dem Grundsatze der transzendentalen Einheit der Apperzeption abgeleitet sind. Dadurch allein wird aus diesem Verhaeltnisse ein Urteil, d.i. ein Verhaeltnis, das objektiv gueltig ist, und sich von dem Verhaeltnisse, eben derselben Vorstellungen, worin bloss subjektive Gueltigkeit waere, z.B. nach Gesetzen der Assoziation, hinreichend unterscheidet. Nach den letzteren wuerde ich nur sagen koennen: Wenn ich einen Koerper trage, so fuehle ich einen Druck der Schwert; aber nicht: er, der Koerper, ist schwer; welches soviel sagen will, als, diese beiden Vorstellungen sind im Objekt, d.i. ohne Unterschied des Zustandes des Subjekts, verbunden, und nicht bloss in der Wahrnehmung (so oft sie auch wiederholt sein mag) beisammen. Paragraph 20. Alle sinnlichen Anschauungen stehen unter den Kategorien, als Bedingungen, unter denen allein das Mannigfaltige derselben in ein Bewusstsein zusammenkommen kann Das mannigfaltige in einer sinnlichen Anschauung Gegebene gehoert notwendig unter die urspruengliche synthetische Einheit der Apperzeption, weil durch diese die Einheit der Anschauung allein moeglich ist. (Paragraph 17). Diejenige Handlung des Verstandes aber, durch die das Mannigfaltige gegebener Vorstellungen (sie moegen Anschauungen oder Begriffe sein) unter eine Apperzeption ueberhaupt gebracht wird, ist die, logische Funktion der Urteile. (Paragraph 19). Also ist alles Mannigfaltige, sofern es in Einer empirischen Anschauung gegeben ist, in Ansehung einer der logischen Funktionen zu urteilen bestimmt, durch die es naemlich zu einem Bewusstsein ueberhaupt gebracht wird. Nun sind aber die Kategorien nichts anderes, als eben diese Funktionen zu urteilen, sofern das Mannigfaltige einer gegebenen Anschauung in Ansehung ihrer bestimmt ist. (Paragraph 13). Also steht auch das Mannigfaltige in einer gegebenen Anschauung notwendig unter Kategorien. Paragraph 21. Anmerkung Ein Mannigfaltiges, das in einer Anschauung, die ich die meinige nenne, enthalten ist, wird durch die Synthesis des Verstandes als zur notwendigen Einheit des Selbstbewusstseins gehoerig vorgestellt, und dieses geschieht durch die Kategorie*. Diese zeigt also an: dass das empirische Bewusstsein eines gegebenen Mannigfaltigen Einer Anschauung ebensowohl unter einem reinen Selbstbewusstsein a priori, wie empirische Anschauung unter einer reinen sinnlichen, die gleichfalls a priori statt hat, stehe. - Im obigen Satze ist also der Anfang einer Deduktion der reinen Verstandesbegriffe gemacht, in welcher ich, da die Kategorien unabhaengig von Sinnlichkeit bloss im Verstande entspringen, noch von der Art, wie das Mannigfaltige zu einer empirischen Anschauung gegeben werde, abstrahieren muss, um nur auf die Einheit, die in die Anschauung vermittelst der Kategorie durch den Verstand hinzukommt, zu sehen. In der Folge (Paragraph 26) wird aus der Art, wie in der Sinnlichkeit die empirische Anschauung gegeben wird, gezeigt werden, dass die Einheit derselben keine, andere sei, als welche die Kategorie nach dem vorigen Paragraph 20 dem Mannigfaltigen einer gegebenen Anschauung ueberhaupt vorschreibt, und dadurch also, dass ihre Gueltigkeit a priori in Ansehung aller Gegenstaende unserer Sinne erklaert wird, die Absicht der Deduktion allererst voellig erreicht werden. * Der Beweisgrund beruht auf der vorgestellten Einheit der Anschauung, dadurch ein Gegenstand gegeben wird, welche jederzeit eine Synthesis des mannigfaltigen zu einer Anschauung Gegebenen in sich schliesst, und schon die Beziehung dieses letzteren auf Einheit der Apperzeption enthaelt. Allein von einem Stuecke konnte ich im obigen Beweise doch nicht abstrahieren, naemlich davon, dass das Mannigfaltige fuer die Anschauung noch vor der Synthesis des Verstandes, und unabhaengig von ihr, gegeben sein muesse; wie aber, bleibt hier unbestimmt. Denn, wollte ich mir einen Verstand denken, der selbst anschaute (wie etwa einen goettlichen, der nicht gegebene Gegenstaende sich vorstellte, sondern durch dessen Vorstellung die Gegenstaende selbst zugleich gegeben, oder hervorgebracht wuerden), so wuerden die Kategorien in Ansehung eines solchen Erkenntnisses gar keine Bedeutung haben. Sie sind nur Regeln fuer einen Verstand, dessen ganzes Vermoegen im Denken besteht, d.i. in der Handlung, die Synthesis des Mannigfaltigen, welches ihm anderweitig in der Anschauung gegeben worden, zur Einheit der Apperzeption zu bringen, der also fuer sich gar nichts erkennt, sondern nur den Stoff zum Erkenntnis, die Anschauung, die ihm durchs Objekt gegeben werden muss, verbindet und ordnet. Von der Eigentuemlichkeit unseres Verstandes aber, nur vermittelst der Kategorien und nur gerade durch diese Art und Zahl derselben Einheit der Apperzeption a priori zustande zu bringen, lasst sich ebensowenig ferner ein Grund angeben, als warum wir gerade diese und keine anderen Funktionen zu urteilen haben, oder warum Zeit und Raum die einzigen Formen unserer moeglichen Anschauung sind. Paragraph 22. Die Kategorie hat keinen andern Gebrauch zum Erkenntnisse der Dinge, als ihre Anwendung auf Gegenstaende der Erfahrung Sich einen Gegenstand denken, und einen Gegenstand erkennen, ist also nicht einerlei. Zum Erkenntnisse gehoeren naemlich zwei Stuecke: erstlich der Begriff, dadurch ueberhaupt ein Gegenstand gedacht wird (die Kategorie), und zweitens die Anschauung, dadurch er gegeben wird; denn, koennte dem Begriffe eine korrespondierende Anschauung gar nicht gegeben werden, so waere er ein Gedanke der Form nach, aber ohne allen Gegenstand, und durch ihn gar keine Erkenntnis von irgendeinem Dinge moeglich; weil es, soviel ich wuesste, nichts gaebe, noch geben- koennte, worauf mein Gedanke angewandt werden koenne. Nun ist alle uns moegliche Anschauung sinnlich (Aesthetik), also kann das Denken eines Gegenstandes ueberhaupt durch einen reinen Verstandesbegriff bei uns nur Erkenntnis werden, sofern dieser auf Gegenstaende der Sinne bezogen wird. Sinnliche Anschauung ist entweder reine Anschauung (Raum und Zeit) oder empirische Anschauung desjenigen, was im Raum und der Zeit unmittelbar als wirklich, durch Empfindung, vorgestellt wird. Durch Bestimmung der ersteren koennen wir Erkenntnisse a priori, von Gegenstaenden (in der Mathematik) bekommen, aber nur ihrer Form nach, als Erscheinungen; ob es Dinge geben koenne, die in dieser Form angeschaut werden muessen, bleibt doch dabei noch unausgemacht. Folglich sind alle mathematischen Begriffe fuer sich nicht Erkenntnisse, ausser, sofern man voraussetzt, dass es Dinge gibt, die sich nur der Form jener reinen sinnlichen Anschauung gemaess uns darstellen lassen. Dinge im Raum und der Zeit werden aber nur gegeben, sofern sie Wahrnehmungen (mit Empfindung begleitete Vorstellungen) sind, mithin durch empirische Vorstellung. Folglich verschaffen die reinen Verstandesbegriffe, selbst wenn sie auf Anschauungen a priori (wie in der Mathematik) angewandt werden, nur sofern Erkenntnis, als diese, mithin auch die Verstandesbegriffe vermittelst ihrer, auf empirische Anschauungen angewandt werden koennen. Folglich liefern uns die Kategorien vermittelst der Anschauung auch keine Erkenntnis von Dingen, als nur durch ihre moegliche Anwendung auf empirische Anschauung, d.i. sie dienen nur zur Moeglichkeit empirischer Erkenntnis. Diese aber heisst Erfahrung. Folglich haben die Kategorien keinen anderen Gebrauch zum Erkenntnisse der Dinge, als nur sofern diese als Gegenstaende moeglicher Erfahrung angenommen werden. Paragraph 23 Der obige Satz ist von der groessten Wichtigkeit; denn er bestimmt ebensowohl die Grenzen des Gebrauchs der reinen Verstandesbegriffe in Ansehung der Gegenstaende, als die transzendentale Aesthetik die Grenzen des Gebrauchs der reinen Form unserer sinnlichen Anschauung bestimmte. Raum und Zeit gelten, als Bedingungen der Moeglichkeit, wie uns Gegenstaende gegeben werden koennen, nicht weiter, als fuer Gegenstaende der Sinne, mithin mir der Erfahrung. Ueber diese Grenzen hinaus stellen sie gar nichts vor, denn sie sind nur in den Sinnen und haben ausser ihnen keine Wirklichkeit. Die reinen Verstandesbegriffe sind von dieser Einschraenkung frei und erstrecken sich auf Gegenstaende der Anschauung ueberhaupt, sie mag der unsrigen aehnlich sein oder nicht, wenn sie nur sinnlich und nicht intellektuell ist. Diese weitere Ausdehnung der Begriffe ueber unsere sinnliche Anschauung hinaus, hilft uns aber zu nichts. Denn es sind alsdann leere Begriffe von Objekten, von denen, ob sie nur einmal moeglich sind oder nicht, wir durch jene gar nicht urteilen koennen, blosse Gedankenformen ohne objektive Realitaet, weil wir keine Anschauung zur Hand haben, auf welche die synthetische Einheit der Apperzeption, die jene allein enthalten, angewandt werden, und sie so einen Gegenstand bestimmen koennten. Unsere sinnliche, und empirische Anschauung kann ihnen allein Sinn und Bedeutung verschaffen. Nimmt man also ein Objekt einer nicht-sinnlichen Anschauung als gegeben an, so kann man es freilich durch alle die Praedikate vorstellen, die schon in der Voraussetzung liegen, dass ihm nichts zur sinnlichen Anschauung Gehoeriges zukomme: also, dass es nicht ausgedehnt, oder im Raume sei, dass die Dauer desselben keine Zeit sei, dass in ihm keine Veraenderung (Folge der Bestimmungen in der Zeit) angetroffen werde, usw. Allein das ist doch kein eigentliches Erkenntnis, wenn ich bloss anzeige, wie die Anschauung des Objekts nicht sei, ohne sagen zu kennen, was in ihr denn enthalten sei; denn alsdann habe ich gar nicht die Moeglichkeit eines Objekts zu meinem reinen Verstandesbegriff vorgestellt, weil ich keine Anschauung habe geben koennen, die ihm korrespondierte, sondern nur sagen konnte, dass die unsrige nicht fuer ihn gelte. Aber das Vornehmste ist hier, dass auf ein solches Etwas auch nicht einmal eine einzige Kategorie angewandt werden koennte: z.B. der Begriff einer Substanz, d.i. von etwas, das als Subjekt, niemals aber als blosses Praedikat existieren koenne, wovon ich gar nicht weiss, ob es irgendein Ding geben koenne, das dieser Gedankenbestimmung korrespondierte, wenn nicht empirische Anschauung mir den Fall der Anwendung gaebe. Doch mehr hiervon in der Folge. Paragraph 24. Von der Anwendung der Kategorien auf Gegenstaende der Sinne ueberhaupt Die reinen Verstandesbegriffe beziehen sich durch den blossen Verstand auf Gegenstaende der Anschauung ueberhaupt, unbestimmt ob sie die unsrige oder irgendeine andere, doch sinnliche, sei, sind aber eben darum blosse Gedankenformen, wodurch noch kein bestimmter Gegenstand erkannt wird. Die Synthesis oder Verbindung des Mannigfaltigen in denselben, bezog sich bloss auf die Einheit der Apperzeption, und war dadurch der Grund der Moeglichkeit der Erkenntnis a priori, sofern sie auf dem Verstande beruht, und mithin nicht allein transzendental, sondern auch bloss rein intellektual. Weil in uns aber eine gewisse Form der sinnlichen Anschauung a priori zum Grunde liegt, welche auf der Rezeptiviaet der Vorstellungsfaehigkeit (Sinnlichkeit) beruht, so kann der Verstand, als Spontaneitaet, den inneren Sinn durch das Mannigfaltige gegebener Vorstellungen der synthetischen Einheit der Apperzeption gemaess bestimmen, und so synthetische Einheit der Apperzeption des Mannigfaltigen der sinnlichen Anschauung a priori denken, als die Bedingung, unter welcher alle Gegenstaende unserer (der menschlichen) Anschauung notwendigerweise stehen muessen, dadurch denn die Kategorien, als blosse Gedankenformen, objektive Realitaet, d.i. Anwendung auf Gegenstaende, die uns in der Anschauung gegeben werden koennen, aber nur als Erscheinungen bekommen; denn nur von diesen sind wir der Anschauung a priori faehig. Diese Synthesis des Mannigfaltigen der sinnlichen Anschauung, die a priori moeglich und notwendig ist, kann figuerlich (synthesis speciosa) genannt werden, zum Unterschiede von derjenigen, welche in Ansehung des Mannigfaltigen einer Anschauung ueberhaupt in der blossen Kategorie gedacht wurde, und Verstandesverbindung (synthesis intellectualis) heisst; beide sind transzendental, nicht bloss weil sie selbst a priori vorgehen, sondern auch die Moeglichkeit anderer Erkenntnis a priori gruenden. Allein die figuerliche Synthesis, wenn sie bloss auf die urspruenglich synthetische Einheit der Apperzeption, d.i. diese transzendentale Einheit geht, welche in den Kategorien gedacht wird, muss, zum Unterschiede von der bloss intellektuellen Verbindung, die transzendentale Synthesis der Einbildungskraft heissen. Einbildungskraft ist das Vermoegen, einen Gegenstand auch ohne dessen Gegenwart in der Anschauung vorzustellen. Da nun alle unsere Anschauung sinnlich ist, so gehoert die Einbildungskraft, der subjektiven Bedingung wegen, unter der sie allein den Verstandesbegriffen eine korrespondierende Anschauung geben kann, zur Sinnlichkeit; sofern aber doch ihre Synthesis eine Ausuebung der Spontaneitaet ist, welche bestimmend, und nicht, wie der Sinn, bloss bestimmbar ist, mithin a priori den Sinn seiner Form nach der Einheit der Apperzeption gemaess bestimmen kann, so ist die Einbildungskraft sofern ein Vermoegen, die Sinnlichkeit a priori zu bestimmen, und ihre Synthesis der Anschauungen, den Kategorien gemaess, muss die transzendentale Synthesis der Einbildungskraft sein, welches eine Wirkung des Verstandes auf die Sinnlichkeit und die erste Anwendung desselben (zugleich der Grund aller uebrigen) auf Gegenstaende der uns moeglichen Anschauung ist. Sie ist, als figuerlich, von der intellektuellen Synthesis ohne alle Einbildungskraft bloss durch den Verstand unterschieden. Sofern die Einbildungskraft nun Spontaneitaet ist, nenne ich sie auch bisweilen die produktive Einbildungskraft, und unterscheide sie dadurch von der reproduktiven, deren Synthesis lediglich empirischen Gesetzen, naemlich denen der Assoziation, unterworfen ist, und welche daher zur Erklaerung der Moeglichkeit der Erkenntnis a priori nichts beitraegt, und um deswillen nicht in die Transzendentalphilosophie, sondern in die Psychologie gehoert. * * * Hier ist nun der Ort, das Paradoxe, was jedermann bei der Exposition der Form des inneren Sinnes (Paragraph 6) auffallen musste, verstaendlich zu machen: naemlich wie dieser auch sogar uns selbst, nur wie wir uns erscheinen, nicht wie wir an uns selbst sind, dem Bewusstsein darstelle, weil wir naemlich uns nur anschauen wie wir innerlich affiziert werden, welches widersprechend zu sein scheint, indem wir uns gegen um selbst als leidend verhalten muessten; daher man auch lieber den inneren Sinn mit dem Vermoegen der Apperzeption (welche wir sorgfaeltig unterscheiden) in den Systemen der Psychologie fuer einerlei auszugeben pflegt. Das, was den inneren Sinn bestimmt, ist der Verstand und dessen urspruengliches Vermoegen das Mannigfaltige der Anschauung zu verbinden, d.i. unter eine Apperzeption (als worauf selbst seine Moeglichkeit beruht) zu bringen. Weil nun der Verstand in uns Menschen selbst kein Vermoegen der Anschauungen ist, und diese, wenn sie auch in der Sinnlichkeit gegeben waere, doch nicht in sich aufnehmen kann, um gleichsam das Mannigfaltige seiner eigenen Anschauung zu verbinden, so ist seine Synthesis, wenn er fuer sich allein betrachtet wird, nichts anderes, als die Einheit der Handlung, deren er sich, als einer solchen, auch ohne Sinnlichkeit bewusst ist, durch die er aber selbst die Sinnlichkeit innerlich in Ansehung des Mannigfaltigen, was der Form ihrer Anschauung nach ihm gegeben werden mag, zu bestimmen vermoegend ist. Er also uebt, unter der Benennung einer transzendentalen Synthesis der Einbildungskraft, diejenige Handlung aufs passive Subjekt, dessen Vermoegen er ist, aus, wovon wir mit Recht sagen, dass der innere Sinn dadurch affiziert werde. Die Apperzeption und deren synthetische Einheit ist mit dem inneren Sinne so gar nicht einerlei, dass jene vielmehr, als der Quell aller Verbindung, auf das Mannigfaltige der Anschauungen ueberhaupt unter dem Namen der Kategorien, vor aller sinnlichen Anschauung auf Objekte ueberhaupt geht, dagegen der innere Sinn die blosse Form der Anschauung, aber ohne Verbindung des Mannigfaltigen in derselben, mithin noch gar keine bestimmte Anschauung enthaelt, welche nur durch das Bewusstsein der Bestimmung desselben durch die transzendentale Handlung der Einbildungskraft, (synthetischer Einfluss des Verstandes auf den inneren Sinn) welche ich die figuerliche Synthesis genannt habe, moeglich ist. Dieses nehmen wir auch jederzeit in uns wahr. Wir koennen uns keine Linie denken, ohne sie in Gedanken zu ziehen, keinen Zirkel denken, ohne ihn zu beschreiben, die drei Abmessungen des Raumes gar nicht vorstellen, ohne aus demselben Punkte drei Linien senkrecht aufeinander zu setzen, und selbst die Zeit nicht, ohne, indem wir im Ziehen einer geraden Linie (die die aeusserlich figuerliche Vorstellung der Zeit sein soll) bloss auf die Handlung der Synthesis des Mannigfaltigen, dadurch wir den inneren Sinn sukzessiv bestimmen, und dadurch auf die Sukzession dieser Bestimmung in demselben, achthaben. Bewegung, als Handlung des Subjekts, (nicht als Bestimmung eines Objekts)*, folglich die Synthesis des Mannigfaltigen im Raume, wenn wir von diesem abstrahieren und bloss auf die Handlung achthaben, dadurch wir den inneren Sinn seiner Form gemaess bestimmen, bringt sogar den Begriff der Sukzession zuerst hervor. Der Verstand findet also in diesem nicht etwa schon eine dergleichen Verbindung des Mannigfaltigen, sondern bringt sie hervor, indem er ihn affiziert. Wie aber das Ich, der ich denke, von dem Ich, das sich selbst anschaut, unterschieden (indem ich mir noch andere Anschauungsart wenigstens als moeglich vorstellen kann) und doch mit diesem letzteren als dasselbe Subjekt einerlei sei, wie ich also sagen koenne: Ich, als Intelligenz und denkend Subjekt, erkenne mich selbst als gedachtes Objekt, sofern ich mir noch ueber das in der Anschauung gegeben bin, nur, gleich anderen Phaenomen, nicht wie ich vor dem Verstande bin, sondern wie ich mir erscheine, hat nicht mehr auch nicht weniger Schwierigkeit bei sich, als wie ich mir selbst ueberhaupt ein Objekt und zwar der Anschauung und innerer Wahrnehmungen sein koenne. Dass es aber doch wirklich so sein muesse, kann, wenn man den Raum fuer eine blosse reine Form der Erscheinungen aeusserer Sinne gelten laesst, dadurch klar dargetan werden, dass wir die Zeit, die doch gar kein Gegenstand aeusserer Anschauung ist, uns nicht anders vorstellig machen koennen, als unter dem Bilde einer Linie, sofern wir sie ziehen, ohne welche Darstellungsart wir die Einheit ihrer Abmessung gar nicht erkennen koennten, imgleichen dass wir die Bestimmung der Zeitlaenge, oder auch der Zeitstellen fuer alle inneren Wahrnehmungen, immer von dem hernehmen muessen, was uns aeussere Dinge Veraenderliches darstellen, folglich die Bestimmungen des inneren Sinnes gerade auf dieselbe Art als Erscheinungen in der Zeit ordnen muessen, wie wir die der aeusseren Sinne im Raume ordnen, mithin, wenn wir von den letzteren einraeumen, dass wir dadurch Objekte nur sofern erkennen, als wir aeusserlich affiziert werden, wir auch vom inneren Sinne zugestehen muessen, dass wir dadurch uns selbst nur so anschauen, wie wir innerlich von uns selbst affiziert werden, d.i. was die innere Anschauung betrifft, unser eigenes Subjekt nur als Erscheinung, nicht aber nach dem, was es an sich selbst ist, erkennen**. * Bewegung eines Objekts im Raume gehoert nicht in eine reine Wissenschaft, folglich auch nicht in die Geometrie; weil, dass etwas beweglich sei, nicht a priori, sondern nur durch Erfahrung erkannt werden kann. Aber Bewegung, als Beschreibung eines Raumes, ist ein reiner Aktus der sukzessiven Synthesis des Mannigfaltigen in der aeusseren Anschauung ueberhaupt durch produktive Einbildungskraft, und gehoert nicht allein zur Geometrie, sondern sogar zur Transzendentalphilosophie. ** Ich sehe nicht, wie man so viel Schwierigkeiten darin finden koenne, dass der innere Sinn von uns selbst affiziert werde. Jeder Aktus der Aufmerksamkeit kann uns ein Beispiel davon geben. Der Verstand bestimmt darin jederzeit den inneren Sinn der Verbindung, die er denkt, gemaess, zur inneren Anschauung, die dem Mannigfaltigen in der Synthesis des Verstandes korrespondiert. Wie sehr das Gemuet gemeiniglich hierdurch affiziert werde, wird ein jeder in sich wahrnehmen koennen. Paragraph 25 Dagegen bin ich mir meiner selbst in der transzendentalen Synthesis des Mannigfaltigen der Vorstellungen ueberhaupt, mithin in der synthetischen urspruenglichen Einheit der Apperzeption, bewusst, nicht wie ich mir erscheine, noch wie ich an mir selbst bin, sondern nur dass ich bin. Diese Vorstellung ist ein Denken, nicht ein Anschauen. Da nun zum Erkenntnis unserer selbst ausser der Handlung des Denkens, die das Mannigfaltige einer jeden moeglichen Anschauung zur Einheit der Apperzeption bringt, noch eine bestimmte Art der Anschauung, dadurch dieses Mannigfaltige gegeben wird, erforderlich ist, so ist zwar mein eigenes Dasein nicht Erscheinung (viel weniger blosser Schein), aber die Bestimmung meines Daseins* kann nur der Form des inneren Sinnes gemaess nach der besonderen Art, wie das Mannigfaltige, das ich verbinde, in der inneren Anschauung gegeben wird, geschehen, und ich habe also demnach keine Erkenntnis von mir wie ich bin, sondern bloss wie ich mir selbst erscheine. Das Bewusstsein seiner selbst ist also noch lange nicht ein Erkenntnis seiner selbst, unerachtet aller Kategorien, welche das Denken eines Objekts ueberhaupt durch Verbindung des Mannigfaltigen in einer Apperzeption ausmachen. So wie zum Erkenntnisse eines von mir verschiedenen Objekts, ausser dem Denken eines Objekts ueberhaupt (in der Kategorie), ich doch noch einer Anschauung bedarf, dadurch ich jenen allgemeinen Begriff bestimme, so bedarf ich auch zum Erkenntnisse meiner selbst ausser dem Bewusstsein, oder ausser dem, dass ich mich denke, noch einer Anschauung des Mannigfaltigen in mir, wodurch ich diesen Gedanken bestimme, und ich existiere als Intelligenz, die sich lediglich ihres Verbindungsvermoegens bewusst ist, in Ansehung des Mannigfaltigen aber, das sie verbinden soll, einer einschraenkenden Bedingung, die sie den inneren Sinn nennt, unterworfen, jene Verbindung nur nach Zeitverhaeltnissen, welche ganz ausserhalb den eigentlichen Verstandesbegriffen liegen, anschaulich machen, und sich daher selbst doch nur erkennen kann, wie sie, in Absicht auf eine Anschauung (die nicht intellektuell und durch den Verstand selbst gegeben sein kann), ihr selbst bloss erscheint, nicht wie sie sich erkennen wuerde, wenn ihre Anschauung intellektuell waere. * Das, Ich denke, drueckt den Aktus aus, mein Dasein zu bestimmen. Das Dasein ist dadurch also schon gegeben, aber die Art, wie ich es bestimmen, d.i. das Mannigfaltige, zu demselben gehoerige, in mir setzen solle, ist dadurch noch nicht gegeben. Dazu gehoert Selbstanschauung, die eine a priori gegebene Form, d.i. die Zeit, zum Grunde liegen hat, welche sinnlich und zur Rezeptivitaet des Bestimmbaren gehoerig ist. Habe ich nun nicht noch eine andere Selbstanschauung, die das Bestimmende in mir, dessen Spontaneitaet ich mir nur bewusst bin, ebenso vor dem Aktus des Bestimmens gibt, wie die Zeit das Bestimmbare, so kann ich mein Dasein, als eines selbsttaetigen Wesens, nicht bestimmen, sondern ich stelle mir nur die Spontaneitaet meines Denkens, d.i. des Bestimmens, vor, und mein Dasein bleibt immer nur sinnlich, d.i. als das Dasein einer Erscheinung, bestimmbar. Doch macht diese Spontaneitaet, dass ich mich Intelligenz nenne. Paragraph 26. Transzendentale Deduktion des allgemein moeglichen Erfahrungsgebrauchs der reinen Verstandesbegriffe In der metaphysischen Deduktion wurde der Ursprung der Kategorien a priori ueberhaupt durch ihre voellige Zusammentreffung mit den allgemeinen logischen Funktionen des Denkens dargetan, in der transzendentalen aber die Moeglichkeit derselben als Erkenntnisse a priori von Gegenstaenden einer Anschauung ueberhaupt (Paragraphen 20, 21) dargestellt. Jetzt soll die Moeglichkeit, durch Kategorien die Gegenstaende, die nur immer unseren Sinnen vorkommen moegen, und zwar nicht der Form ihrer Anschauung, sondern den Gesetzen ihrer Verbindung nach, a priori zu erkennen, also der Natur gleichsam das Gesetz vorzuschreiben und sie sogar moeglich zu machen, erklaert werden. Denn ohne diese ihre Tauglichkeit wuerde nicht erhellen, wie alles, was unseren Sinnen nur vorkommen mag, unter den Gesetzen stehen muesse, die a priori aus dem Verstande allein entspringen. Zuvoerderst merke ich an, dass ich unter der Synthesis der Apprehension die Zusammensetzung des Mannigfaltigen in einer empirischen Anschauung verstehe, dadurch Wahrnehmung, d.i. empirisches Bewusstsein derselben, (als Erscheinung) moeglich wird. Wir haben Formen der aeusseren sowohl als inneren sinnlichen Anschauung a priori an den Vorstellungen von Raum und Zeit, und diesen muss die Synthesis der Apprehension des Mannigfaltigen der Erscheinung jederzeit gemaess sein, weil sie selbst nur nach dieser Form geschehen kann. Aber Raum und Zeit sind nicht bloss als Formen der sinnlichen Anschauung, sondern als Anschauungen selbst (die ein Mannigfaltiges enthalten) also mit der Bestimmung der Einheit dieses Mannigfaltigen in ihnen a priori vorgestellt (siehe transz. Aesthet.)*. Also ist selbst schon Einheit der Synthesis des Mannigfaltigen, ausser oder in uns, mithin auch eine Verbindung, der alles, was im Raume oder der Zeit bestimmt vorgestellt werden soll, gemaess sein muss, a priori als Bedingung der Synthesis aller Apprehension schon mit (nicht in) diesen Anschauungen zugleich gegeben. Diese synthetische Einheit aber kann keine andere sein, als die der Verbindung des Mannigfaltigen einer gegebenen Anschauung ueberhaupt in einem urspruenglichen Bewusstsein, den Kategorien gemaess, nur auf unsere sinnliche Anschauung angewandt. Folglich steht alle Synthesis, wodurch selbst Wahrnehmung moeglich wird, unter den Kategorien, und, da Erfahrung Erkenntnis durch verknuepfte Wahrnehmungen ist, so sind die Kategorien Bedingungen der Moeglichkeit der Erfahrung, und gelten also a priori auch von allen Gegenstaenden der Erfahrung. * Der Raum, als Gegenstand vorgestellt, (wie man es wirklich in der Geometrie bedarf,) enthaelt mehr, als blosse Form der Anschauung, naemlich Zusammenfassung des Mannigfaltigen, nach der Form der Sinnlichkeit gegebenen, in eine anschauliche Vorstellung, so dass die Form der Anschauung bloss Mannigfaltiges, die formale Anschauung aber Einheit der Vorstellung gibt. Diese Einheit hatte ich in der Aesthetik bloss zur Sinnlichkeit gezaehlt, um nur zu bemerken, dass sie vor allem Begriffe vorhergehe, ob sie zwar eine Synthesis, die nicht den Sinnen angehoert, durch welche aber alle Begriffe von Raum und Zeit zuerst moeglich werden, voraussetzt. Denn da durch sie (indem der Verstand die Sinnlichkeit bestimmt) der Raum oder die Zeit als Anschauungen zuerst gegeben werden, so gehoert die Einheit dieser Anschauung a priori zum Raume und der Zeit, und nicht zum Begriffe des Verstandes. (Paragraph 24.) * * * Wenn ich also z.B. die empirische Anschauung eines Hauses durch Apprehension des Mannigfaltigen derselben zur Wahrnehmung mache, so liegt mir die notwendige Einheit des Raumes und der aeusseren sinnlichen Anschauung ueberhaupt zum Grunde, und ich zeichne gleichsam seine Gestalt, dieser synthetischen Einheit des Mannigfaltigen im Raume gemaess. Eben dieselbe synthetische Einheit aber, wenn ich von der Form des Raumes abstrahiere, hat im Verstande ihren Sitz, und ist die Kategorie der Synthesis des Gleichartigen in einer Anschauung ueberhaupt, d.i. die Kategorie der Groesse, welcher also jene Synthesis der Apprehension, d.i. die Wahrnehmung, durchaus gemaess sein muss*. * Auf solche Weise wird bewiesen: dass die Synthesis der Apprehension, welche empirisch ist, der Synthesis der Apperzeption, welche intellektuell und gaenzlich a priori in der Kategorie enthalten ist, notwendig gemaess sein muesse. Es ist eine und dieselbe Spontaneitaet, welche dort, unter dem Namen der Einbildungskraft, hier des Verstandes, Verbindung in das Mannigfaltige der Anschauung hineinbringt. Wenn ich (in einem anderen Beispiele) das Gefrieren des Wassers wahrnehme, so apprehendiere ich zwei Zustaende (der Fluessigkeit und Festigkeit) als solche, die in einer Relation der Zeit gegeneinander stehen. Aber in der Zeit, die ich der Erscheinung als inneren Anschauung zum Grunde lege, stelle ich mir notwendig synthetische Einheit des Mannigfaltigen vor, ohne die jene Relation nicht in einer Anschauung bestimmt (in Ansehung der Zeitfolge) gegeben werden konnte. Nun ist aber diese synthetische Einheit, als Bedingung a priori, unter der ich das Mannigfaltige einer Anschauung ueberhaupt verbinde, wenn ich von der bestaendigen Form meiner inneren Anschauung, der Zeit, abstrahiere, die Kategorie der Ursache, durch welche ich, wenn ich sie auf meine Sinnlichkeit anwende, alles, was geschieht, in der Zeit ueberhaupt seiner Relation nach bestimme. Also steht die Apprehension in einer solchen Begebenheit, mithin diese selbst, der moeglichen Wahrnehmung nach, unter dem Begriffe des Verhaeltnisses der Wirkungen und Ursachen, und so in allen anderen Faellen. * * * Kategorien sind Begriffe, welche den Erscheinungen, mithin der Natur, als dem Inbegriffe aller Erscheinungen (natura materialiter spectata), Gesetze a priori vorschreiben, und nun fragt sich, da sie nicht von der Natur abgeleitet werden und sich nach ihr als ihrem Muster richten (weil sie sonst bloss empirisch sein wuerden), wie es zu begreifen sei, dass die Natur sich nach ihnen richten muesse, d.i. wie sie die Verbindung des Mannigfaltigen der Natur, ohne sie von dieser abzunehmen, a priori bestimmen koennen. Hier ist die Aufloesung dieses Raetsels. Es ist nun nichts befremdlicher, wie die Gesetze der Erscheinungen in der Natur mit dem Verstande und seiner Form a priori, d.i. seinem Vermoegen das Mannigfaltige ueberhaupt zu verbinden, als wie die Erscheinungen selbst mit der Form der sinnlichen Anschauung a priori uebereinstimmen muessen. Denn Gesetze existieren ebensowenig in den Erscheinungen, sondern nur relativ auf das Subjekt, dem die Erscheinungen inhaerieren, sofern es Verstand hat, als Erscheinungen nicht an sich existieren, sondern nur relativ auf dasselbe Wesen, sofern es Sinne hat. Dingen an sich selbst wuerde ihre Gesetzmaessigkeit notwendig, auch ausser einem Verstande, der sie erkennt, zukommen. Allein Erscheinungen sind nur Vorstellungen von Dingen, die, nach dem, was sie an sich sein moegen, unerkannt da sind. Als blosse Vorstellungen aber stehen sie unter gar keinem Gesetze der Verknuepfung, als demjenigen, welches das verknuepfende Vermoegen vorschreibt. Nun ist das, was das Mannigfaltige der sinnlichen Anschauung verknuepft, Einbildungskraft, die vom Verstande der Einheit ihrer intellektuellen Synthesis, und von der Sinnlichkeit der Mannigfaltigkeit der Apprehension nach abhaengt. Da nun von der Synthesis der Apprehension alle moegliche Wahrnehmung, sie selbst aber, diese empirische Synthesis, von der transzendentalen, mithin den Kategorien abhaengt, so muessen alle moeglichen Wahrnehmungen, mithin auch alles, was zum empirischen Bewusstsein immer gelangen kann, d.i. alle Erscheinungen der Natur, ihrer Verbindung nach, unter den Kategorien stehen, von welchen die Natur (bloss als Natur ueberhaupt betrachtet), als dem urspruenglichen Grunde ihrer notwendigen Gesetzmaessigkeit (als natura formaliter spectata), abhaengt. Auf mehrere Gesetze aber, als die, auf denen eine Natur ueberhaupt, als Gesetzmaessigkeit der Erscheinungen in Raum und Zeit, beruht, reicht auch das reine Verstandesvermoegen nicht zu, durch blosse Kategorien den Erscheinungen a priori Gesetze vorzuschreiben. Besondere Gesetze, weil sie empirisch bestimmte Erscheinungen betreffen, koennen davon nicht vollstaendig abgeleitet werden, ob sie gleich alle insgesamt unter jenen stehen. Es muss Erfahrung dazu kommen, um die letzteren ueberhaupt kennen zu lernen; von Erfahrung aber ueberhaupt, und dem, was als ein Gegenstand derselben erkannt werden kann, geben allein jene Gesetze a priori die Belehrung. Paragraph 27. Resultat dieser Deduktion der Verstandesbegriffe Wir koennen uns keinen Gegenstand denken, ohne durch Kategorien; wir koennen keinen gedachten Gegenstand erkennen, ohne durch Anschauungen, die jenen Begriffen entsprechen. Nun sind alle unsere Anschauungen sinnlich, und diese Erkenntnis, sofern der Gegenstand derselben gegeben ist, ist empirisch. Empirische Erkenntnis aber ist Erfahrung. Folglich ist uns keine Erkenntnis a priori moeglich, als lediglich von Gegenstaenden moeglicher Erfahrung*. * Damit man sich nicht voreiligerweise an den besorglichen nachteiligen Folgen dieses Satzes stosse, will ich nur in Erinnerung bringen, dass die Kategorien im Denken durch die Bedingungen unserer sinnlichen Anschauung nicht eingeschraenkt sind, sondern ein unbegrenztes Feld haben, und nur das Erkennen dessen, was wir uns denken, das Bestimmen des Objekts, Anschauung beduerfe, wo, beim Mangel der letzeren, der Gedanke vom Objekte uebrigens noch immer seine wahren und nuetzlichen Folgen auf den Vernunftgebrauch des Subjekts haben kann, der sich aber, weil er nicht immer auf die Bestimmung des Objekts, mithin aufs Erkenntnis, sondern auch auf die des Subjekts und dessen Wollen gerichtet ist, hier noch nicht vortragen laesst. Aber diese Erkenntnis, die bloss auf Gegenstaende der Erfahrung eingeschraenkt ist, ist darum nicht alle von der Erfahrung entlehnt, sondern, was sowohl die reinen Anschauungen, als die reinen Verstandesbegriffe betrifft, so sind Elemente der Erkenntnis, die in uns a priori angetroffen werden. Nun sind nur zwei Wege, auf welchen eine notwendige Uebereinstimmung der Erfahrung mit den Begriffen von ihren Gegenstaenden gedacht werden kann: entweder die Erfahrung macht diese Begriffe, oder diese Begriffe machen die Erfahrung moeglich. Das erstere findet nicht in Ansehung der Kategorien (auch nicht der reinen sinnlichen Anschauung) statt; denn sie sind Begriffe a priori, mithin unabhaengig von der Erfahrung (die Behauptung eines empirischen Ursprungs waere eine Art von generatio aequivoca). Folglich bleibt nur das zweite uebrig (gleichsam ein System der Epigenesis der reinen Vernunft): dass naemlich die Kategorien von seiten des Verstandes die Gruende der Moeglichkeit aller Erfahrung ueberhaupt enthalten. Wie sie aber die Erfahrung moeglich machen, und welche Grundsaetze der Moeglichkeit derselben sie in ihrer Anwendung auf Erscheinungen an die Hand geben, wird das folgende Hauptstueck von dem transz. Gebrauche der Urteilskraft das mehrere lehren. Wollte jemand zwischen den zwei genannten einzigen Wegen noch einen Mittelweg vorschlagen, naemlich, dass sie weder selbstgedachte erste Prinzipien a priori unserer Erkenntnis, noch auch aus der Erfahrung geschoepft, sondern subjektive, uns mit unserer Existenz zugleich eingepflanzte Anlagen zum Denken waeren, die von unserem Urheber so eingerichtet worden, dass ihr Gebrauch mit den Gesetzen der Natur, an welchen die Erfahrung fortlaeuft, genau stimmte, (eine Art von Praeformationssystem der reinen Vernunft) so wuerde (ausser dem, dass bei einer solchen Hypothese kein Ende abzusehen ist, wie weit man die Voraussetzung vorbestimmter Anlagen zu kuenftigen Urteilen treiben moechte) das wider gedachten Mittelweg entscheidend sein: dass in solchem Falle den Kategorien die Notwendigkeit mangeln wuerde, die ihrem Begriffe wesentlich angehoert. Denn z.B. der Begriff der Ursache, welcher die Notwendigkeit eines Erfolges unter einer vorausgesetzten Bedingung aussagt, wuerde falsch sein, wenn er nur auf einer beliebigen uns eingepflanzten subjektiven Notwendigkeit, gewisse empirische Vorstellungen nach einer solchen Regel des Verhaeltnisses zu verbinden, beruhte. Ich wuerde nicht sagen koennen: die Wirkung ist mit der Ursache im Objekte (d.i. notwendig) verbunden, sondern ich bin nur so eingerichtet, dass ich diese Vorstellung nicht anders als so verknuepft denken kann, welches gerade das ist, was der Skeptiker am meisten wuenscht, denn alsdann ist alle unsere Einsicht, durch vermeinte objektive Gueltigkeit unserer Urteile, nichts als lauter Schein, und es wuerde auch an Leuten nicht fehlen, die diese subjektive Notwendigkeit (die gefuehlt werden muss) von sich nicht gestehen wuerden; zum wenigsten koennte man mit niemandem ueber dasjenige hadern, was bloss auf der Art beruht, wie sein Subjekt organisiert ist. Kurzer Begriff dieser Deduktion Sie ist die Darstellung der reinen Verstandesbegriffe, (und mit ihnen aller theoretischen Erkenntnis a priori, als Prinzipien der Moeglichkeit der Erfahrung, dieser aber, als Bestimmung der Erscheinungen in Raum und Zeit ueberhaupt, - endlich dieser aus dem Prinzip der urspruenglichen synthetischen Einheit der Apperzeption, als der Form des Verstandes in Beziehung auf Raum und Zeit, als urspruengliche Formen der Sinnlichkeit. * * * Nur bis hierher halte ich die Paragraphenabteilung fuer noetig, weil wir es mit den Elementarbegriffen zu tun hatten. Nun wir den Gebrauch derselben vorstellig machen wollen, wird der Vortrag in kontinuierlichem Zusammenhange, ohne dieselbe, fortgehen duerfen. Der transzendentalen Analytik Zweites Buch Die Analytik der Grundsaetze Die allgemeine Logik ist ueber einem Grundrisse erbaut, der ganz genau mit der Einteilung der oberen Erkenntnisvermoegen zusammentrifft. Diese sind: Verstand, Urteilskraft und Vernunft. Jene Doktrin handelt daher in ihrer Analytik von Begriffen, Urteilen und Schluessen, gerade den Funktionen und der Ordnung jener Gemuetskraefte gemaess, die man unter der weitlaeufigen Benennung des Verstandes ueberhaupt begreift. Da gedachte bloss formale Logik von allem Inhalte der Erkenntnis (ob sie rein und empirisch sei) abstrahiert, und sich bloss mit der Form des Denkens (der diskursiven Erkenntnis) ueberhaupt beschaeftigt: so kann sie in ihrem analytischen Teile auch den Kanon fuer die Vernunft mitbefassen, deren Form ihre sichere Vorschrift hat, die, ohne die besondere Natur der dabei gebrauchten Erkenntnis in Betracht zu ziehen, a priori, durch blosse Zergliederung der Vernunfthandlungen in ihre Momente, eingesehen werden kann. Die transzendentale Logik, da sie auf einen bestimmten Inhalt, naemlich bloss der reinen Erkenntnisse a priori, eingeschraenkt ist, kann es ihr in dieser Einteilung nicht nachtun. Denn es zeigt sich: dass der transzendentale Gebrauch der Vernunft gar nicht objektiv gueltig sei, mithin nicht zur Logik der Wahrheit, d.i. der Analytik gehoere, sondern, als eine Logik des Scheins, einen besonderen Teil des scholastischen Lehrgebaeudes, unter dem Namen der transzendentalen Dialektik, erfordere. Verstand und Urteilskraft haben demnach ihren Kanon des objektiv gueltigen, mithin wahren Gebrauchs, in der transzendentalen Logik, und gehoeren also in ihren analytischen Teil. Allein Vernunft in ihren Versuchen, ueber Gegenstaende a priori etwas auszumachen, und das Erkenntnis ueber die Grenzen moeglicher Erfahrung zu erweitern, ist ganz und gar dialektisch, und ihre Scheinbehauptungen schicken sich durchaus nicht in einen Kanon, dergleichen doch die Analytik enthalten soll. Die Analytik der Grundsaetze wird demnach lediglich ein Kanon fuer die Urteilskraft sein, der sie lehrt, die Verstandesbegriffe, welche die Bedingung zu Regeln a priori enthalten, auf Erscheinungen anzuwenden. Aus dieser Ursache werde ich, indem ich die eigentlichen Grundsaetze des Verstandes zum Thema nehme, mich der Benennung einer Doktrin der Urteilskraft bedienen, wodurch dieses Geschaeft genauer bezeichnet wird. Einleitung Von der transzendentalen Urteilskraft ueberhaupt Wenn der Verstand ueberhaupt als das Vermoegen der Regeln erklaert wird, so ist Urteilskraft das Vermoegen unter Regeln zu subsumieren, d.i. zu unterscheiden, ob etwas unter einer gegebenen Regel (casus datae legis) stehe, oder nicht. Die allgemeine Logik enthaelt gar keine Vorschriften fuer die Urteilskraft, und kann sie auch nicht enthalten. Denn da sie von allem Inhalte der Erkenntnis abstrahiert, so bleibt ihr nichts uebrig, als das Geschaeft, die blosse Form der Erkenntnis in Begriffen, Urteilen und Schluessen analytisch auseinander zu setzen, und dadurch formale Regeln alles Verstandesgebrauchs zustande zu bringen. Wollte sie nun allgemein zeigen, wie man unter diese Regeln subsumieren, d.i. unterscheiden sollte, ob etwas darunter stehe oder nicht, so koennte dieses nicht anders, als wieder durch eine Regel geschehen. Diese aber erfordert eben darum, weil sie eine Regel ist, aufs neue eine Unterweisung der Urteilskraft, und so zeigt sich, dass zwar der Verstand einer Belehrung und Ausruestung durch Regeln faehig, Urteilskraft aber ein besonderes Talent sei, welches gar nicht belehrt, sondern nur geuebt sein will. Daher ist diese auch das Spezifische des sogenannten Mutterwitzes, dessen Mangel keine Schule ersetzen kann; denn, ob diese gleich einem eingeschraenkten Verstande Regeln vollauf, von fremder Einsicht entlehnt, darreichen und gleichsam einpfropfen kann; so muss doch das Vermoegen, sich ihrer richtig zu bedienen, dem Lehrlinge selbst angehoeren, und keine Regel, die man ihm in dieser Absicht vorschreiben moechte, ist, in Ermangelung einer solchen Naturgabe, vor Missbrauch sicher*. Ein Arzt daher, ein Richter, oder ein Staatskundiger, kann viel schoene pathologische, juristische oder politische Regeln im Kopfe haben, in dem Grade, dass er selbst darin gruendlicher Lehrer werden kann, und wird dennoch in der Anwendung derselben leicht verstossen, entweder, weil es ihm an natuerlicher Urteilskraft (obgleich nicht am Verstande) mangelt, und er zwar das Allgemeine in abstracto einsehen, aber ob ein Fall in concreto darunter gehoere, nicht unterscheiden kann, oder auch darum, weil er nicht genug durch Beispiele und wirkliche Geschaefte zu diesem Urteile abgerichtet worden. Dieses ist auch der einige und grosse Nutzen der Beispiele: dass sie die Urteilskraft schaerfen. Denn was die Richtigkeit und Praezision der Verstandeseinsicht betrifft, so tun sie derselben vielmehr gemeiniglich einigen Abbruch, weil sie nur selten die Bedingung der Regel adaequat erfuellen (als casus in terminis) und ueberdem diejenige Anstrengung des Verstandes oftmals schwaechen, Regeln im allgemeinen, und unabhaengig von den besonderen Umstaenden der Erfahrung, nach ihrer Zulaenglichkeit, einzusehen, und sie daher zuletzt mehr wie Formeln, als Grundsaetze, zu gebrauchen angewoehnen. So sind Beispiele der Gaengelwagen der Urteilskraft, welchen derjenige, dem es am natuerlichen Talent desselben mangelt, niemals entbehren kann. * Der Mangel an Urteilskraft ist eigentlich das, was man Dummheit nennt, und einem solchen Gebrechen ist gar nicht abzuhelfen. Ein stumpfer oder eingeschraenkter Kopf, dem es an nichts, als am gehoerigen Grade des Verstandes und eigenen Begriffen desselben mangelt, ist durch Erlernung sehr wohl, sogar bis zur Gelehrsamkeit, auszuruesten. Da es aber gemeiniglich alsdann auch an jenem (der secunda Petri) zu fehlen pflegt, so ist es nichts ungewoehnliches, sehr gelehrte Maenner anzutreffen, die, im Gebrauche ihrer Wissenschaft, jenen nie zu bessernden Mangel haeufig blicken lassen. Ob nun aber gleich die allgemeine Logik der Urteilskraft keine Vorschriften geben kann, so ist es doch mit der transzendentalen ganz anders bewandt, sogar dass es scheint, die letztere habe es zu ihrem eigentlichen Geschaefte, die Urteilskraft im Gebrauch des reinen Verstandes, durch bestimmte Regeln zu berichtigen und zu sichern. Denn, um dem Verstande im Felde reiner Erkenntnisse a priori Erweiterung zu verschaffen, mithin als Doktrin scheint Philosophie gar nicht noetig, oder vielmehr uebel angebracht zu sein, weil man nach allen bisherigen Versuchen damit doch wenig oder gar kein Land gewonnen hat, sondern als Kritik, um die Fehltritte der Urteilskraft (lapsus judicii) im Gebrauch der wenigen reinen Verstandesbegriffe, die wir haben, zu verhueten, dazu (obgleich der Nutzen alsdann nur negativ ist) wird Philosophie mit ihrer ganzen Scharfsinnigkeit und Pruefungskunst aufgeboten. Es hat aber die Transzendental-Philosophie das Eigentuemliche: dass sie ausser der Regel (oder vielmehr der allgemeinen Bedingung zu Regeln), die in dem reinen Begriffe des Verstandes gegeben wird, zugleich a priori den Fall anzeigen kann, worauf sie angewandt werden sollen. Die Ursache von dem Vorzuge, den sie in diesem Stuecke vor allen anderen belehrenden Wissenschaften hat, (ausser der Mathematik) liegt eben darin: dass sie von Begriffen handelt, die sich auf ihre Gegenstaende a priori beziehen sollen, mithin kann ihre objektive Gueltigkeit nicht a posteriori dargetan werden; denn das wuerde jene Dignitaet derselben ganz unberuehrt lassen, sondern sie muss zugleich die Bedingungen, unter welchen Gegenstaende in Uebereinstimmung mit jenen Begriffen gegeben werden koennen, in allgemeinen aber hinreichenden Kennzeichen darlegen, widrigenfalls sie ohne allen Inhalt, mithin blosse logische Formen und nicht reine Verstandesbegriffe sein wuerden. Diese transzendentale Doktrin der Urteilskraft wird nun zwei Hauptstuecke enthalten: das erste, welches von der sinnlichen Bedingung handelt, unter welcher reine Verstandesbegriffe allein gebraucht werden koennen, d.i. von dem Schematismus des reinen Verstandes; das zweite aber von denen synthetischen Urteilen, welche aus reinen Verstandesbegriffen unter diesen Bedingungen a priori herfliessen, und allen uebrigen Erkenntnissen a priori zum Grunde liegen, d.i. von den Grundsaetzen des reinen Verstandes. Der transzendentalen Doktrin der Urteilskraft (oder Analytik der Grundsaetze) Erstes Hauptstueck Von dem Schematismus der reinen Verstandesbegriffe In allen Subsumtionen eines Gegenstandes unter einen Begriff muss die Vorstellung des ersteren mit der letzteren gleichartig sein, d.i. der Begriff muss dasjenige enthalten, was in dem darunter zu subsumierenden Gegenstande vorgestellt wird, denn das bedeutet eben der Ausdruck: ein Gegenstand sei unter einem Begriffe enthalten. So hat der empirische Begriff eines Tellers mit dem reinen geometrischen eines Zirkels Gleichartigkeit, indem die Rundung, die in dem ersteren gedacht wird, sich im letzteren anschauen laesst. Nun sind aber reine Verstandesbegriffe, in Vergleichung mit empirischen (ja ueberhaupt sinnlichen) Anschauungen, ganz ungleichartig, und koennen niemals in irgendeiner Anschauung angetroffen werden. Wie ist nun die Subsumtion der letzteren unter die erste, mithin die Anwendung der Kategorie auf Erscheinungen moeglich, da doch niemand sagen wird: diese, z.B. die Kausalitaet, koenne auch durch Sinne angeschaut werden und sei in der Erscheinung enthalten? Diese so natuerliche und erhebliche Frage ist nun eigentlich die Ursache, welche eine transzendentale Doktrin der Urteilskraft notwendig macht, um naemlich die Moeglichkeit zu zeigen, wie reine Verstandesbegriffe auf Erscheinungen ueberhaupt angewandt werden koennen. In allen anderen Wissenschaften, wo die Begriffe, durch die der Gegenstand allgemein gedacht wird, von denen, die diesen in concreto vorstellen, wie er gegeben wird, nicht so unterschieden und heterogen sind, ist es unnoetig, wegen der Anwendung des ersteren auf den letzten besondere Eroerterung zu geben. Nun ist klar, dass es ein Drittes geben muesse, was einerseits mit der Kategorie, andererseits mit der Erscheinung in Gleichartigkeit stehen muss, und die Anwendung der ersteren auf die letzte moeglich macht. Diese vermittelnde Vorstellung muss rein (ohne alles Empirische) und doch einerseits intellektuell, andererseits sinnlich sein. Eine solche ist das transzendentale Schema. Der Verstandesbegriff enthaelt reine synthetische Einheit des Mannigfaltigen ueberhaupt. Die Zeit, als die formale Bedingung des Mannigfaltigen des inneren Sinnes, mithin der Verknuepfung aller Vorstellungen, enthaelt ein Mannigfaltiges a priori in der reinen Anschauung. Nun ist eine transzendentale Zeitbestimmung mit der Kategorie (die die Einheit derselben ausmacht) sofern gleichartig, als sie allgemein ist und auf einer Regel a priori beruht. Sie ist aber andererseits mit der Erscheinung sofern gleichartig, als die Zeit in jeder empirischen Vorstellung des Mannigfaltigen enthalten ist. Daher wird eine Anwendung der Kategorie auf Erscheinungen moeglich sein, vermittelst der transzendentalen Zeitbestimmung, welche, als das Schema der Verstandesbegriffe, die Subsumtion der letzteren unter die erste vermittelt. Nach demjenigen, was in der Deduktion der Kategorien gezeigt worden, wird hoffentlich niemand im Zweifel stehen, sich ueber die Frage zu entschliessen: ob diese reinen Verstandesbegriffe von bloss empirischem oder auch von transzendentalem Gebrauche sind, d.i. ob sie lediglich, als Bedingungen einer moeglichen Erfahrung, sich a priori auf Erscheinungen beziehen, oder ob sie, als Bedingungen der Moeglichkeit der Dinge ueberhaupt, auf Gegenstaende an sich selbst (ohne einige Restriktion auf unsere Sinnlichkeit) erstreckt werden koennen. Denn da haben wir gesehen, dass Begriffe ganz unmoeglich sind, noch irgend einige Bedeutung haben koennen, wo nicht, entweder ihnen selbst, oder wenigstens den Elementen, daraus sie bestehen, ein Gegenstand gegeben ist, mithin auf Dinge an sich (ohne Ruecksicht, ob und wie sie uns gegeben werden moegen) gar nicht gehen koennen; dass ferner die einzige Art, wie uns Gegenstaende gegeben werden, die Modifikation unserer Sinnlichkeit sei; endlich, dass reine Begriffe a priori, ausser der Funktion des Verstandes in der Kategorie, noch formale Bedingungen der Sinnlichkeit (namentlich des inneren Sinnes) a priori enthalten muessen, welche die allgemeine Bedingung enthalten, unter der die Kategorie allein auf irgendeinen Gegenstand angewandt werden kann. Wir wollen diese formale und reine Bedingung der Sinnlichkeit, auf welche der Verstandesbegriff in seinem Gebrauch restringiert ist, das Schema dieses Verstandesbegriffs, und das Verfahren des Verstandes mit diesen Schematen den Schematismus des reinen Verstandes nennen. Das Schema ist an sich selbst jederzeit nur ein Produkt der Einbildungskraft; aber indem die Synthesis der letzteren keine einzelne Anschauung, sondern die Einheit in der Bestimmung der Sinnlichkeit allein zur Absicht hat, so ist das Schema doch vom Bilde zu unterscheiden. So, wenn ich fuenf Punkte hintereinander setze, . . . . . ist dieses ein Bild von der Zahl fuenf. Dagegen, wenn ich eine Zahl ueberhaupt nur denke, die nun fuenf oder hundert sein kann, so ist dieses Denken mehr die Vorstellung einer Methode, einem gewissen Begriffe gemaess eine Menge (z.E. tausend) in einem Bilde vorzustellen, als dieses Bild selbst, welches ich im letzteren Falle schwerlich wuerde uebersehen und mit dem Begriff vergleichen koennen. Diese Vorstellung nun von einem allgemeinen Verfahren der Einbildungskraft, einem Begriff sein Bild zu verschaffen, nenne ich das Schema zu diesem Begriffe. In der Tat liegen unseren reinen sinnlichen Begriffen nicht Bilder der Gegenstaende, sondern Schemate zum Grunde. Dem Begriffe von einem Triangel ueberhaupt wuerde gar kein Bild desselben jemals adaequat sein. Denn es wuerde die Allgemeinheit des Begriffs nicht erreichen, welche macht, dass dieser fuer alle, recht- oder schiefwinklige usw. gilt, sondern immer nur auf einen Teil dieser Sphaere eingeschraenkt sein. Das Schema des Triangels kann niemals anderswo als in Gedanken existieren, und bedeutet eine Regel der Synthesis der Einbildungskraft, in Ansehung reiner Gestalten im Raume. Noch viel weniger erreicht ein Gegenstand der Erfahrung oder Bild desselben jemals den empirischen Begriff, sondern dieser bezieht sich jederzeit unmittelbar auf das Schema der Einbildungskraft, als eine Regel der Bestimmung unserer Anschauung, gemaess einem gewissen allgemeinen Begriffe. Der Begriff vorn Hunde bedeutet eine Regel, nach welcher meine Einbildungskraft die Gestalt eines vierfuessigen Tieres allgemein verzeichnen kann, ohne auf irgendeine einzige besondere Gestalt, die mir die Erfahrung darbietet, oder auch ein jedes moegliche Bild, was ich in concreto darstellen kann, eingeschraenkt zu sein. Dieser Schematismus unseres Verstandes, in Ansehung der Erscheinungen und ihrer blossen Form, ist eine verborgene Kunst in den Tiefen der menschlichen Seele, deren wahre Handgriffe wir der Natur schwerlich jemals abraten, und sie unverdeckt vor Augen legen werden. So viel koennen wir nur sagen: das Bild ist ein Produkt des empirischen Vermoegens der produktiven Einbildungskraft, das Schema sinnlicher Begriffe (als der Figuren im Raume) ein Produkt und gleichsam ein Monogramm der reinen Einbildungskraft a priori, wodurch und wonach die Bilder allererst moeglich werden, die aber mit dem Begriffe nur immer vermittelst des Schema, welches sie bezeichnen, verknuepft werden muessen, und an sich demselben nicht voellig kongruieren. Dagegen ist das Schema eines reinen Verstandesbegriffs etwas, was in gar kein Bild gebracht werden kann, sondern ist nur die reine Synthesis, gemaess einer Regel der Einheit nach Begriffen ueberhaupt, die die Kategorie ausdrueckt, und ist ein transzendentales Produkt der Einbildungskraft, welches die Bestimmung des inneren Sinnes ueberhaupt, nach Bedingungen ihrer Form, (der Zeit,) in Ansehung aller Vorstellungen, betrifft, sofern diese der Einheit der Apperzeption gemaess a priori in einem Begriff zusammenhaengen sollten. Ohne uns nun bei einer trockenen und langweiligen Zergliederung dessen, was zu transzendentalen Schematen reiner Verstandesbegriffe ueberhaupt erfordert wird, aufzuhalten, wollen wir sie lieber nach der Ordnung der Kategorien und in Verknuepfung mit diesen darstellen. Das reine Bild aller Groessen (quantorum) vor dem aeusseren Sinne, ist der Raum; aller Gegenstaende der Sinne aber ueberhaupt, die Zeit. Das reine Schema der Groesse aber (quantitatis), als eines Begriffs des Verstandes, ist die Zahl, welche eine Vorstellung ist, die die sukzessive Addition von Einem zu Einem (gleichartigen) zusammenbefasst. Also ist die Zahl nichts anderes, als die Einheit der Synthesis des Mannigfaltigen einer gleichartigen Anschauung ueberhaupt, dadurch, dass ich die Zeit selbst in der Apprehension der Anschauung erzeuge. Realitaet ist im reinen Verstandesbegriffe das, was einer Empfindung ueberhaupt korrespondiert; dasjenige also, dessen Begriff an sich selbst ein Sein (in der Zeit) anzeigt; Negation, dessen Begriff ein Nichtsein (in der Zeit) vorstellt. Die Entgegensetzung beider geschieht also in dem Unterschiede derselben Zeit, als einer erfuellten, oder leeren Zeit. Da die Zeit nur die Form der Anschauung, mithin der Gegenstaende, als Erscheinungen, ist, so ist das, was an diesen der Empfindung entspricht, die transzendentale Materie aller Gegenstaende, als Dinge an sich (die Sachheit, Realitaet). Nun hat jede Empfindung einen Grad oder Groesse, wodurch sie dieselbe Zeit, d.i. den inneren Sinn in Ansehung derselben Vorstellung eines Gegenstandes, mehr oder weniger erfuellen kann, bis sie in Nichts (= O = negatio) aufhoert. Daher ist ein Verhaeltnis und Zusammenhang oder vielmehr ein Uebergang von Realitaet zur Negation, welcher jede Realitaet als ein Quantum vorstellig macht, und das Schema einer Realitaet, als der Quantitaet von Etwas, sofern es die Zeit erfuellt, ist eben diese kontinuierliche und gleichfoermige Erzeugung derselben in der Zeit, indem man von der Empfindung, die einen gewissen Grad hat, in der Zeit bis zum Verschwinden derselben hinabgeht, oder von der Negation zu der Groesse derselben allmaehlich aufsteigt. Das Schema der Substanz ist die Beharrlichkeit des Realen in der Zeit, d.i. die Vorstellung desselben, als eines Substratum der empirischen Zeitbestimmung ueberhaupt, welches also bleibt, indem alles andere wechselt. (Die Zeit verlaeuft sich nicht, sondern in ihr verlaeuft sich das Dasein des Wandelbaren. Der Zeit also, die selbst unwandelbar und bleibend ist, korrespondiert in der Erscheinung das Unwandelbare im Dasein, d.i. die Substanz, und bloss an ihr kann die Folge und das Zugleichsein der Erscheinungen der Zeit nach bestimmt werden.) Das Schema der Ursache und der Kausalitaet eines Dinges ueberhaupt ist das Reale, worauf, wenn es nach Belieben gesetzt wird, jederzeit etwas anderes folgt. Es besteht also in der Sukzession des Mannigfaltigen, insofern sie einer Regel unterworfen ist. Das Schema der Gemeinschaft (Wechselwirkung), oder der wechselseitigen Kausalitaet der Substanzen in Ansehung ihrer Akzidenzen, ist das Zugleichsein der Bestimmungen der Einen, mit denen der Anderen, nach einer allgemeinen Regel. Das Schema der Moeglichkeit ist die Zusammenstimmung der Synthesis verschiedener Vorstellungen mit den Bedingungen der Zeit ueberhaupt (z.B. da das Entgegengesetzte in einem Dinge nicht zugleich, sondern nur nacheinander sein kann,) also die Bestimmung der Vorstellung eines Dinges zu irgendeiner Zeit. Das Schema der Wirklichkeit ist das Dasein in einer bestimmten Zeit. Das Schema der Notwendigkeit ist das Dasein eines Gegenstandes zu aller Zeit. Man sieht nun aus allem diesem, dass das Schema einer jeden Kategorie, als das der Groesse, die Erzeugung, (Synthesis) der Zeit selbst, in der sukzessiven Apprehension eines Gegenstandes, das Schema der Qualitaet die Synthesis der Empfindung (Wahrnehmung) mit der Vorstellung der Zeit, oder die Erfuellung der Zeit, das der Relation das Verhaeltnis der Wahrnehmungen untereinander zu aller Zeit (d.i. nach einer Regel der Zeitbestimmung), endlich das Schema der Modalitaet und ihrer Kategorien, die Zeit selbst, als das Korrelatum der Bestimmung eines Gegenstandes, ob und wie er zur Zeit gehoere, enthalte und vorstellig mache. Die Schemate sind daher nichts als Zeitbestimmungen a priori nach Regeln, und diese gehen nach der Ordnung der Kategorien, auf die Zeitreihe, den Zeitinhalt, die Zeitordnung, endlich den Zeitinbegriff in Ansehung aller moeglichen Gegenstaende. Hieraus erhellt nun, dass der Schematismus des Verstandes durch die transzendentale Synthesis der Einbildungskraft auf nichts anderes, als die Einheit alles Mannigfaltigen der Anschauung in dem inneren Sinne, und so indirekt auf die Einheit der Apperzeption, als Funktion, welche dem inneren Sinn (einer Rezeptivitaet) korrespondiert, hinauslaufe. Also sind die Schemate der reinen Verstandesbegriffe die wahren und einzigen Bedingungen, diesen eine Beziehung auf Objekte, mithin Bedeutung zu verschaffen, und die Kategorien sind daher am Ende von keinem anderen, als einem moeglichen empirischen Gebrauche, indem sie bloss dazu dienen, durch Gruende einer a priori notwendigen Einheit (wegen der notwendigen Vereinigung alles Bewusstseins in einer urspruenglichen Apperzeption) Erscheinungen allgemeinen Regeln der Synthesis zu unterwerfen, und sie dadurch zur durchgaengigen Verknuepfung in einer Erfahrung schicklich zu machen. In dem Ganzen aller moeglichen Erfahrung liegen aber alle unsere Erkenntnisse, und in der allgemeinen Beziehung auf dieselbe besteht die transzendentale Wahrheit, die vor aller empirischen vorhergeht, und sie moeglich macht. Es faellt aber doch auch in die Augen: dass, obgleich die Schemate der Sinnlichkeit die Kategorien allererst realisieren, sie doch selbige gleichwohl auch restringieren, d.i. auf Bedingungen einschraenken, die ausser dem Verstande liegen (naemlich in der Sinnlichkeit). Daher ist das Schema eigentlich nur das Phaenomenon, oder der sinnliche Begriff eines Gegenstandes, in Uebereinstimmung mit der Kategorie. (Numerus est quantitas phaenomenon, sensatio realitas phaenomenon, constans et perdurabile rerum substantia phaenomenon - - aeternitas, necessitas, phaenomena usw.) Wenn wir nun eine restringierende Bedingung weglassen, so amplifizieren wir, wie es scheint, den vorher eingeschraenkten Begriff; so sollten die Kategorien in ihrer reinen Bedeutung, ohne alle Bedingungen der Sinnlichkeit, von Dingen ueberhaupt gelten, wie sie sind, anstatt, dass ihre Schemate sie nur vorstellen, wie sie erscheinen, jene also eine von allen Schematen unabhaengige und viel weiter erstreckte Bedeutung haben. In der Tat bleibt den reinen Verstandesbegriffen allerdings, auch nach Absonderung aller sinnlichen Bedingung, eine, aber nur logische Bedeutung der blossen Einheit der Vorstellungen, denen aber kein Gegenstand, mithin auch keine Bedeutung gegeben wird, die einen Begriff vom Objekt abgeben koennte. So wuerde z.B. Substanz, wenn man die sinnliche Bestimmung der Beharrlichkeit wegliesse, nichts weiter als ein Etwas bedeuten, das als Subjekt (ohne ein Praedikat von etwas anderem zu sein) gedacht werden kann. Aus dieser Vorstellung kann ich nun nichts machen, indem sie mir gar nicht anzeigt, welche Bestimmungen das Ding hat, welches als ein solches erstes Subjekt gelten soll. Also sind die Kategorien, ohne Schemate, nur Funktionen des Verstandes zu Begriffen, stellen aber keinen Gegenstand vor. Diese Bedeutung kommt ihnen von der Sinnlichkeit, die den Verstand realisiert, indem sie ihn zugleich restringiert. Der transzendentalen Doktrin der Urteilskraft (oder Analytik der Grundsaetze) Zweites Hauptstueck System aller Grundsaetze des reinen Verstandes Wir haben in dem vorigen Hauptstuecke die transzendentale Urteilskraft nur nach den allgemeinen Bedingungen erwogen, unter denen sie allein die reinen Verstandesbegriffe zu synthetischen Urteilen zu brauchen befugt ist. Jetzt ist unser Geschaeft: die Urteile, die der Verstand unter dieser kritischen Vorsicht wirklich a priori zustande bringt, in systematischer Verbindung darzustellen, wozu uns ohne Zweifel unsere Tafel der Kategorien die natuerliche und sichere Leitung geben muss. Denn diese sind es eben, deren Beziehung auf moegliche Erfahrung alle reine Verstandeserkenntnis a priori ausmachen muss, und deren Verhaeltnis zur Sinnlichkeit ueberhaupt um deswillen alle transzendentalen Grundsaetze des Verstandesgebrauchs vollstaendig und in einem System darlegen wird. Grundsaetze a priori fuehren diesen Namen nicht bloss deswegen, weil sie die Gruende anderer Urteile in sich enthalten, sondern auch weil sie selbst nicht in hoeheren und allgemeineren Erkenntnissen gegruendet sind. Diese Eigenschaft ueberhebt sie doch nicht allemal eines Beweises. Denn obgleich dieser nicht weiter objektiv gefuehrt werden koennte, sondern vielmehr alle Erkenntnis seines Objekts zum Grunde liegt, so hindert dies doch nicht, dass nicht ein Beweis, aus den subjektiven Quellen der Moeglichkeit einer Erkenntnis des Gegenstandes ueberhaupt, zu schaffen moeglich, ja auch noetig waere, weil der Satz sonst gleichwohl den groessten Verdacht einer bloss erschlichenen Behauptung auf sich haben wuerde. Zweitens werden wir uns bloss auf diejenigen Grundsaetze, die sich auf die Kategorien beziehen, einschraenken. Die Prinzipien der transzendentalen Aesthetik, nach welchen Raum und Zeit die Bedingungen der Moeglichkeit aller Dinge als Erscheinungen sind, imgleichen die Restriktion dieser Grundsaetze: dass sie naemlich nicht auf Dinge an sich selbst bezogen werden koennen, gehoeren also nicht in unser abgestochenes Feld der Untersuchung. Ebenso machen die mathematischen Grundsaetze keinen Teil dieses Systems aus, weil sie nur aus der Anschauung, aber nicht aus dem reinen Verstandesbegriffe gezogen sind; doch wird die Moeglichkeit derselben, weil sie gleichwohl synthetische Urteile a priori sind, hier notwendig Platz finden, zwar nicht, um ihre Richtigkeit und apodiktische Gewissheit zu beweisen, welches sie gar nicht noetig haben, sondern nur die Moeglichkeit solcher evidenten Erkenntnisse a priori begreiflich zu machen und zu deduzieren. Wir werden aber auch von dem Grundsatze analytischer Urteile reden muessen, und dieses zwar im Gegensatz mit der synthetischen, als mit welchen wir uns eigentlich beschaeftigen, weil eben diese Gegenstellung die Theorie der letzteren von allem Missverstande befreit, und sie in ihrer eigentuemlichen Natur deutlich vor Augen legt. Das System der Grundsaetze des reinen Verstandes Erster Abschnitt Von dem obersten Grundsatze aller analytischen Urteile Von welchem Inhalt auch unsere Erkenntnis sei, und wie sie sich auf das Objekt beziehen mag, so ist doch die allgemeine, obzwar nur negative Bedingung aller unserer Urteile ueberhaupt, dass sie sich nicht selbst widersprechen; widrigenfalls diese Urteile an sich selbst (auch ohne Ruecksicht aufs Objekt) nichts sind. Wenn aber auch gleich in unserem Urteile kein Widerspruch ist, so kann es dem ungeachtet doch Begriffe so verbinden, wie es der Gegenstand nicht mit sich bringt, oder auch, ohne dass uns irgendein Grund weder a priori noch a posteriori gegeben ist, welcher ein solches Urteil berechtigte, und so kann ein Urteil bei allem dem, dass es von allem inneren Widerspruche frei ist, doch entweder falsch oder grundlos sein. Der Satz nun: Keinem Dinge kommt ein Praedikat zu, welches ihm widerspricht, heisst der Satz des Widerspruchs, und ist ein allgemeines, obzwar bloss negatives, Kriterium aller Wahrheit, gehoert aber auch darum bloss in die Logik, weil er von Erkenntnissen, bloss als Erkenntnissen ueberhaupt, unangesehen ihres Inhalts gilt, und sagt: dass der Widerspruch sie gaenzlich vernichte und aufhebe. Man kann aber doch von demselben auch einen positiven Gebrauch machen, d.i. nicht bloss, um Falschheit und Irrtum (sofern es auf dem Widerspruch beruht) zu verbannen, sondern auch Wahrheit zu erkennen. Denn, wenn das Urteil analytisch ist, es mag nun verneinend oder bejahend sein, so muss dessen Wahrheit jederzeit nach dem Satze des Widerspruchs hinreichend koennen erkannt werden. Denn von dem, was in der Erkenntnis des Objekts schon als Begriff liegt und gedacht wird, wird das Widerspiel jederzeit richtig verneint, der Begriff selber aber notwendig von ihm bejaht werden muessen, darum, weil das Gegenteil desselben dem Objekte widersprechen wuerde. Daher muessen wir auch den Satz des Widerspruchs als das allgemeine und voellig hinreichende Prinzipium aller analytischen Erkenntnis gelten lassen; aber weiter geht auch sein Ansehen und Brauchbarkeit nicht, als eines hinreichenden Kriterium der Wahrheit. Denn dass ihm gar keine Erkenntnis zuwider sein koenne, ohne sich selbst zu vernichten, das macht diesen Satz wohl zur conditio sine qua non, aber nicht zum Bestimmungsgrunde der Wahrheit unserer Erkenntnis. Da wir es nun eigentlich nur mit dem synthetischen Teile unserer Erkenntnis zu tun haben, so werden wir zwar jederzeit bedacht sein, diesem unverletzlichen Grundsatz niemals zuwider zu handeln, von ihm aber, in Ansehung der Wahrheit von dergleichen Art der Erkenntnis, niemals einigen Aufschluss gewaertigen koennen. Es ist aber doch eine Formel dieses beruehmten, obzwar von allem Inhalt entbloessten und bloss formalen Grundsatzes, die eine Synthesis enthaelt, welche aus Unvorsichtigkeit und ganz unnoetigerweise in ihr gemischt worden. Sie heisst: es ist unmoeglich, dass etwas zugleich sei und nicht sei. Ausser dem, dass hier die apodiktische Gewissheit (durch das Wort unmoeglich) ueberfluessigerweise angehaengt worden, die sich doch von selbst aus dem Satz muss verstehen lassen, so ist der Satz durch die Bedingung der Zeit affiziert, und sagt gleichsam: Ein Ding = A, welches etwas = B ist, kann nicht zu gleicher Zeit non B sein; aber es kann gar wohl beides (B sowohl, als non B) nacheinander sein. Z.B. ein Mensch, der jung ist, kann nicht zugleich alt sein; ebenderselbe kann aber sehr wohl zu einer Zeit jung, zur anderen nicht-jung, d.i. alt sein. Nun muss der Satz des Widerspruchs, als ein bloss logischer Grundsatz, seine Aussprueche gar nicht auf die Zeitverhaeltnisse einschraenken, daher ist eine solche Formel der Absicht desselben ganz zuwider. Der Missverstand kommt bloss daher: dass man ein Praedikat eines Dinges zuvoerderst von dem Begriff desselben absondert, und nachher sein Gegenteil mit diesem Praedikate verknuepft, welches niemals einen Widerspruch mit dem Subjekte, sondern nur mit dessen Praedikate, welches mit jenem synthetisch verbunden worden, abgibt, und zwar nur dann, wenn das erste und zweite Praedikat zu gleicher Zeit gesetzt werden. Sage ich, ein Mensch, der ungelehrt ist, ist nicht gelehrt, so muss die Bedingung: zugleich, dabei stehen, denn der, so zu einer Zeit ungelehrt ist, kann zu einer anderen gar wohl gelehrt sein. Sage ich aber, kein ungelehrter Mensch ist gelehrt, so ist der Satz analytisch, weil das Merkmal (der Ungelehrtheit) nunmehr den Begriff des Subjekts mit ausmacht, und alsdann erhellt der verneinende Satz unmittelbar aus dem Satze des Widerspruchs, ohne dass die Bedingung: zugleich, hinzukommen darf. Dieses ist denn auch die Ursache, weswegen ich oben die Formel desselben so veraendert habe, dass die Natur eines analytischen Satzes dadurch deutlich ausgedrueckt wird. Des Systems der Grundsaetze des reinen Verstandes Zweiter Abschnitt Von dem obersten Grundsatze aller synthetischen Urteile Die Erklaerung der Moeglichkeit synthetischer Urteile, ist eine Aufgabe, mit der die allgemeine Logik gar nichts zu schaffen hat, die auch sogar ihren Namen nicht einmal kennen darf. Sie ist aber in einer transzendentalen Logik das wichtigste Geschaeft unter allen, und sogar das einzige, wenn von der Moeglichkeit synthetischer Urteile a priori die Rede ist, imgleichen den Bedingungen und dem Umfange ihrer Gueltigkeit. Denn nach Vollendung desselben, kann sie ihrem Zwecke, naemlich den Umfang und die Grenzen des reinen Verstandes zu bestimmen, vollkommen ein Genuege tun. Im analytischen Urteile bleibe ich bei dem gegebenen Begriffe, um etwas von ihm auszumachen. Soll es bejahend sein, so lege ich diesem Begriffe nur dasjenige bei, was in ihm schon gedacht war; soll es verneinend sein, so schliesse ich nur das Gegenteil desselben von ihm aus. In synthetischen Urteilen aber soll ich aus dem gegebenen Begriff hinausgehen, um etwas ganz anderes, als in ihm gedacht war, mit demselben im Verhaeltnis zu betrachten, welches daher niemals, weder ein Verhaeltnis der Identitaet, noch des Widerspruchs ist, und wobei dem Urteile an ihm selbst weder die Wahrheit, noch der Irrtum angesehen werden kann. Also zugegeben: dass man aus einem gegebenen Begriffe hinausgehen muesse, um ihn mit einem anderen synthetisch zu vergleichen, so ist ein Drittes noetig, worin allein die Synthesis zweier Begriffe entstehen kann. Was ist nun aber dieses Dritte, als das Medium aller synthetischen Urteile? Es ist nur ein Inbegriff, darin alle unsere Vorstellungen enthalten sind, naemlich der innere Sinn, und die Form desselben a priori, die Zeit. Die Synthesis der Vorstellungen beruht auf der Einbildungskraft, die synthetische Einheit derselben aber (die zum Urteile erforderlich ist) auf der Einheit der Apperzeption. Hierin wird also die Moeglichkeit synthetischer Urteile, und da alle drei die Quellen zu Vorstellungen a priori enthalten, auch die Moeglichkeit reiner synthetischer Urteile zu suchen sein, ja sie werden sogar aus diesen Gruenden notwendig sein, wenn eine Erkenntnis von Gegenstaenden zustande kommen soll, die lediglich auf der Synthesis der Vorstellungen beruht. Wenn eine Erkenntnis objektive Realitaet haben, d.i. sich auf einen Gegenstand beziehen, und in demselben Bedeutung und Sinn haben soll, so muss der Gegenstand auf irgendeine Art gegeben werden koennen. Ohne das sind die Begriffe leer, und man hat dadurch zwar gedacht, in der Tat aber durch dieses Denken nichts erkannt, sondern bloss mit Vorstellungen gespielt. Einen Gegenstand geben, wenn dieses nicht wiederum nur mittelbar gemeint sein soll, sondern unmittelbar in der Anschauung darstellen, ist nichts anderes, als dessen Vorstellung auf Erfahrung (es sei wirkliche oder doch moegliche) beziehen. Selbst der Raum und die Zeit, so rein diese Begriffe auch von allem Empirischen sind, und so gewiss es auch ist, dass sie voellig a priori im Gemuete vorgestellt werden, wuerden doch ohne objektive Gueltigkeit und ohne Sinn und Bedeutung sein, wenn ihr notwendiger Gebrauch an den Gegenstaenden der Erfahrung nicht gezeigt wuerde, ja ihre Vorstellung ist ein blosses Schema, das sich immer auf die reproduktive Einbildungskraft bezieht, welche die Gegenstaende der Erfahrung herbeiruft, ohne die sie keine Bedeutung haben wuerden; und so ist es mit allen Begriffen ohne Unterschied. Die Moeglichkeit der Erfahrung ist also das, was allen unseren Erkenntnissen a priori objektive Realitaet gibt. Nun beruht Erfahrung auf der synthetischen Einheit der Erscheinungen, d.i. auf einer Synthesis nach Begriffen vom Gegenstande der Erscheinungen ueberhaupt, ohne welche sie nicht einmal Erkenntnis, sondern eine Rhapsodie von Wahrnehmungen sein wuerde, die sich in keinem Kontext nach Regeln eines durchgaengig verknuepften (moeglichen) Bewusstseins, mithin auch nicht zur transzendentalen und notwendigen Einheit der Apperzeption, zusammen schicken wuerden. Die Erfahrung hat also Prinzipien ihrer Form a priori zum Grunde liegen, naemlich allgemeine Regeln der Einheit in der Synthesis der Erscheinungen, deren objektive Realitaet, als notwendige Bedingungen, jederzeit in der Erfahrung, ja sogar ihrer Moeglichkeit gewiesen werden kann. Ausser dieser Beziehung aber sind synthetische Saetze a priori gaenzlich unmoeglich, weil sie kein Drittes, naemlich reinen Gegenstand haben, an dem die synthetische Einheit ihrer Begriffe objektive Realitaet dartun koennte. Ob wir daher gleich vom Raume ueberhaupt, oder den Gestalten, welche die produktive Einbildungskraft in ihm verzeichnet, so vieles a priori in synthetischen Urteilen erkennen, so, dass wir wirklich hierzu gar keiner Erfahrung beduerfen; so wuerde doch dieses Erkenntnis gar nichts, sondern die Beschaeftigung mit einem blossen Hirngespinst sein, waere der Raum nicht, als Bedingung der Erscheinungen, welche den Stoff zur aeusseren Erfahrung ausmachen, anzusehen; daher sich jene reinen synthetischen Urteile, obzwar nur mittelbar, auf moegliche Erfahrung oder vielmehr auf dieser ihre Moeglichkeit selbst beziehen, und darauf allein die objektive Gueltigkeit ihrer Synthesis gruenden. Da also Erfahrung, als empirische Synthesis, in ihrer Moeglichkeit die einzige Erkenntnisart ist, welche aller anderen Synthesis Realitaet gibt, so hat diese als Erkenntnis a priori auch nur dadurch Wahrheit, (Einstimmung mit dem Objekt,) dass sie nichts weiter enthaelt, als was zur synthetischen Einheit der Erfahrung ueberhaupt notwendig ist. Das oberste Principium aller synthetischen Urteile ist also: ein jeder Gegenstand steht unter den notwendigen Bedingungen der synthetischen Einheit des Mannigfaltigen der Anschauung in einer moeglichen Erfahrung. Auf solche Weise sind synthetische Urteile a priori moeglich, wenn wir die formalen Bedingungen der Anschauung a priori, die Synthesis der Einbildungskraft, und die notwendige Einheit derselben in einer transzendentalen Apperzeption, auf ein moegliches Erfahrungserkenntnis ueberhaupt beziehen, und sagen: die Bedingungen der Moeglichkeit der Erfahrung ueberhaupt sind zugleich Bedingungen der Moeglichkeit der Gegenstaende der Erfahrung, und haben darum objektive Gueltigkeit in einem synthetischen Urteile a priori. Des Systems der Grundsaetze des reinen Verstandes Dritter Abschnitt Systematische Vorstellung aller synthetischen Grundsaetze desselben Dass ueberhaupt irgendwo Grundsaetze stattfinden, das ist lediglich dem reinen Verstande zuzuschreiben, der nicht allein das Vermoegen der Regeln ist, in Ansehung dessen, was geschieht, sondern selbst der Quell der Grundsaetze, nach welchem alles (was uns nur als Gegenstand vorkommen kann) notwendig unter Regeln steht, weil, ohne solche, den Erscheinungen niemals Erkenntnis eines ihnen korrespondierenden Gegenstandes zukommen koennte. Selbst Naturgesetze, wenn sie als Grundgesetze des empirischen Verstandesgebrauchs betrachtet werden, fuehren zugleich einen Ausdruck der Notwendigkeit, mithin wenigstens die Vermutung einer Bestimmung aus Gruenden, die a priori und vor aller Erfahrung gueltig sind, bei sich. Aber ohne Unterschied stehen alle Gesetze der Natur unter hoeheren Grundsaetzen des Verstandes, indem sie diese nur auf besondere Faelle der Erscheinung anwenden. Diese allein geben also den Begriff, der die Bedingung und gleichsam den Exponenten zu einer Regel ueberhaupt enthaelt, Erfahrung aber gibt den Fall, der unter der Regel steht. Dass man bloss empirische Grundsaetze fuer Grundsaetze des reinen Verstandes, oder auch umgekehrt ansehe, deshalb kann wohl eigentlich keine Gefahr sein; denn die Notwendigkeit nach Begriffen, welche die letztere auszeichnet, und deren Mangel in jedem empirischen Satze, so allgemein er auch gelten mag, leicht wahrgenommen wird, kann diese Verwechslung leicht verhueten. Es gibt aber reine Grundsaetze a priori, die ich gleichwohl doch nicht dem reinen Verstande eigentuemlich beimessen moechte, darum, weil sie nicht aus reinen Begriffen, sondern aus reinen Anschauungen (obgleich vermittelst des Verstandes) gezogen sind; Verstand ist aber das Vermoegen der Begriffe. Die Mathematik hat dergleichen, aber ihre Anwendung auf Erfahrung, mithin ihre objektive Gueltigkeit, ja die Moeglichkeit solcher synthetischer Erkenntnis a priori (die Deduktion derselben) beruht doch immer auf dem reinen Verstande. Daher werde ich unter meine Grundsaetze die der Mathematik nicht mitzaehlen, aber wohl diejenigen, worauf sich dieser ihre Moeglichkeit und objektive Gueltigkeit a priori gruendet, und die mithin als Principium dieser Grundsaetze anzusehen sind, und von Begriffen zur Anschauung, nicht aber von der Anschauung zu Begriffen ausgehen. In der Anwendung der reinen Verstandesbegriffe auf moegliche Erfahrung ist der Gebrauch ihrer Synthesis entweder mathematisch, oder dynamisch: denn sie geht teils bloss auf die Anschauung, teils auf das Dasein einer Erscheinung ueberhaupt. Die Bedingungen a priori der Anschauung sind aber in Ansehung einer moeglichen Erfahrung durchaus notwendig, die des Daseins der Objekte einer moeglichen empirischen Anschauung an sich nur zufaellig. Daher werden die Grundsaetze des mathematischen Gebrauchs unbedingt notwendig d.i. apodiktisch lauten, die aber des dynamischen Gebrauchs werden zwar auch den Charakter einer Notwendigkeit a priori, aber nur unter der Bedingung des empirischen Denkens in einer Erfahrung, mithin nur mittelbar und indirekt bei sich fuehren, folglich diejenige unmittelbare Evidenz nicht enthalten, (obzwar ihrer auf Erfahrung allgemein bezogenen Gewissheit unbeschadet,) die jenen eigen ist. Doch dies wird sich beim Schlusse dieses Systems von Grundsaetzen besser beurteilen lassen. Die Tafel der Kategorien gibt uns die ganz natuerliche Anweisung zur Tafel der Grundsaetze, weil diese doch nichts anderes, als Regeln des objektiven Gebrauchs der ersteren sind. Alle Grundsaetze des reinen Verstandes sind demnach 1. Axiome der Anschauung 2. Antizipationen 3. Analogien der Wahrnehmung der Erfahrung 4. Postulate des empirischen Denkens ueberhaupt Diese Benennungen habe ich mit Vorsicht gewaehlt, um die Unterschiede in Ansehung der Evidenz und der Ausuebung dieser Grundsaetze nicht unbemerkt zu lassen. Es wird sich aber bald zeigen: dass, was sowohl die Evidenz, als die Bestimmung der Erscheinungen a priori, nach den Kategorien der Groesse und der Qualitaet (wenn man lediglich auf die Form der letzteren acht hat) betrifft, die Grundsaetze derselben sich darin von den zwei uebrigen namhaft unterscheiden; indem jene einer intuitiven, diese aber einer bloss diskursiven, obzwar beiderseits einer voelligen Gewissheit faehig sind. Ich werde daher jene die mathematischen, diese die dynamischen Grundsaetze nennen*. Man wird aber wohl bemerken: dass ich hier ebensowenig die Grundsaetze der Mathematik in Einem Falle, als die Grundsaetze der allgemeinen (physischen) Dynamik im anderen, sondern nur die des reinen Verstandes im Verhaeltnis auf den inneren Sinn (ohne Unterschied der darin gegebenen Vorstellungen) vor Augen habe, dadurch denn jene insgesamt ihre Moeglichkeit bekommen. Ich benenne sie also mehr in Betracht der Anwendung, als um ihres Inhalts willen, und gehe nun zur Erwaegung derselben in der naemlichen Ordnung, wie sie in der Tafel vorgestellt werden. * Alle Verbindung (conjunctio) ist entweder Zusammensetzung (compositio) oder Verknuepfung (nexus). Die erstere ist die Synthesis des Mannigfaltigen, was nicht notwendig zueinander gehoert, wie z.B. die zwei Triangel, darin ein Quadrat durch die Diagonale geteilt wird, fuer sich nicht notwendig zueinander gehoeren, und dergleichen ist die Synthesis des Gleichartigen in allem, was mathematisch erwogen werden kann, (welche Synthesis wiederum in die der Aggregation und Koalition eingeteilt werden kann, davon die erstere auf extensive, die andere auf intensive Groessen gerichtet ist). Die zweite Verbindung (nexus) ist die Synthesis des Mannigfaltigen, sofern es notwendig zueinander gehoert, wie z.B. das Akzidens zu irgendeiner Substanz, oder die Wirkung zu der Ursache, - mithin auch als ungleichartig doch a priori verbunden vorgestellt wird, welche Verbindung, weil sie nicht willkuerlich ist, ich darum dynamisch nenne, weil sie die Verbindung des Daseins des Mannigfaltigen betrifft (die wiederum in die physische der Erscheinungen untereinander, und metaphysische ihre Verbindung im Erkenntnisvermoegen a priori, eingeteilt werden, koennen. 1. Axiome der Anschauung Das Prinzip derselben ist: Alle Anschauungen sind extensive Groessen. Beweis Alle Erscheinungen enthalten, der Form nach, eine Anschauung im Raum und Zeit, welche ihnen insgesamt a priori zum Grunde liegt. Sie koennen also nicht anders apprehendiert, d.i. ins empirische Bewusstsein aufgenommen werden, als durch die Synthesis des Mannigfaltigen, wodurch die Vorstellungen eines bestimmten Raumes oder Zeit erzeugt werden, d.i. durch die Zusammensetzung des Gleichartigen und das Bewusstsein der synthetischen Einheit dieses Mannigfaltigen (Gleichartigen). Nun ist das Bewusstsein des mannigfaltigen Gleichartigen in der Anschauung ueberhaupt, sofern dadurch die Vorstellung eines Objekts zuerst moeglich wird, der Begriff einer Groesse (quanti). Also ist selbst die Wahrnehmung eines Objekts, als Erscheinung, nur durch dieselbe synthetische Einheit des Mannigfaltigen der gegebenen sinnlichen Anschauung moeglich, wodurch die Einheit der Zusammensetzung des mannigfaltigen Gleichartigen im Begriffe einer Groesse gedacht wird; d.i. die Erscheinungen sind insgesamt Groessen, und zwar extensive Groessen, weil sie als Anschauungen im Raume oder der Zeit durch dieselbe Synthesis vorgestellt werden muessen, als wodurch Raum und Zeit ueberhaupt bestimmt werden. Eine extensive Groesse nenne ich diejenige, in welcher die Vorstellung der Teile die Vorstellung des Ganzen moeglich macht, (und also notwendig vor dieser vorhergeht). Ich kann mir keine Linie, so klein sie auch sei, vorstellen, ohne sie in Gedanken zu ziehen, d.i. von einem Punkte alle Teile nach und nach zu erzeugen, und dadurch allererst diese Anschauung zu verzeichnen. Ebenso ist es auch mit jeder auch der kleinsten Zeit bewandt. Ich denke mir darin nur den sukzessiven Fortgang von einem Augenblick zum anderen, wo durch alle Zeitteile und deren Hinzutun endlich eine bestimmte Zeitgroesse erzeugt wird. Da die blosse Anschauung an allen Erscheinungen entweder der Raum, oder die Zeit ist, so ist jede Erscheinung als Anschauung eine extensive Groesse, indem sie nur durch sukzessive Synthesis (von Teil zu Teil) in der Apprehension erkannt werden kann. Alle Erscheinungen werden demnach schon als Aggregate (Menge vorher gegebener Teile) angeschaut, welches eben nicht der Fall bei jeder Art Groessen, sondern nur derer ist, die uns extensiv als solche vorgestellt und apprehendiert werden. Auf diese sukzessive Synthesis der produktiven Einbildungskraft, in der Erzeugung der Gestalten, gruendet sich die Mathematik der Ausdehnung (Geometrie) mit ihren Axiomen, welche die Bedingungen der sinnlichen Anschauung a priori ausdruecken, unter denen allein das Schema eines reinen Begriffs der aeusseren Erscheinung zustande kommen kann; z.E. zwischen zwei Punkten ist nur eine gerade Linie moeglich; zwei gerade Linien schliessen keinen Raum ein usw. Dies sind die Axiome, welche eigentlich nur Groessen (quanta) als solche betreffen. Was aber die Groesse, (quantitas) d.i. die Antwort auf die Frage: wie gross etwas sei? betrifft, so gibt es in Ansehung derselben, obgleich verschiedene dieser Saetze synthetisch und unmittelbar gewiss (indemonstrabilia) sind, dennoch im eigentlichen Verstande keine Axiome. Denn dass gleiches zu gleichem hinzugetan, oder von diesem abgezogen, ein gleiches gebe, sind analytische Saetze, indem ich mir der Identitaet der einen Groessenerzeugung mit der anderen unmittelbar bewusst bin; Axiome aber sollen synthetische Saetze a priori sein. Dagegen sind die evidenten Saetze der Zahlverhaeltnis zwar allerdings synthetisch, aber nicht allgemein, wie die der Geometrie, und eben um deswillen auch nicht Axiome, sondern koennen Zahlformeln genannt werden. Dass 7+5=12 sei, ist kein analytischer Satz. Denn ich denke weder in der Vorstellung von 7, noch von 5, noch in der Vorstellung von der Zusammensetzung beider die Zahl 12, (dass ich diese in der Addition beider denken solle, davon ist hier nicht die Rede; denn bei dem analytischen Satze ist nur die Frage, ob ich das Praedikat wirklich in der Vorstellung des Subjekts denke). Ob er aber gleich synthetisch ist, so ist er doch nur ein einzelner Satz. Sofern hier bloss auf die Synthesis des Gleichartigen (der Einheiten) gesehen wird, so kann die Synthesis hier nur auf eine einzige Art geschehen, wiewohl der Gebrauch dieser Zahlen nachher allgemein ist. Wenn ich sage: durch drei Linien, deren zwei zusammengenommen groesser sind, als die dritte, laesst sich ein Triangel zeichnen; so habe ich hier die blosse Funktion der produktiven Einbildungskraft, welche die Linien groesser und kleiner ziehen, imgleichen nach allerlei beliebigen Winkeln kann zusammenstossen lassen. Dagegen ist die Zahl 7 nur auf eine einzige Art moeglich, und auch die Zahl 12, die durch die Synthesis der ersteren mit 5 erzeugt wird. Dergleichen Saetze muss man also nicht Axiome, (denn sonst gaebe es deren unendliche,) sondern Zahlformeln nennen. Dieser transzendentale Grundsatz der Mathematik der Erscheinungen gibt unserem Erkenntnis a priori grosse Erweiterung. Denn er ist es allein, welcher die reine Mathematik in ihrer ganzen Praezision auf Gegenstaende der Erfahrung anwendbar macht, welches ohne diesen Grundsatz nicht so von selbst erhellen moechte, ja auch manchen Widerspruch veranlasst hat. Erscheinungen sind keine Dinge an sich selbst. Die empirische Anschauung ist nur durch die reine (des Raumes und der Zeit) moeglich; was also die Geometrie von dieser sagt, gilt auch ohne Widerrede von jener, und die Ausfluechte, als wenn Gegenstaende der Sinne nicht den Regeln der Konstruktion im Raume (z.E. der unendlichen Teilbarkeit der Linien oder Winkel) gemaess sein duerfe, muss wegfallen. Denn dadurch spricht man dem Raume und mit ihm zugleich aller Mathematik objektive Gueltigkeit ab, und weiss nicht mehr, warum und wie weit sie auf Erscheinungen anzuwenden sei. Die Synthesis der Raeume und Zeiten, als der wesentlichen Form aller Anschauung, ist das, was zugleich die Apprehension der Erscheinung, mithin jede aeussere Erfahrung, folglich auch alle Erkenntnis der Gegenstaende derselben, moeglich macht, und was die Mathematik im reinen Gebrauch von jener beweist, das gilt auch notwendig von dieser. Alle Einwuerfe dawider sind nur Schikanen einer falsch belehrten Vernunft, die irrigerweise die Gegenstaende der Sinne von der formalen Bedingung unserer Sinnlichkeit loszumachen gedenkt, und sie, obgleich sie bloss Erscheinungen sind, als Gegenstaende an sich selbst, dem Verstande gegeben, vorstellt; in welchem Falle freilich von ihnen a priori gar nichts, mithin auch nicht durch reine Begriffe vom Raume, synthetisch erkannt werden koennte, und die Wissenschaft, die diese bestimmt, naemlich die Geometrie, selbst nicht moeglich sein wuerde. 2. Antizipationen der Wahrnehmung Das Prinzip derselben ist: In allen Erscheinungen hat das Reale, was ein Gegenstand der Empfindung ist, intensive Groesse, d.i. einen Grad. Beweis Wahrnehmung ist das empirische Bewusstsein, d.i. ein solches, in welchem zugleich Empfindung ist. Erscheinungen, als Gegenstaende der Wahrnehmung, sind nicht reine (bloss formale) Anschauungen, wie Raum und Zeit, (denn die koennen an sich gar nicht wahrgenommen werden). Sie enthalten also ueber die Anschauung noch die Materien zu irgendeinem Objekte ueberhaupt (wodurch etwas Existierendes im Raume oder der Zeit vorgestellt wird), d.i. das Reale der Empfindung, also bloss subjektive Vorstellung, von der man sich nur bewusst werden kann, dass das Subjekt affiziert sei, und die man auf ein Objekt ueberhaupt bezieht, in sich. Nun ist vom empirischen Bewusstsein zum reinen eine stufenartige Veraenderung moeglich, da das Reale desselben ganz verschwindet, und ein bloss formales Bewusstsein (a priori) des Mannigfaltigen im Raum und Zeit uebrig bleibt: also auch eine Synthesis der Groessenerzeugung einer Empfindung, von ihrem Anfange, der reinen Anschauung = O, an, bis zu einer beliebigen Groesse derselben. Da nun Empfindung an sich gar keine objektive Vorstellung ist und in ihr weder die Anschauung vom Raum, noch von der Zeit, angetroffen wird, so wird ihr zwar keine extensive, aber doch eine Groesse (und zwar durch die Apprehension derselben, in welcher das empirische Bewusstsein in einer gewissen Zeit von nichts = O zu ihrem gegebenen Masse erwachsen kann), also eine intensive Groesse zukommen, welcher korrespondierend allen Objekten der Wahrnehmung, sofern diese Empfindung enthaelt, intensive Groesse, d.i. ein Grad des Einflusses auf den Sinn, beigelegt werden muss. Man kann alle Erkenntnis, wodurch ich dasjenige, was zur empirischen Erkenntnis gehoert, a priori erkennen und bestimmen kann, eine Antizipation nennen, und ohne Zweifel ist das die Bedeutung, in welcher Epikur seinen Ausdruck prolephis brauchte. Da aber an den Erscheinungen etwas ist, was niemals a priori erkannt wird, und welches daher auch den eigentlichen Unterschied des Empirischen von dem Erkenntnis a priori ausmacht, naemlich die Empfindung (als Materie der Wahrnehmung), so folgt, dass diese es eigentlich sei, was gar nicht antizipiert werden kann. Dagegen wuerden wir die reinen Bestimmungen im Raume und der Zeit, sowohl in Ansehung der Gestalt, als Groesse, Antizipationen der Erscheinungen nennen koennen, weil sie dasjenige a priori vorstellen, was immer a posteriori in der Erfahrung gegeben werden mag. Gesetzt aber, es finde sich doch etwas, was sich an jeder Empfindung, als Empfindung ueberhaupt, (ohne dass eine besondere gegeben sein mag,) a priori erkennen laesst; so wuerde dieses im ausnehmenden Verstande Antizipation genannt zu werden verdienen, weil es befremdlich scheint, der Erfahrung in demjenigen vorzugreifen, was gerade die Materie derselben angeht, die man nur aus ihr schoepfen kann. Und so verhaelt es sich hier wirklich. Die Apprehension, bloss vermittelst der Empfindung, erfuellt nur einen Augenblick, (wenn ich naemlich nicht die Sukzession vieler Empfindungen in Betracht ziehe). Als etwas in der Erscheinung, dessen Apprehension keine sukzessive Synthesis ist, die von Teilen zur ganzen Vorstellung fortgeht, hat sie also keine extensive Groesse; der Mangel der Empfindung in demselben Augenblicke wuerde diesen als leer vorstellen, mithin = O. Was nun in der empirischen Anschauung der Empfindung korrespondiert, ist Realitaet (realitas phaenomenon); was dem Mangel derselben entspricht, Negation = O. Nun ist aber jede Empfindung einer Verringerung faehig, so dass sie abnehmen, und so allmaehlich verschwinden kann. Daher ist zwischen Realitaet in der Erscheinung und Negation ein kontinuierlicher Zusammenhang vieler moeglichen Zwischenempfindungen, deren Unterschied voneinander immer kleiner ist, als der Unterschied zwischen der gegebenen und dem Zero, oder der gaenzlichen Negation. Das ist: das Reale in der Erscheinung hat jederzeit eine Groesse, welche aber nicht in der Apprehension angetroffen wird, indem diese vermittelst der blossen Empfindung in einem Augenblicke und nicht durch sukzessive Synthesis vieler Empfindungen geschieht, und also nicht von den Teilen zum Ganzen geht; es hat also zwar eine Groesse, aber keine extensive. Nun nenne ich diejenige Groesse, die nur als Einheit apprehendiert wird, und in welcher die Vielheit nur durch Annaeherung zur Negation = O vorgestellt werden kann, die intensive Groesse. Also hat jede Realitaet in der Erscheinung intensive Groesse, d.i. einen Grad. Wenn man diese Realitaet als Ursache (es sei der Empfindung oder anderer Realitaet in der Erscheinung, z.B. einer Veraenderung,) betrachtet; so nennt man den Grad der Realitaet als Ursache, ein Moment, z.B. das Moment der Schwere, und zwar darum, weil der Grad nur die Groesse bezeichnet, deren Apprehension nicht sukzessiv, sondern augenblicklich ist. Dieses beruehre ich aber hier nur beilaeufig, denn mit der Kausalitaet habe ich fuer jetzt noch nicht zu tun. So hat demnach jede Empfindung, mithin auch jede Realitaet in der Erscheinung, so klein sie auch sein mag, einen Grad, d.i. eine intensive Groesse, die noch immer vermindert werden kann, und zwischen Realitaet und Negation ist ein kontinuierlicher Zusammenhang moeglicher Realitaeten, und moeglicher kleinerer Wahrnehmungen. Eine jede Farbe, z. E. die rote, hat einen Grad, der, so klein er auch sein mag, niemals der kleinste ist, und so ist es mit der Waerme, dem Momente der Schwere usw. ueberall bewandt. Die Eigenschaft der Groessen, nach welcher an ihnen kein Teil der kleinstmoegliche (kein Teil einfach) ist, heisst die Kontinuitaet derselben. Raum und Zeit sind quanta continua, weil kein Teil derselben gegeben werden kann, ohne ihn zwischen Grenzen (Punkten und Augenblicken) einzuschliessen, mithin nur so, dass dieser Teil selbst wiederum ein Raum, oder eine Zeit ist. Der Raum besteht also nur aus Raeumen, die Zeit aus Zeiten. Punkte und Augenblicke sind nur Grenzen, d.i. blosse Stellen ihrer Einschraenkung; Stellen aber setzen jederzeit jene Anschauungen, die sie beschraenken oder bestimmen sollen, voraus, und aus blossen Stellen, als aus Bestandteilen, die noch vor dem Raume oder der Zeit gegeben werden koennten, kann weder Raum noch Zeit zusammengesetzt werden. Dergleichen Groessen kann man auch fliessende nennen, weil die Synthesis (der produktiven Einbildungskraft) in ihrer Erzeugung ein Fortgang in der Zeit ist, deren Kontinuitaet man besonders durch den Ausdruck des Fliessens (Verfliessens) zu bezeichnen pflegt. Alle Erscheinungen ueberhaupt sind demnach kontinuierliche Groessen, sowohl ihrer Anschauung nach, als extensive, oder der blossen Wahrnehmung (Empfindung und mithin Realitaet) nach, als intensive Groessen. Wenn die Synthesis des Mannigfaltigen der Erscheinung unterbrochen ist, so ist dieses ein Aggregat von vielen Erscheinungen, und nicht eigentlich Erscheinung als ein Quantum, welches nicht durch die blosse Fortsetzung der produktiven Synthesis einer gewissen Art, sondern durch Wiederholung einer immer aufhoerenden Synthesis erzeugt wird. Wenn ich 13 Taler ein Geldquantum nenne, so benenne ich es sofern richtig, als ich darunter den Gehalt von einer Mark fein Silber verstehe; welche aber allerdings eine kontinuierliche Groesse ist, in welcher kein Teil der kleinste ist, sondern jeder Teil ein Geldstueck ausmachen koennte, welches immer Materie zu noch kleineren enthielte. Wenn ich aber unter jener Benennung 13 runde Taler verstehe, als so viel Muenzen, (ihr Silbergehalt mag sein, welcher er wolle,) so benenne ich es unschicklich durch ein Quantum von Talern, sondern muss es ein Aggregat, d.i. eine Zahl Geldstuecke, nennen. Da nun bei aller Zahl doch Einheit zum Grunde liegen muss, so ist die Erscheinung als Einheit ein Quantum, und als ein solches jederzeit ein Kontinuum. Wenn nun alle Erscheinungen, sowohl extensiv, als intensiv betrachtet, kontinuierliche Groessen sind, so wuerde der Satz: dass auch alle Veraenderung (Uebergang eines Dinges aus einem Zustande in den anderen) kontinuierlich sein, leicht und mit mathematischer Evidenz hier bewiesen werden koennen, wenn nicht die Kausalitaet einer Veraenderung ueberhaupt ganz ausserhalb den Grenzen einer Transzendental-Philosophie laege, und empirische Prinzipien voraussetzte. Denn dass eine Ursache moeglich sei, welche den Zustand der Dinge veraendere, d.i. sie zum Gegenteil eines gewissen gegebenen Zustandes bestimme, davon gibt uns der Verstand a priori gar keine Eroeffnung, nicht bloss deswegen, weil er die Moeglichkeit davon gar nicht einsieht, (denn diese Einsicht fehlt uns in mehreren Erkenntnissen a priori,) sondern weil die Veraenderlichkeit nur gewisse Bestimmungen der Erscheinungen trifft, welche die Erfahrung allein lehren kann, indessen dass ihre Ursache in dem Unveraenderlichen anzutreffen ist. Da wir aber hier nichts vor uns haben, dessen wir uns bedienen koennen, als die reinen Grundbegriffe aller moeglichen Erfahrung, unter welchen durchaus nichts Empirisches sein muss; so koennen wir, ohne die Einheit des Systems zu verletzen, der allgemeinen Naturwissenschaft, welche auf gewisse Grunderfahrungen gebaut ist, nicht vorgreifen. Gleichwohl mangelt es uns nicht an Beweistuemern des grossen Einflusses, den dieser unser Grundsatz hat, Wahrnehmungen zu antizipieren, und sogar deren Mangel sofern zu ergaenzen, dass er allen falschen Schluessen, die daraus gezogen werden moechten, den Riegel vorschiebt. Wenn alle Realitaet in der Wahrnehmung einen Grad hat, zwischen dem und der Negation eine unendliche Stufenfolge immer minderer Grade stattfindet, und gleichwohl ein jeder Sinn einen bestimmten Grad der Rezeptivitaet der Empfindungen haben muss; so ist keine Wahrnehmung, mithin auch keine Erfahrung moeglich, die einen gaenzlichen Mangel alles Realen in der Erscheinung, es sei unmittelbar oder mittelbar, (durch welchen Umschweif im Schliessen man immer wolle,) bewiese, d.i. es kann aus der Erfahrung niemals ein Beweis vom leeren Raume oder einer leeren Zeit gezogen werden. Denn der gaenzliche Mangel des Realen in der sinnlichen Anschauung kann erstlich selbst nicht wahrgenommen werden, zweitens kann er aus keiner einzigen Erscheinung und dem Unterschiede des Grades ihrer Realitaet gefolgert, oder darf auch zur Erklaerung derselben niemals angenommen werden. Denn wenn auch die ganze Anschauung eines bestimmten Raumes oder Zeit durch und durch real, d.i. kein Teil derselben leer ist; so muss es doch, weil jede Realitaet ihren Grad hat, der, bei unveraenderter extensiver Groesse der Erscheinung bis zum Nichts (dem Leeren) durch unendliche Stufen abnehmen kann, unendlich verschiedene Grade, mit welchen Raum oder Zeit erfuellt sei, geben, und die intensive Groesse in verschiedenen Erscheinungen kleiner oder groesser sein koennen, obschon die extensive Groesse der Anschauung gleich ist. Wir wollen ein Beispiel davon geben. Beinahe alle Naturlehrer, da sie einen grossen Unterschied der Quantitaet der Materie von verschiedener Art unter gleichem Volumen (teils durch das Moment der Schwere, oder des Gewichts, teils durch das Moment des Widerstandes gegen andere bewegte Materien) wahrnehmen, schliessen daraus einstimmig: dieses Volumen (extensive Groesse der Erscheinung) muesse in allen Materien, obzwar in verschiedenem Masse, leer sein. Wer haette aber von diesen groesstenteils mathematischen und mechanischen Naturforschern sich wohl jemals einfallen lassen, dass sie diesen ihren Schluss lediglich auf eine metaphysische Voraussetzung, welche sie doch so sehr zu vermeiden vorgeben, gruendeten? indem sie annehmen, dass das Reale im Raume (ich mag es hier nicht Undurchdringlichkeit oder Gewicht nennen, weil dieses empirische Begriffe sind), allerwaerts einerlei sei, und sich nur der extensiven Groesse d.i. der Menge nach unterscheiden koenne. Dieser Voraussetzung, dazu sie keinen Grund in der Erfahrung haben konnten, und die also bloss metaphysisch ist, setze ich einen transzendentalen Beweis entgegen, der zwar den Unterschied in der Erfuellung der Raeume nicht erklaeren soll, aber doch die vermeinte Notwendigkeit jener Voraussetzung, gedachten Unterschied nicht anders, als durch anzunehmende leere Raeume, erklaeren zu koennen, voellig aufhebt, und das Verdienst hat, den Verstand wenigstens in Freiheit zu versetzen, sich diese Verschiedenheit auch auf andere Art zu denken, wenn die Naturerklaerung hierzu irgendeine Hypothese notwendig machen sollte. Denn da sehen wir, dass, obschon gleiche Raeume von verschiedenen Materien vollkommen erfuellt sein moegen, so, dass in keinem von beiden ein Punkt ist, in welchem nicht ihre Gegenwart anzutreffen waere, so habe doch jedes Reale bei derselben Qualitaet ihren Grad (des Widerstandes oder des Wiegens), welcher ohne Verminderung der extensiven Groesse oder Menge ins Unendliche kleiner sein kann, ehe sie in das Leere uebergeht, und verschwindet. So kann eine Ausspannung, die einen Raum erfuellt, z.B. Waerme, und auf gleiche Weise jede andere Realitaet (in der Erscheinung), ohne im mindesten den kleinsten Teil dieses Raumes leer zu lassen, in ihren Graden ins Unendliche abnehmen, und nichtsdestoweniger den Raum mit diesen kleineren Graden ebensowohl erfuellen, als eine andere Erscheinung mit groesseren. Meine Absicht ist hier keineswegs, zu behaupten: dass dieses wirklich mit der Verschiedenheit der Materien, ihrer spezifischen Schwere nach, so bewandt sei, sondern nur aus einem Grundsatze des reinen Verstandes darzutun: dass die Natur unserer Wahrnehmungen eine solche Erklaerungsart moeglich mache, und dass man faelschlich das Reale der Erscheinung dem Grade nach als gleich, und nur der Aggregation und deren extensiven Groesse nach als verschieden annehme, und dieses sogar, vorgeblichermassen, durch einen Grundsatz des Verstandes a priori behaupte. Es hat gleichwohl diese Antizipation der Wahrnehmung etwas fuer einen der transzendentalen gewohnten und dadurch behutsam gewordenen Nachforscher, immer etwas Auffallendes an sich, und erregt darueber einiges Bedenken, dass der Verstand einen dergleichen synthetischen Satz, als der von dem Grad alles Realen in den Erscheinungen ist, und mithin der Moeglichkeit des inneren Unterschiedes der Empfindung selbst, wenn man von ihrer empirischen Qualitaet abstrahiert, und es ist also noch eine der Aufloesung nicht unwuerdige Frage: wie der Verstand hierin synthetisch ueber Erscheinungen a priori aussprechen, und diese sogar in demjenigen, was eigentlich und bloss empirisch ist, naemlich die Empfindung angeht, antizipieren koenne? Die Qualitaet der Empfindung ist jederzeit bloss empirisch und kann a priori gar nicht vorgestellt werden, (z.B. Farben, Geschmack usw.). Aber das Reale, was den Empfindungen ueberhaupt korrespondiert, im Gegensatz mit der Negation = O, stellt nur etwas vor, dessen Begriff an sich ein Sein enthaelt, und bedeutet nichts als die Synthesis in einem empirischen Bewusstsein ueberhaupt. In dem inneren Sinn naemlich kann das empirische Bewusstsein von O bis zu jedem groesseren Grade erhoeht werden, so dass eben dieselbe extensive Groesse der Anschauung (z.B. erleuchtete Flaeche) so grosse Empfindung erregt, als ein Aggregat von vielem anderen (minder erleuchteten) zusammen. Man kann also von der extensiven Groesse der Erscheinung gaenzlich abstrahieren, und sich doch an der blossen Empfindung in einem Moment eine Synthesis der gleichfoermigen Steigerung von O bis zu dem gegebenen empirischen Bewusstsein vorstellen. Alle Empfindungen werden daher, als solche, zwar nur a priori gegeben, aber die Eigenschaft derselben, dass sie einen Grad haben, kann a priori erkannt werden. Es ist merkwuerdig, dass wir an Groessen ueberhaupt a priori nur eine einzige Qualitaet, naemlich die Kontinuitaet, an aller Qualitaet aber (dem Realen der Erscheinungen) nichts weiter a priori, als die intensive Quantitaet derselben, naemlich dass sie einen Grad haben, erkennen koennen, alles uebrige bleibt der Erfahrung ueberlassen. 3. Analogien der Erfahrung Das Prinzip derselben ist: Erfahrung ist nur durch die Vorstellung einer notwendigen Verknuepfung der Wahrnehmungen moeglich. Beweis Erfahrung ist ein empirisches Erkenntnis, d.i. ein Erkenntnis, das durch Wahrnehmungen ein Objekt bestimmt. Sie ist also eine Synthesis der Wahrnehmungen, die selbst nicht in der Wahrnehmung enthalten ist, sondern die synthetische Einheit des Mannigfaltigen derselben in einem Bewusstsein enthaelt, welche das Wesentliche einer Erkenntnis der Objekte der Sinne, d.i. der Erfahrung (nicht bloss der Anschauung oder Empfindung der Sinne) ausmacht. Nun kommen zwar in der Erfahrung die Wahrnehmungen nur zufaelligerweise zueinander, so, dass keine Notwendigkeit ihrer Verknuepfung aus den Wahrnehmungen selbst erhellt, noch erhellen kann, weil Apprehension nur eine Zusammenstellung des Mannigfaltigen der empirischen Anschauung, aber keine Vorstellung von der Notwendigkeit der verbundenen Existenz der Erscheinungen, die sie zusammenstellt, im Raum und Zeit in derselben angetroffen wird. Da aber Erfahrung ein Erkenntnis der Objekte durch Wahrnehmungen ist, folglich das Verhaeltnis im Dasein des Mannigfaltigen, nicht wie es in der Zeit zusammengestellt wird, sondern wie es objektiv in der Zeit ist, in ihr vorgestellt werden soll, die Zeit selbst aber nicht wahrgenommen werden kann, so kann die Bestimmung der Existenz der Objekte in der Zeit nur durch ihre Verbindung in der Zeit ueberhaupt, mithin nur durch a priori verknuepfte Begriffe, geschehen. Da diese nun jederzeit zugleich Notwendigkeit bei sich fuehren, so ist Erfahrung nur durch eine Vorstellung der notwendigen Verknuepfung der Wahrnehmungen moeglich. Die drei modi der Zeit sind Beharrlichkeit, Folge und Zugleichsein. Daher werden drei Regeln aller Zeitverhaeltnisse der Erscheinungen, wonach jeder ihr Dasein in Ansehung der Einheit aller Zeit bestimmt werden kann, vor aller Erfahrung vorangehen, und diese allererst moeglich machen. Der allgemeine Grundsatz aller drei Analogien beruht auf der notwendigen Einheit der Apperzeption, in Ansehung alles moeglichen empirischen Bewusstseins, (der Wahrnehmung,) zu jeder Zeit, folglich, da jene a priori zum Grunde liegt, auf der synthetischen Einheit aller Erscheinungen nach ihrem Verhaeltnisse in der Zeit. Denn die urspruengliche Apperzeption bezieht sich auf den inneren Sinn (den Inbegriff aller Vorstellungen), und zwar a priori auf die Form desselben, d.i. das Verhaeltnis des mannigfaltigen empirischen Bewusstseins in der Zeit. In der urspruenglichen Apperzeption soll nun alle dieses Mannigfaltige, seinen Zeitverhaeltnissen nach, vereinigt werden; denn dieses sagt die transzendentale Einheit derselben a priori, unter welcher alles steht, was zu meinem (d.i. meinem einigen) Erkenntnisse gehoeren soll, mithin ein Gegenstand fuer mich werden kann. Diese synthetische Einheit in dem Zeitverhaeltnisse aller Wahrnehmungen, welche a priori bestimmt ist, ist also das Gesetz: dass alle empirischen Zeitbestimmungen unter Regeln der angeben Zeitbestimmung stehen muessen, und die Analogien der Erfahrung, von denen wir jetzt handeln wollen, muessen dergleichen Regeln sein. Diese Grundsaetze haben das Besondere an sich, dass sie nicht die Erscheinungen, und die Synthesis ihrer empirischen Anschauung, sondern bloss das Dasein, und ihr Verhaeltnis untereinander in Ansehung dieses ihres Daseins, erwaegen. Nun kann die Art, wie etwas in der Erscheinung apprehendiert wird, a priori dergestalt bestimmt sein, dass die Regel ihrer Synthesis zugleich diese Anschauung a priori in jedem vorliegenden empirischen Beispiele geben, d.i. sie daraus zustande bringen kann. Allein das Dasein der Erscheinungen kann a priori nicht erkannt werden, und ob wir gleich auf diesem Wege dahin gelangen koennten, auf irgendein Dasein zu schliessen, so wuerden wir dieses doch nicht bestimmt erkennen, d.i. das, wodurch seine empirische Anschauung sich von anderen unterschiede, antizipieren koennen. Die vorigen zwei Grundsaetze, welche ich die mathematischen nannte, in Betracht dessen, dass sie die Mathematik auf Erscheinungen anzuwenden berechtigten, gingen auf Erscheinungen ihrer blossen Moeglichkeit nach, und lehrten, wie sie sowohl ihrer Anschauung, als dem Realen ihrer Wahrnehmung nach, nach Regeln einer mathematischen Synthesis erzeugt werden koennten; daher sowohl bei der einen, als bei der anderen die Zahlgroessen, und, mit ihnen, die Bestimmung der Erscheinung als Groesse, gebraucht werden koennen. So werde ich z.B. den Grad der Empfindungen des Sonnenlichts aus etwa 200 000 Erleuchtungen durch den Mond zusammensetzen und a priori bestimmt geben, d.i. konstruieren koennen. Daher koennen wir die ersteren Grundsaetze konstitutive nennen. Ganz anders muss es mit denen bewandt sein, die das Dasein der Erscheinungen a priori unter Regeln bringen sollen. Denn, da dieses sich nicht konstruieren laesst, so werden sie nur auf das Verhaeltnis des Daseins gehen, und keine andere als bloss regulative Prinzipien abgeben koennen. Da ist also weder an Axiome, noch an Antizipationen zu denken, sondern, wenn uns eine Wahrnehmung in einem Zeitverhaeltnisse gegen andere (obzwar unbestimmte) gegeben ist, so wird a priori nicht gesagt werden koennen: welche andere und wie grosse Wahrnehmung, sondern, wie sie dem Dasein nach, in diesem modo der Zeit, mit jener notwendig verbunden sei. In der Philosophie bedeuten Analogien etwas sehr Verschiedenes von demjenigen, was sie in der Mathematik vorstellen. In dieser sind es Formeln, welche die Gleichheit zweier Groessenverhaeltnisse aussagen, und jederzeit konstitutiv, so, dass, wenn zwei Glieder der Proportion gegeben sind, auch das dritte dadurch gegeben wird, d.i. konstruiert werden kann. In der Philosophie aber ist die Analogie nicht die Gleichheit zweier quantitativen, sondern qualitativen Verhaeltnisse, wo ich aus drei gegebenen Gliedern nur das Verhaeltnis zu einem vierten, nicht aber dieses vierte Glied selbst erkennen, und a priori geben kann, wohl aber eine Regel habe, es in der Erfahrung zu suchen, und ein Merkmal, es in derselben aufzufinden. Eine Analogie der Erfahrung wird also nur eine Regel sein, nach welcher aus Wahrnehmungen Einheit der Erfahrung (nicht wie Wahrnehmung selbst, als empirische Anschauung ueberhaupt) entspringen soll, und als Grundsatz von den Gegenstaenden (der Erscheinungen) nicht konstitutiv, sondern bloss regulativ gelten. Ebendasselbe aber wird auch von den Postulaten des empirischen Denkens ueberhaupt, welche die Synthesis der blossen Anschauung (der Form der Erscheinung), der Wahrnehmung (der Materie derselben), und der Erfahrung (des Verhaeltnisses dieser Wahrnehmungen) zusammen betreffen, gelten, naemlich dass sie nur regulative Grundsaetze sind, und sich von den mathematischen, die konstitutiv sind, zwar nicht in der Gewissheit, welche in beiden a priori feststeht, aber doch in der Art der Evidenz, d.i. dem Intuitiven derselben (mithin auch der Demonstration) unterscheiden. Was aber bei allen synthetischen Grundsaetzen erinnert ward, und hier vorzueglich angemerkt werden muss, ist dieses: dass diese Analogien nicht als Grundsaetze des transzendentalen, sondern bloss des empirischen Verstandesgebrauchs, ihre alleinige Bedeutung und Gueltigkeit halben, mithin auch nur als solche bewiesen werden koennen, dass folglich die Erscheinungen nicht unter die Kategorien schlechthin, sondern nur unter ihre Schemate subsumiert werden muessen. Denn, waeren die Gegenstaende, auf welche diese Grundsaetze bezogen werden sollen, Dinge an sich selbst, so waere es ganz unmoeglich, etwas von ihnen a priori synthetisch zu erkennen. Nun sind es nichts als Erscheinungen, deren vollstaendige Erkenntnis, auf die alle Grundsaetze a priori zuletzt doch immer auslaufen muessen, lediglich die moegliche Erfahrung ist, folglich koennen jene nichts, als bloss die Bedingungen der Einheit des empirischen Erkenntnisses in der Synthesis der Erscheinungen zum Ziele haben; diese aber wird nur allein in dem Schema des reinen Verstandesbegriffs gedacht, von deren Einheit, als einer Synthesis ueberhaupt, die Kategorie die durch keine sinnliche Bedingung restringierte Funktion enthaelt. Wir werden also durch diese Grundsaetze die Erscheinungen nur nach einer Analogie, mit der logischen und allgemeinen Einheit der Begriffe, zusammenzusetzen berechtigt werden, und daher uns in dem Grundsatze selbst zwar der Kategorie bedienen, in der Ausfuehrung aber (der Anwendung auf Erscheinungen) das Schema derselben, als den Schluessel ihres Gebrauchs, an dessen Stelle, oder jener vielmehr, als restringierende Bedingung, unter dem Namen einer Formel des ersteren, zur Seite setzen. A. Erste Analogie Grundsatz der Beharrlichkeit der Substanz Bei allem Wechsel der Erscheinungen beharrt die Substanz, und das Quantum derselben wird in der Natur weder vermehrt noch vermindert. Beweis Alle Erscheinungen sind in der Zeit, in welcher, als Substrat, (als beharrlicher Form der inneren Anschauung,) das Zugleichsein sowohl als die Folge allein vorgestellt werden kann. Die Zeit also in der aller Wechsel der Erscheinungen gedacht werden soll, bleibt und wechselt nicht; weil sie dasjenige ist, in welchem das Nacheinander- oder Zugleichsein nur als Bestimmungen derselben vorgestellt werden koennen. Nun kann die Zeit fuer sich nicht wahrgenommen werden. Folglich muss in den Gegenstaenden der Wahrnehmung, d.i. den Erscheinungen, das Substrat anzutreffen sein, welches die Zeit ueberhaupt vorstellt, und an dem aller Wechsel oder Zugleichsein durch das Verhaeltnis der Erscheinungen zu demselben in der Apprehension wahrgenommen werden kann. Es ist aber das Substrat alles Realen, d.i. zur Existenz der Dinge Gehoerigen, die Substanz, an welcher alles, was zum Dasein gehoert, nur als Bestimmung kann gedacht werden. Folglich ist das Beharrliche, womit in Verhaeltnis alle Zeitverhaeltnisse der Erscheinungen allein bestimmt werden koennen, die Substanz in der Erscheinung, d.i. das Reale derselben, was als Substrat alles Wechsels immer dasselbe bleibt. Da diese also im Dasein nicht wechseln kann, so kann ihr Quantum in der Natur auch weder vermehrt noch vermindert werden. Unsere Apprehension des Mannigfaltigen der Erscheinung ist jederzeit sukzessiv, und ist also immer wechselnd. Wir koennen also dadurch allein niemals bestimmen, ob dieses Mannigfaltige, als Gegenstand der Erfahrung, zugleich sei, oder nacheinander folge, wo an ihr nicht etwas zum Grunde liegt, was jederzeit ist, d.i. etwas Bleibendes und Beharrliches, von welchem aller Wechsel und Zugleichsein nichts, als so viel Arten (modi der Zeit) sind, wie das Beharrliche existiert. Nur in dem Beharrlichen sind also Zeitverhaeltnisse moeglich (denn Simultaneitaet und Sukzession sind die einzigen Verhaeltnisse in der Zeit), d.i. das Beharrliche ist das Substratum der empirischen Vorstellung der Zeit selbst, an welchem alle Zeitbestimmung allein moeglich ist. Die Beharrlichkeit drueckt ueberhaupt die Zeit, als das bestaendige Korrelatum alles Daseins der Erscheinungen, alles Wechsels und aller Begleitung, aus. Denn der Wechsel trifft die Zeit selbst nicht, sondern nur die Erscheinungen in der Zeit, (so wie das Zugleichsein nicht ein modus der Zeit selbst ist, als in welcher gar keine Teile zugleich, sondern alle nacheinander sind). Wollte man der Zeit selbst eine Folge nacheinander beilegen, so muesste man noch eine andere Zeit denken, in welcher diese Folge moeglich waere. Durch das Beharrliche allein bekommt das Dasein in verschiedenen Teilen der Zeitreihe nacheinander eine Groesse, die man Dauer nennt. Denn in der blossen Folge allein ist das Dasein immer verschwindend und anhebend, und hat niemals die mindeste Groesse. Ohne dieses Beharrliche ist also kein Zeitverhaeltnis. Nun kann die Zeit an sich selbst nicht wahrgenommen werden; mithin ist dieses Beharrliche an den Erscheinungen das Substratum aller Zeitbestimmung, folglich auch die Bedingung der Moeglichkeit aller synthetischen Einheit der Wahrnehmungen, d.i. der Erfahrung, und an diesem Beharrlichen kann alles Dasein und aller Wechsel in der Zeit nur als ein modus der Existenz dessen, was bleibt und beharrt, angesehen werden. Also ist in allen Erscheinungen das Beharrliche der Gegenstand selbst, d.i. die Substanz (phaenomenon), alles aber, was wechselt, oder wechseln kann, gehoert nur zu der Art, wie diese Substanz oder Substanzen existieren, mithin zu ihren Bestimmungen. Ich finde, dass zu allen Zeiten nicht bloss der Philosoph, sondern selbst der gemeine Verstand diese Beharrlichkeit, als ein Substratum alles Wechsels der Erscheinungen, vorausgesetzt haben, und auch jederzeit als ungezweifelt annehmen werden, nur dass der Philosoph sich hierueber etwas bestimmter ausdrueckt, indem er sagt: bei allen Veraenderungen in der Welt bleibt die Substanz, und nur die Akzidenzen wechseln. Ich treffe aber von diesem so synthetischen Satze nirgends auch nur den Versuch von einem Beweise an, ja er steht auch nur selten, wie es ihm doch gebuehrt, an der Spitze der reinen und voellig a priori bestehenden Gesetze der Natur. In der Tat ist der Satz, dass die Substanz beharrlich sei, tautologisch. Denn bloss diese Beharrlichkeit ist der Grund, warum wir auf die Erscheinung die Kategorie der Substanz anwenden, und man haette beweisen muessen, dass in allen Erscheinungen etwas Beharrliches sei, an welchem das Wandelbare nichts als Bestimmung seines Daseins ist. Da aber ein solcher Beweis niemals dogmatisch, d.i. aus Begriffen, gefuehrt werden kann, weil er einen synthetischen Satz a priori betrifft, und man niemals daran dachte, dass dergleichen Saetze nur in Beziehung auf moegliche Erfahrung gueltig sind, mithin auch nur durch eine Deduktion der Moeglichkeit der letzteren bewiesen werden koennen; so ist kein Wunder, wenn er zwar bei aller Erfahrung zum Grunde gelegt (weil man dessen Beduerfnis bei der empirischen Erkenntnis fuehlt), niemals aber bewiesen worden ist. Ein Philosoph wurde gefragt: wieviel wiegt der Rauch? Er antwortete: ziehe von dem Gewichte des verbrannten Holzes das Gewicht der uebrigbleibenden Asche ab, so hast du das Gewicht des Rauchs. Er setzte also als unwidersprechlich voraus: dass, selbst im Feuer, die Materie (Substanz) nicht vergehe, sondern nur die Form derselben eine Abaenderung erleide. Ebenso war der Satz: aus nichts wird nichts, nur ein anderer Folgesatz aus dem Grundsatze der Beharrlichkeit, oder vielmehr des immerwaehrenden Daseins des eigentlichen Subjekts an den Erscheinungen. Denn, wenn dasjenige an der Erscheinung, was man Substanz nennen will, das eigentliche Substratum aller Zeitbestimmung sein soll, so muss sowohl alles Dasein in der vergangenen, als das der kuenftigen Zeit, daran einzig und allein bestimmt werden koennen. Daher koennen wir einer Erscheinung nur darum den Namen Substanz geben, weil wir ihr Dasein zu aller Zeit voraussetzen, welches durch das Wort Beharrlichkeit nicht einmal wohl ausgedrueckt wird, indem dieses mehr auf kuenftige Zeit geht. Indessen ist die innere Notwendigkeit zu beharren, doch unzertrennlich mit der Notwendigkeit, immer gewesen zu sein, verbunden, und der Ausdruck mag also bleiben. Gigni de nihilo nihil, in nihilum nil posse reverti, waren zwei Saetze, welche die Alten unzertrennt verknuepften, und die man aus Missverstand jetzt bisweilen trennt, weil man sich vorstellt, dass sie Dinge an sich selbst angehen, und der erstere der Abhaengigkeit der Welt von einer obersten Ursache (auch sogar ihrer Substanz nach) entgegen sein duerfte; welche Besorgnis unnoetig ist, indem hier nur von Erscheinungen im Felde der Erfahrung die Rede ist, deren Einheit niemals moeglich sein wuerde, wenn wir neue Dinge (der Substanz nach) wollten entstehen lassen. Denn alsdann fiele dasjenige weg, welches die Einheit der Zeit allein vorstellen kann, naemlich die Identitaet des Substratum, als woran aller Wechsel allein durchgaengige Einheit hat. Diese Beharrlichkeit ist indes doch weiter nichts, als die Art, uns das Dasein der Dinge (in der Erscheinung) vorzustellen. Die Bestimmungen einer Substanz, die nichts anderes sind, als besondere Arten derselben zu existieren, heissen Akzidenzen. Sie sind jederzeit real, weil sie das Dasein der Substanz betreffen, (Negationen sind nur Bestimmungen, die das Nichtsein von etwas an der Substanz ausdruecken). Wenn man nun diesem Realen an der Substanz ein besonderes Dasein beigelegt, (z.E. der Bewegung, als einem Akzidens der Materie,) so nennt man dieses Dasein die Inhaerenz, zum Unterschiede vom Dasein der Substanz, die man Subsistenz nennt. Allein hieraus entspringen viel Missdeutungen, und es ist genauer und richtiger geredet, wenn man das Akzidens nur durch die Art, wie das Dasein einer Substanz positiv bestimmt ist, bezeichnet. Indessen ist es doch, vermoege der Bedingungen des logischen Gebrauchs unseres Verstandes, unvermeidlich, dasjenige, was im Dasein einer Substanz wechseln kann, indessen, dass die Substanz bleibt, gleichsam abzusondern, und in Verhaeltnis auf das eigentliche Beharrliche und Radikale zu betrachten; daher denn auch diese Kategorie unter dem Titel der Verhaeltnisse steht, mehr als die Bedingung derselben, als dass sie selbst ein Verhaeltnis enthielte. Auf dieser Beharrlichkeit gruendet sich nun auch die Berichtigung des Begriffs von Veraenderung. Entstehen und Vergehen sind nicht Veraenderungen desjenigen, was entsteht oder vergeht. Veraenderung ist eine Art zu existieren, welche auf eine andere Art zu existieren eben desselben Gegenstandes erfolgt. Daher ist alles, was sich veraendert, bleibend, und nur sein Zustand wechselt. Da dieser Wechsel also nur die Bestimmungen trifft, die aufhoeren oder auch anheben koennen, so koennen wir, in einem etwas paradox scheinenden Ausdruck, sagen: nur das Beharrliche (die Substanz) wird veraendert, das Wandelbare erleidet keine Veraenderung, sondern einen Wechsel, da einige Bestimmungen aufhoeren, und andere anheben. Veraenderung kann daher nur an Substanzen wahrgenommen werden, und das Entstehen oder Vergehen, schlechthin, ohne dass es bloss eine Bestimmung des Beharrlichen betreffe, kann gar keine moegliche Wahrnehmung sein, weil eben dieses Beharrliche die Vorstellung von dem Uebergange aus dem Zustande in den anderen, und von Nichtsein zum Sein, moeglich macht, die also nur als wechselnde Bestimmungen dessen, was bleibt, empirisch erkannt werden koennen. Nehmet an, dass etwas schlechthin anfange zu sein; so muesst ihr einen Zeitpunkt haben, in dem es nicht war. Woran wollt ihr aber diesen heften, wenn nicht an demjenigen, was schon da ist? Denn eine leere Zeit, die vorherginge, ist kein Gegenstand der Wahrnehmung; knuepft ihr dieses Entstehen aber an Dinge, die vorher waren, und bis zu dem, was entsteht, fortdauern, so war das letztere nur eine Bestimmung des ersteren, als des Beharrlichen. Ebenso ist es auch mit dem Vergehen: denn dieses setzt die empirische Vorstellung einer Zeit voraus, da eine Erscheinung nicht mehr ist. Substanzen (in der Erscheinung) sind die Substrate aller Zeitbestimmungen. Das Entstehen einiger, und das Vergehen anderer derselben, wuerde selbst die einzige Bedingung der empirischen Einheit der Zeit aufheben, und die Erscheinungen wuerden sich alsdann auf zweierlei Zeiten beziehen, in denen nebeneinander das Dasein verfloesse, welches ungereimt ist. Denn es ist nur Eine Zeit, in welcher alle verschiedenen Zeiten nicht zugleich, sondern nacheinander gesetzt werden muessen. So ist demnach die Beharrlichkeit eine notwendige Bedingung, unter welcher allein Erscheinungen, als Dinge oder Gegenstaende, in einer moeglichen Erfahrung bestimmbar sind. Was aber das empirische Kriterium dieser notwendigen Beharrlichkeit und mit ihr der Substantialitaet der Erscheinungen sei, davon wird uns die Folge Gelegenheit geben, das Noetige anzumerken. B. Zweite Analogie Grundsatz der Zeitfolge nach dem Gesetze der Kausalitaet Alle Veraenderungen geschehen nach dem Gesetze der Verknuepfung der Ursache und Wirkung. Beweis (Dass alle Erscheinungen der Zeitfolge insgesamt nur Veraenderungen, d.i. ein sukzessives Sein und Nichtsein der Bestimmungen der Substanz sind, die da beharrt, folglich das Sein der Substanz selbst, welches aufs Nichtsein derselben folgt, oder das Nichtsein derselben, welches aufs Dasein folgt, mit anderen Worten, dass das Entstehen oder Vergehen der Substanz selbst nicht stattfinde, hat der vorige Grundsatz dargetan. Dieser haette auch so ausgedrueckt werden koennen: Aller Wechsel (Sukzession) der Erscheinungen ist nur Veraenderung, denn Entstehen oder Vergehen der Substanz sind keine Veraenderungen derselben, weil der Begriff der Veraenderung eben dasselbe Subjekt mit zwei entgegengesetzten Bestimmungen als existierend, mithin als beharrend, voraussetzt. - Nach dieser Vorerinnerung folgt der Beweis.) Ich nehme, wahr, dass Erscheinungen aufeinander folgen, d.i. dass ein Zustand der Dinge zu einer Zeit ist, dessen Gegenteil im vorigen Zustande war. Ich verknuepfe also eigentlich zwei Wahrnehmungen in der Zeit. Nun ist Verknuepfung kein Werk des blossen Sinnes und der Anschauung, sondern hier das Produkt eines synthetischen Vermoegens der Einbildungskraft, die den inneren Sinn in Ansehung des Zeitverhaeltnisses bestimmt. Diese kann aber gedachte zwei Zustaende auf zweierlei Art verbinden, so, dass der eine oder der andere in der Zeit vorausgehe; denn die Zeit kann an sich selbst nicht wahrgenommen, und in Beziehung auf sie gleichsam empirisch, was voruebergehe und was folge, am Objekte bestimmt werden. Ich bin mir also nur bewusst, dass meine Imagination eines vorher, das andere nachher setze, nicht dass im Objekte der eine Zustand vor dem anderen vorhergehe; oder, mit anderen Worten, es bleibt durch die blosse Wahrnehmung das objektive Verhaeltnis der einander folgenden Erscheinungen unbestimmt. Damit dieses nun als bestimmt erkannt werde, muss das Verhaeltnis zwischen den beiden Zustaenden so gedacht werden, dass dadurch als notwendig bestimmt wird, welcher derselben vorher, welcher nachher und nicht umgekehrt muesse gesetzt werden. Der Begriff aber, der eine Notwendigkeit der synthetischen Einheit bei sich fuehrt, kann nur ein reiner Verstandesbegriff sein, der nicht in der Wahrnehmung liegt, und das ist hier der Begriff des Verhaeltnisses der Ursache und Wirkung, wovon die erstere die letztere in der Zeit, als die Folge, und nicht als etwas, was bloss in der Einbildung vorhergehen (oder gar ueberall nicht wahrgenommen sein) koennte, bestimmt. Also ist nur dadurch, dass wir die Folge der Erscheinungen, mithin alle Veraenderung dem Gesetze der Kausalitaet unterwerfen, selbst Erfahrung d.i. empirisches Erkenntnis von denselben moeglich, mithin sind sie selbst, als Gegenstaende der Erfahrung, nur nach eben dem Gesetze moeglich. Die Apprehension des Mannigfaltigen der Erscheinung ist jederzeit sukzessiv. Die Vorstellungen der Teile folgen aufeinander. Ob sie sich auch im Gegenstande folgen, ist ein zweiter Punkt der Reflexion, der in dem ersteren nicht enthalten ist. Nun kann man zwar alles, und sogar jede Vorstellung, sofern man sich ihrer bewusst ist, Objekt nennen; allein was dieses Wort bei Erscheinungen zu bedeuten habe, nicht, insofern sie (als Vorstellungen) Objekte sind, sondern nur ein Objekt bezeichnen, ist von tieferer Untersuchung. Sofern sie, nur als Vorstellungen zugleich Gegenstaende des Bewusstseins sind, so sind sie von der Apprehension, d.i. der Aufnahme in die Synthesis der Einbildungskraft, gar nicht unterschieden, und man muss also sagen: das Mannigfaltige der Erscheinungen wird im Gemuet jederzeit sukzessiv erzeugt. Waeren Erscheinungen Dinge an sich selbst, so wuerde kein Mensch aus der Sukzession der Vorstellungen von ihrem Mannigfaltigen ermessen koennen, wie dieses in dem Objekt verbunden sei. Denn wir haben es doch nur mit unseren Vorstellungen zu tun; wie Dinge an sich selbst (ohne Ruecksicht auf Vorstellungen, dadurch sie uns affizieren,) sein moegen, ist gaenzlich ausser unserer Erkenntnissphaere. Ob nun gleich die Erscheinungen nicht Dinge an sich selbst, und gleichwohl doch das einzige sind, was uns zur Erkenntnis gegeben werden kann, so soll ich anzeigen, was dem Mannigfaltigen an den Erscheinungen selbst fuer eine Verbindung in der Zeit zukomme, indessen dass die Vorstellung desselben in der Apprehension jederzeit sukzessiv ist. So ist z.E. die Apprehension des Mannigfaltigen in der Erscheinung eines Hauses, das vor mir steht, sukzessiv. Nun ist die Frage: ob das Mannigfaltige dieses Hauses selbst auch in sich sukzessiv sei, welches freilich niemand zugeben wird. Nun ist aber, sobald ich meine Begriffe von einem Gegenstande bis zur transzendentalen Bedeutung steigere, das Haus gar kein Ding an sich selbst, sondern nur eine Erscheinung, d.i. Vorstellung, deren transzendentaler Gegenstand unbekannt ist; was verstehe ich also unter der Frage: wie das Mannigfaltige in der Erscheinung selbst (die doch nichts an sich selbst ist) verbunden sein moege? Hier wird das, was in der sukzessiven Apprehension liegt, als Vorstellung, die Erscheinung aber, die mir gegeben ist, ohnerachtet sie nichts weiter als ein Inbegriff dieser Vorstellungen ist, als der Gegenstand derselben betrachtet, mit welchem mein Begriff, den ich aus den Vorstellungen der Apprehension ziehe, zusammenstimmen soll. Man sieht bald, dass, weil Uebereinstimmung der Erkenntnis mit dem Objekt Wahrheit ist, hier nur nach den formalen Bedingungen der empirischen Wahrheit gefragt werden kann, und Erscheinung, im Gegenverhaeltnis mit den Vorstellungen der Apprehension, nur dadurch als das davon unterschiedene Objekt derselben koenne vorgestellt werden, wenn sie unter einer Regel steht, welche sie von jeder anderen Apprehension unterscheidet, und eine Art der Verbindung des Mannigfaltigen notwendig macht. Dasjenige an der Erscheinung, was die Bedingung dieser notwendigen Regel der Apprehension enthaelt, ist das Objekt. Nun lasst uns zu unserer Aufgabe fortgehen. Dass etwas geschehe, d.i. etwas, oder ein Zustand werde, der vorher nicht war, kann nicht empirisch wahrgenommen werden, wo nicht eine Erscheinung vorhergeht, welche diesen Zustand nicht in sich enthaelt; denn eine Wirklichkeit, die auf eine leere Zeit folge mithin ein Entstehen, vor dem kein Zustand der Dinge vorhergeht, kann ebensowenig, als die leere Zeit selbst apprehendiert werden. Jede Apprehension einer Begebenheit ist also eine Wahrnehmung, welche auf eine andere folgt. Weil dieses aber bei aller Synthesis der Apprehension so beschaffen ist, wie ich oben an der Erscheinung eines Hauses gezeigt habe, so unterscheidet sie sich dadurch noch nicht von anderen. Allein ich bemerke auch. dass, wenn ich an einer Erscheinung, welche ein Geschehen enthaelt, den vorhergehenden Zustand der Wahrnehmung A, den folgenden aber B nenne, dass B auf A in der Apprehension nur folgen, die Wahrnehmung A aber auf B nicht folgen, sondern nur vorhergehen kann. Ich sehe z.B. ein Schiff den Strom hinabtreiben. Meine Wahrnehmung seiner Stelle unterhalb, folgt auf die Wahrnehmung der Stelle desselben oberhalb dem Laufe des Flusses, und es ist unmoeglich, dass in der Apprehension dieser Erscheinung das Schiff zuerst unterhalb, nachher aber oberhalb des Stromes wahrgenommen werden sollte. Die Ordnung in der Folge der Wahrnehmungen in der Apprehension ist hier also bestimmt, und an dieselbe ist die letztere gebunden. In dem vorigen Beispiele von einem Hause konnten meine Wahrnehmungen in der Apprehension von der Spitze desselben anfangen, und beim Boden endigen, aber auch von unten anfangen, und oben endigen, imgleichen rechts oder links das Mannigfaltige der empirischen Anschauung apprehendieren. In der Reihe dieser Wahrnehmungen war also keine bestimmte Ordnung, welche es notwendig machte, wenn ich in der Apprehension anfangen muesste, um das Mannigfaltige empirisch zu verbinden. Diese Regel aber ist bei der Wahrnehmung von dem, was geschieht, jederzeit anzutreffen, und sie macht die Ordnung der einander folgenden Wahrnehmungen (in der Apprehension dieser Erscheinung) notwendig. Ich werde also, in unserem Fall, die subjektive Folge der Apprehension von der objektiven Folge der Erscheinungen ableiten muessen, weil jene sonst gaenzlich unbestimmt ist, und keine Erscheinung von der anderen unterscheidet. Jene allein beweist nichts von der Verknuepfung des Mannigfaltigen am Objekt, weil sie ganz beliebig ist. Diese also wird in der Ordnung des Mannigfaltigen der Erscheinung bestehen, nach welcher die Apprehension des einen (was geschieht) auf die des anderen (das vorhergeht) nach einer Regel folgt. Nur dadurch kann ich von der Erscheinung selbst, und nicht bloss von meiner Apprehension, berechtigt sein zu sagen: dass in jener eine Folge anzutreffen sei, welches so viel bedeutet, als dass ich die Apprehension nicht anders anstellen koenne, als gerade in dieser Folge. Nach einer solchen Regel also muss in dem, was ueberhaupt vor einer Begebenheit vorhergeht, die Bedingung zu einer Regel liegen, nach welcher jederzeit und notwendigerweise diese Begebenheit folgt; umgekehrt aber kann ich nicht von der Begebenheit zurueckgehen, und dasjenige bestimmen (durch Apprehension) was vorhergeht. Denn von dem folgenden Zeitpunkt geht keine Erscheinung zu dem vorigen zurueck, aber bezieht sich doch auf irgendeinen vorigen; von einer gegebenen Zeit ist dagegen der Fortgang auf die bestimmte folgende notwendig. Daher, weil es doch etwas ist, was folgt, so muss ich es notwendig auf etwas anderes ueberhaupt beziehen, was vorhergeht, und worauf es nach einer Regel, d.i. notwendigerweise, folgt, so dass die Begebenheit, als das Bedingte, auf irgendeine Bedingung sichere Anweisung gibt, diese aber die Begebenheit bestimmt. Man setze, es gehe vor einer Begebenheit nichts vorher, worauf dieselbe nach einer Regel folgen muesste, so waere alle Folge der Wahrnehmung nur lediglich in der Apprehension, d.i. bloss subjektiv, aber dadurch gar nicht objektiv bestimmt, welches eigentlich das Vorhergehende, und welches das Nachfolgende der Wahrnehmungen sein muesste. Wir wuerden auf solche Weise nur ein Spiel der Vorstellungen haben, das sich auf gar kein Objekt bezoege, d.i. es wuerde durch unsere Wahrnehmung eine Erscheinung von jeder anderen, dem Zeitverhaeltnisse nach, gar nicht unterschieden werden; weil die Sukzession im Apprehendieren allerwaerts einerlei, und also nichts in der Erscheinung ist, was sie bestimmt, so dass dadurch eine gewisse Folge als objektiv notwendig gemacht wird. Ich werde also nicht sagen: dass in der Erscheinung zwei Zustaende aufeinander folgen; sondern nur: dass eine Apprehension auf die andere folgt, welches bloss etwas Subjektives ist, und kein Objekt bestimmt, mithin gar nicht vor Erkenntnis irgendeines Gegenstandes (selbst nicht in der Erscheinung) gelten kann. Wenn wir also erfahren, dass etwas geschieht, so setzen wir dabei jederzeit voraus, dass irgend etwas vorausgehe, worauf es nach einer Regel folgt. Denn ohne dieses wuerde ich nicht von dem Objekt sagen, dass es folge, weil die blosse Folge in meiner Apprehension, wenn sie nicht durch eine Regel in Beziehung auf ein Vorhergehendes bestimmt ist, keine Folge im Objekte berechtigt. Also geschieht es immer in Ruecksicht auf eine Regel, nach welcher die Erscheinungen in ihrer Folge, d.i. so wie sie geschehen, durch den vorigen Zustand bestimmt sind, dass ich meine subjektive Synthesis (der Apprehension) objektiv mache, und, nur lediglich unter dieser Voraussetzung allein, ist selbst die Erfahrung von etwas, was geschieht, moeglich. Zwar scheint es, als widerspreche dieses allen Bemerkungen, die man jederzeit ueber den Gang unseres Verstandesgebrauchs gemacht hat, nach welchen wir nur allererst durch die wahrgenommenen und verglichenen uebereinstimmenden Folgen vieler Begebenheiten auf vorhergehende Erscheinungen, eine Regel zu entdecken, geleitet worden, der gemaess gewisse Begebenheiten auf gewisse Erscheinungen jederzeit folgen, und dadurch zuerst veranlasst worden, uns den Begriff von Ursache zu machen. Auf solchen Fuss wuerde dieser Begriff bloss empirisch sein, und die Regel, die er verschafft, dass alles, was geschieht, eine Ursache habe, wuerde ebenso zufaellig sein, als die Erfahrung selbst: seine Allgemeinheit und Notwendigkeit waeren alsdann nur angedichtet, und haetten keine wahre allgemeine Gueltigkeit, weil sie nicht a priori, sondern nur auf Induktion gegruendet waeren. Es geht aber hiemit so, wie mit anderen reinen Vorstellungen a priori, (z.B. Raum und Zeit) die wir darum allein aus der Erfahrung als klare Begriffe herausziehen koennen, weil wir sie in die Erfahrung gelegt hatten, und diese daher durch jene allererst zustande brachten. Freilich ist die logische Klarheit dieser Vorstellung, einer die Reihe der Begebenheiten bestimmenden Regel, als eines Begriffs von Ursache, nur alsdann moeglich, wenn wir davon in der Erfahrung Gebrauch gemacht haben, aber eine Ruecksicht auf dieselbe, als Bedingung der synthetischen Einheit der Erscheinungen in der Zeit, war doch der Grund der Erfahrung selbst, und ging also a priori vor ihr vorher. Es kommt also darauf an, im Beispiele zu zeigen, dass wir niemals selbst in der Erfahrung die Folge (einer Begebenheit, da etwas geschieht, was vorher nicht war) dem Objekt beilegen, und sie von der subjektiven unserer Apprehension unterscheiden, als wenn eine Regel zum Grunde liegt, die uns noetigt, diese Ordnung der Wahrnehmungen vielmehr als eine andere zu beobachten, ja dass diese Noetigung es eigentlich sei, was die Vorstellung einer Sukzession im Objekt allererst moeglich macht. Wir haben Vorstellungen in uns, deren wir uns auch bewusst werden koennen. Dieses Bewusstsein aber mag so weit erstreckt, und so genau oder puenktlich sein, als man wolle, so bleiben es doch nur immer Vorstellungen, d.i. innere Bestimmungen unseres Gemuets in diesem oder jenem Zeitverhaeltnisse. Wie kommen wir nun dazu, dass wir diesen Vorstellungen ein Objekt setzen, oder ueber ihre subjektive Realitaet, als Modifikationen, ihnen noch, ich weiss nicht, was fuer eine, objektive beilegen? Objektive Bedeutung kann nicht in der Beziehung auf eine andere Vorstellung (von dem, was man vom Gegenstande nennen wollte) bestehen, denn sonst erneuert sich die Frage: wie geht diese Vorstellung wiederum aus sich selbst heraus, und bekommt objektive Bedeutung noch ueber die subjektive, welche ihr, als Bestimmung des Gemuetszustandes, eigen ist? Wenn wir untersuchen, was denn die Beziehung auf einen Gegenstand unseren Vorstellungen fuer eine neue Beschaffenheit gebe, und welches die Dignitaet sei, die sie dadurch erhalten, so finden wir, dass sie nichts weiter tue, als die Verbindung der Vorstellungen auf eine gewisse Art notwendig zu machen, und sie einer Regel zu unterwerfen; dass umgekehrt nur dadurch, dass eine gewisse Ordnung in dem Zeitverhaeltnisse unserer Vorstellungen notwendig ist, ihnen objektive Bedeutung erteilt wird. In der Synthesis der Erscheinungen folgt das Mannigfaltige der Vorstellungen jederzeit nacheinander. Hiedurch wird nun gar kein Objekt vorgestellt; weil durch diese Folge, die allen Apprehensionen gemein ist, nichts vom anderen unterschieden wird. Sobald ich aber wahrnehme, oder voraus annehme, dass in dieser Folge eine Beziehung auf den vorhergehenden Zustand sei, aus welchem die Vorstellung nach einer Regel folgt, so stellt sich etwas vor als Begebenheit, oder was da geschieht, d.i. ich erkenne einen Gegenstand, den ich in der Zeit auf eine gewisse bestimmte Stelle setzen muss, die ihm, nach dem vorhergehenden Zustande, nicht anders erteilt werden kann. Wenn ich also wahrnehme, dass etwas geschieht, so ist in dieser Vorstellung erstlich enthalten: dass etwas vorhergehe, weil eben in Beziehung auf dieses die Erscheinung ihre Zeitverhaeltnis bekommt, naemlich, nach einer vorhergehenden Zeit, in der sie nicht war, zu existieren. Aber ihre bestimmte Zeitstelle in diesem Verhaeltnisse kann sie nur dadurch bekommen, dass im vorhergehenden Zustande etwas vorausgesetzt wird, worauf es jederzeit, d.i. nach einer Regel, folgt: woraus sich denn ergibt, dass ich erstlich nicht die Reihe umkehren, und das, was geschieht, demjenigen voransetzen kann, worauf es folgt: zweitens dass, wenn der Zustand, der vorhergeht, gesetzt wird, diese bestimmte Begebenheit unausbleiblich und notwendig folge. Dadurch geschieht es: dass eine Ordnung unter unseren Vorstellungen wird, in welcher das Gegenwaertige (sofern es geworden) auf irgendeinen vorhergehenden Zustand Anweisung gibt, als ein, obzwar noch unbestimmtes Korrelatum dieser Ereignis, die gegeben ist, welches sich aber auf diese, als seine Folge, bestimmend bezieht, und sie notwendig mit sich in der Zeitreihe verknuepft. Wenn es nun ein notwendiges Gesetz unserer Sinnlichkeit, mithin eine formale Bedingung aller Wahrnehmungen ist: dass die vorige Zeit die folgende notwendig bestimmt (indem ich zur folgenden nicht anders gelangen kann, als durch die vorhergehende); so ist es auch ein unentbehrliches Gesetz der empirischen Vorstellung der Zeitreihe, dass die Erscheinungen der vergangenen Zeit jedes Dasein in der folgenden bestimmen, und dass diese, als Begebenheiten, nicht stattfinden, als sofern jene ihnen ihr Dasein in der Zeit bestimmen, d.i. nach einer Regel festsetzen. Denn nur an den Erscheinungen koennen wir diese Kontinuitaet im Zusammenhange der Zeiten empirisch erkennen. Zu aller Erfahrung und deren Moeglichkeit gehoert Verstand, und das erste, was er dazu tut, ist nicht: dass er die Vorstellung der Gegenstaende deutlich macht, sondern dass er die Vorstellung eines Gegenstandes ueberhaupt moeglich macht. Dieses geschieht nun dadurch, dass er die Zeitordnung auf die Erscheinungen und deren Dasein uebertraegt, indem er jeder derselben als Folge eine, in Ansehung der vorhergehenden Erscheinungen, a priori bestimmte Stelle in der Zeit zuerkennt, ohne welche sie nicht mit der Zeit selbst, die allen ihren Teilen a priori ihre Stelle bestimmt, uebereinkommen wuerde. Diese Bestimmung der Stelle kann nun nicht von dem Verhaeltnis der Erscheinungen gegen die absolute Zeit entlehnt werden, (denn die ist kein Gegenstand der Wahrnehmung,) sondern umgekehrt, die Erscheinungen muessen einander ihre Stellen in der Zeit selbst bestimmen, und dieselbe in der Zeitordnung notwendig machen, d.i. dasjenige, was da folgt, oder geschieht, muss nach einer allgemeinen Regel auf das, was im vorigen Zustande enthalten war, folgen, woraus eine Reihe der Erscheinungen wird, die vermittelst des Verstandes eben dieselbige Ordnung und stetigen Zusammenhang in der Reihe moeglicher Wahrnehmungen hervorbringt, und notwendig macht, als sie in der Form der inneren Anschauung, (der Zeit) darin alle Wahrnehmungen ihre Stelle haben muessten, a priori angetroffen wird. Dass also etwas geschieht, ist eine Wahrnehmung, die zu einer moeglichen Erfahrung gehoert, die dadurch wirklich wird, wenn ich die Erscheinung, ihrer Stelle nach, in der Zeit, als bestimmt, mithin als ein Objekt ansehe, welches nach einer Regel im Zusammenhange der Wahrnehmungen jederzeit gefunden werden kann. Diese Regel aber, etwas der Zeitfolge nach zu bestimmen, ist: dass in dem, was vorhergeht, die Bedingung anzutreffen sei, unter welcher die Begebenheit jederzeit (d.i. notwendigerweise) folgt. Also ist der Satz vom zureichenden Grunde der Grund moeglicher Erfahrung, naemlich der objektiven Erkenntnis der Erscheinungen, in Ansehung des Verhaeltnisses derselben, in Reihenfolge der Zeit. Der Beweisgrund dieses Satzes aber beruht lediglich auf folgenden Momenten. Zu aller empirischen Erkenntnis gehoert die Synthesis des Mannigfaltigen durch die Einbildungskraft, die jederzeit sukzessiv ist; d.i. die Vorstellungen folgen in ihr jederzeit aufeinander. Die Folge aber ist in der Einbildungskraft der Ordnung nach (was vorgehen und was folgen muesse) gar nicht bestimmt, und die Reihe der einen der folgenden Vorstellungen kann ebensowohl rueckwaerts als vorwaerts genommen werden. Ist aber diese Synthesis eine Synthesis der Apprehension (des Mannigfaltigen einer gegebenen Erscheinung), so ist die Ordnung im Objekt bestimmt, oder, genauer zu reden, es ist darin eine Ordnung der sukzessiven Synthesis, die ein Objekt bestimmt, nach welcher etwas notwendig vorausgehen, und wenn dieses gesetzt ist, das andere notwendig folgen muesse. Soll also meine Wahrnehmung die Erkenntnis einer Begebenheit enthalten, da naemlich etwas wirklich geschieht; so muss sie ein empirisches Urteil sein, in welchem man sich denkt, dass die Folge bestimmt sei, d.i. dass sie eine andere Erscheinung der Zeit nach voraussetze, worauf sie notwendig, oder nach einer Regel folgt. Widrigenfalls, wenn ich das Vorhergehende setze, und die Begebenheit folgte nicht darauf notwendig, so wuerde ich sie nur fuer ein subjektives Spiel meiner Einbildungen halten muessen, und stellte ich mir darunter doch etwas Objektives vor, sie einen blossen Traum nennen. Also ist das Verhaeltnis der Erscheinungen (als moeglicher Wahrnehmungen), nach welchem das Nachfolgende (was geschieht) durch etwas Vorhergehendes seinem Dasein nach notwendig, und nach einer Regel in der Zeit bestimmt ist, mithin das Verhaeltnis der Ursache zur Wirkung die Bedingung der objektiven Gueltigkeit unserer empirischen Urteile, in Ansehung der Reihe der Wahrnehmungen, mithin der empirischen Wahrheit derselben, und also der Erfahrung. Der Grundsatz des Kausalverhaeltnisses in der Folge der Erscheinungen gilt daher auch vor allen Gegenstaenden der Erfahrung (unter den Bedingungen der Sukzession), weil er selbst der Grund der Moeglichkeit einer solchen Erfahrung ist. Hier aeussert sich aber noch eine Bedenklichkeit, die gehoben werden muss. Der Satz der Kausalverknuepfung unter den Erscheinungen ist in unserer Formel auf die Reihenfolge derselben eingeschraenkt, da es sich doch bei dem Gebrauch desselben findet, dass er auch auf ihre Begleitung passe, und Ursache und Wirkung zugleich sein koenne. Es ist z.B. Waerme im Zimmer, die nicht in freier Luft angetroffen wird. Ich sehe mich nach der Ursache um, und finde einen geheizten Ofen. Nun ist dieser, als Ursache, mit seiner Wirkung, der Stubenwaerme, zugleich; also ist hier keine Reihenfolge, der Zeit nach, zwischen Ursache und Wirkung, sondern sie sind zugleich, und das Gesetz gilt doch. Der groesste Teil der wirkenden Ursache in der Natur ist mit ihren Wirkungen zugleich, und die Zeitfolge der letzteren wird nur dadurch veranlasst, dass die Ursache ihre ganze Wirkung nicht in einem Augenblick verrichten kann. Aber in dem Augenblicke, da sie zuerst entsteht, ist sie mit der Kausalitaet ihrer Ursache jederzeit zugleich, weil, wenn jene einen Augenblick vorher aufgehoert haette zu sein, diese gar nicht entstanden waere. Hier muss man wohl bemerken, dass es auf die Ordnung der Zeit, und nicht auf den Ablauf derselben angesehen sei; das Verhaeltnis bleibt, wenngleich keine Zeit verlaufen ist. Die Zeit zwischen der Kausalitaet der Ursache, und deren unmittelbaren Wirkung, kann verschwindend (sie also zugleich) sein, aber das Verhaeltnis der einen zur anderen bleibt doch immer, der Zeit nach, bestimmbar. Wenn ich eine Kugel, die auf einem ausgestopften Kissen liegt, und ein Gruebchen darin drueckt, als Ursache betrachte, so ist sie mit der Wirkung zugleich. Allein ich unterscheide doch beide durch das Zeitverhaeltnis der dynamischen Verknuepfung beider. Denn, wenn ich die Kugel auf das Kissen lege, so folgt auf die vorige glatte Gestalt desselben das Gruebchen; hat aber das Kissen (ich weiss nicht woher) ein Gruebchen, so folgt darauf nicht eine bleierne Kugel. Demnach ist die Zeitfolge allerdings das einzige empirische Kriterium der Wirkung, in Beziehung auf die Kausalitaet der Ursache, die vorhergeht. Das Glas ist die Ursache von dem Steigen des Wassers ueber seine Horizontalflaeche, obgleich beide Erscheinungen zugleich sind. Denn sobald ich dieses aus einem groesseren Gefaess mit dem Glase schoepfe, so erfolgt etwas, naemlich die Veraenderung des Horizontalstandes, den es dort hatte, in einen konkaven, den es im Glase annimmt. Diese Kausalitaet fuehrt auf den Begriff der Handlung, diese auf den Begriff der Kraft, und dadurch auf den Begriff der Substanz. Da ich mein kritisches Vorhaben, welches lediglich auf die Quellen der synthetischen Erkenntnis a priori geht, nicht mit Zergliederungen bemengen will, die bloss die Erlaeuterung (nicht Erweiterung) der Begriffe angehen, so ueberlasse ich die umstaendliche Eroerterung derselben einem kuenftigen System der reinen Vernunft: wiewohl man eine solche Analysis im reichen Masse, auch schon in den bisher bekannten Lehrbuechern dieser Art, antrifft. Allein das empirische Kriterium einer Substanz, sofern sie sich nicht durch die Beharrlichkeit der Erscheinung, sondern besser und leichter durch Handlung zu offenbaren scheint, kann ich nicht unberuehrt lassen. Wo Handlung, mithin Taetigkeit und Kraft ist, da ist auch Substanz, und in dieser allein muss der Sitz jener fruchtbaren Quelle der Erscheinungen gesucht werden. Das ist ganz gut gesagt; aber, wenn man sich darueber erklaeren soll, was man unter Substanz verstehe, und dabei den fehlerhaften Zirkel vermeiden will, so ist es nicht so leicht verantwortet. Wie will man aus der Behandlung sogleich auf die Beharrlichkeit des Handelnden schliessen, welches doch ein so wesentliches und eigentuemliches Kennzeichen der Substanz (phaenomenon) ist? Allein, nach unserem vorigen hat die Aufloesung der Frage doch keine solche Schwierigkeit, ob sie gleich nach der gemeinen Art (bloss analytisch mit seinen Begriffen zu verfahren) ganz unaufloeslich sein wuerde. Handlung bedeutet schon das Verhaeltnis des Subjekts der Kausalitaet zur Wirkung. Weil nun alle Wirkung in dem besteht, was da geschieht, mithin im Wandelbaren, was die Zeit der Sukzession nach bezeichnet; so ist das letzte Subjekt desselben das Beharrliche, als das Substratum alles Wechselnden, d.i. die Substanz. Denn nach dem Grundsatze der Kausalitaet sind Handlungen immer der erste Grund von allem Wechsel der Erscheinungen, und koennen also nicht in einem Subjekt liegen, was selbst wechselt, weil sonst andere Handlungen und ein anderes Subjekt, welches diesen Wechsel bestimmte, erforderlich waeren. Kraft dessen beweist nun Handlung, als ein hinreichendes empirisches Kriterium, die Substantialitaet, ohne dass ich die Beharrlichkeit desselben durch verglichene Wahrnehmungen allererst zu suchen noetig haette, welches auch auf diesem Wege mit der Ausfuehrlichkeit nicht geschehen koennte, die zu der Groesse und strengen Allgemeingueltigkeit des Begriffs erforderlich ist. Denn dass das erste Subjekt der Kausalitaet alles Entstehens und Vergehens selbst nicht (im Felde der Erscheinungen) entstehen und vergehen koenne, ist ein sicherer Schluss, der auf empirische Notwendigkeit und Beharrlichkeit im Dasein, mithin auf den Begriff einer Substanz als Erscheinung auslaeuft. Wenn etwas geschieht, so ist das blosse Entstehen, ohne Ruecksicht auf das, was da entsteht, schon an sich selbst ein Gegenstand der Untersuchung. Der Uebergang aus dem Nichtsein eines Zustandes in diesen Zustand, gesetzt, dass dieser auch keine Qualitaet in der Erscheinung enthielte, ist schon allein noetig zu untersuchen. Dieses Entstehen trifft, wie in der Nummer A gezeigt worden, nicht die Substanz (denn die entsteht nicht), sondern ihren Zustand. Es ist also bloss Veraenderung, und nicht Ursprung aus Nichts. Wenn dieser Ursprung als Wirkung von einer fremden Ursache angesehen wird, so heisst er Schoepfung, welche als Begebenheit unter den Erscheinungen nicht zugelassen werden kann, indem ihre Moeglichkeit allein schon die Einheit der Erfahrung aufheben wuerde, obzwar, wenn ich alle Dinge nicht als Phaenomene, sondern als Dinge an sich betrachte, und als Gegenstaende des blossen Verstandes, sie, obschon sie Substanzen sind, dennoch wie abhaengig ihrem Dasein nach von fremder Ursache angesehen werden koennen; welches aber alsdann ganz andere Wortbedeutungen nach sich ziehen, und auf Erscheinungen, als moegliche Gegenstaende der Erfahrung, nicht passen wuerde. Wie nun ueberhaupt etwas veraendert werden koenne; wie es moeglich sei, dass auf einen Zustand in einem Zeitpunkte ein entgegengesetzter im anderen folgen koenne: davon haben wir a priori nicht den mindesten Begriff. Hierzu wird die Kenntnis wirklicher Kraefte erfordert, welche nur empirisch gegeben werden kann, z.B. der bewegenden Kraefte, oder, welches einerlei ist, gewisser sukzessiver Erscheinungen, (als Bewegungen) welche solche Kraefte anzeigen. Aber die Form einer jeden Veraenderung, die Bedingung, unter welcher sie, als ein Entstehen eines anderen Zustandes, allein vorgehen kann, (der Inhalt derselben, d.i. der Zustand, der veraendert wird, mag sein, welcher er wolle), mithin die Sukzession der Zustaende selbst (das Geschehene) kann doch nach dem Gesetze der Kausalitaet und den Bedingungen der Zeit a priori erwogen werden*. * Man merke wohl: dass ich nicht von der Veraenderung gewisser Relationen ueberhaupt, sondern von Veraenderung des Zustandes rede. Daher, wenn ein Koerper sich gleichfoermig bewegt, so veraendert er seinen Zustand (der Bewegung) gar nicht; aber wohl, wenn seine Bewegung zu- und abnimmt. Wenn eine Substanz aus einem Zustande a in einen anderen b uebergeht, so ist der Zeitpunkt des zweiten vom Zeitpunkte des ersteren Zustandes unterschieden, und folgt demselben. Ebenso ist auch der zweite Zustand als Realitaet (in der Erscheinung) vom ersteren, darin diese nicht war, wie b vom Zero unterschieden; d.i. wenn der Zustand b sich auch von dem Zustande a nur der Groesse nach unterschiede, so ist die Veraenderung ein Entstehen von b-a, welches im vorigen Zustande nicht war, und in Ansehung dessen er = o ist. Es fraegt sich also, wie ein Ding aus einem Zustande = a in einen anderen = b uebergehe. Zwischen zwei Augenblicken ist immer eine Zeit, und zwischen zwei Zustaenden in denselben immer ein Unterschied, der eine Groesse hat, (denn alle Teile der Erscheinungen sind immer wiederum Groessen). Also geschieht jeder Uebergang aus einem Zustande in den anderen in einer Zeit, die zwischen zwei Augenblicken enthalten ist, deren der erste den Zustand bestimmt, aus welchem das Ding herausgeht, der zweite den, in welchen es gelangt. Beide also sind Grenzen der Zeit einer Veraenderung, mithin des Zwischenzustandes zwischen beiden Zustaenden, und gehoeren als solche mit zu der ganzen Veraenderung. Nun hat jede Veraenderung eine Ursache, welche in der ganzen Zeit, in welcher jene vorgeht, ihre Kausalitaet beweist. Also bringt diese Ursache ihre Veraenderung nicht ploetzlich (auf einmal oder in einem Augenblicke) hervor, sondern in einer Zeit, so, dass, wie die Zeit vom Anfangsaugenblicke a bis zu ihrer Vollendung in b waechst, auch die Groesse der Realitaet (b-a) durch alle kleineren Grade, die zwischen dem ersten und letzten enthalten sind, erzeugt wird. Alle Veraenderung ist also nur durch eine kontinuierliche Handlung der Kausalitaet moeglich, welche, sofern sie gleichfoermig ist, ein Moment heisst. Aus diesen Momenten besteht nicht die Veraenderung, sondern wird dadurch erzeugt als ihre Wirkung. Das ist nun das Gesetz der Kontinuitaet aller Veraenderung, dessen Grund dieser ist: dass weder die Zeit, noch auch die Erscheinung in der Zeit, aus Teilen besteht, die die kleinsten sind, und dass doch der Zustand des Dinges bei seiner Veraenderung durch alle diese Teile, als Elemente, zu seinem zweiten Zustande uebergehe. Es ist kein Unterschied des Realen in der Erscheinung, so wie kein Unterschied in der Groesse der Zeiten, der kleinste, und so erwaechst der neue Zustand der Realitaet von dem ersten an, darin diese nicht war, durch alle unendlichen Grade derselben, deren Unterschiede voneinander insgesamt kleiner sind, als der zwischen o und a. Welchen Nutzen dieser Satz in der Naturforschung haben moege, das geht uns hier nichts an. Aber, wie ein solcher Satz, der unsere Erkenntnis der Natur so zu erweitern scheint, voellig a priori moeglich sei, das erfordert gar sehr unsere Pruefung, wenngleich der Augenschein beweist, dass er wirklich und richtig sei, und man also der Frage, wie er moeglich gewesen, ueberhoben zu sein glauben moechte. Denn es gibt so mancherlei ungegruendete Anmassungen der Erweiterung unserer Erkenntnis durch reine Vernunft: dass es zum allgemeinen Grundsatz angenommen werden muss, deshalb durchaus misstrauisch zu sein, und ohne Dokumente, die eine gruendliche Deduktion verschaffen koennen, selbst auf den klarsten dogmatischen Beweis nichts dergleichen zu glauben und anzunehmen. Aller Zuwachs des empirischen Erkenntnisses, und jeder Fortschritt der Wahrnehmung ist nichts, als eine Erweiterung der Bestimmung des inneren Sinnes, d.i. ein Fortgang in der Zeit, die Gegenstaende moegen sein, welche sie wollen, Erscheinungen, oder reine Anschauungen. Dieser Fortgang in der Zeit bestimmt alles, und ist an sich selbst durch nichts weiter bestimmt: d.i. die Teile desselben sind nur in der Zeit, und durch die Synthesis derselben, sie aber nicht vor ihr gegeben. Um deswillen ist ein jeder Uebergang in der Wahrnehmung zu etwas, was in der Zeit folgt, eine Bestimmung der Zeit durch die Erzeugung dieser Wahrnehmung, und da jene, immer und in allen ihren Teilen, eine Groesse ist, die Erzeugung einer Wahrnehmung als einer Groesse durch alle Grade, deren keiner der kleinste ist, von dem Zero an, bis zu ihrem bestimmten Grad. Hieraus erhellt nun die Moeglichkeit, ein Gesetz der Veraenderungen, ihrer Form nach, a priori zu erkennen. Wir antizipieren nur unsere eigene Apprehension, deren formale Bedingung, da sie uns vor aller gegebenen Erscheinung selbst beiwohnt, allerdings a priori muss erkannt werden koennen. So ist demnach, ebenso, wie die Zeit die sinnliche Bedingung a priori von der Moeglichkeit eines kontinuierlichen Fortganges des Existierenden zu dem Folgenden enthaelt, der Verstand, vermittelst der Einheit der Apperzeption, die Bedingung a priori der Moeglichkeit einer kontinuierlichen Bestimmung aller Stellen fuer die Erscheinungen in dieser Zeit, durch die Reihe von Ursachen und Wirkungen, deren die ersteren der letzteren ihr Dasein unausbleiblich nach sich ziehen, und dadurch die empirische Erkenntnis der Zeitverhaeltnisse fuer jede Zeit (allgemein) mithin objektiv gueltig machen. C. Dritte Analogie Grundsatz des Zugleichseins, nach dem Gesetze der Wechselwirkung, oder Gemeinschaft Alle Substanzen, sofern sie im Raume, als zugleich wahrgenommen werden koennen, sind in durchgaengiger Wechselwirkung. Beweis Zugleich sind Dinge, wenn in der empirischen Anschauung die Wahrnehmung des einen auf die Wahrnehmung des anderen wechselseitig folgen kann, (welches in der Zeitfolge der Erscheinungen, wie beim zweiten Grundsatze gezeigt, worden, nicht geschehen kann). So kann ich meine Wahrnehmung zuerst am Monde, und nachher an der Erde, oder auch umgekehrt zuerst an der Erde und dann am Monde anstellen und darum, weil die Wahrnehmungen dieser Gegenstaende einander wechselseitig folgen koennen, sage ich, sie existieren zugleich. Nun ist das Zugleichsein die Existenz des Mannigfaltigen in derselben Zeit. Man kann aber die Zeit selbst nicht wahrnehmen, um daraus, dass Dinge in derselben Zeit gesetzt sind, abzunehmen, dass die Wahrnehmungen derselben einander wechselseitig folgen koennen. Die Synthesis der Einbildungskraft in der Apprehension wuerde also nur eine jede dieser Wahrnehmungen als eine solche angeben, die im Subjekte da ist, wenn die andere nicht ist, und wechselsweise, nicht aber dass die Objekte zugleich seien, d.i. wenn das eine ist, das andere auch in derselben Zeit sei, und dass dieses notwendig sei, damit die Wahrnehmungen wechselseitig aufeinander folgen koennen. Folglich wird ein Verstandesbegriff von der wechselseitigen Folge der Bestimmungen dieser ausser einander zugleich existierenden Dinge erfordert, um zu sagen, dass die wechselseitige Folge der Wahrnehmungen im Objekte gegruendet sei, und das Zugleichsein dadurch als objektiv vorzustellen. Nun ist aber das Verhaeltnis der Substanzen, in welchem die eine Bestimmungen enthaelt, wovon der Grund in der anderen enthalten ist, das Verhaeltnis des Einflusses, und, wenn wechselseitig dieses den Grund der Bestimmungen in dem anderen enthaelt, das Verhaeltnis der Gemeinschaft oder Wechselwirkung. Also kann das Zugleichsein der Substanzen im Raume nicht anders in der Erfahrung erkannt werden, als unter Voraussetzung einer Wechselwirkung derselben untereinander; diese ist also auch die Bedingung der Moeglichkeit der Dinge selbst als Gegenstaende der Erfahrung. Dinge sind zugleich, sofern sie in einer und derselben Zeit existieren. Woran erkennt man aber: dass sie in einer und derselben Zeit sind? Wenn die Ordnung in der Synthesis der Apprehension dieses Mannigfaltigen gleichgueltig ist, d.i. von A durch B, C, D auf E, oder auch umgekehrt von E zu A gehen kann. Denn, waere sie in der Zeit nacheinander (in der Ordnung, die von A anhebt, und in E endigt), so ist es unmoeglich, die Apprehension in der Wahrnehmung von E anzuheben, und rueckwaerts zu A fortzugehen, weil A zur vergangenen Zeit gehoert, und also kein Gegenstand der Apprehension mehr sein kann. Nehmet nun an: in einer Mannigfaltigkeit von Substanzen als Erscheinungen waere jede derselben voellig isoliert, d.i. keine wirkte in die andere, und empfinge von dieser wechselseitig Einfluesse, so sage ich: dass das Zugleichsein derselben kein Gegenstand einer moeglichen Wahrnehmung sein wuerde, und dass das Dasein der einen, durch keinen Weg der empirischen Synthesis, auf das Dasein der anderen fuehren koennte. Denn, wenn ihr euch gedenkt, sie waeren durch einen voellig leeren Raum getrennt, so wuerde die Wahrnehmung, die von der einen zur anderen in der Zeit fortgeht, zwar dieser ihr Dasein, vermittelst einer folgenden Wahrnehmung bestimmen, aber nicht unterscheiden koennen, ob die Erscheinung objektiv auf die erstere folge, oder mit jener vielmehr zugleich sei. Es muss also noch ausser dem blossen Dasein etwas sein, wodurch A dem B seine Stelle in der Zeit bestimmt, und umgekehrt auch wiederum B dem A, weil nur unter dieser Bedingung gedachte Substanzen, als zugleich existierend, empirisch vorgestellt werden koennen. Nun bestimmt nur dasjenige dem anderen seine Stelle in der Zeit, was die Ursache von ihm oder seinen Bestimmungen ist. Also muss jede Substanz (da sie nur in Ansehung ihrer Bestimmungen Folge sein kann) die Kausalitaet gewisser Bestimmungen in der anderen, und zugleich die Wirkungen von der Kausalitaet der anderen in sich enthalten, d.i. sie muessen in dynamischer Gemeinschaft (unmittelbar oder mittelbar) stehen, wenn das Zugleichsein in irgendeiner moeglichen Erfahrung erkannt werden soll. Nun ist aber alles dasjenige in Ansehung der Gegenstaende der Erfahrung notwendig, ohne welches die Erfahrung von diesen Gegenstaenden selbst unmoeglich sein wuerde. Also ist es allen Substanzen in der Erscheinung, sofern sie zugleich sind, notwendig, in durchgaengiger Gemeinschaft der Wechselwirkung untereinander zu stehen. Das Wort Gemeinschaft ist in unserer Sprache zweideutig, und kann soviel als communio, aber auch als commercium bedeuten. Wir bedienen uns hier desselben im letzteren Sinn, als einer dynamischen Gemeinschaft, ohne welche selbst die lokale (communio spatii) niemals empirisch erkannt werden koennte. Unseren Erfahrungen ist es leicht anzumerken, dass nur die kontinuierlichen Einfluesse in allen Stellen des Raumes unseren Sinn von einem Gegenstande zum anderen leiten koennen, dass das Licht, welches zwischen unserem Auge und den Weltkoerpern spielt, eine mittelbare Gemeinschaft zwischen uns und diesen bewirken und dadurch das Zugleichsein der letzteren beweisen, dass wir keinen Ort empirisch veraendern (diese Veraenderung wahrnehmen) koennen, ohne dass uns allerwaerts Materie die Wahrnehmung unserer Stelle moeglich mache, und diese nur vermittelst ihres wechselseitigen Einflusses ihr Zugleichsein, und dadurch, bis zu den entlegensten Gegenstaenden, die Koexistenz derselben (obzwar nur mittelbar) dartun kann. Ohne Gemeinschaft ist jede Wahrnehmung (der Erscheinung im Raume) von der anderen abgebrochen, und die Kette empirischer Vorstellungen, d.i. Erfahrung, wuerde bei einem neuen Objekt ganz von vorne anfangen, ohne dass die vorige damit im geringsten zusammenhaenge, oder im Zeitverhaeltnisse stehen koennte. Den leeren Raum will ich hierdurch gar nicht widerlegen; denn der mag immer sein, wohin Wahrnehmungen gar nicht reichen, und also keine empirische Erkenntnis des Zugleichseins stattfindet; er ist aber alsdann fuer alle unsere moegliche Erfahrung gar kein Objekt. Zur Erlaeuterung kann folgendes dienen. In unserem Gemuete muessen alle Erscheinungen, als in einer moeglichen Erfahrung enthalten, in Gemeinschaft (communio) der Apperzeption stehen, und sofern die Gegenstaende als zugleich existierend verknuepft vorgestellt werden sollen, so muessen sie ihre Stelle in einer Zeit wechselseitig bestimmen, und dadurch ein Ganzes ausmachen. Soll diese subjektive Gemeinschaft auf einem objektiven Grunde beruhen, oder auf Erscheinungen als Substanzen bezogen werden, so muss die Wahrnehmung der einen, als Grund, die Wahrnehmung der anderen, und so umgekehrt, moeglich machen, damit die Sukzession, die jederzeit in den Wahrnehmungen, als Apprehensionen ist, nicht den Objekten beigelegt werde, sondern diese als zugleichexistierend vorgestellt werden koennen. Dieses ist aber ein wechselseitiger Einfluss, d.i. eine reale Gemeinschaft (commercium) der Substanzen, ohne welche also das empirische Verhaeltnis des Zugleichseins nicht in der Erfahrung stattfinden koennte. Durch dieses Commercium machen die Erscheinungen, sofern sie aussereinander und doch in Verknuepfung stehen, ein Zusammengesetztes aus (compositum reale), und dergleichen Composita werden auf mancherlei Art moeglich. Die drei dynamischen Verhaeltnisse, daraus alle uebrigen entspringen, sind daher das der Inhaerenz, der Konsequenz und der Komposition. * * * Dies sind denn also die drei Analogien der Erfahrung. Sie sind nichts anderes, als Grundsaetze der Bestimmung des Daseins der Erscheinungen in der Zeit, nach allen drei modis derselben, dem Verhaeltnisse zu der Zeit selbst, als einer Groesse (die Groesse des Daseins, d.i. die Dauer), dem Verhaeltnisse in der Zeit, als einer Reihe (nacheinander), endlich auch in ihr, als einem Inbegriff alles Daseins (zugleich). Diese Einheit der Zeitbestimmung ist durch und durch dynamisch, d.i. die Zeit wird nicht als dasjenige angesehen, worin die Erfahrung unmittelbar jedem Dasein seine Stelle bestimmte, welches unmoeglich ist, weil die absolute Zeit kein Gegenstand der Wahrnehmung ist, womit Erscheinungen koennten zusammengehalten werden; sondern die Regel des Verstandes, durch welche allein das Dasein der Erscheinungen synthetische Einheit nach Zeitverhaeltnissen bekommen kann, bestimmt jeder derselben ihre Stelle in der Zeit, mithin a priori, und gueltig fuer alle und jede Zeit. Unter Natur (im empirischen Verstande) verstehen wir den Zusammenhang der Erscheinungen ihrem Dasein nach, nach notwendigen Regeln, d.i. nach Gesetzen. Es sind also gewisse Gesetze, und zwar a priori, welche allererst eine Natur moeglich machen; die empirischen koennen nur vermittelst der Erfahrung, und zwar zufolge jener urspruenglichen Gesetze, nach welchen selbst Erfahrung allererst moeglich wird, stattfinden, und gefunden werden. Unsere Analogien stellen also eigentlich die Natureinheit im Zusammenhange aller Erscheinungen unter gewissen Exponenten dar, welche nichts anderes ausdruecken, als das Verhaeltnis der Zeit (sofern sie alles Dasein in sich begreift) zur Einheit der Apperzeption, die nur in der Synthesis nach Regeln stattfinden kann. Zusammen sagen sie also: alle Erscheinungen liegen in einer Natur, und muessen darin liegen, weil ohne diese Einheit a priori keine Einheit der Erfahrung, mithin auch keine Bestimmung der Gegenstaende in derselben moeglich waere. Ueber die Beweisart aber, deren wir uns bei diesen transzendentalen Naturgesetzen bedient haben, und die Eigentuemlichkeit derselben, ist eine Anmerkung zu machen, die zugleich als Vorschrift fuer jeden anderen Versuch, intellektuelle und zugleich synthetische Saetze a priori zu beweisen, sehr wichtig sein muss. Haetten wir diese Analogien dogmatisch, d.i. aus Begriffen, beweisen wollen: dass naemlich alles, was existiert, nur in dem angetroffen werde, was beharrlich ist, dass jede Begebenheit etwas im vorigen Zustande voraussetze, worauf es nach einer Regel folgt, endlich in dem Mannigfaltigen, das zugleich ist, die Zustaende in Beziehung aufeinander nach einer Regel zugleich seien (in Gemeinschaft stehen), so waere alle Bemuehung gaenzlich vergeblich gewesen. Denn man kann von einem Gegenstande und dessen Dasein auf das Dasein des anderen, oder seine Art zu existieren, durch blosse Begriffe dieser Dinge gar nicht kommen, man mag dieselben zergliedern, wie man wolle. Was blieb uns nun uebrig? Die Moeglichkeit der Erfahrung, als einer Erkenntnis, darin uns alle Gegenstaende zuletzt muessen gegeben werden koennen, wenn ihre Vorstellung fuer uns objektive Realitaet haben soll. In diesem Dritten nun, dessen wesentliche Form in der synthetischen Einheit der Apperzeption aller Erscheinungen besteht, fanden wir Bedingungen a priori der durchgaengigen und notwendigen Zeitbestimmung alles Daseins in der Erscheinung, ohne welche selbst die empirische Zeitbestimmung unmoeglich sein wuerde, und fanden Regeln der synthetischen Einheit a priori, vermittelst deren wir die Erfahrung antizipieren konnten. In Ermanglung dieser Methode, und bei dem Wahne, synthetische Saetze, welche der Erfahrungsgebrauch des Verstandes als seine Prinzipien empfiehlt, dogmatisch beweisen zu wollen, ist es denn geschehen, dass von dem Satze des zureichenden Grundes so oft, aber immer vergeblich ein Beweis ist versucht worden. An die beiden uebrigen Analogien hat niemand gedacht, ob man sich ihrer gleich immer stillschweigend bediente*, weil der Leitfaden der Kategorien fehlte, der allein jede Luecke des Verstandes, sowohl in Begriffen als Grundsaetzen, entdecken und merklich machen kann. * Die Einheit des Weltganzen, in welchem alle Erscheinungen verknuepft sein sollen, ist offenbar eine blosse Folgerung des insgeheim angenommenen Grundsatzes der Gemeinschaft aller Substanzen, die zugleich sind: denn, waeren sie isoliert, so wuerden sie nicht als Teile ein Ganzes ausmachen, und waere ihre Verknuepfung (Wechselwirkung des Mannigfaltigen) nicht schon um des Zugleichseins willen notwendig, so koennte man aus diesem, als einem bloss idealen Verhaeltnis, auf jene, als ein reales, nicht schliessen. Wiewohl wir an seinem Ort gezeigt haben: dass die Gemeinschaft eigentlich der Grund der Moeglichkeit einer empirischen Erkenntnis, der Koexistenz sei, und dass man also eigentlich nur aus dieser auf jene, als ihre Bedingung, zurueckschliesse. 4. Die Postulate des empirischen Denkens ueberhaupt 1. Was mit den formalen Bedingungen der Erfahrung (der Anschauung und den Begriffen nach) uebereinkommt, ist moeglich. 2. Was mit den materialen Bedingungen der Erfahrung (der Empfindung) zusammenhaengt, ist wirklich. 3. Dessen Zusammenhang mit dem Wirklichen nach allgemeinen Bedingungen der Erfahrung bestimmt ist, ist (existiert) notwendig. Erlaeuterung Die Kategorien der Modalitaet haben das Besondere an sich: dass sie den Begriff, dem sie als Praedikate beigefuegt werden, als Bestimmung des Objekts nicht im mindesten vermehren, sondern nur das Verhaeltnis zum Erkenntnisvermoegen ausdruecken. Wenn der Begriff eines Dinges schon ganz vollstaendig ist, so kann ich doch noch von diesem Gegenstande fragen, ob er bloss moeglich, oder auch wirklich, oder, wenn er das letztere ist, ob er gar auch notwendig sei? Hierdurch werden keine Bestimmungen mehr im Objekte selbst gedacht, sondern es fraegt sich nur, wie es sich (samt allen seinen Bestimmungen) zum Verstande und dessen empirischen Gebrauche, zur empirischen Urteilskraft, und zur Vernunft (in ihrer Anwendung auf Erfahrung) verhalte? Eben um deswillen sind auch die Grundsaetze der Modalitaet nichts weiter, als Erklaerungen der Begriffe der Moeglichkeit, Wirklichkeit und Notwendigkeit in ihrem empirischen Gebrauche, und hiermit zugleich Restriktionen aller Kategorien auf den bloss empirischen Gebrauch, ohne den transzendentalen zuzulassen und zu erlauben. Denn, wenn diese nicht eine bloss logische Bedeutung haben, und die Form des Denkens analytisch ausdruecken sollen, sondern Dinge und deren Moeglichkeit, Wirklichkeit oder Notwendigkeit betreffen sollen, so muessen sie auf die moegliche Erfahrung und deren synthetische Einheit gehen, in welcher allein Gegenstaende der Erkenntnis gegeben werden. Das Postulat der Moeglichkeit der Dinge fordert also, dass der Begriff derselben mit den formalen Bedingungen einer Erfahrung ueberhaupt zusammenstimme. Diese, naemlich die objektive Form der Erfahrung ueberhaupt, enthaelt aber alle Synthesis, welche zur Erkenntnis der Objekte erfordert wird. Ein Begriff, der eine Synthesis in sich fasst, ist fuer leer zu halten, und bezieht sich auf keinen Gegenstand, wenn diese Synthesis nicht zur Erfahrung gehoert, entweder als von ihr erborgt, und dann heisst er ein empirischer Begriff, oder als eine solche, auf der, als Bedingung a priori, Erfahrung ueberhaupt (die Form derselben) beruht, und dann ist es ein reiner Begriff, der dennoch zur Erfahrung gehoert, weil sein Objekt nur in dieser angetroffen werden kann. Denn wo will man den Charakter der Moeglichkeit eines Gegenstandes, der durch einen synthetischen Begriff a priori gedacht worden, hernehmen, wenn es nicht von der Synthesis geschieht, welche die Form der empirischen Erkenntnis der Objekte ausmacht? Dass in einem solchen Begriffe kein Widerspruch enthalten sein muesse, ist zwar eine notwendige logische Bedingung; aber zur objektiven Realitaet des Begriffs, d.i. der Moeglichkeit eines solchen Gegenstandes, als durch den Begriff gedacht wird, bei weitem nicht genug. So ist in dem Begriffe einer Figur, die in zwei geraden Linien eingeschlossen ist, kein Widerspruch, denn die Begriffe von zwei geraden Linien und deren Zusammenstossung enthalten keine Verneinung einer Figur; sondern die Unmoeglichkeit beruht nicht auf dem Begriffe an sich selbst, sondern der Konstruktion desselben im Raume, d.i. den Bedingungen des Raumes und der Bestimmung desselben, diese haben aber wiederum ihre objektive Realitaet, d.i. sie gehen auf moegliche Dinge, weil sie die Form der Erfahrung ueberhaupt a priori in sich enthalten. Und nun wollen wir den ausgebreiteten Nutzen und Einfluss dieses Postulats der Moeglichkeit vor Augen legen. Wenn ich mir ein Ding vorstelle, das beharrlich ist, so, dass alles, was da wechselt, bloss zu seinem Zustande gehoert, so kann ich niemals aus einem solchen Begriffe allein erkennen, dass ein dergleichen Ding moeglich sei. Oder, ich stelle mir etwas vor, welches so beschaffen sein soll, dass, wenn es gesetzt wird, jederzeit und unausbleiblich etwas anderes darauf erfolgt, so mag dieses allerdings ohne Widerspruch so gedacht werden koennen; ob aber dergleichen Eigenschaft (als Kausalitaet) an irgendeinem moeglichen Dinge angetroffen werde, kann dadurch nicht geurteilt werden. Endlich kann ich mir verschiedene Dinge (Substanzen) vorstellen, die so beschaffen sind, dass der Zustand des einen eine Folge im Zustande des anderen nach sich zieht, und so wechselweise; aber, ob dergleichen Verhaeltnis irgend Dingen zukommen koenne, kann aus diesen Begriffen, welche eine bloss willkuerliche Synthesis enthalten, gar nicht abgenommen werden. Nur daran also, dass diese Begriffe die Verhaeltnisse der Wahrnehmungen in jeder Erfahrung a priori ausdruecken, erkennt man ihre objektive Realitaet, d.i. ihre transzendentale Wahrheit, und zwar freilich unabhaengig von der Erfahrung, aber doch nicht unabhaengig von aller Beziehung auf die Form einer Erfahrung ueberhaupt, und die synthetische Einheit, in der allein Gegenstaende empirisch koennen erkannt werden. Wenn man sich aber gar neue Begriffe von Substanzen, von Kraeften, von Wechselwirkungen, aus dem Stoffe, den uns die Wahrnehmung darbietet, machen wollte, ohne von der Erfahrung selbst das Beispiel ihrer Verknuepfung zu entlehnen, so wuerde man in lauter Hirngespinste geraten, deren Moeglichkeit ganz und gar kein Kennzeichen fuer sich hat, weil man bei ihnen nicht Erfahrung zur Lehrerin annimmt, noch diese Begriffe von ihr entlehnt. Dergleichen gedichtete Begriffe koennen den Charakter ihrer Moeglichkeit nicht so, wie die Kategorien, a priori, als Bedingungen, von denen alle Erfahrung abhaengt, sondern nur a posteriori, als solche, die durch die Erfahrung selbst gegeben werden, bekommen, und ihre Moeglichkeit muss entweder a posteriori und empirisch, oder sie kann gar nicht erkannt werden. Eine Substanz, welche beharrlich im Raume gegenwaertig waere, doch ohne ihn zu erfuellen, (wie dasjenige Mittelding zwischen Materie und denkenden Wesen, welches einige haben einfuehren wollen,) oder eine besondere Grundkraft unseres Gemuets, das Kuenftige zum voraus anzuschauen (nicht etwa bloss zu folgern), oder endlich ein Vermoegen desselben, mit anderen Menschen in Gemeinschaft der Gedanken zu stehen (so entfernt sie auch sein moegen), das sind Begriffe, deren Moeglichkeit ganz grundlos ist, weil sie nicht auf Erfahrung und deren bekannte Gesetze gegruendet werden kann, und ohne sie eine willkuerliche Gedankenverbindung ist, die, ob sie zwar keinen Widerspruch enthaelt, doch keinen Anspruch auf objektive Realitaet, mithin auf die Moeglichkeit eines solchen Gegenstandes, als man sich hier denken will, machen kann. Was Realitaet betrifft, so verbietet es sich wohl von selbst, sich eine solche in concreto zu denken, ohne die Erfahrung zu Hilfe zu nehmen, weil sie nur auf Empfindung, als Materie der Erfahrung, gehen kann, und nicht die Form des Verhaeltnisses betrifft, mit der man allenfalls in Erdichtungen spielen koennte. Aber ich lasse alles vorbei, dessen Moeglichkeit nur aus der Wirklichkeit in der Erfahrung kann abgenommen werden, und erwaege hier nur die Moeglichkeit der Dinge durch Begriffe a priori, von denen ich fortfahre zu behaupten, dass sie niemals aus solchen Begriffen fuer sich allein, sondern jederzeit nur als formale und objektive Bedingungen einer Erfahrung ueberhaupt stattfinden koennen. Es hat zwar den Anschein, als wenn die Moeglichkeit eines Triangels aus seinem Begriffe an sich selbst koenne erkannt werden (von der Erfahrung ist er gewiss unabhaengig); denn in der Tat koennen wir ihm gaenzlich a priori einen Gegenstand geben, d.i. ihn konstruieren. Weil dieses aber nur die Form von einem Gegenstande ist, so wuerde er doch immer nur ein Produkt der Einbildung bleiben, von dessen Gegenstand die Moeglichkeit noch zweifelhaft bliebe, als wozu noch etwas mehr erfordert wird, naemlich dass eine solche Figur unter lauter Bedingungen, auf denen alle Gegenstaende der Erfahrung beruhen, gedacht sei. Dass nun der Raum eine formale Bedingung a priori von aeusseren Erfahrungen ist, dass eben dieselbe bildende Synthesis, wodurch wir in der Einbildungskraft einen Triangel konstruieren, mit derjenigen gaenzlich einerlei sei, welche wir in der Apprehension einer Erscheinung ausueben, um uns davon einen Erfahrungsbegriff zu machen, das ist es allein, was mit diesem Begriffe die Vorstellung von der Moeglichkeit eines solchen Dinges verknuepft. Und so ist die Moeglichkeit kontinuierlicher Groessen, ja sogar der Groessen ueberhaupt, weil die Begriffe davon insgesamt synthetisch sind, niemals aus den Begriffen selbst, sondern aus ihnen, als formalen Bedingungen der Bestimmung der Gegenstaende in der Erfahrung ueberhaupt allererst klar; und wo sollte man auch Gegenstaende suchen wollen, die den Begriffen korrespondierten, waere es nicht in der Erfahrung, durch die uns allein Gegenstaende gegeben werden? wiewohl wir, ohne eben Erfahrung selbst voranzuschicken, bloss in Beziehung auf die formalen Bedingungen, unter welchen in ihr ueberhaupt etwas als Gegenstand bestimmt wird, mithin voellig a priori, aber doch nur in Beziehung auf sie, und innerhalb ihren Grenzen, die Moeglichkeit der Dinge erkennen und charakterisieren koennen. Das Postulat, die Wirklichkeit der Dinge zu erkennen, fordert Wahrnehmung, mithin Empfindung, deren man sich bewusst ist, zwar nicht eben unmittelbar, von dem Gegenstande selbst, dessen Dasein erkannt werden soll, aber doch Zusammenhang desselben mit irgendeiner wirklichen Wahrnehmung, nach den Analogien der Erfahrung, welche alle reale Verknuepfung in einer Erfahrung ueberhaupt darlegen. In dem blossen Begriffe eines Dinges kann gar kein Charakter seines Daseins angetroffen werden. Denn ob derselbe gleich noch so vollstaendig sei, dass nicht das mindeste ermangle, um ein Ding mit allen seinen inneren Bestimmungen zu denken, so hat das Dasein mit allem diesem doch gar nichts zu tun, sondern nur mit der Frage: ob ein solches Ding uns gegeben sei, so, dass die Wahrnehmung desselben vor dem Begriffe allenfalls vorhergehen koenne. Denn, dass der Begriff vor der Wahrnehmung vorhergeht, bedeutet dessen blosse Moeglichkeit; die Wahrnehmung aber, die den Stoff zum Begriff hergibt, ist der einzige Charakter der Wirklichkeit. Man kann aber auch vor der Wahrnehmung des Dinges, und also komparative a priori das Dasein desselben erkennen, wenn es nur mit einigen Wahrnehmungen, nach den Grundsaetzen der empirischen Verknuepfung derselben (den Analogien), zusammenhaengt. Denn alsdann haengt doch das Dasein des Dinges mit unseren Wahrnehmungen in einer moeglichen Erfahrung zusammen, und wir koennen nach dem Leitfaden jener Analogien, von unserer wirklichen Wahrnehmung zu dem Dinge in der Reihe moeglicher Wahrnehmungen gelangen. So erkennen wir das Dasein einer alle Koerper durchdringenden magnetischen Materie aus der Wahrnehmung des gezogenen Eisenfeiligs, obzwar eine unmittelbare Wahrnehmung dieses Stoffs uns nach der Beschaffenheit unserer Organe unmoeglich ist. Denn ueberhaupt wuerden wir, nach Gesetzen der Sinnlichkeit und dem Kontext unserer Wahrnehmungen, in einer Erfahrung auch auf die unmittelbare empirische Anschauung derselben stossen, wenn unsere Sinne feiner waeren, deren Grobheit die Form moeglicher Erfahrung ueberhaupt nichts angeht. Wo also Wahrnehmung und deren Anhang nach empirischen Gesetzen hinreicht, dahin reicht auch unsere Erkenntnis vom Dasein der Dinge. Fangen wir nicht von Erfahrung an, oder gehen wir nicht nach Gesetzen des empirischen Zusammenhanges der Erscheinungen fort, so machen wir uns vergeblich Staat, das Dasein irgendeines Dinges erraten oder erforschen zu wollen. Einen maechtigen Einwurf aber wider diese Regeln, das Dasein mittelbar zu beweisen, macht der Idealismus, dessen Widerlegung hier an der rechten Stelle, ist. Widerlegung des Idealismus Der Idealismus (ich verstehe den materialen) ist die Theorie, welche das Dasein der Gegenstaende im Raum ausser uns entweder bloss fuer zweifelhaft und unerweislich, oder fuer falsch und unmoeglich erklaert; der erstere ist der problematische des Cartesius, der nur Eine empirische Behauptung (assertio), naemlich: Ich bin, fuer ungezweifelt erklaert; der zweite ist der dogmatische des Berkeley, der den Raum, mit allen den Dingen, welchen er als unabtrennliche Bedingung anhaengt, fuer etwas, was an sich selbst unmoeglich sei, und darum auch die Dinge im Raum fuer blosse Einbildungen erklaert. Der dogmatische Idealismus ist unvermeidlich, wenn man den Raum als Eigenschaft, die den Dingen an sich selbst zukommen soll, ansieht; denn da ist er mit allem, dem er zur Bedingung dient, ein Unding. Der Grund zu diesem Idealismus aber ist von uns in der transzendentalen Aesthetik gehoben. Der problematische, der nichts hierueber behauptet, sondern nur das Unvermoegen, ein Dasein ausser dem unserigen durch unmittelbare Erfahrung zu beweisen, vorgibt, ist vernuenftig und einer gruendlichen philosophischen Denkungsart gemaess; naemlich, bevor ein hinreichender Beweis gefunden worden, kein entscheidendes Urteil zu erlauben. Der verlangte Beweis muss also dartun, dass wir von aeusseren Dingen auch Erfahrung und nicht bloss Einbildung haben; welches wohl nicht anders wird geschehen koennen, als wenn man beweisen kann, dass selbst unsere innere, dem Cartesius unbezweifelte, Erfahrung nur unter Voraussetzung aeusserer Erfahrung moeglich sei. Lehrsatz Das blosse, aber empirisch bestimmte, Bewusstsein meines eigenen Daseins beweist das Dasein der Gegenstaende im Raum ausser mir. Beweis Ich bin mir meines Daseins als in der Zeit bestimmt bewusst. Alle Zeitbestimmung setzt etwas Beharrliches in der Wahrnehmung voraus. Dieses Beharrliche aber kann nicht etwas in mir sein, weil eben mein Dasein in der Zeit durch dieses Beharrliche allererst bestimmt werden kann 1). Also ist die Wahrnehmung dieses Beharrlichen nur durch ein Ding ausser mir und nicht durch die blosse Vorstellung eines Dinges ausser mir moeglich. Folglich ist die Bestimmung meines Daseins in der Zeit nur durch die Existenz wirklicher Dinge, die ich ausser mir wahrnehme, moeglich. Nun ist das Bewusstsein in der Zeit mit dem Bewusstsein der Moeglichkeit dieser Zeitbestimmung notwendig verbunden: Also ist es auch mit der Existenz der Dinge ausser mir, als Bedingung der Zeitbestimmung, notwendig verbunden; d.i. das Bewusstsein meines eigenen Daseins ist zugleich ein unmittelbares Bewusstsein des Daseins anderer Dinge ausser mir. 1. Der Satz ist nach Kants Vorrede zu dieser zweiten Ausgabe folgendermassen umzuaendern: "Dieses Beharrliche aber kann nicht eine Anschauung in mir sein. Denn alle Bestimmungsgruende meines Daseins, die in mir angetroffen werden koennen, sind Vorstellungen, und beduerfen als solche, selbst ein von ihnen unterschiedenes Beharrliches, worauf in Beziehung der Wechsel derselben, mithin mein Dasein in der Zeit, darin sie wechseln, bestimmt werden koennen". Anmerkung 1. Man wird in dem vorhergehenden Beweise gewahr, dass das Spiel, welches der Idealismus trieb, ihm mit mehrerem Rechte umgekehrt vergolten wird. Dieser nahm an, dass die einzige unmittelbare Erfahrung die innere sei, und daraus auf aeussere Dinge nur geschlossen werde, aber, wie allemal, wenn man aus gegebenen Wirkungen auf bestimmte Ursachen schliesst, nur unzuverlaessig, weil auch in uns selbst die Ursache der Vorstellungen liegen kann, die wir aeusseren Dingen, vielleicht faelschlich, zuschreiben. Allein hier wird bewiesen, dass aeussere Erfahrung eigentlich unmittelbar sei,* dass nur vermittelst ihrer, zwar nicht das Bewusstsein unserer eigenen Existenz, aber doch die Bestimmung derselben in der Zeit, d.i. innere Erfahrung, moeglich sei. Freilich ist die Vorstellung: ich bin, die das Bewusstsein ausdrueckt, welches alles Denken begleiten kann, das, was unmittelbar die Existenz eines Subjekts in sich schliesst, aber noch keine Erkenntnis desselben, mithin auch nicht empirische, d.i. Erfahrung; denn dazu gehoert, ausser dem Gedanken von etwas Existierendem, noch Anschauung und hier innere, in Ansehung deren, d.i. der Zeit, das Subjekt bestimmt werden muss, wozu durchaus aeussere Gegenstaende erforderlich sind, so, dass folglich innere Erfahrung selbst nur mittelbar und nur durch aeussere moeglich ist. * Das unmittelbare Bewusstsein des Daseins aeusserer Dinge wird in dem vorstehenden Lehrsatze nicht vorausgesetzt, sondern bewiesen, die Moeglichkeit dieses Bewusstseins moegen wir einsehen, oder nicht. Die Frage wegen der letzteren wuerde sein: ob wir nur einen inneren Sinn, aber keinen aeusseren, sondern bloss aeussere Einbildung haetten. Es ist aber klar, dass, um uns auch nur etwas als aeusserlich einzubilden, d.i. dem Sinne in der Anschauung darzustellen, wir schon einen aeusseren Sinn haben, und dadurch die blosse Rezeptivitaet einer aeusseren Anschauung von der Spontaneitaet, die jede Einbildung charakterisiert, unmittelbar unterscheiden muessen. Denn sich auch einen aeusseren Sinn bloss einzubilden, wuerde das Anschauungsvermoegen, welches durch die Einbildungskraft bestimmt werden soll, selbst vernichten. Anmerkung 2. Hiermit stimmt nun aller Erfahrungsgebrauch unseres Erkenntnisvermoegens in Bestimmung der Zeit vollkommen ueberein. Nicht allein, dass wir alle Zeitbestimmung nur durch den Wechsel in aeusseren Verhaeltnissen (die Bewegung) in Beziehung auf das Beharrliche im Raume (z.B. Sonnenbewegung in Ansehung der Gegenstaende. der Erde,) vornehmen koennen, so haben wir so gar nichts Beharrliches, was wir dem Begriffe einer Substanz, als Anschauung, unterlegen koennten, als bloss die Materie und selbst diese Beharrlichkeit wird nicht aus aeusserer Erfahrung geschoepft, sondern a priori als notwendige Bedingung aller Zeitbestimmung, mithin auch als Bestimmung des inneren Sinnes in Ansehung unseres eigenen Daseins durch die Existenz aeusserer Dinge vorausgesetzt. Das Bewusstsein meiner selbst in der Vorstellung Ich ist gar keine Anschauung, sondern eine bloss intellektuelle Vorstellung der Selbsttaetigkeit eines denkenden Subjekts. Daher hat dieses Ich auch nicht das mindeste Praedikat der Anschauung, welches, als beharrlich, der Zeitbestimmung im inneren Sinne zum Korrelat dienen koennte: wie etwa Undurchdringlichkeit an der Materie, als empirischer Anschauung, ist. Anmerkung 3. Daraus, dass die Existenz aeusserer Gegenstaende zur Moeglichkeit eines bestimmten Bewusstseins unserer selbst erfordert wird, folgt nicht, dass jede anschauliche Vorstellung aeusserer Dinge zugleich die Existenz derselben einschliesse, denn jene kann gar wohl die blosse Wirkung der Einbildungskraft (in Traeumen sowohl als im Wahnsinn) sein; sie ist es aber bloss durch die Reproduktion ehemaliger aeusserer Wahrnehmungen, welche, wie gezeigt worden, nur durch die Wirklichkeit aeusserer Gegenstaende moeglich sind. Es hat hier, nur, bewiesen werden sollen, dass innere Erfahrung ueberhaupt nur durch aeussere Erfahrung ueberhaupt moeglich sei. Ob diese oder jene vermeinte Erfahrung nicht blosse Einbildung sei, muss nach den besonderen Bestimmungen derselben und durch Zusammenhaltung mit den Kriterien aller wirklichen Erfahrung, ausgemittelt werden. * * * Was endlich das dritte Postulat betrifft, so geht es auf die materiale Notwendigkeit im Dasein, und nicht die bloss formale und logische in Verknuepfung der Begriffe. Da nun keine Existenz der Gegenstaende der Sinne voellig a priori erkannt werden kann, aber doch komparative a priori relativisch auf ein anderes schon gegebenes Dasein, gleichwohl aber auch alsdann nur auf diejenige Existenz kommen kann, die irgendwo in dem Zusammenhange der Erfahrung, davon die gegebene Wahrnehmung ein Teil ist, enthalten sein muss: so kann die Notwendigkeit der Existenz, niemals aus Begriffen, sondern jederzeit nur aus der Verknuepfung mit demjenigen, was wahrgenommen wird, nach allgemeinen Gesetzen der Erfahrung erkannt werden koennen. Da ist nun kein Dasein, was unter der Bedingung anderer gegebener Erscheinungen, als notwendig erkannt werden koennte, als das Dasein der Wirkungen aus gegebenen Ursachen nach Gesetzen der Kausalitaet. Also ist es nicht das Dasein der Dinge (Substanzen), sondern ihres Zustandes, wovon wir allein die Notwendigkeit erkennen koennen, und zwar aus anderen Zustaenden, die in der Wahrnehmung gegeben sind, nach empirischen Gesetzen der Kausalitaet. Hieraus folgt: dass das Kriterium der Notwendigkeit lediglich in dem Gesetze der moeglichen Erfahrung liege: dass alles, was geschieht, durch ihre Ursache in der Erscheinung a priori bestimmt sei. Daher erkennen wir nur die Notwendigkeit der Wirkungen in der Natur, deren Ursachen uns gegeben sind, und das Merkmal der Notwendigkeit im Dasein reicht nicht weiter, als das Feld moeglicher Erfahrung, und selbst in diesem gilt es nicht von der Existenz der Dinge, als Substanzen, weil diese niemals, als empirische Wirkungen, oder etwas, das geschieht und entsteht, koennen angesehen werden. Die Notwendigkeit betrifft also nur die Verhaeltnisse der Erscheinungen nach dem dynamischen Gesetze der Kausalitaet, und die darauf sich gruendende Moeglichkeit, aus irgendeinem gegebenen Dasein (einer Ursache) a priori auf ein anderes Dasein (der Wirkung) zu schliessen. Alles, was geschieht, ist hypothetisch notwendig; das ist ein Grundsatz, welcher die Veraenderung in der Welt einem Gesetze unterwirft, d.i. einer Regel des notwendigen Daseins, ohne welche gar nicht einmal Natur stattfinden wuerde. Daher ist der Satz: nichts geschieht durch ein blindes Ohngefaehr (in mundo non datur casus) ein Naturgesetz a priori; imgleichen: keine Notwendigkeit in der Natur ist blinde, sondern bedingte, mithin verstaendliche Notwendigkeit (non datur fatum). Beide sind solche Gesetze, durch welche das Spiel der Veraenderungen einer Natur der Dinge (als Erscheinungen) unterworfen wird, oder, welches einerlei ist, der Einheit des Verstandes, in welchem sie allein zu einer Erfahrung, als der synthetischen Einheit der Erscheinungen, gehoeren koennen. Diese beiden Grundsaetze gehoeren zu den dynamischen. Der erstere ist eigentlich eine Folge des Grundsatzes von der Kausalitaet (unter den Analogien der Erfahrung). Der zweite gehoert zu den Grundsaetzen der Modalitaet, welche zu der Kausalbestimmung noch den Begriff der Notwendigkeit, die aber unter einer Regel des Verstandes steht, hinzutut. Das Prinzip der Kontinuitaet verbot in der Reihe der Erscheinungen (Veraenderungen) allen Absprung (in mundo non datur saltus), aber auch in dem Inbegriff aller empirischen Anschauungen im Raume alle Luecke oder Kluft zwischen zwei Erscheinungen (non datur hiatus); denn so kann man den Satz ausdruecken: das in die Erfahrung nichts hineinkommen kann, was ein Vakuum bewiese, oder auch nur als einen Teil der empirischen Synthesis zuliesse. Denn was das Leere betrifft, welches man sich ausserhalb dem Felde moeglicher Erfahrung (der Welt) denken mag, so gehoert dieses nicht vor die Gerichtsbarkeit des blossen Verstandes, welcher nur ueber die Fragen entscheidet, die die Nutzung gegebener Erscheinungen zur empirischen Erkenntnis betreffen, und ist eine Aufgabe fuer die idealische Vernunft, die noch ueber die Sphaere einer moeglichen Erfahrung hinausgeht, und von dem urteilen will, was diese selbst umgibt und begrenzt, muss daher in der transszendentalen Dialektik erwogen werden. Diese vier Saetze (in mundo non datur hiatus, non datur saltus, non datur casus, non datur fatum) koennten wir leicht, so wie alle Grundsaetze transzendentalen Ursprungs, nach ihrer Ordnung, gemaess der Ordnung der Kategorien vorstellig machen, und jedem seine Stelle beweisen, allein der schon geuebte Leser wird dieses von selbst tun, oder den Leitfaden dazu leicht entdecken. Sie vereinigen sich aber alle lediglich dahin, um in der empirischen Synthesis nichts zuzulassen, was dem Verstande und dem kontinuierlichen Zusammenhange aller Erscheinungen, d.i. der Einheit seiner Begriffe, Abbruch oder Eintrag tun koennte. Denn er ist es allein, worin die Einheit der Erfahrung, in der alle Wahrnehmungen ihre Stelle haben muessen, moeglich wird. Ob das Feld der Moeglichkeit groesser sei, als das Feld, was alles Wirkliche enthaelt, dieses aber wiederum groesser, als die Menge desjenigen, was notwendig ist, das sind artige Fragen, und zwar von synthetischer Aufloesung, die aber auch nur der Gerichtsbarkeit der Vernunft anheimfallen; denn sie wollen ungefaehr soviel sagen, als, ob alle Dinge, als Erscheinungen, insgesamt in den Inbegriff und den Kontext einer einzigen Erfahrung gehoeren, von der jede gegebene Wahrnehmung ein Teil ist, der also mit keinen anderen Erscheinungen koenne verbunden werden, oder ob meine Wahrnehmungen zu mehr als einer moeglichen Erfahrung (in ihrem allgemeinen Zusammenhange) gehoeren koennen. Der Verstand gibt a priori der Erfahrung ueberhaupt nur die Regel, nach den subjektiven und formalen Bedingungen, sowohl der Sinnlichkeit als der Apperzeption, welche sie allein moeglich machen. Andere Formen der Anschauung, (als Raum und Zeit,) imgleichen andere Formen des Verstandes, (als die diskursive des Denkens, oder der Erkenntnis durch Begriffe,) ob sie gleich moeglich waeren, koennen wir uns doch auf keinerlei Weise erdenken und fasslich machen, aber, wenn wir es auch koennten, so wuerden sie doch nicht zur Erfahrung, als dem einzigen Erkenntnis gehoeren, worin uns Gegenstaende gegeben werden. Ob andere Wahrnehmungen, als ueberhaupt, zu unserer gesamten moeglichen Erfahrung gehoeren, und also ein ganz anderes Feld der Materie noch stattfinden koenne, kann der Verstand nicht entscheiden, er hat es nur mit der Synthesis dessen zu tun, was gegeben ist. Sonst ist die Armseligkeit unserer gewoehnlichen Schluesse, wodurch wir ein grosses Reich der Moeglichkeit herausbringen, davon alles Wirkliche (aller Gegenstand der Erfahrung) nur ein kleiner Teil sei, sehr in die Augen fallend. Alles Wirkliche ist moeglich; hieraus folgt natuerlicherweise, nach den logischen Regeln der Umkehrung, der bloss partikulare Satz: einiges Moegliche ist wirklich, welches denn soviel zu bedeuten scheint, als: es ist vieles moeglich, was nicht wirklich ist. Zwar hat es den Anschein, als koenne man auch geradezu die Zahl des Moeglichen ueber die des Wirklichen dadurch hinaussetzen, weil zu jener noch etwas hinzukommen muss, um diese auszumachen. Allein dieses Hinzukommen zum Moeglichen kenne ich nicht. Denn was ueber dasselbe noch zugesetzt werden sollte, waere unmoeglich. Es kann nur zu meinem Verstande etwas ueber die Zusammenstimmung mit den formalen Bedingungen der Erfahrung, naemlich die Verknuepfung mit irgendeiner Wahrnehmung, hinzukommen; was aber mit dieser nach empirischen Gesetzen verknuepft ist, ist wirklich, ob es gleich unmittelbar nicht wahrgenommen wird. Dass aber im durchgaengigen Zusammenhange mit dem, was mir in der Wahrnehmung gegeben ist, eine andere Reihe von Erscheinungen, mithin mehr als eine einzige alles befassende Erfahrung moeglich sei, laesst sich aus dem, was gegeben ist, nicht schliessen, und, ohne dass irgend etwas gegeben ist, noch viel weniger; weil ohne Stoff sich ueberall nichts denken laesst. Was unter Bedingungen, die selbst bloss moeglich sind, allein moeglich ist, ist es nicht in aller Absicht. In dieser aber wird die Frage genommen, wenn man wissen will, ob die Moeglichkeit der Dinge sich weiter erstrecke, als Erfahrung reichen kann. Ich habe dieser Fragen nur Erwaehnung getan, um keine Luecke in demjenigen zu lassen, was, der gemeinen Meinung nach, zu den Verstandesbegriffen gehoert. In der Tat ist aber die absolute Moeglichkeit (die in aller Absicht gueltig ist) kein blosser Verstandesbegriff, und kann auf keinerlei Weise von empirischem Gebrauche sein, sondern er gehoert allein der Vernunft zu, die ueber allen moeglichen empirischen Verstandesgebrauch hinausgeht. Daher haben wir uns hierbei mit einer bloss kritischen Anmerkung begnuegen muessen, uebrigens aber die Sache bis zum weiteren kuenftigen Verfahren in der Dunkelheit gelassen. Da ich eben diese vierte Nummer, und mit ihr zugleich das System aller Grundsaetze des reinen Verstandes schliessen will, so muss ich noch Grund angeben, warum ich die Prinzipien der Modalitaet gerade Postulate genannt habe. Ich will diesen Ausdruck hier nicht in der Bedeutung nehmen, welche ihm einige neuere philosophische Verfasser, wider den Sinn der Mathematiker, denen er doch eigentlich angehoert, gegeben haben, naemlich: dass Postulieren so viel heissen solle, als einen Satz fuer unmittelbar gewiss, ohne Rechtfertigung, oder Beweis ausgeben; denn, wenn wir das bei synthetischen Saetzen, so evident sie auch sein moegen, einraeumen sollten, dass man sie ohne Deduktion, auf das Ansehen ihres eigenen Ausspruchs, dem unbedingten Beifalle aufheften duerfe, so ist alle Kritik des Verstandes verloren, und, da es an dreisten Anmassungen nicht fehlt, deren sich auch der gemeine Glaube, (der aber kein Kreditiv ist) nicht weigert; so wird unser Verstand jedem Wahne offen stehen, ohne dass er seinen Beifall denen Ausspruechen versagen kann, die, obgleich unrechtmaessig, doch in eben demselben Tone der Zuversicht, als wirkliche Axiome eingelassen zu werden verlangen. Wenn also zu dem Begriffe eines Dinges eine Bestimmung a priori synthetisch hinzukommt, so muss von einem solchen Satze, wo nicht ein Beweis, doch wenigstens eine Deduktion der Rechtmaessigkeit seiner Behauptung unnachlaesslich hinzugefuegt werden. Die Grundsaetze der Modalitaet sind aber nicht objektiv synthetisch, weil die Praedikate der Moeglichkeit, Wirklichkeit und Notwendigkeit den Begriff, von dem sie gesagt werden, nicht im mindesten vermehren, dadurch dass sie der Vorstellung des Gegenstandes noch etwas hinzusetzten. Da sie aber gleichwohl doch immer synthetisch sind, so sind sie es nur subjektiv, d.i. sie fuegen zu dem Begriffe eines Dinges, (Realen,) von dem sie sonst nichts sagen, die Erkenntniskraft hinzu, worin er entspringt und seinen Sitz hat, so, dass, wenn er bloss im Verstande mit den formalen Bedingungen der Erfahrung in Verknuepfung ist, sein Gegenstand moeglich heisst; ist er mit der Wahrnehmung (Empfindung, als Materie der Sinne) im Zusammenhange, und durch dieselben vermittelst des Verstandes bestimmt, so ist das Objekt wirklich; ist er durch den Zusammenhang der Wahrnehmungen nach Begriffen bestimmt, so heisst der Gegenstand notwendig. Die Grundsaetze der Modalitaet also sagen von einem Begriffe nichts anderes, als die Handlung des Erkenntnisvermoegens, dadurch er erzeugt wird. Nun heisst ein Postulat in der Mathematik der praktische Satz, der nichts als die Synthesis enthaelt, wodurch wir einen Gegenstand uns zuerst geben, und dessen Begriff erzeugen, z.B. mit einer gegebenen Linie, aus einem gegebenen Punkt auf einer Ebene einen Zirkel zu beschreiben, und ein dergleichen Satz kann darum nicht bewiesen werden, weil das Verfahren, was er fordert, gerade das ist, wodurch wir den Begriff von einer solchen Figur zuerst erzeugen. So koennen wir demnach mit ebendemselben Rechte die Grundsaetze der Modalitaet postulieren, weil sie ihren Begriff von Dingen ueberhaupt nicht vermehren*, sondern nur die Art anzeigen, wie er ueberhaupt mit der Erkenntniskraft verbunden wird. * Durch die Wirklichkeit eines Dinges, setze ich freilich mehr, als die Moeglichkeit, aber nicht in dem Dinge; denn das kann niemals mehr in der Wirklichkeit enthalten, als was in dessen vollstaendiger Moeglichkeit enthalten war. Sondern da die Moeglichkeit bloss eine Position des Dinges in Beziehung auf den Verstand (dessen empirischen Gebrauch) war, so ist die Wirklichkeit zugleich eine Verknuepfung desselben mit der Wahrnehmung. Allgemeine Anmerkung zum System der Grundsaetze Es ist etwas sehr Bemerkungswuerdiges, dass wir die Moeglichkeit keines Dinges nach der blossen Kategorie einsehen koennen, sondern immer eine Anschauung bei der Hand haben muessen, um an derselben die objektive Realitaet des reinen Verstandesbegriffs darzulegen. Man nehme z.B. die Kategorien der Relation. Wie l) etwas nur als Subjekt, nicht als blosse Bestimmung anderer Dinge existieren, d.i. Substanz sein koenne, oder wie 2) darum, weil etwas ist, etwas anderes sein muesse, mithin wie, etwas ueberhaupt Ursache sein koenne, oder 3) wie, wenn mehrere Dinge da sind, daraus, dass eines derselben da ist, etwas auf die uebrigen und so wechselseitig folge, und auf diese Art eine Gemeinschaft von Substanzen statthaben koenne, laesst sich gar nicht aus blossen Begriffen einsehen. Eben dieses gilt auch von den uebrigen Kategorien, z.B. wie ein Ding mit vielen zusammen einerlei, d.i. eine Groesse sein koenne usw. Solange es also an Anschauung fehlt, weiss man nicht, ob man durch die Kategorien ein Objekt denkt, und ob ihnen auch ueberall gar irgend ein Objekt zukommen koenne, und so bestaetigt sich, dass sie fuer sich gar keine Erkenntnisse, sondern blosse Gedankenformen sind, um aus gegebenen Anschauungen Erkenntnisse zu machen. - Eben daher kommt es auch, dass aus blossen Kategorien kein synthetischer Satz gemacht werden kann. Z.B. in allem Dasein ist Substanz, d.i. etwas, was nur als Subjekt und nicht als blosses Praedikat existieren kann; oder, ein jedes Ding ist ein Quantum usw., wo gar nichts ist, was uns dienen koennte, ueber einen gegebenen Begriff hinauszugehen und einen anderen damit zu verknuepfen. Daher es auch niemals gelungen ist, aus blossen reinen Verstandesbegriffen einen synthetischen Satz zu beweisen, z.B. den Satz: alles zufaellig Existierende hat eine Ursache. Man konnte niemals weiter kommen, als zu beweisen, dass, ohne diese Beziehung, wir die Existenz des Zufaelligen gar nicht begreifen, d.i. a priori durch den Verstand die Existenz eines solchen Dinges nicht erkennen koennten; woraus aber nicht folgt, dass eben dieselbe auch die Bedingung der Moeglichkeit der Sachen selbst sei. Wenn man daher nach unserem Beweise des Grundsatzes der Kausalitaet zurueck sehen will, so wird man gewahr werden, dass wir denselben nur von Objekten moeglicher Erfahrung beweisen konnten: alles was geschieht (eine jede Begebenheit) setzt eine Ursache voraus, und zwar so, dass wir ihn auch nur als Prinzip der Moeglichkeit der Erfahrung, mithin der Erkenntnis eines in der empirischen Anschauung gegebenen Objekts, und nicht aus blossen Begriffen beweisen konnten. Dass gleichwohl der Satz: alles Zufaellige muesse eine Ursache haben, doch jedermann aus blossen Begriffen klar einleuchte, ist nicht zu leugnen; aber alsdann ist der Begriff des Zufaelligen schon so gefasst, dass er nicht die Kategorie der Modalitaet (als etwas, dessen Nichtsein sich denken laesst), sondern die der Relation (als etwas, das nur als Folge von einem anderen existieren kann) enthaelt, und da ist es freilich ein identischer Satz: was nur als Folge existieren kann, hat seine Ursache. In der Tat, wenn wir Beispiele vom zufaelligen Dasein geben sollen, berufen wir uns immer auf Veraenderungen und nicht bloss auf die Moeglichkeit des Gedankens vom Gegenteil*. Veraenderung aber ist Begebenheit, die, als solche, nur durch eine Ursache moeglich, deren Nichtsein also fuer sich moeglich ist, und so erkennt man die Zufaelligkeit daraus, dass etwas nur als Wirkung einer Ursache existieren kann; wird daher ein Ding als zufaellig angenommen, so ist's ein analytischer Satz, zu sagen, es habe eine Ursache. * Man kann sich das Nichtsein der Materie leicht denken, aber die Alten folgerten daraus doch nicht ihre Zufaelligkeit. Allein selbst der Wechsel des Seins und Nichtseins eines gegebenen Zustandes eines Dinges, darin alle Veraenderung besteht, beweist gar nicht die Zufaelligkeit dieses Zustandes, gleichsam aus der Wirklichkeit seines Gegenteils, z.B. die Ruhe eines Koerpers, welche auf die Bewegung folgt, noch nicht die Zufaelligkeit der Bewegung desselben, daraus, weil die erstere das Gegenteil der letzteren ist. Denn dieses Gegenteil ist hier nur logisch, nicht realiter dem anderen entgegengesetzt. Man muesste beweisen, dass, anstatt der Bewegung im vorhergehenden Zeitpunkte, es moeglich gewesen, dass der Koerper damals geruht hatte, um die Zufaelligkeit seiner Bewegung zu beweisen, nicht dass er hernach ruhe; denn da koennen beide Gegenteile gar wohl miteinander bestehen. Noch merkwuerdiger aber ist, dass wir, um die Moeglichkeit der Dinge, zufolge der Kategorien, zu verstehen, und also die objektive Realitaet der letzteren darzutun, nicht bloss Anschauungen, sondern sogar immer aeussere Anschauungen beduerfen. Wenn wir z.B. die reinen Begriffe der Relation nehmen, so finden wir, dass l) um dem Begriffe der Substanz korrespondierend etwas Beharrliches in der Anschauung zu geben, (und dadurch die objektive Realitaet dieses Begriffs darzutun) wir eine Anschauung im Raume (der Materie) beduerfen, weil der Raum allem beharrlich bestimmt, die Zeit aber, mithin alles, was im inneren Sinne ist, bestaendig fliesst. Um Veraenderung, als die dem Begriffe der Kausalitaet korrespondierende Anschauung, darzustellen, muessen wir Bewegung, als Veraenderung im Raume, zum Beispiele nehmen, ja sogar dadurch allein koennen wir uns Veraenderungen, deren Moeglichkeit kein reiner Verstand begreifen kann, anschaulich machen. Veraenderung ist Verbindung kontradiktorisch einander entgegengesetzter Bestimmungen im Dasein eines und desselben Dinges. Wie es nun moeglich sei, dass aus einem gegebenen Zustande, ein ihm entgegengesetzter desselben Dinges folge, kann nicht allein keine Vernunft sich ohne Beispiel begreiflich, sondern nicht einmal ohne Anschauung verstaendlich machen, und diese Anschauung ist die der Bewegung eines Punktes im Raume, dessen Dasein in verschiedenen Ortern (als eine Folge entgegengesetzter Bestimmungen) zuerst uns allein Veraenderung anschaulich macht; denn, um uns nachher selbst innere Veraenderungen denkbar zu machen, muessen wir die Zeit, als die Form des inneren Sinnes, figuerlich durch eine Linie, und die innere Veraenderung durch das Ziehen dieses Linie (Bewegung), mithin die sukzessive Existenz unser selbst in verschiedenem Zustande durch aeussere Anschauung uns fasslich machen, wovon der eigentliche Grund dieser ist, dass alle Veraenderung etwas Beharrliches in der Anschauung voraussetzt, um auch selbst nur als Veraenderung wahrgenommen zu werden, im inneren Sinne aber gar keine beharrliche Anschauung angetroffen wird. - Endlich ist die Kategorie der Gemeinschaft, ihrer Moeglichkeit nach, gar nicht durch die blosse Vernunft zu begreifen, und also die objektive Realitaet dieses Begriffs ohne Anschauung, und zwar aeussere im Raum, nicht einzusehen moeglich. Denn wie will man sich die Moeglichkeit denken, dass, wenn mehrere Substanzen existieren, aus der Existenz der einen auf die Existenz der anderen wechselseitig etwas (als Wirkung) folgen koenne, und also, weil in der ersteren etwas ist, darum auch in den anderen etwas sein muesse, was aus der Existenz der letzteren allein nicht verstanden werden kann? Denn dieses wird zur Gemeinschaft erfordert, ist aber unter Dingen, die sich ein jedes durch seine Subsistenz voellig isolieren, gar nicht begreiflich. Daher Leibniz, indem er den Substanzen der Welt, nur, wie sie der Verstand allein denkt, eine Gemeinschaft beilegte, eine Gottheit zur Vermittlung brauchte; denn aus ihrem Dasein allein schien sie ihm mit Recht unbegreiflich. Wir koennen aber die Moeglichkeit der Gemeinschaft (der Substanzen als Erscheinungen) uns gar wohl fasslich machen, wenn wir sie uns im Raume, also in der aeusseren Anschauung vorstellen. Denn dieser enthaelt schon a priori formale aeussere Verhaeltnisse als Bedingungen der Moeglichkeit der realen (in Wirkung und Gegenwirkung, mithin der Gemeinschaft) in sich. - Ebenso kann leicht dargetan werden, dass die Moeglichkeit der Dinge als Groessen, und also die objektive Realitaet der Kategorie der Groesse, auch nur in der aeusseren Anschauung koenne dargelegt, und vermittelst ihrer allein hernach auch auf den inneren Sinn angewandt werden. Allein ich muss, um Weitlaeufigkeit zu vermeiden, die Beispiele davon dem Nachdenken dem Lesers ueberlassen. Diese ganze Bemerkung ist von grosser Wichtigkeit, nicht allein um unsere vorhergehende Widerlegung des Idealismus zu bestaetigen, sondern vielmehr noch, um, wenn vom Selbsterkenntnisse aus dem blossen inneren Bewusstsein und der Bestimmung unserer Natur ohne Beihilfe aeusserer empirischer Anschauungen die Rede sein wird, uns die Schranken der Moeglichkeit einer solchen Erkenntnis anzuzeigen. Die letzte Folgerung aus diesem ganzen Abschnitte ist also: alle Grundsaetze des reinen Verstandes sind nichts weiter als Prinzipien a priori der Moeglichkeit der Erfahrung, und auf die letztere allein beziehen sich auch alle synthetischen Saetze a priori, ja ihre Moeglichkeit beruht selbst gaenzlich auf dieser Beziehung. Der transzendentalen Doktrin der Urteilskraft (Analytik der Grundsaetze) Drittes Hauptstueck Von dem Grunde der Unterscheidung aller Gegenstaende ueberhaupt in Phaenomena und Noumena Wir haben jetzt das Land des reinen Verstandes nicht allein durchreist, und jeden Teil davon sorgfaeltig in Augenschein genommen, sondern es auch durchmessen, und jedem Dinge auf demselben seine Stelle bestimmt. Dieses Land aber ist eine Insel, und durch die Natur selbst in unveraenderliche Grenzen eingeschlossen. Es ist das Land der Wahrheit (ein reizender Name), umgeben von einem weiten und stuermischen Ozeane, dem eigentlichen Sitze des Scheins, wo manche Nebelbank, und manches bald wegschmelzende Eis neue Laender luegt, und indem es den auf Entdeckungen herumschwaermenden Seefahrer unaufhoerlich mit leeren Hoffnungen taeuscht, ihn in Abenteuer verflechtet, von denen er niemals ablassen und sie doch auch niemals zu Ende bringen kann. Ehe wir uns aber auf dieses Meer wagen, um es nach allen Breiten zu durchsuchen, und gewiss zu werden, ob etwas in ihnen zu hoffen sei, so wird es nuetzlich sein, zuvor noch einen Blick auf die Karte des Landes zu werfen, das wir eben verlassen wollen, und erstlich zu fragen, ob wir mit dem, was es in sich enthaelt, nicht allenfalls zufrieden sein koennten, oder auch aus Not zufrieden sein muessen, wenn es sonst ueberall keinen Boden gibt, auf dem wir uns anbauen koennten; zweitens, unter welchem Titel wir denn selbst dieses Land besitzen, und uns wider alle feindseligen Ansprueche gesichert halten koennen. Obschon wir diese Fragen in dem Lauf der Analytik schon hinreichend beantwortet haben, so kann doch ein summarischer Ueberschlag ihrer Aufloesungen die Ueberzeugung dadurch verstaerken, dass er die Momente derselben in einem Punkt vereinigt. Wir haben naemlich gesehen: dass alles, was der Verstand aus sich selbst schoepft, ohne es von der Erfahrung zu borgen, das habe er dennoch zu keinem anderen Behuf, als lediglich zum Erfahrungsgebrauch. Die Grundsaetze des reinen Verstandes, sie moegen nun a priori konstitutiv sein (wie die mathematischen), oder bloss regulativ (wie die dynamischen), enthalten nichts als gleichsam nur das reine Schema zur moeglichen Erfahrung; denn diese hat ihre Einheit nur von der synthetischen Einheit, welche der Verstand der Synthesis der Einbildungskraft in Beziehung auf die Apperzeption urspruenglich und von selbst erteilt, und auf welche die Erscheinungen, als data zu einem moeglichen Erkenntnisse, schon a priori in Beziehung und Einstimmung stehen muessen. Ob nun aber gleich diese Verstandesregeln nicht allein a priori wahr sind, sondern sogar der Quell aller Wahrheit, d.i. der Uebereinstimmung unserer Erkenntnis mit Objekten, dadurch, dass sie den Grund der Moeglichkeit der Erfahrung, als des Inbegriffes aller Erkenntnis, darin uns Objekte gegeben werden moegen, in sich enthalten, so scheint es uns doch nicht genug, sich bloss dasjenige vortragen zu lassen, was wahr ist, sondern, was man zu wissen begehrt. Wenn wir also durch diese kritische Untersuchung nichts Mehreres lernen, als was wir im bloss empirischen Gebrauche des Verstandes, auch ohne so subtile Nachforschung, von selbst wohl wuerden ausgeuebt haben, so scheint es, sei der Vorteil, den man aus ihr zieht, den Aufwand und die Zuruestung nicht wert. Nun kann man zwar hierauf antworten: dass kein Vorwitz der Erweiterung unserer Erkenntnis nachteiliger sei, als der, so den Nutzen jederzeit zum voraus wissen will, ehe man sich auf Nachforschungen einlaesst, und ehe man noch sich den mindesten Begriff von diesem Nutzen machen koennte, wenn derselbe auch vor Augen gestellt wuerde. Allein es gibt doch einen Vorteil, der auch dem schwierigsten und unlustigsten Lehrlinge solcher transzendentalen Nachforschung begreiflich, und zugleich angelegen gemacht werden kann, naemlich dieser: dass der bloss mit seinem empirischen Gebrauche beschaeftigte Verstand, der ueber die Quellen seiner eigenen Erkenntnis nicht nachsinnt, zwar sehr gut fortkommen, eines aber gar nicht leisten koenne, naemlich, sich selbst die Grenzen seines Gebrauchs zu bestimmen, und zu wissen, was innerhalb oder ausserhalb seiner ganzen Sphaere liegen mag; denn dazu werden eben die tiefen Untersuchungen erfordert, die wir angestellt haben. Kann er aber nicht unterscheiden, ob gewisse Fragen in seinem Horizonte liegen, oder nicht, so ist er niemals seiner Ansprueche und seines Besitzes sicher, sondern darf sich nur auf vielfaeltige beschaemende Zurechtweisungen Rechnung machen, wenn er die Grenzen seines Gebiets (wie es unvermeidlich ist) unaufhoerlich ueberschreitet, und sich in Wahn und Blendwerke verirrt. Dass also der Verstand von allen seinen Grundsaetzen a priori, ja von allen seinen Begriffen keinen anderen als empirischen, niemals aber einen transzendentalen Gebrauch machen koenne, ist ein Satz, der, wenn er mit Ueberzeugung erkannt werden kann, in wichtige Folgen hinaussieht. Der transzendentale Gebrauch eines Begriffs in irgendeinem Grundsatze ist dieser: dass er auf Dinge ueberhaupt und an sich selbst, der empirische aber, wenn er bloss auf Erscheinungen, d.i. Gegenstaende einer moeglichen Erfahrung, bezogen wird. Dass aber ueberall nur der letztere stattfinden koenne, ersieht man daraus. Zu jedem Begriff wird erstlich die logische Form eines Begriffs (des Denkens) ueberhaupt, und dann zweitens auch die Moeglichkeit, ihm einen Gegenstand zu geben, darauf er sich beziehe, erfordert. Ohne diesen letzteren hat er keinen Sinn, und ist voellig leer an Inhalt, ob er gleich noch immer die logische Funktion enthalten mag, aus etwaigen datis einen Begriff zu machen. Nun kann der Gegenstand einem Begriffe nicht anders gegeben werden, als in der Anschauung, und, wenn eine reine Anschauung noch vor dem Gegenstande a priori moeglich ist, so kann doch auch diese selbst ihren Gegenstand, mithin die objektive Gueltigkeit, nur durch die empirische Anschauung bekommen, wovon sie die blosse Form ist. Also beziehen sich alle Begriffe und mit ihnen alle Grundsaetze, so sehr sie auch a priori moeglich sein moegen, dennoch auf empirische Anschauungen, d.i. auf data zur moeglichen Erfahrung. Ohne dieses haben sie gar keine objektive Gueltigkeit, sondern sind ein blosses Spiel, es sei der Einbildungskraft, oder des Verstandes, respektive mit ihren Vorstellungen. Man nehme nur die Begriffe der Mathematik zum Beispiele, und zwar erstlich in ihren reinen Anschauungen. Der Raum hat drei Abmessungen, zwischen zwei Punkten kann nur eine gerade Linie sein, usw. Obgleich alle diese Grundsaetze, und die Vorstellung des Gegenstandes, womit sich jene Wissenschaft beschaeftigt, voellig a priori im Gemuet erzeugt werden, so wuerden sie doch gar nichts bedeuten, koennten wir nicht immer an Erscheinungen (empirischen Gegenstaenden) ihre Bedeutung darlegen. Daher erfordert man auch, einen abgesonderten Begriff sinnlich zu machen, d.i. das ihm korrespondierende Objekt in der Anschauung darzulegen, weil, ohne dieses, der Begriff (wie man sagt) ohne Sinn, d.i. ohne Bedeutung bleiben wuerde. Die Mathematik erfuellt diese Forderung durch die Konstruktion der Gestalt, welche eine den Sinnen gegenwaertige (obzwar a priori zustande gebrachte) Erscheinung ist. Der Begriff der Groesse sucht in eben der Wissenschaft seine Haltung und Sinn in der Zahl, diese aber an den Fingern, den Korallen des Rechenbretts, oder den Strichen und Punkten, die vor Augen gestellt werden. Der Begriff bleibt immer a priori erzeugt, samt den synthetischen Grundsaetzen oder Formeln aus solchen Begriffen; aber der Gebrauch derselben, und Beziehung auf angebliche Gegenstaende kann am Ende doch nirgend, als in der Erfahrung gesucht werden, deren Moeglichkeit (der Form nach) jene a priori enthalten. Dass dieses aber auch der Fall mit allen Kategorien, und den daraus gesponnenen Grundsaetzen sei, erhellt auch daraus: dass wir so gar keine einzige derselben real definieren, d.i. die Moeglichkeit ihres Objekts verstaendlich machen koennen, ohne uns sofort zu Bedingungen der Sinnlichkeit, mithin der Form der Erscheinungen, herabzulassen, als auf welche, als ihre einzigen Gegenstaende, sie folglich eingeschraenkt sein muessen, weil, wenn man diese Bedingung wegnimmt, alle Bedeutung, d.i. Beziehung aufs Objekt, wegfaellt, und man durch kein Beispiel sich selbst fasslich machen kann, was unter dergleichen Begriffe denn eigentlich fuer ein Ding gemeint sei. Den Begriff der Groesse ueberhaupt kann niemand erklaeren, als etwa so: dass sie die Bestimmung eines Dinges sei, dadurch, wie vielmal Eines in ihm gesetzt ist, gedacht werden kann. Allein dieses Wievielmal gruendet sich auf die sukzessive Wiederholung, mithin auf die Zeit und die Synthesis (des Gleichartigen) in derselben. Realitaet kann man im Gegensatze mit der Negation nur alsdann erklaeren, wenn man sich eine Zeit (als den Inbegriff von allem Sein) gedenkt, die entweder womit erfuellt, oder leer ist. Lasse ich die Beharrlichkeit (welche ein Dasein zu aller Zeit ist) weg, so bleibt mir zum Begriffe der Substanz nichts uebrig, als die logische Vorstellung vom Subjekt, welche ich dadurch zu realisieren vermeine, dass ich mir Etwas vorstelle, welches bloss als Subjekt (ohne wovon ein Praedikat zu sein) stattfinden kann. Aber nicht allein, dass ich gar keine Bedingungen weiss, unter welchen denn dieser logische Vorzug irgendeinem Dinge eigen sein werde: so ist auch gar nichts weiter daraus zu machen, und nicht die mindeste Folgerung zu ziehen, weil dadurch gar kein Objekt des Gebrauchs dieses Begriffs bestimmt wird, und man also gar nicht weiss, ob dieser ueberall irgend etwas bedeute. Vom Begriffe der Ursache wuerde ich (wenn ich die Zeit weglasse, in der etwas auf etwas anderes nach einer Regel folgt,) in der reinen Kategorie nichts weiter finden, als dass es so etwas sei, woraus sich auf das Dasein eines anderen schliessen laesst, und es wuerde dadurch nicht allein Ursache und Wirkung gar nicht voneinander unterschieden werden koennen, sondern weil dieses Schliessenkoennen doch bald Bedingungen erfordert, von denen ich nichts weiss, so wuerde der Begriff gar keine Bestimmung haben, wie er auf irgendein Objekt passe. Der vermeinte Grundsatz: alles Zufaellige hat eine Ursache, tritt zwar ziemlich gravitaetisch auf, als habe er seine eigene Wuerde in sich selbst. Allein, frage ich: was versteht ihr unter Zufaellig? und ihr antwortet, dessen Nichtsein moeglich ist, so moechte ich gern wissen, woran ihr diese Moeglichkeit des Nichtseins erkennen wollt, wenn ihr euch nicht in der Reihe der Erscheinungen eine Sukzession und in dieser ein Dasein, welches auf das Nichtsein folgt, (oder umgekehrt,) mithin einen Wechsel vorstellt; denn, dass das Nichtsein eines Dinges sich selbst nicht widerspreche, ist eine lahme Berufung auf eine logische Bedingung, die zwar zum Begriffe notwendig, aber zur realen Moeglichkeit bei weitem nicht hinreichend ist; wie ich denn eine jede existierende Substanz in Gedanken aufheben kann, ohne mir selbst zu widersprechen, daraus aber auf die objektive Zufaelligkeit derselben in ihrem Dasein, d.i. die Moeglichkeit seines Nichtseins an sich selbst, gar nicht schliessen kann. Was den Begriff der Gemeinschaft betrifft, so ist leicht zu ermessen: dass, da die reinen Kategorien der Substanz sowohl, als Kausalitaet, keine das Objekt bestimmende Erklaerung zulassen, die wechselseitige Kausalitaet in der Beziehung der Substanzen aufeinander (commercium) ebensowenig derselben faehig sei. Moeglichkeit, Dasein und Notwendigkeit hat noch niemand anders als durch offenbare Tautologie erklaeren koennen, wenn man ihre Definition lediglich aus dem reinen Verstande schoepfen wollte. Denn das Blendwerk, die logische Moeglichkeit des Begriffs (da er sich selbst nicht widerspricht) der transzendentalen Moeglichkeit der Dinge (da dem Begriff ein Gegenstand korrespondiert) zu unterschieben, kann nur Unversuchte hintergehen und zufrieden stellen*. * Mit einem Worte, alle diese Begriffe lassen sich durch nichts belegen, und dadurch ihre reale Moeglichkeit dartun, wenn alle sinnliche Anschauung (die einzige, die wir haben), weggenommen wird, und es bleibt dann nur noch die logische Moeglichkeit uebrig, d.i. dass der Begriff (Gedanke) moeglich sei, wovon aber nicht die Rede ist, sondern ob er sich auf ein Objekt beziehe, und also irgend was bedeute. Hierzu fliesst nun unwidersprechlich: dass die reinen Verstandesbegriffe niemals von transzendentalem, sondern jederzeit nur von empirischem Gebrauche sein koennen, und dass die Grundsaetze des reinen Verstandes nur in Beziehung auf die allgemeinen Bedingungen einer moeglichen Erfahrung, auf Gegenstaende der Sinne, niemals aber auf Dinge ueberhaupt, (ohne Ruecksicht auf die Art zu nehmen, wie wir sie anschauen moegen,) bezogen werden koennen. Die transzendentale Analytik hat demnach dieses wichtige Resultat: dass der Verstand a priori niemals mehr leisten koenne, als die Form einer moeglichen Erfahrung ueberhaupt zu antizipieren, und, da dasjenige, was nicht Erscheinung ist, kein Gegenstand der Erfahrung sein kann, dass er die Schranken der Sinnlichkeit, innerhalb denen uns allein Gegenstaende gegeben werden, niemals ueberschreiten koenne. Seine Grundsaetze sind bloss Prinzipien der Exposition der Erscheinungen, und der stolze Name einer Ontologie, welche sich anmasst, von Dingen ueberhaupt synthetische Erkenntnisse a priori in einer systematischen Doktrin zu geben (z. E. den Grundsatz der Kausalitaet) muss dem bescheidenen, einer blossen Analytik des reinen Verstandes, Platz machen. Das Denken ist die Handlung, gegebene Anschauung auf einen Gegenstand zu beziehen. Ist die Art dieser Anschauung auf keinerlei Weise gegeben, so ist der Gegenstand bloss transzendental, und der Verstandesbegriff hat keinen anderen, als transzendentalen Gebrauch, naemlich die Einheit des Denkens eines Mannigfaltigen ueberhaupt. Durch eine reine Kategorie nun, in welcher von aller Bedingung der sinnlichen Anschauung, als der einzigen, die uns moeglich ist, abstrahiert wird, wird also kein Objekt bestimmt, sondern nur das Denken eines Objekts ueberhaupt, nach verschiedenen modis, ausgedrueckt. Nun gehoert zum Gebrauche eines Begriffs noch eine Funktion der Urteilskraft, worauf ein Gegenstand unter ihm subsumiert wird, mithin die wenigstens formale Bedingung, unter der etwas in der Anschauung gegeben werden kann. Fehlt diese Bedingung der Urteilskraft, (Schema) so faellt alle Subsumtion weg; denn es wird nichts gegeben, was unter den Begriff subsumiert werden koenne. Der bloss transzendentale Gebrauch also der Kategorien ist in der Tat gar kein Gebrauch, und hat keinen bestimmten, oder auch nur, der Form nach, bestimmbaren Gegenstand. Hieraus folgt, dass die reine Kategorie auch zu keinem synthetischen Grundsatze a priori zulange, und dass die Grundsaetze des reinen Verstandes nur von empirischem, niemals aber von transzendentalem Gebrauche sind, ueber das Feld moeglicher Erfahrung hinaus aber es ueberall keine synthetischen Grundsaetze a priori geben koenne. Es kann daher ratsam sein, sich also auszudruecken: die reinen Kategorien, ohne formale Bedingungen der Sinnlichkeit, haben bloss transzendentale Bedeutung, sind aber von keinem transzendentalen Gebrauch, weil dieser an sich selbst unmoeglich ist, indem ihnen alle Bedingungen irgendeines Gebrauchs (in Urteilen) abgehen, naemlich die formalen Bedingungen der Subsumtion irgendeines angeblichen Gegenstandes unter diese Begriffe. Da sie also (als bloss reine Kategorien) nicht von empirischem Gebrauche sein sollen, und von transzendentalem nicht sein koennen, so sind sie von gar keinem Gebrauche, wenn man sie von aller Sinnlichkeit absondert, d.i. sie koennen auf gar keinen angeblichen Gegenstand angewandt werden; vielmehr sind sie bloss die reine Form des Verstandesgebrauchs in Ansehung der Gegenstaende ueberhaupt und des Denkens, ohne doch durch sie allein irgendein Objekt denken oder bestimmen zu koennen. Es liegt indessen hier eine schwer zu vermeidende Taeuschung zum Grunde. Die Kategorien gruenden sich ihrem Ursprunge nach nicht auf Sinnlichkeit, wie die Anschauungsformen, Raum und Zeit, scheinen also eine ueber alle Gegenstaende der Sinne erweiterte Anwendung zu verstatten. Allein sie sind ihrerseits wiederum nichts als Gedankenformen, die bloss das logische Vermoegen enthalten, das mannigfaltige in der Anschauung Gegebene in ein Bewusstsein a priori zu vereinigen, und da koennen sie, wenn man ihnen die uns allein moegliche Anschauung wegnimmt, noch weniger Bedeutung haben, als jene reinen sinnlichen Formen, durch die doch wenigstens ein Objekt gegeben wird, anstatt dass eine unserem Verstande eigene Verbindungsart des Mannigfaltigen, wenn diejenige Anschauung, darin dieses allein gegeben werden kann, nicht hinzukommt, gar nachts bedeutet. - Gleichwohl liegt es doch schon in unserem Begriffe, wenn wir gewisse Gegenstaende, als Erscheinungen, Sinnenwesen (Phaenomena) nennen, indem wir die Art, wie wir sie anschauen, von ihrer Beschaffenheit an sich selbst unterscheiden, dass wir entweder eben dieselbe nach dieses letzteren Beschaffenheit, wenn wir sie gleich in derselben nicht anschauen, oder auch andere moegliche Dinge, die gar nicht Objekte unserer Sinne sind, als Gegenstaende bloss durch den Verstand gedacht, jenen gleichsam gegenueberstellen, und sie Verstandeswesen (Noumena) nennen. Nun fraegt sich: ob unsere reinen Verstandesbegriffe nicht in Ansehung dieser Letzteren Bedeutung haben, und eine Erkenntnisart derselben sein koennten? Gleich anfangs aber zeigt sich hier eine Zweideutigkeit, welche grossen Missverstand veranlassen kann: dass, da der Verstand, wenn er einen Gegenstand in einer Beziehung bloss Phaenomen nennt, er sich zugleich ausser dieser Beziehung noch eine Vorstellung von einem Gegenstande an sich selbst macht, und sich daher vorstellt, er koenne sich auch von dergleichen Gegenstande Begriffe machen, und, da der Verstand keine anderen als die Kategorien liefert, der Gegenstand in der letzteren Bedeutung wenigstens durch diese reinen Verstandesbegriffe muesse gedacht werden koennen, dadurch aber verleitet wird, den ganz unbestimmten Begriff von einem Verstandeswesen, als einem Etwas ueberhaupt ausser unserer Sinnlichkeit, fuer einen bestimmten Begriff von einem Wesen, welches wir durch den Verstand auf einige Art erkennen koennen, zu halten. Wenn wir unter Noumenon ein Ding verstehen, so fern es nicht Objekt unserer sinnlichen Anschauung ist, indem wir von unserer Anschauungsart desselben abstrahieren; so ist dieses ein Noumenon im negativen Verstande. Verstehen wir aber darunter ein Objekt einer nichtsinnlichen Anschauung, so nehmen wir eine besondere Anschauungsart an, naemlich die intellektuelle, die aber nicht die unsrige ist, von welcher wir auch die Moeglichkeit nicht einsehen koennen, und das waere das Noumenon in positiver Bedeutung. Die Lehre von der Sinnlichkeit ist nun zugleich die Lehre von den Noumenen im negativen Verstande, d.i. von Dingen, die der Verstand sich ohne diese Beziehung auf unsere Anschauungsart, mithin nicht bloss als Erscheinungen, sondern als Dinge an sich selbst denken muss, von denen er aber in dieser Absonderung zugleich begreift, dass er von seinen Kategorien in dieser Art sie zu erwaegen, keinen Gebrauch machen koenne, weil diese nur in Beziehung auf die Einheit der Anschauungen in Raum und Zeit Bedeutung haben, sie eben diese Einheit auch nur wegen der blossen Idealitaet des Raums und der Zeit durch allgemeine Verbindungsbegriffe a priori bestimmen koennen. Wo diese Zeiteinheit nicht angetroffen werden kann, mithin beim Noumenon, da hoert der ganze Gebrauch, ja selbst alle Bedeutung der Kategorien voellig auf; denn selbst die Moeglichkeit der Dinge, die den Kategorien entsprechen sollen, laesst sich gar nicht einsehen; weshalb ich mich nur auf das berufen darf, was ich in der allgemeinen Anmerkung zum vorigen Hauptstuecke gleich zu Anfang anfuehrte. Nun kann aber die Moeglichkeit einer Dinges niemals bloss aus dem Nichtwidersprechen eines Begriffs desselben, sondern nur dadurch, dass man diesen durch eine ihm korrespondierende Anschauung belegt, bewiesen werden. Wenn wir also die Kategorien auf Gegenstaende, die nicht als Erscheinungen betrachtet werden, anwenden wollten, so muessten wir eine andere Anschauung, als die sinnliche, zum Grunde legen, und alsdann waere der Gegenstand ein Noumenon in positiver Bedeutung. Da nun eine solche, naemlich die intellektuelle Anschauung, schlechterdings ausser unserem Erkenntnisvermoegen liegt, so kann auch der Gebrauch der Kategorien keineswegs ueber die Grenze der Gegenstaende der Erfahrung hinausreichen, und den Sinnenwesen korrespondieren zwar freilich Verstandeswesen, auch mag es Verstandeswesen geben, auf welche unser sinnliches Anschauungsvermoegen gar keine Beziehung hat, aber unsere Verstandesbegriffe, als blosse Gedankenformen fuer unsere sinnliche Anschauung, reichen nicht im mindesten auf diese hinaus; was also von uns Noumenon genannt wird, muss als ein solches nur in negativer Bedeutung verstanden werden. Wenn ich alles Denken (durch Kategorien) aus einer empirischen Erkenntnis wegnehme, so bleibt gar keine Erkenntnis irgendeines Gegenstandes uebrig; denn durch blosse Anschauung wird gar nichts gedacht, und, dass diese Affektion der Sinnlichkeit in mir ist, macht gar keine Beziehung von dergleichen Vorstellung auf irgend ein Objekt aus. Lasse ich aber hingegen alle Anschauung weg, so bleibt doch noch die Form des Denkens, d.i. die Art, dem Mannigfaltigen einer moeglichen Anschauung einen Gegenstand zu bestimmen. Daher erstrecken sich die Kategorien sofern weiter, als die sinnliche Anschauung, weil sie Objekte ueberhaupt denken, ohne noch auf die besondere Art (der Sinnlichkeit) zu sehen, in der sie gegeben werden moegen. Sie bestimmen aber dadurch nicht eine groessere Sphaere von Gegenstaenden, weil, dass solche gegeben werden koennen, man nicht annehmen kann, ohne dass man eine andere als sinnliche Art der Anschauung als moeglich voraussetzt, wozu wir aber keineswegs berechtigt sind. Ich nenne einen Begriff problematisch, der keinen Widerspruch enthaelt, der auch als eine Begrenzung gegebener Begriffe mit anderen Erkenntnissen zusammenhaengt, dessen objektive Realitaet aber auf keine Weise erkannt werden kann. Der Begriff eines Noumenon, d.i. eines Dinges, welches gar nicht als Gegenstand der Sinne, sondern als ein Ding an sich selbst, (lediglich durch einen reinen Verstand) gedacht werden soll, ist gar nicht widersprechend; denn man kann von der Sinnlichkeit doch nicht behaupten, dass sie die einzige moegliche Art der Anschauung sei. Ferner ist dieser Begriff notwendig, um die sinnliche Anschauung nicht bis ueber die Dinge an sich selbst auszudehnen, und also, um die objektive Gueltigkeit der sinnlichen Erkenntnis einzuschraenken, (denn das uebrige, worauf jene nicht reicht, heissen eben darum Noumena, damit man dadurch anzeige, jene Erkenntnisse koennen ihr Gebiet nicht ueber alles, was der Verstand denkt, erstrecken). Am Ende aber ist doch die Moeglichkeit solcher Noumenorum gar nicht einzusehen, und der Umfang ausser der Sphaere der Erscheinungen ist (fuer uns) leer, d.i. wir haben einen Verstand, der sich problematisch weiter erstreckt, als jene, aber keine Anschauung, ja auch nicht einmal den Begriff von einer moeglichen Anschauung, wodurch uns ausser dem Felde der Sinnlichkeit Gegenstaende gegeben, und der Verstand ueber dieselbe hinaus assertorisch gebraucht werden koenne. Der Begriff eines Noumenon ist also bloss ein Grenzbegriff, um die Anmassung der Sinnlichkeit einzuschraenken, und also nur von negativem Gebrauche. Er ist aber gleichwohl nicht willkuerlich erdichtet, sondern haengt mit der Einschraenkung der Sinnlichkeit zusammen, ohne doch etwas Positives ausser dem Umfange derselben setzen zu koennen. Die Einteilung der Gegenstaende in Phaenomena und Noumena, und der Welt in eine Sinnen- und Verstandeswelt, kann daher in positiver Bedeutung gar nicht zugelassen werden, obgleich Begriffe allerdings die Einteilung in sinnliche und intellektuelle zulassen; denn man kann den letzteren keinen Gegenstand bestimmen, und sie also auch nicht fuer objektiv gueltig ausgeben. Wenn man von den Sinnen abgeht, wie will man begreiflich machen, dass unsere Kategorien (welche die einzigen uebrigbleibenden Begriffe fuer Noumena sein wuerden) noch ueberall etwas bedeuten, da zu ihrer Beziehung auf irgendeinen Gegenstand noch etwas mehr, als bloss die Einheit des Denkens, naemlich ueberdem eine moegliche Anschauung gegeben sein muss, darauf jene angewandt werden koennen? Der Begriff eines Noumeni, bloss problematisch genommen, bleibt demungeachtet nicht allein zulaessig, sondern, auch als ein die Sinnlichkeit in Schranken setzender Begriff, unvermeidlich. Aber alsdann ist das nicht ein besonderer intelligibler Gegenstand fuer unseren Verstand, sondern ein Verstand, fuer den es gehoerte, ist selbst ein Problema, naemlich, nicht diskursiv durch Kategorien, sondern intuitiv in einer nichtsinnlichen Anschauung seinen Gegenstand zu erkennen, als von welchem wir uns nicht die geringste Vorstellung seiner Moeglichkeit machen koennen. Unser Verstand bekommt nun auf diese Weise eine negative Erweiterung, d.i. er wird nicht durch die Sinnlichkeit eingeschraenkt, sondern schraenkt vielmehr dieselbe ein, dadurch, dass er Dinge an sich selbst (nicht als Erscheinungen betrachtet) Noumena nennt. Aber er setzt sich auch sofort selbst Grenzen, sie durch keine Kategorien zu erkennen, mithin sie nur unter dem Namen eines unbekannten Etwas zu denken. Ich finde indessen in den Schriften der Neueren einen ganz anderen Gebrauch der Ausdruecke eines mundi sensibilis und intelligibilis*, der von dem Sinne der Alten ganz abweicht, und wobei es freilich keine Schwierigkeit hat, aber auch nichts als leere Wortkraemerei angetroffen wird. Nach demselben hat es einigen beliebt, den Inbegriff der Erscheinungen, sofern er angeschaut wird, die Sinnenwelt, sofern aber der Zusammenhang derselben nach allgemeinen Verstandesgesetzen gedacht wird, die Verstandeswelt zu nennen. Die theoretische Astronomie, welche die blosse Beobachtung des bestirnten Himmels vortraegt, wuerde die erstere, die kontemplative dagegen (etwa nach dem kopernikanischen Weltsystem, oder gar nach Newtons Gravitationsgesetzen erklaert), die zweite, naemlich eine intelligible Welt vorstellig machen. Aber eine solche Wortverdrehung ist eine blosse sophistische Ausflucht, um einer beschwerlichen Frage auszuweichen, dadurch, dass man ihren Sinn zu seiner Gemaechlichkeit herabstimmt. In Ansehung der Erscheinungen laesst sich allerdings Verstand und Vernunft brauchen; aber es fragt sich, ob diese auch noch einigen Gebrauch haben, wenn der Gegenstand nicht Erscheinung (Noumenon) ist, und in diesem Sinne nimmt man ihn, wenn er an sich als bloss intelligibel, d.i. dem Verstande allein, und gar nicht den Sinnen gegeben, gedacht wird. Es ist also die Frage: ob ausser jenem empirischen Gebrauche des Verstandes (selbst in der Newtonischen Vorstellung des Weltbaues) noch ein transzendentaler moeglich sei, der, auf das Noumenon als einen Gegenstand gehe, welche Frage wir verneinend beantwortet haben. * Man muss nicht, statt dieses Ausdrucks, den einer intellektuellen Welt, wie man im deutschen Vortrage gemeinhin zu tun pflegt, brauchen; denn intellektuell, oder sensitiv, sind nur die Erkenntnisse. Was aber nur ein Gegenstand der einen oder der anderen Anschauungsart sein kann, der Objekte also, muessen (unerachtet der Haerte des Lauts) intelligibel oder sensibel heissen. Wenn wir denn also sagen: die Sinne stellen uns die Gegenstaende vor, wie sie erscheinen, der Verstand aber, wie sie sind, so ist das letztere nicht in transzendentaler, sondern bloss empirischer Bedeutung zu nehmen, naemlich wie sie als Gegenstaende der Erfahrung, im durchgaengigen Zusammenhange der Erscheinungen, muessen vorgestellt werden, und nicht nach dem, was sie, ausser der Beziehung auf moegliche Erfahrung, und folglich auf Sinne ueberhaupt, mithin als Gegenstaende des reinen Verstandes sein moegen. Denn dieses wird uns immer unbekannt bleiben, sogar, dass es auch unbekannt bleibt, ob eine solche transzendentale (ausserordentliche) Erkenntnis ueberall moeglich sei, zum wenigsten als eine solche, die unter unseren gewoehnlichen Kategorien steht. Verstand und Sinnlichkeit koennen bei uns nur in Verbindung Gegenstaende bestimmen. Wenn wir sie trennen, so haben wir Anschauungen ohne Begriffe, oder Begriffe ohne Anschauungen, in beiden Faellen aber Vorstellungen, die wir auf keinen bestimmten Gegenstand beziehen koennen. Wenn jemand noch Bedenken traegt, auf alle diese Eroerterungen dem bloss transzendentalen Gebrauche der Kategorien zu entsagen, so mache er einen Versuch von ihnen in irgendeiner synthetischen Behauptung. Denn eine analytische bringt den Verstand nicht weiter, und da er nur mit dem beschaeftigt ist, was in dem Begriffe schon gedacht wird, so laesst er es unausgemacht, ob dieser an sich selbst auf Gegenstaende Beziehung habe, oder nur die Einheit des Denkens ueberhaupt bedeute, (welche von der Art, wie ein Gegenstand gegeben werden mag, voellig abstrahiert.) es ist ihm genug zu wissen, was in seinem Begriffe liegt; worauf der Begriff selber gehen moege, ist ihm gleichgueltig. Er versuche es demnach mit irgendeinem synthetischen und vermeintlich transzendentalen Grundsatze, als: alles, was da ist, existiert als Substanz, oder eine derselben anhaengende Bestimmung: alles Zufaellige existiert als Wirkung eines anderen Dinges, naemlich seiner Ursache, usw. Nun frage ich: woher will er diese synthetischen Saetze nehmen, da die Begriffe nicht beziehungsweise auf moegliche Erfahrung, sondern von Dingen an sich selbst (Noumena) gelten sollen? Wo ist hier das Dritte, welches jederzeit zu einem synthetischen Satze erfordert wird, um in demselben Begriffe, die gar keine logische (analytische) Verwandtschaft haben, miteinander zu verknuepfen? Er wird seinen Satz niemals beweisen, ja was noch mehr ist, sich nicht einmal wegen der Moeglichkeit einer solchen reinen Behauptung rechtfertigen koennen, ohne auf den empirischen Verstandesgebrauch Ruecksicht zu nehmen, und dadurch dem reinen und sinnenfreien Urteile voellig zu entsagen. So ist denn der Begriff reiner bloss intelligibler Gegenstaende gaenzlich leer von allen Grundsaetzen ihrer Anwendung, weil man keine Art ersinnen kann, wie sie gegeben werden sollten, und der problematische Gedanke, der doch einen Platz fuer sie offen laesst, dient nur, wie ein leerer Raum, die empirischen Grundsaetze einzuschraenken, ohne doch irgendein anderes Objekt der Erkenntnis, ausser der Sphaere der letzteren, in sich zu enthalten und aufzuweisen. Anhang Von der Amphibolie der Reflexionsbegriffe durch die Verwechslung des empirischen Verstandesgebrauchs mit dem transzendentalen Die Ueberlegung (reflexio) hat es nicht mit den Gegenstaenden selbst zu tun, um geradezu von ihnen Begriffe zu bekommen, sondern ist der Zustand des Gemuets, in welchem wir uns zuerst dazu anschicken, um die subjektiven Bedingungen ausfindig zu machen, unter denen wir zu Begriffen gelangen koennen. Sie ist das Bewusstsein des Verhaeltnisses gegebener Vorstellungen zu unseren verschiedenen Erkenntnisquellen, durch welches allein ihr Verhaeltnis untereinander richtig bestimmt werden kann. Die erste Frage vor aller weiteren Behandlung unserer Vorstellung ist die: in welchem Erkenntnisvermoegen gehoeren sie zusammen? Ist es der Verstand, oder sind es die Sinne, vor denen sie verknuepft, oder verglichen werden? Manches Urteil wird aus Gewohnheit angenommen, oder durch Neigung geknuepft; weil aber keine Ueberlegung vorhergeht, oder wenigstens kritisch darauf folgt, so gilt es fuer ein solches, das im Verstande seinen Ursprung erhalten hat. Nicht alle Urteile beduerfen einer Untersuchung, d.i. einer Aufmerksamkeit auf die Gruende der Wahrheit; denn, wenn sie unmittelbar gewiss sind: z.B. zwischen zwei Punkten kann nur eine gerade Linie sein; so laesst sich von ihnen kein noch naeheres Merkmal der Wahrheit, als das sie selbst ausdruecken, anzeigen. Aber alle Urteile, ja alle Vergleichungen beduerfen einer Ueberlegung, d.i. einer Unterscheidung der Erkenntniskraft, wozu die gegebenen Begriffe gehoeren. Die Handlung, dadurch ich die Vergleichung der Vorstellungen ueberhaupt mit der Erkenntniskraft zusammenhalte, darin sie angestellt wird, und wodurch ich unterscheide, ob sie als zum reinen Verstande oder zur sinnlichen Anschauung gehoerend untereinander verglichen werden, nenne ich die transzendentale Ueberlegung. Das Verhaeltnis aber, in welchem die Begriffe in einem Gemuetszustande zueinander gehoeren koennen, sind die der Einerleiheit und Verschiedenheit, der Einstimmung und des Widerstreits, des Inneren und des Aeusseren, endlich des Bestimmbaren und der Bestimmung (Materie und Form). Die richtige Bestimmung dieses Verhaeltnisses beruht darauf, in welcher Erkenntniskraft sie subjektiv zueinander gehoeren, ob in der Sinnlichkeit oder dem Verstande. Denn der Unterschied der letzteren macht einen grossen Unterschied in der Art, wie man sich die ersten denken solle. Vor allen objektiven Urteilen vergleichen wir die Begriffe, um auf die Einerleiheit (vieler Vorstellungen unter einem Begriffe) zum Behuf der allgemeinen Urteile, oder der Verschiedenheit derselben, zur Erzeugung besonderer, auf die Einstimmung, daraus bejahende, und den Widerstreit, daraus verneinende Urteile werden koennen usw. Aus diesem Grunde sollten wir, wie es scheint, die angefuehrten Begriffe Vergleichungsbegriffe nennen (conceptus comparationis). Weil aber, wenn es nicht auf die logische Form, sondern auf den Inhalt der Begriffe ankommt, d.i. ob die Dinge selbst einerlei oder verschieden, einstimmig oder im Widerstreit sind usw., die Dinge ein zwiefaches Verhaeltnis zu unserer Erkenntniskraft, naemlich zur Sinnlichkeit und zum Verstande haben koennen, auf diese Stelle aber, darin sie gehoeren, die Art ankommt, wie sie zueinander gehoeren sollen: so wird die transzendentale Reflexion, d.i. das Verhaeltnis gegebener Vorstellungen zu einer oder der anderen Erkenntnisart, ihr Verhaeltnis untereinander allein bestimmen koennen, und ob die Dinge einerlei oder verschieden, einstimmig oder widerstreitend sind usw., wird nicht sofort aus den Begriffen selbst durch blosse Vergleichung (comparatio), sondern allererst durch die Unterscheidung der Erkenntnisart, wozu sie gehoeren, vermittelst einer transzendentalen Ueberlegung (reflexio) ausgemacht werden koennen. Man koennte also zwar sagen: dass die logische Reflexion eine blosse Komparation sei, denn bei ihr wird von der Erkenntniskraft, wozu die gegebenen Vorstellungen gehoeren, gaenzlich abstrahiert, und sie sind also so fern ihrem Sitze nach, im Gemuete, als gleichartig zu behandeln, die transzendentale Reflexion aber (welche auf die Gegenstaende selbst geht) enthaelt den Grund der Moeglichkeit der objektiven Komparation der Vorstellungen untereinander, und ist also von der letzteren gar sehr verschieden, weil die Erkenntniskraft, dazu sie gehoeren, nicht eben dieselbe ist. Diese transzendentale Ueberlegung ist eine Pflicht, von der sich niemand lossagen kann, wenn er a priori etwas ueber Dinge urteilen will. Wir wollen sie jetzt zur Hand nehmen, und werden daraus fuer die Bestimmung des eigentlichen Geschaefts des Verstandes nicht wenig Licht ziehen. 1. Einerleiheit und Verschiedenheit. Wenn uns ein Gegenstand mehrmalen, jedesmal aber mit ebendenselben inneren Bestimmungen, (qualitas et quantitas) dargestellt wird, so ist derselbe, wenn er als Gegenstand des reinen Verstandes gilt, immer eben derselbe, und nicht viel, sondern nur Ein Ding (numerica identitas); ist er aber Erscheinung, so kommt es auf die Vergleichung der Begriffe gar nicht an, sondern, so sehr auch in Ansehung derselben alles einerlei sein mag, ist doch die Verschiedenheit der Oerter dieser Erscheinung zu gleicher Zeit ein genugsamer Grund der numerischen Verschiedenheit des Gegenstandes (der Sinne) selbst. So kann man bei zwei Tropfen Wasser von aller inneren Verschiedenheit (der Qualitaet und Quantitaet) voellig abstrahieren, und es ist genug, dass sie in verschiedenen Oertern zugleich angeschaut werden, um sie numerisch verschieden zu halten. Leibniz nahm die Erscheinungen als Dinge an sich selbst, mithin fuer intelligibilia, d.i. Gegenstaende des reinen Verstandes, (ob er gleich, wegen der Verworrenheit ihrer Vorstellungen, dieselben mit dem Namen der Phaenomene belegte,) und da konnte sein Satz des Nichtzuunterscheidenden (principium identitatis indiscernibilium) allerdings nicht bestritten werden; da sie aber Gegenstaende der Sinnlichkeit sind, und der Verstand in Ansehung ihrer nicht von reinem, sondern bloss empirischen Gebrauche ist, so wird die Vielheit und numerische Verschiedenheit schon durch den Raum selbst als die Bedingung der aeusseren Erscheinungen angegeben. Denn ein Teil des Raums, ob er zwar einem anderen voellig aehnlich und gleich sein mag, ist doch ausser ihm, und eben dadurch ein vom ersteren verschiedener Teil, der zu ihm hinzukommt, um einen groesseren Raum auszumachen, und dieses muss daher von allem, was in den mancherlei Stellen des Raums zugleich ist, gelten, so sehr es sich sonsten auch aehnlich und gleich sein mag. 2. Einstimmung und Widerstreit. Wenn Realitaet nur durch den reinen Verstand vorgestellt wird (realitas noumenon), so laesst sich zwischen den Realitaeten kein Widerstreit denken, d.i. ein solches Verhaeltnis, da sie in einem Subjekt verbunden einander ihre Folgen aufheben, und 3-3=0 sei. Dagegen kann das Reale in der Erscheinung (realitas phaenomenon) untereinander allerdings im Widerstreit sein, und vereint in demselben Subjekt, eines die Folge des anderen ganz oder zum Teil vernichten, wie zwei bewegende Kraefte in derselben geraden Linie, sofern sie einen Punkt in entgegengesetzter Richtung entweder ziehen, oder druecken, oder auch ein Vergnuegen, was dem Schmerze die Wage haelt. 3. Das Innere und Aeussere. An einem Gegenstande des reinen Verstandes ist nur dasjenige innerlich, welches gar keine Beziehung (dem Dasein nach) auf irgend etwas von ihm Verschiedenes hat. Dagegen sind die inneren Bestimmungen einer substantia phaenomenon im Raume nichts als Verhaeltnisse, und sie selbst ganz und gar ein Inbegriff von lauter Relationen. Die Substanz im Raume koennen wir nur durch Kraefte, die in demselben wirksam sind, entweder andere dahin zu treiben (Anziehung), oder vom Eindringen in ihn abzuhalten (Zurueckstossung und Undurchdringlichkeit); andere Eigenschaften kennen wir nicht, die den Begriff von der Substanz, die im Raum erscheint, und die wir Materie nennen, ausmachen. Als Objekt des reinen Verstandes muss jede Substanz dagegen innere Bestimmungen und Kraefte haben, die auf die innere Realitaet gehen. Allein was kann ich mir fuer innere Akzidenzen denken, als diejenigen, so mein innerer Sinn mir darbietet? naemlich das, was entweder selbst ein Denken, oder mit diesem analogisch ist. Daher machte Leibniz aus allen Substanzen, weil er sie sich als Noumena vorstellte, selbst aus den Bestandteilen der Materie, nachdem er ihnen alles, was aeussere Relation bedeuten mag, mithin auch die Zusammensetzung, in Gedanken genommen hatte, einfache Subjekte mit Vorstellungskraeften begabt, mit einem Worte, Monaden. 4. Materie und Form. Dieses sind zwei Begriffe, welche aller anderen Reflexion zum Grunde gelegt werden, so sehr sind sie mit jedem Gebrauch des Verstandes unzertrennlich verbunden. Der erstere bedeutet das Bestimmbare ueberhaupt, der zweite dessen Bestimmung, (beides in transzendentalem Verstande, da man von allem Unterschiede dessen, was gegeben wird, und der Art, wie es bestimmt wird, abstrahiert). Die Logiker nannten ehedem das Allgemeine die Materie, den spezifischen Unterschied aber die Form. In jedem Urteile kann man die gegebenen Begriffe logische Materie (zum Urteile), das Verhaeltnis derselben (vermittelst der Copula) die Form des Urteils nennen. In jedem Wesen sind die Bestandstuecke desselben (essentialia) die Materie; die Art, wie sie in einem Dinge verknuepft sind, die wesentliche Form. Auch wurde in Ansehung der Dinge ueberhaupt unbegrenzte Realitaet als die Materie aller Moeglichkeit, Einschraenkung derselben aber (Negation) als diejenige Form angesehen, wodurch sich ein Ding vom anderen nach transzendentalen Begriffen unterscheidet. Der Verstand naemlich verlangt zuerst, dass etwas gegeben sei, (wenigstens im Begriffe,) um es auf gewisse Art bestimmen zu koennen. Daher geht im Begriffe des reinen Verstandes die Materie der Form vor, und Leibniz nahm um deswillen zuerst Dinge an (Monaden) und innerlich eine Vorstellungskraft derselben, um danach das aeussere Verhaeltnis derselben und die Gemeinschaft ihrer Zustaende (naemlich der Vorstellungen) darauf zu gruenden. Daher waren Raum und Zeit, jener nur durch das Verhaeltnis der Substanzen, diese durch die Verknuepfung der Bestimmungen derselben untereinander, als Gruende und Folgen, moeglich. So wuerde es auch in der Tat sein muessen, wenn der reine Verstand unmittelbar auf Gegenstaende bezogen werden koennte, und wenn Raum und Zeit Bestimmungen der Dinge an sich selbst waeren. Sind es aber nur sinnliche Anschauungen, in denen wir alle Gegenstaende lediglich als Erscheinungen bestimmen, so geht die Form der Anschauung (als eine subjektive Beschaffenheit der Sinnlichkeit) vor aller Materie (den Empfindungen), mithin Raum und Zeit vor allen Erscheinungen und allen datis der Erfahrung vorher, und macht diese vielmehr allererst moeglich. Der Intellektualphilosoph konnte es nicht leiden: dass die Form vor den Dingen selbst vorhergehen, und dieser ihre Moeglichkeit bestimmen sollte; eine ganz richtige Zensur, wenn er annahm, dass wir die Dinge anschauen, wie sie sind, (obgleich mit verworrener Vorstellung). Da aber die sinnliche Anschauung eine ganz besondere subjektive Bedingung ist, welche aller Wahrnehmung a priori zum Grunde liegt, und deren Form urspruenglich ist; so ist die Form fuer sich allein gegeben, und, weit gefehlt, dass die Materie (oder die Dinge selbst, welche erschienen) zum Grunde liegen sollte (wie man nach blossen Begriffen urteilen muesste), so setzt die Moeglichkeit derselben vielmehr eine formale Anschauung (Zeit und Raum) als gegeben voraus. Anmerkung zur Amphibolie der Reflexionsbegriffe Man erlaube mir, die Stelle, welche wir einem Begriffe entweder in der Sinnlichkeit, oder im reinen Verstande erteilen, den transzendentalen Ort zu nennen. Auf solche Weise waere die Beurteilung dieser Stelle, die jedem Begriffe nach Verschiedenheit seines Gebrauchs zukommt, und die Anweisung nach Regeln, diesen Ort allen Begriffen zu bestimmen, die transzendentale Topik; eine Lehre, die vor Erschleichungen des reinen Verstandes und daraus entspringenden Blendwerken gruendlich bewahren wuerde, indem sie jederzeit unterschiede, welcher Erkenntniskraft die Begriffe eigentlich angehoeren. Man kann einen jeden Begriff, einen jeden Titel, darunter viele Erkenntnisse gehoeren, einen logischen Ort nennen. Hierauf gruendet sich die logische Topik des Aristoteles, deren sich Schullehrer und Redner bedienen konnten, um unter gewissen Titeln des Denkens nachzusehen, was sich am besten fuer seine vorliegende Materie schickte, und darueber, mit einem Schein von Gruendlichkeit, zu vernuenfteln, oder wortreich zu schwatzen. Die transzendentale Topik enthaelt dagegen nicht mehr, als die angefuehrten vier Titel aller Vergleichung und Unterscheidung, die sich dadurch von Kategorien unterscheiden, dass durch jene nicht der Gegenstand, nach demjenigen, was seinen Begriff ausmacht, (Groesse, Realitaet,) sondern nur die Vergleichung der Vorstellungen, welche vor dem Begriffe von Dingen vorhergeht, in aller ihrer Mannigfaltigkeit dargestellt wird. Diese Vergleichung aber bedarf zuvoerderst einer Ueberlegung, d.i. einer Bestimmung desjenigen Orts, wo die Vorstellungen der Dinge, die verglichen werden, hingehoeren, ob sie der reine Verstand denkt, oder die Sinnlichkeit in der Erscheinung gibt. Die Begriffe koennen logisch verglichen werden, ohne sich darum zu bekuemmern, wohin ihre Objekte gehoeren, ob als Noumena fuer den Verstand, oder als Phaenomena fuer die Sinnlichkeit. Wenn wir aber mit diesen Begriffen zu den Gegenstaenden gehen wollen, so ist zuvoerderst transzendentale Ueberlegung noetig, fuer welche Erkenntniskraft sie Gegenstaende sein sollen, ob fuer den reinen Verstand, oder die Sinnlichkeit. Ohne diese Ueberlegung mache ich einen sehr unsicheren Gebrauch von diesen Begriffen, und es entspringen vermeinte synthetische Grundsaetze, welche die kritische Vernunft nicht anerkennen kann, und die sich lediglich auf einer transzendentalen Amphibolie, d.i. einer Verwechslung des reinen Verstandesobjekts mit der Erscheinung, gruenden. In Ermanglung einer solchen transzendentalen Topik, und mithin durch die Amphibolie der Reflexionsbegriffe hintergangen, errichtete der beruehmte Leibniz ein intellektuelles System der Welt, oder glaubte vielmehr der Dinge innere Beschaffenheit zu erkennen, indem er alle Gegenstaende nur mit dem Verstande und den abgesonderten formalen Begriffen seines Denkens verglich. Unsere Tafel der Reflexionsbegriffe schafft uns den unerwarteten Vorteil, das Unterscheidende seines Lehrbegriffs in allen seinen Teilen, und zugleich den leitenden Grund dieser eigentuemlichen Denkungsart vor Augen zu legen, der auf nichts, als einem Missverstande, beruhte. Er verglich alle Dinge bloss durch Begriffe miteinander, und fand, wie natuerlich, keine anderen Verschiedenheiten, als die, durch welche der Verstand seine reinen Begriffe voneinander unterscheidet. Die Bedingungen der sinnlichen Anschauung, die ihre eigenen Unterschiede bei sich fuehren, sah er nicht fuer urspruenglich an; denn die Sinnlichkeit war ihm nur eine verworrene Vorstellungsart, und kein besonderer Quell der Vorstellungen; Erscheinung war ihm die Vorstellung des Dinges an sich selbst, obgleich von der Erkenntnis durch den Verstand, der logischen Form nach, unterschieden, da naemlich jene, bei ihrem gewoehnlichen Mangel der Zergliederung, eine gewisse Vermischung von Nebenvorstellungen in den Begriff des Dinges zieht, die der Verstand davon abzusondern weiss. Mit einem Worte: Leibniz intellektuierte die Erscheinungen, so wie Locke die Verstandesbegriffe nach einem System der Noogonie (wenn es mir erlaubt ist, mich dieser Ausdruecke zu bedienen,) insgesamt sensifiziert, d.i. fuer nichts, als empirische, oder abgesonderte Reflexionsbegriffe ausgegeben hatte. Anstatt im Verstande und der Sinnlichkeit zwei ganz verschiedene Quellen von Vorstellungen zu suchen, die aber nur in Verknuepfung objektiv gueltig von Dingen urteilen koennten, hielt sich ein jeder dieser grossen Maenner nur an eine von beiden, die sich ihrer Meinung nach unmittelbar auf Dinge an sich selbst bezoege, indessen dass die andere nichts tat, als die Vorstellungen der ersteren zu verwirren oder zu ordnen. Leibniz verglich demnach die Gegenstaende der Sinne als Dinge ueberhaupt bloss im Verstande untereinander. Erstlich, sofern sie von diesem als einerlei oder verschieden geurteilt werden sollen. Da er also lediglich ihre Begriffe, und nicht ihre Stelle in der Anschauung, darin die Gegenstaende allein gegeben werden koennen, vor Augen hatte, und den transzendentalen Ort dieser Begriffe (ob das Objekt unter Erscheinungen, oder unter Dinge an sich selbst zu zaehlen sei,) gaenzlich aus der acht liess, so konnte es nicht anders ausfallen, als dass er seinen Grundsatz des Nichtzuunterscheidenden, der bloss von Begriffen der Dinge ueberhaupt gilt, auch auf die Gegenstaende der Sinne (mundus phaenomenon) ausdehnte, und der Naturerkenntnis dadurch keine geringe Erweiterung verschafft zu haben glaubte. Freilich, wenn ich einen Tropfen Wasser als ein Ding an sich selbst nach allen seinen inneren Bestimmungen kenne, so kann ich keinen derselben von dem anderen fuer verschieden gelten lassen, wenn der ganze Begriff desselben mit ihm einerlei ist. Ist er aber Erscheinung im Raume, so hat er seinen Ort nicht bloss im Verstande (unter Begriffen), sondern in der sinnlichen aeusseren Anschauung (im Raume), und da sind die physischen Oerter, in Ansehung der inneren Bestimmungen der Dinge, ganz gleichgueltig, und ein Ort = b kann ein Ding, welches einem anderen in dem Orte = a voellig aehnlich und gleich ist, ebensowohl aufnehmen, als wenn es von diesem noch so sehr innerlich verschieden waere. Die Verschiedenheit der Oerter macht die Vielheit und Unterscheidung der Gegenstaende, als Erscheinungen, ohne weitere Bedingungen, schon fuer sich nicht allein moeglich, sondern auch notwendig. Also ist jenes scheinbare Gesetz kein Gesetz der Natur. Es ist lediglich eine analytische Regel oder Vergleichung der Dinge durch blosse Begriffe. Zweitens, der Grundsatz: dass Realitaeten (als blosse Bejahungen) einander niemals logisch widerstreiten, ist ein ganz wahrer Satz von dem Verhaeltnisse der Begriffe, bedeutet aber, weder in Ansehung der Natur, noch ueberall in Ansehung irgendeines Dinges an sich selbst, (von diesem haben wir keinen Begriff,) das mindeste. Denn der reale Widerstreit findet allerwaerts statt, wo A - B = 0 ist, d.i. wo eine Realitaet mit der anderen, in einem Subjekt verbunden, eine die Wirkung der anderen aufhebt, welches alle Hindernisse und Gegenwirkungen in der Natur unaufhoerlich vor Augen legen, die gleichwohl, da sie auf Kraeften beruhen, realitates phaenomena genannt werden muessen. Die allgemeine Mechanik kann sogar die empirische Bedingung dieses Widerstreits in einer Regel a priori angeben, indem sie auf die Entgegensetzung der Richtungen sieht: eine Bedingung, von welcher der transzendentale Begriff der Realitaet gar nichts weiss. Obzwar Herr von Leibniz diesen Satz nicht eben mit dem Pomp eines neuen Grundsatzes ankuendigte, so bediente er sich doch desselben zu neuen Behauptungen, und seine Nachfolger trugen ihn ausdruecklich in ihre Leibniz-Wolfianischen Lehrgebaeude ein. Nach diesem Grundsatze sind z. E. alle Uebel nichts als Folgen von den Schranken der Geschoepfe, d.i. Negationen, weil diese das einzige Widerstreitende der Realitaet sind, (in dem blossen Begriffe eines Dinges ueberhaupt ist es auch wirklich so, aber nicht in den Dingen als Erscheinungen). Imgleichen finden die Anhaenger desselben es nicht allein moeglich, sondern auch natuerlich, alle Realitaet, ohne irgendeinen besorglichen Widerstreit, in einem Wesen zu vereinigen, weil sie keinen anderen, als den des Widerspruchs (durch den der Begriff eines Dinges selbst aufgehoben wird), nicht aber den des wechselseitigen Abbruchs kennen, da ein Realgrund die Wirkung des anderen aufhebt, und dazu wir nur in der Sinnlichkeit die Bedingungen antreffen, uns einen solchen vorzustellen. Drittens, die Leibnizische Monadologie hat gar keinen anderen Grund, als dass dieser Philosoph den Unterschied des Inneren und Aeusseren bloss im Verhaeltnis auf den Verstand vorstellte. Die Substanzen ueberhaupt muessen etwas Inneres haben, was also von allen aeusseren Verhaeltnissen, folglich auch der Zusammensetzung, frei ist. Das Einfache ist also die Grundlage des Inneren der Dinge an sich selbst. Das Innere aber ihres Zustandes kann auch nicht in Ort, Gestalt, Beruehrung oder Bewegung, (welche Bestimmungen alle aeussere Verhaeltnisse sind,) bestehen, und wir koennen daher den Substanzen keinen anderen inneren Zustand, als denjenigen, wodurch wir unseren Sinn selbst innerlich bestimmen, naemlich den Zustand der Vorstellungen, beilegen. So wurden denn die Monaden fertig, welche den Grundstoff des ganzen Universum ausmachen sollen, deren taetige Kraft aber nur in Vorstellungen besteht, wodurch sie eigentlich bloss in sich selbst wirksam sind. Eben darum musste aber auch sein Principium der moeglichen Gemeinschaft der Substanzen untereinander eine vorherbestimmte Harmonie, und konnte kein physischer Einfluss sein. Denn weil alles nur innerlich, d.i. mit seinen Vorstellungen beschaeftigt ist, so konnte der Zustand der Vorstellungen der einen mit dem der anderen Substanz in ganz und gar keiner wirksamen Verbindung stehen, sondern es musste irgendeine dritte und in alle insgesamt einfliessende Ursache ihre Zustaende einander korrespondierend machen, zwar nicht eben durch gelegentlichen und in jedem einzelnen Falle besonders angebrachten Beistand (systema assistentiae), sondern durch die Einheit der Idee einer fuer alle gueltigen Ursache, in welcher sie insgesamt ihr Dasein und Beharrlichkeit, mithin auch wechselseitige Korrespondenz untereinander, nach allgemeinen Gesetzen bekommen muessen. Viertens, der beruehmte Lehrbegriff desselben von Zeit und Raum, darin er diese Formen der Sinnlichkeit intellektuierte, war lediglich aus eben derselben Taeuschung der transzendentalen Reflexion entsprungen. Wenn ich mir durch den blossen Verstand aeussere Verhaeltnisse der Dinge vorstellen will, so kann dieses nur vermittelst eines Begriffs ihrer wechselseitigen Wirkung geschehen, und soll ich einen Zustand ebendesselben Dinges mit einem anderen Zustande verknuepfen, so kann dieses nur in der Ordnung der Gruende und Folgen geschehen. So dachte sich also Leibniz den Raum als eine gewisse Ordnung in der Gemeinschaft der Substanzen, und die Zeit als die dynamische Folge ihrer Zustaende. Das Eigentuemliche aber, und von Dingen Unabhaengige, was beide an sich zu haben scheinen, schrieb er der Verworrenheit dieser Begriffe zu, welche machte, dass dasjenige, was eine blosse Form dynamischer Verhaeltnisse ist, fuer eine eigene fuer sich bestehende, und vor den Dingen selbst vorhergehende Anschauung gehalten wird. Also waren Raum und Zeit die intelligible Form der Verknuepfung der Dinge (Substanzen und ihrer Zustaende) an sich selbst. Die Dinge aber waren intelligible Substanzen (substantiae noumena). Gleichwohl wollte er diese Begriffe fuer Erscheinungen geltend machen, weil er der Sinnlichkeit keine eigene Art der Anschauung zugestand, sondern alle, selbst die empirische Vorstellung der Gegenstaende, im Verstande suchte, und den Sinnen nichts als das veraechtliche Geschaeft liess, die Vorstellungen des ersteren zu verwirren und zu verunstalten. Wenn wir aber auch von Dingen an sich selbst etwas durch den reinen Verstand synthetisch sagen koennten, (welches gleichwohl unmoeglich ist,) so wuerde dieses doch gar nicht auf Erscheinungen, welche nicht Dinge an sich selbst vorstellen, gezogen werden koennen. Ich werde also in diesem letzteren Falle in der transzendentalen Ueberlegung meine Begriffe jederzeit nur unter den Bedingungen der Sinnlichkeit vergleichen muessen, und so werden Raum und Zeit nicht Bestimmungen der Dinge an sich, sondern der Erscheinungen sein; was die Dinge an sich sein moegen, weiss ich nicht, und brauche es auch nicht zu wissen, weil mir doch niemals ein Ding anders, als in der Erscheinung vorkommen kann. So verfahre ich auch mit den uebrigen Reflexionsbegriffen. Die Materie ist substantia phaenomenon. Was ihr innerlich zukomme, suche ich in allen Teilen des Raumes, den sie einnimmt, und in allen Wirkungen, die sie ausuebt, und die freilich nur immer Erscheinungen aeusserer Sinne sein koennen. Ich habe also zwar nichts Schlechthin-, sondern lauter Komparativ-Innerliches, das selber wiederum aus aeusseren Verhaeltnissen besteht. Allein, das schlechthin, dem reinen Verstande nach, Innerliche der Materie ist auch eine blosse Grille; denn diese ist ueberall kein Gegenstand fuer den reinen Verstand, das transzendentale Objekt aber, welches der Grund dieser Erscheinung sein mag, die wir Materie nennen, ist ein blosses Etwas, wovon wir nicht einmal verstehen wuerden, was es sei, wenn es uns auch jemand sagen koennte. Denn wir koennen nichts verstehen, als was ein unseren Worten Korrespondierendes in der Anschauung mit sich fuehrt. Wenn die Klagen: Wir sehen das Innere der Dinge gar nicht ein, so viel bedeuten sollen, als, wir begreifen nicht durch den reinen Verstand, was die Dinge, die uns erscheinen, an sich sein moegen; so sind sie ganz unbillig und unvernuenftig; denn sie wollen, dass man ohne Sinne doch Dinge erkennen, mithin anschauen koenne, folglich dass wir ein von dem menschlichen nicht bloss dem Grade, sondern sogar der Anschauung und Art nach, gaenzlich unterschiedenes Erkenntnisvermoegen haben, also nicht Menschen, sondern Wesen sein sollen, von denen wir selbst nicht angeben koennen, ob sie einmal moeglich, viel weniger, wie sie beschaffen sind. Ins Innere der Natur dringt Beobachtung und Zergliederung der Erscheinungen, und man kann nicht wissen, wie weit dieses mit der Zeit gehen werde. Jene transzendentalen Fragen aber, die ueber die Natur hinausgehen, wuerden wir bei allem dem doch niemals beantworten koennen, wenn uns auch die ganze Natur aufgedeckt waere, da es uns nicht einmal gegeben ist, unser eigenes Gemuet mit einer anderen Anschauung, als der unseres inneren Sinnes, zu beobachten. Denn in demselben liegt das Geheimnis des Ursprungs unserer Sinnlichkeit. Ihre Beziehung auf ein Objekt, und was der transzendentale Grund dieser Einheit sei, liegt ohne Zweifel zu tief verborgen, als dass wir, die wir sogar uns selbst nur durch inneren Sinn, mithin als Erscheinung, kennen, ein so unschickliches Werkzeug unserer Nachforschung dazu brauchen koennten, etwas anderes, als immer wiederum Erscheinungen, aufzufinden, deren nichtsinnliche Ursache wir doch gern erforschen wollten. Was diese Kritik der Schluesse, aus den blossen Handlungen der Reflexion, ueberaus nuetzlich macht, ist: dass sie die Nichtigkeit aller Schluesse ueber Gegenstaende, die man lediglich im Verstande miteinander vergleicht, deutlich dartut, und dasjenige zugleich bestaetigt, was wir hauptsaechlich eingeschaerft haben: dass, obgleich Erscheinungen nicht als Dinge an sich selbst unter den Objekten des reinen Verstandes mit begriffen sind, sie doch die einzigen sind, an denen unsere Erkenntnis objektive Realitaet haben kann, naemlich, wo den Begriffen Anschauung entspricht. Wenn wir bloss logisch reflektieren, so vergleichen wir lediglich unsere Begriffe untereinander im Verstande, ob beide eben dasselbe enthalten, ob sie sich widersprechen oder nicht, ob etwas in dem Begriffe innerlich enthalten sei, oder zu ihm hinzukomme, und welcher von beiden gegeben, welcher aber nur als eine Art, den gegebenen zu denken, gelten soll. Wende ich aber diese Begriffe auf einen Gegenstand ueberhaupt (im transz. Verstande) an, ohne diesen weiter zu bestimmen, ob er ein Gegenstand der sinnlichen oder intellektuellen Anschauung sei, so zeigen sich sofort Einschraenkungen (nicht aus diesem Begriffe hinauszugehen), welche allen empirischen Gebrauch derselben verkehren, und eben dadurch beweisen, dass die Vorstellung eines Gegenstandes, als Dinges ueberhaupt, nicht etwa bloss unzureichend, sondern ohne sinnliche Bestimmung derselben, und, unabhaengig von empirischer Bedingung, in sich selbst widerstreitend sei, dass man also entweder von allem Gegenstande abstrahieren (in der Logik), oder, wenn man einen annimmt, ihn unter Bedingungen der sinnlichen Anschauung denken muesse, mithin das Intelligible eine ganz besondere Anschauung, die wir nicht haben, erfordern wuerde, und in Ermanglung derselben fuer uns nichts sei, dagegen aber auch die Erscheinungen nicht Gegenstaende an sich selbst sein koennen. Denn, wenn ich mir bloss Dinge ueberhaupt denke, so kann freilich die Verschiedenheit der aeusseren Verhaeltnisse nicht eine Verschiedenheit der Sachen selbst ausmachen, sondern setzt diese vielmehr voraus, und, wenn der Begriff von dem Einen innerlich von dem des Andern gar nicht unterschieden ist, so setze ich nur ein und dasselbe Ding in verschiedene Verhaeltnisse. Ferner, durch Hinzukunft einer blossen Bejahung (Realitaet) zur anderen, wird ja das Positive vermehrt, und ihm nichts entzogen, oder aufgehoben; daher kann das Reale in Dingen ueberhaupt einander nicht widerstreiten, usw. * * * Die Begriffe der Reflexion haben, wie wir gezeigt haben, durch eine gewisse Missdeutung einen solchen Einfluss auf den Verstandesgebrauch, dass sie sogar einen der scharfsichtigsten unter allen Philosophen zu einem vermeinten System intellektueller Erkenntnis, welches seine Gegenstaende ohne Dazukunft der Sinne zu bestimmen unternimmt, zu verleiten imstande gewesen. Eben um deswillen ist die Entwicklung der taeuschenden Ursache der Amphibolie dieser Begriffe, in Veranlassung falscher Grundsaetze, von grossem Nutzen, die Grenzen des Verstandes zuverlaessig zu bestimmen und zu sichern. Man muss zwar sagen: was einem Begriff allgemein zukommt, oder widerspricht, das kommt auch zu, oder widerspricht, allem Besonderen, was unter jenem Begriff enthalten ist; (dictum de Omni et Nullo;) es waere aber ungereimt, diesen logischen Grundsatz dahin zu veraendern, dass er so lautete: was in einem allgemeinen Begriffe nicht enthalten ist, das ist auch in den besonderen nicht enthalten, die unter demselben stehen; denn diese sind eben darum besondere Begriffe, weil sie mehr in sich enthalten, als im allgemeinen gedacht wird. Nun ist doch wirklich auf diesen letzteren Grundsatz das ganze intellektuelle System Leibnizens erbaut; es faellt also zugleich mit demselben, samt aller aus ihm entspringenden Zweideutigkeit im Verstandesgebrauche. Der Satz des Nichtzuunterscheidenden gruendete sich eigentlich auf der Voraussetzung: dass, wenn in dem Begriffe von einem Dinge ueberhaupt eine gewisse Unterscheidung nicht angetroffen wird, so sei sie auch nicht in den Dingen selbst anzutreffen; folglich seien alle Dinge voellig einerlei (numero eadem), die sich nicht schon in ihrem Begriffe (der Qualitaet oder Quantitaet nach) voneinander unterscheiden. Weil aber bei dem blossen Begriffe von irgendeinem Dinge von manchen notwendigen Bedingungen einer Anschauung abstrahiert worden, so wird, durch eine sonderbare Uebereilung, das, wovon abstrahiert wird, dafuer genommen, dass es ueberall nicht anzutreffen sei, und dem Dinge nichts eingeraeumt, als was in seinem Begriffe enthalten ist. Der Begriff von einem Kubikfusse Raum, ich mag mir diesen denken, wo und wie oft ich wolle, ist an sich voellig einerlei. Allein zwei Kubikfuesse sind im Raume dennoch bloss durch ihre Oerter unterschieden (numero diversa); diese sind Bedingungen der Anschauung, worin das Objekt dieses Begriffs gegeben wird, die nicht zum Begriffe, aber doch zur ganzen Sinnlichkeit gehoeren. Gleichergestalt ist in dem Begriffe von einem Dinge gar kein Widerstreit, wenn nichts Verneinendes mit einem Bejahenden verbunden worden, und bloss bejahende Begriffe koennen, in Verbindung, gar keine Aufhebung bewirken. Allein in der sinnlichen Anschauung, darin Realitaet (z.B. Bewegung) gegeben wird, finden sich Bedingungen (entgegengesetzte Richtungen), von denen im Begriffe der Bewegung ueberhaupt abstrahiert war, die einen Widerstreit, der freilich nicht logisch ist, naemlich aus lauter Positivem ein Zero = 0 moeglich machen, und man konnte nicht sagen: dass darum alle Realitaet untereinander Einstimmung sei, weil unter ihren Begriffen kein Widerstreit angetroffen wird*. Nach blossen Begriffen ist das Innere das Substratum aller Verhaeltnis oder aeusseren Bestimmungen. Wenn ich also von allen Bedingungen der Anschauung abstrahiere, und mich lediglich an den Begriff von einem Dinge ueberhaupt halte, so kann ich von allem aeusseren Verhaeltnis abstrahieren, und es muss dennoch ein Begriff von dem uebrigbleiben, das gar kein Verhaeltnis, sondern bloss innere Bestimmungen bedeutet. Da scheint es nun, es folge daraus: in jedem Dinge (Substanz) sei etwas, was schlechthin innerlich ist, und allen aeusseren Bestimmungen vorgeht, indem es sie allererst moeglich macht, mithin sei dieses Substratum so etwas, das keine aeusseren Verhaeltnisse mehr in sich enthaelt, folglich einfach: (denn die koerperlichen Dinge sind doch immer nur Verhaeltnisse, wenigstens der Teile aussereinander;) und weil wir keine schlechthin inneren Bestimmungen kennen, als die durch unseren inneren Sinn, so sei dieses Substratum nicht allein einfach, sondern auch (nach der Analogie mit unserem inneren Sinn) durch Vorstellungen bestimmt, d.i. alle Dinge waeren eigentlich Monaden, oder mit Vorstellungen begabte einfache Wesen. Dieses wuerde auch alles seine Richtigkeit haben, gehoerte nicht etwa mehr, als der Begriff von einem Dinge ueberhaupt, zu den Bedingungen, unter denen allein uns Gegenstaende der aeusseren Anschauung gegeben werden koennen, und von denen der reine Begriff abstrahiert. Denn da zeigt sich, dass eine beharrliche Erscheinung im Raume (undurchdringliche Ausdehnung) lauter Verhaeltnisse, und gar nichts schlechthin Innerliches enthalten, und dennoch das erste Substratum aller aeusseren Wahrnehmung sein koenne. Durch blosse Begriffe kann ich freilich ohne etwas Innerem nichts Aeusseres denken, eben darum, weil Verhaeltnisbegriffe doch schlechthin gegebene Dinge voraussetzen, und ohne diese nicht moeglich sind. Aber, da in der Anschauung etwas enthalten ist, was im blossen Begriffe von einem Dinge ueberhaupt gar nicht liegt, und dieses das Substratum, welches durch blosse Begriffe gar nicht erkannt werden wuerde, an die Hand gibt, naemlich, ein Raum, der, mit allem, was er enthaelt, aus lauter formalen, oder auch realen Verhaeltnissen besteht, so kann ich nicht sagen: weil, ohne ein Schlechthininneres, kein Ding durch blosse Begriffe vorgestellt werden kann, so sei auch in den Dingen selbst, die unter diesen Begriffen enthalten sind, und ihrer Anschauung nichts Aeusseres, dem nicht etwas Schlechthininnerliches zum Grunde laege. Denn, wenn wir von allen Bedingungen der Anschauung abstrahiert haben, so bleibt uns freilich im blossen Begriffe nichts uebrig, als das Innere ueberhaupt, und das Verhaeltnis desselben untereinander, wodurch allein das Aeussere moeglich ist. Diese Notwendigkeit aber, die sich allein auf Abstraktion gruendet, findet nicht bei den Dingen statt, sofern sie in der Anschauung mit solchen Bestimmungen gegeben werden, die blosse Verhaeltnisse ausdruecken, ohne etwas Inneres zum Grunde zu haben, darum, weil sie nicht Dinge an sich selbst, sondern lediglich Erscheinungen sind. Was wir auch nur an der Materie kennen, sind lauter Verhaeltnisse, (das, was wir innere Bestimmungen derselben nennen, ist nur komparativ innerlich;) aber es sind darunter selbstaendige und beharrliche, dadurch uns ein bestimmter Gegenstand gegeben wird. Dass ich, wenn ich von diesen Verhaeltnissen abstrahiere, gar nichts weiter zu denken habe, hebt den Begriff von einem Dinge, als Erscheinung, nicht auf, auch nicht den Begriff von einem Gegenstande in abstracto, wohl aber alle Moeglichkeit eines solchen, der nach blossen Begriffen bestimmbar ist, d.i. eines Noumenon. Freilich macht es stutzig, zu hoeren, dass ein Ding ganz und gar aus Verhaeltnissen bestehen solle, aber ein solches Ding ist auch blosse Erscheinung, und kann gar nicht durch reine Kategorien gedacht werden; es besteht selbst in dem blossen Verhaeltnisse von Etwas ueberhaupt zu den Sinnen. Ebenso kann man die Verhaeltnisse der Dinge in abstracto, wenn man es mit blossen Begriffen anfaengt, wohl nicht anders denken, als dass eines die Ursache von Bestimmungen in dem anderen sei; denn das ist unser Verstandesbegriff von Verhaeltnissen selbst. Allein, da wir alsdann von aller Anschauung abstrahieren, so faellt eine ganze Art, wie das Mannigfaltige einander seinen Ort bestimmen kann, naemlich die Form der Sinnlichkeit (der Raum), weg, der doch vor aller empirischen Kausalitaet vorhergeht. * Wollte man sich hier der gewoehnlichen Ausflucht bedienen: dass wenigstens realitates Noumena einander nicht entgegenwirken koennen, so muesste man doch ein Beispiel von dergleichen reiner und sinnenfreier Realitaet anfuehren, damit man verstaende, ob eine solche ueberhaupt etwas oder gar nichts vorstelle. Aber es kann kein Beispiel woher anders, als aus der Erfahrung genommen werden, die niemals mehr als Phaenomena darbietet, und so bedeutet dieser Satz nichts weiter, als dass der Begriff, der lauter Bejahungen enthaelt, nichts Verneinendes enthalte; ein Satz, an dem wir niemals gezweifelt haben. Wenn wir unter bloss intelligiblen Gegenstaenden diejenigen Dinge verstehen, die durch reine Kategorien, ohne alles Schema der Sinnlichkeit, gedacht werden, so sind dergleichen unmoeglich. Denn die Bedingung des objektiven Gebrauchs aller unserer Verstandesbegriffe ist bloss die Art unserer sinnlichen Anschauung, wodurch uns Gegenstaende gegeben werden, und, wenn wir von der letzteren abstrahieren, so haben die ersteren gar keine Beziehung auf irgendein Objekt. Ja, wenn man auch eine andere Art der Anschauung, als diese unsere sinnliche ist, annehmen wollte, so wuerden doch unsere Funktionen zu denken in Ansehung derselben von gar keiner Bedeutung sein. Verstehen wir darunter nur Gegenstaende einer nichtsinnlichen Anschauung, von denen unsere Kategorien zwar freilich nicht gelten, und von denen wir also gar keine Erkenntnis (weder Anschauung, noch Begriff) jemals haben koennen, so muessen Noumena in dieser bloss negativen Bedeutung allerdings zugelassen werden: da sie denn nichts anderes sagen, als: dass unsere Art der Anschauung nicht auf alle Dinge, sondern bloss auf Gegenstaende unserer Sinne geht, folglich ihre objektive Gueltigkeit begrenzt ist, und mithin fuer irgendeine andere Art Anschauung, und also auch fuer Dinge als Objekte derselben, Platz uebrigbleibt. Aber alsdann ist der Begriff eines Noumenon problematisch, d.i. die Vorstellung eines Dinges, von dem wir weder sagen koennen, dass es moeglich, noch dass es unmoeglich sei, indem wir gar keine Art der Anschauung, als unsere sinnliche kennen, und keine Art der Begriffe, als die Kategorien, keine von beiden aber einem aussersinnlichen Gegenstande angemessen ist. Wir koennen daher das Feld der Gegenstaende unseres Denkens ueber die Bedingungen unserer Sinnlichkeit darum noch nicht positiv erweitern, und ausser den Erscheinungen noch Gegenstaende des reinen Denkens, d.i. Noumena, annehmen, weil jene keine anzugebende positive Bedeutung haben. Denn man muss von den Kategorien eingestehen: dass sie allein noch nicht zur Erkenntnis der Dinge an sich selbst zureichen, und ohne die data der Sinnlichkeit bloss subjektive Formen der Verstandeseinheit, aber ohne Gegenstand, sein wuerden. Das Denken ist zwar an sich kein Produkt der Sinne, und sofern durch sie auch nicht eingeschraenkt, aber darum nicht sofort von eigenem und reinem Gebrauche, ohne Beitritt der Sinnlichkeit, weil es alsdann ohne Objekt ist. Man kann auch das Noumenon nicht ein solches Objekt nennen; denn dieses bedeutet eben den problematischen Begriff von einem Gegenstande fuer eine ganz andere Anschauung und einen ganz anderen Verstand, als der unsrige, der mithin selbst ein Problem ist. Der Begriff des Noumenon ist also nicht der Begriff von einem Objekt, sondern die unvermeidlich mit der Einschraenkung unserer Sinnlichkeit zusammenhaengende Aufgabe, ob es nicht von jener ihrer Anschauung ganz entbundene Gegenstaende geben moege, welche Frage nur unbestimmt beantwortet werden kann, naemlich: dass, weil die sinnliche Anschauung nicht auf alle Dinge ohne Unterschied geht, fuer mehr und andere Gegenstaende Platz uebrigbleibe, sie also nicht schlechthin abgeleugnet, in Ermanglung eines bestimmten Begriffs aber (da keine Kategorie dazu tauglich ist) auch nicht als Gegenstaende fuer unseren Verstand behauptet werden koennen. Der Verstand begrenzt demnach die Sinnlichkeit, ohne darum sein eigenes Feld zu erweitern, und, indem er jene warnt, dass sie sich nicht anmasse, auf Dinge an sich selbst zu gehen, sondern lediglich auf Erscheinungen, so denkt er sich einen Gegenstand an sich selbst, aber nur als transzendentales Objekt, das die Ursache der Erscheinung (mithin selbst nicht Erscheinung) ist, und weder als Groesse, noch als Realitaet, noch als Substanz usw. gedacht werden kann (weil diese Begriffe immer sinnliche Formen erfordern, in denen sie einen Gegenstand bestimmen;) wovon also voellig unbekannt ist, ob es in uns, oder auch ausser uns anzutreffen sei, ob es mit der Sinnlichkeit zugleich aufgehoben werden, oder wenn wir jene wegnehmen, noch uebrigbleiben wuerde. Wollen wir dieses Objekt Noumenon nennen, darum, weil die Vorstellung von ihm nicht sinnlich ist, so steht dieses uns frei. Da wir aber keine von unseren Verstandesbegriffen darauf anwenden koennen, so bleibt diese Vorstellung doch fuer uns leer, und dient zu nichts, als die Grenzen unserer sinnlichen Erkenntnis zu bezeichnen, und einen Raum uebrig zu lassen, den wir weder durch moegliche Erfahrung, noch durch den reinen Verstand ausfuellen koennen. Die Kritik dieses reinen Verstandes erlaubt es also nicht, sich ein neues Feld von Gegenstaenden, ausser denen, die ihm als Erscheinungen vorkommen koennen, zu schaffen, und in intelligible Welten, sogar nicht einmal in ihren Begriff, auszuschweifen. Der Fehler, welcher hierzu auf die allerscheinbarste Art verleitet, und allerdings entschuldigt, obgleich nicht gerechtfertigt werden kann, liegt darin: dass der Gebrauch des Verstandes, wider seine Bestimmung, transzendental gemacht, und die Gegenstaende, d.i. moegliche Anschauungen, sich nach Begriffen, nicht aber Begriffe sich nach moeglichen Anschauungen (als auf denen allein ihre objektive Gueltigkeit beruht) richten muessen. Die Ursache hiervon aber ist wiederum: dass die Apperzeption, und, mit ihr, das Denken vor aller moeglichen bestimmten Anordnung der Vorstellungen vorhergeht. Wir denken also Etwas ueberhaupt, und bestimmen es einerseits sinnlich, allein unterscheiden doch den allgemeinen und in abstracto vorgestellten Gegenstand von dieser Art ihn anzuschauen; da bleibt uns nun eine Art, ihn bloss durch Denken zu bestimmen, uebrig, welche zwar eine blosse logische Form ohne Inhalt ist, uns aber dennoch eine Art zu sein scheint, wie das Objekt an sich existiere (Noumenon), ohne auf die Anschauung zu sehen, welche auf unsere Sinne eingeschraenkt ist. * * * Ehe wir die transzendentale Analytik verlassen, muessen wir noch etwas hinzufuegen, was, obgleich an sich von nicht sonderlicher Erheblichkeit, dennoch zur Vollstaendigkeit des Systems erforderlich scheinen duerfte. Der hoechste Begriff, von dem man eine Transzendentalphilosophie anzufangen pflegt, ist gemeiniglich die Einteilung in das Moegliche und Unmoegliche. Da aber alle Einteilung einen eingeteilten Begriff voraussetzt, so muss noch ein hoeherer angegeben werden, und dieser ist der Begriff von einem Gegenstande ueberhaupt (problematisch genommen, und unausgemacht, ob er Etwas oder Nichts sei). Weil die Kategorien die einzigen Begriffe sind, die sich auf Gegenstaende ueberhaupt beziehen, so wird die Unterscheidung eines Gegenstandes, ob er Etwas, oder Nichts sei, nach der Ordnung und Anweisung der Kategorien fortgehen. 1. Den Begriffen von Allem, Vielem und Einem ist der, so alles aufhebt, d.i. Keines, entgegengesetzt und so ist der Gegenstand eines Begriffs, dem gar keine anzugebende Anschauung korrespondiert, = Nichts, d.i. ein Begriff ohne Gegenstand, wie die Noumena, die nicht unter die Moeglichkeiten gezaehlt werden koennen, obgleich auch darum nicht fuer unmoeglich ausgegeben werden muessen, (ens rationis,) oder wie etwa gewisse neue Grundkraefte, die man sich denkt, zwar ohne Widerspruch, aber auch ohne Beispiel aus der Erfahrung gedacht werden, und also nicht unter die Moeglichkeiten gezaehlt werden muessen. 2. Realitaet ist Etwas, Negation ist Nichts, naemlich, ein Begriff von dem Mangel eines Gegenstandes, wie der Schatten, die Kaelte, (nihil privativum). 3. Die blosse Form der Anschauung, ohne Substanz, ist an sich kein Gegenstand, sondern die bloss formale Bedingung desselben (als Erscheinung), wie der reine Raum, und die reine Zeit, die zwar Etwas sind, als Formen anzuschauen, aber selbst keine Gegenstaende sind, die angeschaut werden (ens imaginarium). 4. Der Gegenstand eines Begriffs, der sich selbst widerspricht, ist Nichts, weil der Begriff Nichts ist, das Unmoegliche, wie etwa die geradlinige Figur von zwei Seiten, (nihil negativum). Die Tafel dieser Einteilung des Begriffs von Nichts (denn die dieser gleichlaufende Einteilung des Etwas folgt von selber,) wuerde daher so angelegt werden muessen: Nichts, als 1. Leerer Begriff ohne Gegenstand, ens rationis. 2. Leerer Gegenstand 3. Leere Anschauung eines Begriffs, ohne Gegenstand, nihil privativum. ens imaginarium. 4. Leerer Gegenstand ohne Begriff, nihil negativum. Man sieht, dass das Gedankending (n. 1.) von dem Undinge (n. 4.) dadurch unterschieden werde, dass jenes nicht unter die Moeglichkeiten gezaehlt werden darf, weil es bloss Erdichtung (obzwar nicht widersprechende) ist, dieses aber der Moeglichkeit entgegengesetzt ist, indem der Begriff sogar sich selbst aufhebt. Beide sind aber leere Begriffe. Dagegen sind das nihil privativum (n. 2.) und ens imaginarium (n. 3.) leere Data zu Begriffen. Wenn das Licht nicht den Sinnen gegeben worden, so kann man sich auch keine Finsternis, und, wenn nicht ausgedehnte Wesen wahrgenommen worden, keinen Raum vorstellen. Die Negation sowohl, als die blosse Form der Anschauung, sind, ohne ein Reales, keine Objekte. Der transzendentalen Logik Zweite Abteilung Die transzendentale Dialektik Einleitung I. Vom transzendentalen Schein Wir haben oben die Dialektik ueberhaupt eine Logik des Scheins genannt. Das bedeutet nicht, sie sei eine Lehre der Wahrscheinlichkeit; denn diese ist Wahrheit, aber durch unzureichende Gruende erkannt, deren Erkenntnis also zwar mangelhaft, aber darum doch nicht trueglich ist, und mithin von dem analytischen Teile der Logik nicht getrennt werden muss. Noch weniger duerfen Erscheinung und Schein fuer einerlei gehalten werden. Denn Wahrheit oder Schein sind nicht im Gegenstande, sofern er angeschaut wird, sondern im Urteile ueber denselben, sofern er gedacht wird. Man kann also zwar richtig sagen: dass die Sinne nicht irren, aber nicht darum, weil sie jederzeit richtig urteilen, sondern weil sie gar nicht urteilen. Daher sind Wahrheit sowohl als Irrtum, mithin auch der Schein, als die Verleitung zum letzteren, nur im Urteile, d.i. nur in dem Verhaeltnisse des Gegenstandes zu unserem Verstande anzutreffen. In einem Erkenntnis, das mit den Verstandesgesetzen durchgaengig zusammenstimmt, ist kein Irrtum. In einer Vorstellung der Sinne ist (weil sie gar kein Urteil enthaelt) auch kein Irrtum. Keine Kraft der Natur kann aber von selbst von ihren eigenen Gesetzen abweichen. Daher wuerden weder der Verstand fuer sich allein (ohne Einfluss einer anderen Ursache), noch die Sinne fuer sich, irren; der erstere darum nicht, weil, wenn er bloss nach seinen Gesetzen handelt, die Wirkung (das Urteil) mit diesen Gesetzen notwendig uebereinstimmen muss. In der Uebereinstimmung mit den Gesetzen des Verstandes besteht aber das Formale aller Wahrheit. In den Sinnen ist gar kein Urteil, weder ein wahres, noch falsches. Weil wir nun ausser diesen beiden Erkenntnisquellen keine anderen haben, so folgt: dass der Irrtum nur durch den unbemerkten Einfluss der Sinnlichkeit auf den Verstand bewirkt werde, wodurch es geschieht, dass die subjektiven Gruende des Urteils mit den objektiven zusammenfliessen, und diese von ihrer Bestimmung abweichend machen*, so wie ein bewegter Koerper zwar fuer sich jederzeit die gerade Linie in derselben Richtung halten wuerde, die aber, wenn eine andere Kraft nach einer anderen Richtung zugleich auf ihn einfliesst, in krummlinige Bewegung ausschlaegt. Um die eigentuemliche Handlung des Verstandes von der Kraft, die sich mit einmengt, zu unterscheiden, wird es daher noetig sein, das irrige Urteil als die Diagonale zwischen zwei Kraeften anzusehen, die das Urteil nach zwei verschiedenen Richtungen bestimmen, die gleichsam einen Winkel einschliessen, und jene zusammengesetzte Wirkung in die einfache des Verstandes und der Sinnlichkeit aufzuloesen, welches in reinen Urteilen a priori durch transzendentale Ueberlegung geschehen muss, wodurch (wie schon angezeigt worden) jeder Vorstellung ihre Stelle in der ihr angemessenen Erkenntniskraft angewiesen, mithin auch der Einfluss der letzteren auf jene unterschieden wird. * Die Sinnlichkeit, dem Verstande untergelegt, als das Objekt, worauf dieser seine Funktion anwendet, ist der Quell realer Erkenntnisse. Eben dieselbe aber, sofern sie auf die Verstandeshandlung selbst einfliesst, und ihn zum Urteilen bestimmt, ist der Grund des Irrtums. Unser Geschaeft ist hier nicht, vom empirischen Scheine (z.B. dem optischen) zu handeln, der sich bei dem empirischen Gebrauche sonst richtiger Verstandesregeln vorfindet, und durch welchen die Urteilskraft, durch den Einfluss der Einbildung verleitet wird, sondern wir haben es mit dem transzendentalen Scheine allein zu tun, der auf Grundsaetze einfliesst, deren Gebrauch nicht einmal auf Erfahrung angelegt ist, als in welchem Falle wir doch wenigstens einen Probierstein ihrer Richtigkeit haben wuerden, sondern der uns selbst, wider alle Warnungen der Kritik, gaenzlich ueber den empirischen Gebrauch der Kategorien wegfuehrt und uns mit dem Blendwerke einer Erweiterung des reinen Verstandes hinhaelt. Wir wollen die Grundsaetze, deren Anwendung sich ganz und gar in den Schranken moeglicher Erfahrung haelt, immanente, diejenigen aber, welche diese Grenzen ueberfliegen sollen, transzendente Grundsaetze nennen. Ich verstehe aber unter diesen nicht den transzendentalen Gebrauch oder Missbrauch der Kategorien, welcher ein blosser Fehler der nicht gehoerig durch Kritik gezuegelten Urteilskraft ist, die auf die Grenze des Bodens, worauf allein dem reinen Verstande sein Spiel erlaubt ist, nicht genug achthat; sondern wirkliche Grundsaetze, die uns zumuten, alle jene Grenzpfaehle niederzureissen und sich einen ganz neuen Boden, der ueberall keine Demarkation erkennt, anzumassen. Daher sind transzendental und transzendent nicht einerlei. Die Grundsaetze des reinen Verstandes, die wir oben vortrugen, sollen bloss von empirischem und nicht von transzendentalem, d.i. ueber die Erfahrungsgrenze hinausreichendem Gebrauche sein. Ein Grundsatz aber, der diese Schranken wegnimmt, ja gar sie zu ueberschreiten gebietet, heisst transzendent. Kann unsere Kritik dahin gelangen, den Schein dieser angemassten Grundsaetze aufzudecken, so werden jene Grundsaetze des bloss empirischen Gebrauchs, im Gegensatz mit den letzteren, immanente Grundsaetze des reinen Verstandes genannt werden koennen. Der logische Schein, der in der blossen Nachahmung der Vernunftform besteht, (der Schein der Trugschluesse,) entspringt lediglich aus einem Mangel der Achtsamkeit auf die logische Regel. Sobald daher diese auf den vorliegenden Fall geschaerft wird, so verschwindet er gaenzlich. Der transzendentale Schein dagegen hoert gleichwohl nicht auf, ob man ihn schon aufgedeckt und seine Nichtigkeit durch die transzendentale Kritik deutlich eingesehen hat. (Z.B. der Schein in dem Satze: die Welt muss der Zeit nach einen Anfang haben.) Die Ursache hiervon ist diese, dass in unserer Vernunft (subjektiv als ein menschliches Erkenntnisvermoegen betrachtet) Grundregeln und Maximen ihres Gebrauchs liegen, welche gaenzlich das Ansehen objektiver Grundsaetze haben, und wodurch es geschieht, dass die subjektive Notwendigkeit einer gewissen Verknuepfung unserer Begriffe, zugunsten des Verstandes, fuer eine objektive Notwendigkeit, der Bestimmung der Dinge an sich selbst, gehalten wird. Eine Illusion, die gar nicht zu vermeiden ist, so wenig als wir es vermeiden koennen, dass uns das Meer in der Mitte nicht hoeher scheine, wie an dem Ufer, weil wir jene durch hoehere Lichtstrahlen als diese sehen, oder, noch mehr, so wenig selbst der Astronom verhindern kann, dass ihm der Mond im Aufgange nicht groesser scheine, ob er gleich durch diesen Schein nicht betrogen wird. Die transzendentale Dialektik wird also sich damit begnuegen, den Schein transzendenter Urteile aufzudecken, und zugleich zu verhueten, dass er nicht betruege; dass er aber auch (wie der logische Schein) sogar verschwinde, und ein Schein zu sein aufhoere, das kann sie niemals bewerkstelligen. Denn wir haben es mit einer natuerlichen und unvermeidlichen Illusion zu tun, die selbst auf subjektiven Grundsaetzen beruht, und sie als objektive unterschiebt, anstatt dass die logische Dialektik in Aufloesung der Trugschluesse es nur mit einem Fehler, in Befolgung der Grundsaetze, oder mit einem gekuenstelten Scheine, in Nachahmung derselben, zu tun hat. Es gibt also eine natuerliche und unvermeidliche Dialektik der reinen Vernunft, nicht eine, in die sich etwa ein Stuemper, durch Mangel an Kenntnissen, selbst verwickelt, oder die irgendein Sophist, um vernuenftige Leute zu verwirren, kuenstlich ersonnen hat, sondern die der menschlichen Vernunft unhintertreiblich anhaengt, und selbst, nachdem wir ihr Blendwerk aufgedeckt haben, dennoch nicht aufhoeren wird, ihr vorzugaukeln und sie unablaessig in augenblickliche Verirrungen zu stossen, die jederzeit gehoben zu werden beduerfen. II. Von der reinen Vernunft als dem Sitze des transzendentalen Scheins A. Von der Vernunft ueberhaupt Alle unsere Erkenntnis hebt von den Sinnen an, geht von da zum Verstande, und endigt bei der Vernunft, ueber welche nichts Hoeheres in uns angetroffen wird, den Stoff der Anschauung zu bearbeiten und unter die hoechste Einheit des Denkens zu bringen. Da ich jetzt von dieser obersten Erkenntniskraft eine Erklaerung geben soll, so finde ich mich in einiger Verlegenheit. Es gibt von ihr, wie von dem Verstande, einen bloss formalen, d.i. logischen Gebrauch, da die Vernunft von allem Inhalte der Erkenntnis abstrahiert, aber auch einen realen, da sie selbst den Ursprung gewisser Begriffe und Grundsaetze enthaelt, die sie weder von den Sinnen, noch vom Verstande entlehnt. Das erstere Vermoegen ist nun freilich vorlaengst von den Logikern durch das Vermoegen mittelbar zu schliessen (zum Unterschiede von den unmittelbaren Schluessen, consequentiis immediatis,) erklaert worden; das zweite aber, welches selbst Begriffe erzeugt, wird dadurch noch nicht eingesehen. Da nun hier eine Einteilung der Vernunft in ein logisches und transzendentales Vermoegen vorkommt, so muss ein hoeherer Begriff von dieser Erkenntnisquelle gesucht werden, welcher beide Begriffe unter sich befasst, indessen wir nach der Analogie mit den Verstandesbegriffen erwarten koennen, dass der logische Begriff zugleich den Schluessel zum transzendentalen, und die Tafel der Funktionen der ersteren zugleich die Stammleiter der Vernunftbegriffe an die Hand geben werde. Wir erklaerten, im ersteren Teile unserer transzendentalen Logik, den Verstand durch das Vermoegen der Regeln; hier unterscheiden wir die Vernunft von demselben dadurch, dass wir sie das Vermoegen der Prinzipien nennen wollen. Der Ausdruck eines Prinzips ist zweideutig, und bedeutet gemeiniglich nur ein Erkenntnis, das als Prinzip gebraucht werden kann, ob es zwar an sich selbst und seinem eigenen Ursprunge nach kein Prinzipium ist. Ein jeder allgemeiner Satz, er mag auch sogar aus Erfahrung (durch Induktion) hergenommen sein, kann zum Obersatz in einem Vernunftschlusse dienen; er ist darum aber nicht selbst ein Prinzipium. Die mathematischen Axiome (z.B. zwischen zwei Punkten kann nur eine gerade Linie sein,) sind sogar allgemeine Erkenntnisse a priori, und werden daher mit Recht, relativisch auf die Faelle, die unter ihnen subsumiert werden koennen, Prinzipien genannt. Aber ich kann darum doch nicht sagen, dass ich diese Eigenschaft der geraden Linien ueberhaupt und an sich, aus Prinzipien erkenne, sondern nur in der reinen Anschauung. Ich wuerde daher Erkenntnis aus Prinzipien diejenige nennen, da ich das Besondere im allgemeinen durch Begriffe erkenne. So ist denn ein jeder Vernunftschluss eine Form der Ableitung einer Erkenntnis aus einem Prinzip. Denn der Obersatz gibt jederzeit einen Begriff, der da macht, dass alles, was unter der Bedingung desselben subsumiert wird, aus ihm nach einem Prinzip erkannt wird. Da nun jede allgemeine Erkenntnis zum Obersatze in einem Vernunftschlusse dienen kann, und der Verstand dergleichen allgemeine Saetze a priori darbietet, so koennen diese denn auch, in Ansehung ihres moeglichen Gebrauchs, Prinzipien genannt werden. Betrachten wir aber diese Grundsaetze des reinen Verstandes an sich selbst ihrem Ursprunge nach, so sind sie nichts weniger als Erkenntnisse aus Begriffen. Denn sie wuerden auch nicht einmal a priori moeglich sein, wenn wir nicht die reine Anschauung, (in der Mathematik,) oder Bedingungen einer moeglichen Erfahrung ueberhaupt herbeizoegen. Dass alles, was geschieht, eine Ursache habe, kann gar nicht aus dem Begriffe dessen, was ueberhaupt geschieht, geschlossen werden; vielmehr zeigt der Grundsatz, wie man allererst von dem, was geschieht, einen bestimmten Erfahrungsbegriff bekommen koenne. Synthetische Erkenntnisse aus Begriffen kann der Verstand also gar nicht verschaffen, und diese sind es eigentlich, welche ich schlechthin Prinzipien nenne; indessen, dass alle allgemeinen Saetze ueberhaupt komparative Prinzipien heissen koennen. Es ist ein alter Wunsch, der, wer weiss wie spaet, vielleicht einmal in Erfuellung gehen wird: dass man doch einmal, statt der endlosen Mannigfaltigkeit buergerlicher Gesetze, ihre Prinzipien aufsuchen moege; denn darin kann allein das Geheimnis bestehen, die Gesetzgebung, wie man sagt, zu simplifizieren. Aber die Gesetze sind hier auch nur Einschraenkungen unserer Freiheit auf Bedingungen, unter denen sie durchgaengig mit sich selbst zusammenstimmt; mithin gehen sie auf etwas, was gaenzlich unser eigen Werk ist, und wovon wir durch jene Begriffe selbst die Ursache sein koennen. Wie aber Gegenstaende an sich selbst, wie die Natur der Dinge unter Prinzipien stehe und nach blossen Begriffen bestimmt werden solle, ist, wo nicht etwas Unmoegliches, wenigstens doch sehr Widersinnisches in seiner Forderung. Es mag aber hiermit bewandt sein, wie es wolle, (denn darueber haben wir die Untersuchung noch vor uns,) so erhellt wenigstens daraus: dass Erkenntnis aus Prinzipien (an sich selbst) ganz etwas anderes sei, als blosse Verstandeserkenntnis, die zwar auch anderen Erkenntnissen in der Form eines Prinzips vorgehen kann, an sich selbst aber (sofern sie synthetisch ist) nicht auf blossem Denken beruht, noch ein Allgemeines nach Begriffen in sich enthaelt. Der Verstand mag ein Vermoegen der Einheit der Erscheinungen vermittelst der Regeln sein, so ist die Vernunft das Vermoegen der Einheit der Verstandesregeln unter Prinzipien. So geht also niemals zunaechst auf Erfahrung, oder auf irgendeinen Gegenstand, sondern auf den Verstand, um den mannigfaltigen Erkenntnissen desselben Einheit a priori durch Begriffe zu geben, welche Vernunfteinheit heissen mag, und von ganz anderer Art ist, als sie von dem Verstande geleistet werden kann. Das ist der allgemeine Begriff von dem Vernunftvermoegen, so weit er, bei gaenzlichem Mangel an Beispielen (als die erst in der Folge gegeben werden sollen), hat begreiflich gemacht werden koennen. B. Vom logischen Gebrauche der Vernunft Man macht einen Unterschied zwischen dem, was unmittelbar erkannt, und dem, was nur geschlossen wird. Dass in einer Figur, die durch drei gerade Linien begrenzt ist, drei Winkel sind, wird unmittelbar erkannt; dass diese Winkel aber zusammen zwei rechten gleich sind, ist nur geschlossen. Weil wir des Schliessens bestaendig beduerfen und es dadurch endlich ganz gewohnt werden, so bemerken wir zuletzt diesen Unterschied nicht mehr, und halten oft, wie bei dem sogenannten Betruge der Sinne, etwas fuer unmittelbar wahrgenommen, was wir doch nur geschlossen haben. Bei jedem Schlusse ist ein Satz, der zum Grunde liegt, und ein anderer, naemlich die Folgerung, die aus jenem gezogen wird, und endlich die Schlussfolge (Konsequenz), nach welcher die Wahrheit des letzteren unausbleiblich mit der Wahrheit des ersteren verknuepft ist. Liegt das geschlossene Urteil schon so in dem ersten, dass es ohne Vermittlung einer dritten Vorstellung daraus abgeleitet werden kann, so heisst der Schluss unmittelbar (consequentia immediata); ich moechte ihn lieber den Verstandesschluss nennen. Ist aber, ausser der zum Grunde gelegten Erkenntnis, noch ein anderes Urteil noetig, um die Folge zu bewirken, so heisst der Schluss ein Vernunftschluss. In dem Satze: alle Menschen sind sterblich, liegen schon die Saetze: einige Menschen sind sterblich, einige Sterbliche sind Menschen, nichts, was unsterblich ist, ist ein Mensch, und diese sind also unmittelbare Folgerungen aus dem ersteren. Dagegen liegt der Satz: alle Gelehrten sind sterblich, nicht in dem untergelegten Urteile (denn der Begriff der Gelehrten kommt in ihm gar nicht vor), und er kann nur vermittelst eines Zwischenurteils aus diesem gefolgert werden. In jedem Vernunftsschlusse denke ich zuerst eine Regel (major) durch den Verstand. Zweitens subsumiere ich ein Erkenntnis unter die Bedingung der Regel (minor) vermittelst der Urteilskraft. Endlich bestimme ich mein Erkenntnis durch das Praedikat der Regel (conclusio), mithin a priori durch die Vernunft. Das Verhaeltnis also, welches der Obersatz, als die Regel, zwischen einer Erkenntnis und ihrer Bedingung vorstellt, macht die verschiedenen Arten der Vernunftschluesse aus. Sie sind also gerade dreifach, so wie alle Urteile ueberhaupt, sofern sie sich in der Art unterscheiden, wie sie das Verhaeltnis des Erkenntnisses im Verstande ausdruecken, naemlich: kategorische oder hypothetische oder disjunktive Vernunftschluesse. Wenn, wie mehrenteils geschieht, die Konklusion als ein Urteil aufgegeben worden, um zu sehen, ob es nicht aus schon gegebenen Urteilen, durch die naemlich ein ganz anderer Gegenstand gedacht wird, fliesse: so suche ich im Verstande die Assertion dieses Schlusssatzes auf, ob sie sich nicht in demselben unter gewissen Bedingungen nach einer allgemeinen Regel vorfinde. Finde ich nun eine solche Bedingung und laesst sich das Objekt des Schlusssatzes unter der gegebenen Bedingung subsumieren, so ist dieser aus der Regel, die auch fuer andere Gegenstaende der Erkenntnis gilt, gefolgert. Man sieht daraus: dass die Vernunft im Schliessen die grosse Mannigfaltigkeit der Erkenntnis des Verstandes auf die kleinste Zahl der Prinzipien (allgemeiner Bedingungen) zu bringen und dadurch die hoechste Einheit derselben zu bewirken suche. C. Von dem reinen Gebrauche der Vernunft Kann man die Vernunft isolieren, und ist sie alsdann noch ein eigener Quell von Begriffen und Urteilen, die lediglich aus ihr entspringen, und dadurch sie sich auf Gegenstaende bezieht, oder ist sie ein bloss subalternes Vermoegen, gegebenen Erkenntnissen eine gewisse Form zu geben, welche logisch heisst, und wodurch die Verstandeserkenntnisse nur einander und niedrige Regeln anderen hoeheren (deren Bedingung die Bedingung der ersteren in ihrer Sphaere befasst) untergeordnet werden, so viel sich durch die Vergleichung derselben will bewerkstelligen lassen? Dies ist die Frage, mit der wir uns jetzt nur vorlaeufig beschaeftigen. In der Tat ist Mannigfaltigkeit der Regeln und Einheit der Prinzipien eine Forderung der Vernunft, um den Verstand mit sich selbst in durchgaengigen Zusammenhang zu bringen, so wie der Verstand das Mannigfaltige der Anschauung unter Begriffe und dadurch jene in Verknuepfung bringt. Aber ein solcher Grundsatz schreibt den Objekten kein Gesetz vor, und enthaelt nicht den Grund der Moeglichkeit, sie als solche ueberhaupt zu erkennen und zu bestimmen, sondern ist bloss ein subjektives Gesetz der Haushaltung mit dem Vorrate unseres Verstandes, durch Vergleichung seiner Begriffe, den allgemeinen Gebrauch derselben auf die kleinstmoegliche Zahl derselben zu bringen, ohne dass man deswegen von den Gegenstaenden selbst eine solche Einhelligkeit, die der Gemaechlichkeit und Ausbreitung unseres Verstandes Vorschub tue, zu fordern, und jener Maxime zugleich objektive Gueltigkeit zu geben, berechtigt waere. Mit einem Worte, die Frage ist: ob Vernunft an sich d.i. die reine Vernunft a priori synthetische Grundsaetze und Regeln enthalte, und worin diese Prinzipien bestehen moegen? Das formale und logische Verfahren derselben in Vernunftschluessen gibt uns hierueber schon hinreichende Anleitung, auf welchem Grunde das transzendentale Prinzipium derselben in der synthetischen Erkenntnis durch reine Vernunft beruhen werde. Erstlich geht der Vernunftschluss nicht auf Anschauungen, um dieselbe unter Regeln zu bringen (wie der Verstand mit seinen Kategorien), sondern auf Begriffe und Urteile. Wenn also reine Vernunft auch auf Gegenstaende geht, so hat sie doch auf diese und deren Anschauung keine unmittelbare Beziehung, sondern nur auf den Verstand und dessen Urteile, welche sich zunaechst an die Sinne und deren Anschauung wenden, um diesen ihren Gegenstand zu bestimmen. Vernunfteinheit ist also nicht Einheit einer moeglichen Erfahrung, sondern von dieser, als der Verstandeseinheit, wesentlich unterschieden. Dass alles, was geschieht, eine Ursache habe, ist gar kein durch Vernunft erkannter und vorgeschriebener Grundsatz. Er macht die Einheit der Erfahrung moeglich und entlehnt nichts von der Vernunft, welche, ohne diese Beziehung auf moegliche Erfahrung, aus blossen Begriffen keine solche synthetische Einheit haette gebieten koennen. Zweitens sucht die Vernunft in ihrem logischen Gebrauche die allgemeine Bedingung ihres Urteils (des Schlusssatzes), und der Vernunftschluss ist selbst nichts anderes als ein Urteil, vermittelst der Subsumtion seiner Bedingung unter eine allgemeine Regel (Obersatz). Da nun diese Regel wiederum eben demselben Versuche der Vernunft ausgesetzt ist, und dadurch die Bedingung der Bedingung (vermittelst eines Prosyllogismus) gesucht werden muss, so lange es angeht, so sieht man wohl, der eigentuemliche Grundsatz der Vernunft ueberhaupt (im logischen Gebrauche) sei: zu dem bedingten Erkenntnisse des Verstandes das Unbedingte zu finden, womit die Einheit desselben vollendet wird. Diese logische Maxime kann aber nicht anders ein Prinzipium der reinen Vernunft werden, als dadurch, dass man annimmt: wenn das Bedingte gegeben ist, so sei auch die ganze Reihe einander untergeordneter Bedingungen, die mithin selbst unbedingt ist, gegeben, (d.i. in dem Gegenstande und seiner Verknuepfung enthalten). Ein solcher Grundsatz der reinen Vernunft ist aber offenbar synthetisch; denn das Bedingte bezieht sich analytisch zwar auf irgendeine Bedingung, aber nicht aufs Unbedingte. Es muessen aus demselben auch verschiedene synthetische Saetze entspringen, wovon der reine Verstand nichts weiss, als der nur mit Gegenstaenden einer moeglichen Erfahrung zu tun hat, deren Erkenntnis und Synthesis jederzeit bedingt ist. Das Unbedingte aber, wenn es wirklich statthat, kann besonders erwogen werden, nach allen den Bestimmungen, die es von jedem Bedingten unterscheiden, und muss dadurch Stoff zu manchen synthetischen Saetzen a priori geben. Die aus diesem obersten Prinzip der reinen Vernunft entspringenden Grundsaetze werden aber in Ansehung aller Erscheinungen transzendent sein, d.i. es wird kein ihm adaequater empirischer Gebrauch von demselben jemals gemacht werden koennen. Er wird sich also von allen Grundsaetzen des Verstandes (deren Gebrauch voellig immanent ist, indem sie nur die Moeglichkeit der Erfahrung zu ihrem Thema haben,) gaenzlich unterscheiden. Ob nun jener Grundsatz: dass sich die Reihe der Bedingungen (in der Synthesis der Erscheinungen, oder auch des Denkens der Dinge ueberhaupt,) bis zum Unbedingten erstrecke, seine objektive Richtigkeit habe, oder nicht; welche Folgerungen daraus auf den empirischen Verstandesgebrauch fliessen, oder ob es vielmehr ueberall keinen dergleichen objektivgueltigen Vernunftsatz gebe, sondern eine bloss logische Vorschrift, sich im Aufsteigen zu immer hoeheren Bedingungen, der Vollstaendigkeit derselben zu naehern und dadurch die hoechste uns moegliche Vernunfteinheit in unsere Erkenntnis zu bringen; ob, sage ich, dieses Beduerfnis der Vernunft durch einen Missverstand fuer einen transzendentalen Grundsatz der reinen Vernunft gehalten worden, der eine solche unbeschraenkte Vollstaendigkeit uebereilterweise von der Reihe der Bedingungen in den Gegenstaenden selbst postuliert; was aber auch in diesem Falle fuer Missdeutungen und Verblendungen in die Vernunftschluesse, deren Obersatz aus reiner Vernunft genommen worden, (und der vielleicht mehr Petition als Postulat ist,) und die von der Erfahrung aufwaerts zu ihren Bedingungen steigen, einschleichen moegen: das wird unser Geschaeft in der transzendentalen Dialektik sein, welche wir jetzt aus ihren Quellen, die tief in der menschlichen Vernunft verborgen sind, entwickeln wollen. Wir werden sie in zwei Hauptstuecke teilen, deren ersteres von den transzendenten Begriffen der reinen Vernunft, das zweite von transzendenten und dialektischen Vernunftsschluessen derselben handeln soll. Der transzendentalen Dialektik Erstes Buch Von den Begriffen der reinen Vernunft Was es auch mit der Moeglichkeit der Begriffe aus reiner Vernunft fuer eine Bewandtnis haben mag: so sind sie doch nicht bloss reflektierte, sondern geschlossene Begriffe. Verstandesbegriffe werden auch a priori vor der Erfahrung und zum Behuf derselben gedacht; aber sie enthalten nichts weiter, als die Einheit der Reflexion ueber die Erscheinungen, insofern sie notwendig zu einem moeglichen empirischen Bewusstsein gehoeren sollen. Durch sie allein wird Erkenntnis und Bestimmung eines Gegenstandes moeglich. Sie geben also zuerst Stoff zum Schliessen, und vor ihnen gehen keine Begriffe a priori von Gegenstaenden vorher, aus denen sie koennten geschlossen werden. Dagegen gruendet sich ihre objektive Realitaet doch lediglich darauf: dass, weil sie die intellektuelle Form aller Erfahrung ausmachen, ihre Anwendung jederzeit in der Erfahrung muss gezeigt werden koennen. Die Benennung eines Vernunftbegriffs aber zeigt schon vorlaeufig: dass er sich nicht innerhalb der Erfahrung wolle beschraenken lassen, weil er eine Erkenntnis betrifft, von der jede empirische nur ein Teil ist, (vielleicht das Ganze der moeglichen Erfahrung oder ihrer empirischen Synthesis,) bis dahin zwar keine wirkliche Erfahrung jemals voellig zureicht, aber doch jederzeit dazu gehoerig ist. Vernunftbegriffe dienen zum Begreifen, wie Verstandesbegriffe zum Verstehen (der Wahrnehmungen). Wenn sie das Unbedingte enthalten, so betreffen sie etwas, worunter alle Erfahrung gehoert, welches selbst aber niemals ein Gegenstand der Erfahrung ist: etwas, worauf die Vernunft in ihren Schluessen aus der Erfahrung fuehrt, und wornach sie den Grad ihres empirischen Gebrauchs schaetzt und abmisst, niemals aber ein Glied der empirischen Synthesis ausmacht. Haben dergleichen Begriffe dessen ungeachtet, objektive Gueltigkeit, so koennen sie conceptus ratiocinati (richtig geschlossene Begriffe) heissen; wo nicht, so sind sie wenigstens durch einen Schein des Schliessens erschlichen, und moegen conceptus ratiocinantes (vernuenftelnde Begriffe) genannt werden. Da dieses aber allererst in dem Hauptstuecke von den dialektischen Schluessen der reinen Vernunft ausgemacht werden kann, so koennen wir darauf noch nicht Ruecksicht nehmen, sondern werden vorlaeufig, so wie wir die reinen Verstandesbegriffe Kategorien nannten, die Begriffe der reinen Vernunft mit einem neuen Namen belegen und sie transzendentale Ideen nennen, diese Benennung aber jetzt erlaeutern und rechtfertigen. Des ersten Buchs der transzendentalen Dialektik Erster Abschnitt Von den Ideen ueberhaupt Bei dem grossen Reichtum unserer Sprachen findet sich doch oft der denkende Kopf wegen des Ausdrucks verlegen, der seinem Begriffe genau anpasst, und in dessen Ermanglung er weder anderen, noch sogar sich selbst recht verstaendlich werden kann. Neue Woerter zu schmieden, ist eine Anmassung zum Gesetzgeben in Sprachen, die selten gelingt, und ehe man zu diesem verzweifelten Mittel schreitet, ist es ratsam, sich in einer toten und gelehrten Sprache umzusehen, ob sich daselbst nicht dieser Begriff samt seinem angemessenen Ausdrucke vorfinde, und wenn der alte Gebrauch desselben durch Unbehutsamkeit ihrer Urheber auch etwas schwankend geworden waere, so ist es doch besser, die Bedeutung, die ihm vorzueglich eigen war, zu befestigen, (sollte es auch zweifelhaft bleiben, ob man damals genau ebendieselbe im Sinne gehabt habe,) als sein Geschaeft nur dadurch zu verderben, dass man sich unverstaendlich machte. Um deswillen, wenn sich etwa zu einem gewissen Begriffe nur ein einziges Wort vorfaende, das in schon eingefuehrter Bedeutung diesem Begriffe genau anpasst, dessen Unterscheidung von anderen verwandten Begriffen von grosser Wichtigkeit ist, so ist es ratsam, damit nicht verschwenderisch umzugehen, oder es bloss zur Abwechslung, synonymisch, statt anderer zu gebrauchen, sondern ihm seine eigentuemliche Bedeutung sorgfaeltig aufzubehalten; weil es sonst leichtlich geschieht, dass, nachdem der Ausdruck die Aufmerksamkeit nicht besonders beschaeftigt, sondern sich unter dem Haufen anderer von sehr abweichender Bedeutung verliert, auch der Gedanke verloren gehe, den er allein haette aufbehalten koennen. Plato bediente sich des Ausdrucks Idee so, dass man wohl sieht, er habe darunter etwas verstanden, was nicht allein niemals von den Sinnen entlehnt wird, sondern welches sogar die Begriffe des Verstandes, mit denen sich Aristoteles beschaeftigte, weit uebersteigt, indem in der Erfahrung niemals etwas damit Kongruierendes angetroffen wird. Die Ideen sind bei ihm Urbilder der Dinge selbst, und nicht bloss Schluessel zu moeglichen Erfahrungen, wie die Kategorien. Nach seiner Meinung flossen sie aus der hoechsten Vernunft aus, von da sie der menschlichen zuteil geworden, die sich aber jetzt nicht mehr in ihrem urspruenglichen Zustande befindet, sondern mit Muehe die alten, jetzt sehr verdunkelten, Ideen durch Erinnerung (die Philosophie heisst) zurueckrufen muss. Ich will mich hier in keine literarische Untersuchung einlassen, um den Sinn auszumachen, den der erhabene Philosoph mit seinem Ausdrucke verband. Ich merke nur an, dass es gar nichts Ungewoehnliches sei, sowohl im gemeinen Gespraeche, als in Schriften, durch die Vergleichung der Gedanken, welche ein Verfasser ueber seinen Gegenstand aeussert, ihn sogar besser zu verstehen, als er sich selbst verstand, indem er seinen Begriff nicht genugsam bestimmte, und dadurch bisweilen seiner eigenen Absicht entgegen redete, oder auch dachte. Plato bemerkte sehr wohl, dass unsere Erkenntniskraft ein weit hoeheres Beduerfnis fuehle, als bloss Erscheinungen nach synthetischer Einheit buchstabieren, um sie als Erfahrung lesen zu koennen, und dass unsere Vernunft natuerlicherweise sich zu Erkenntnissen aufschwinge, die viel weiter gehen, als dass irgendein Gegenstand, den Erfahrung geben kann, jemals mit ihnen kongruieren koenne, die aber nichtsdestoweniger ihre Realitaet haben und keineswegs blosse Hirngespinste sind. Plato fand seine Ideen vorzueglich in allem was praktisch ist*, d.i. auf Freiheit beruht, welche ihrerseits unter Erkenntnissen steht, die ein eigentuemliches Produkt der Vernunft sind. Wer die Begriffe der Tugend aus Erfahrung schoepfen wollte, wer das, was nur allenfalls als Beispiel zur unvollkommenen Erlaeuterung dienen kann, als Muster zum Erkenntnisquell machen wollte (wie wirklich viele getan haben), der wuerde aus der Tugend ein nach Zeit und Umstaenden wandelbares, zu keiner Regel brauchbares zweideutiges Unding machen. Dagegen wird ein jeder inne, dass, wenn ihm jemand als Muster der Tugend vorgestellt wird, er doch immer das wahre Original bloss in seinem eigenen Kopfe habe, womit er dieses angebliche Muster vergleicht, und es bloss darnach schaetzt. Dieses ist aber die Idee der Tugend, in Ansehung deren alle moeglichen Gegenstaende der Erfahrung zwar als Beispiele, (Beweise der Tunlichkeit desjenigen im gewissen Grade, was der Begriff der Vernunft heischt,) aber nicht als Urbilder Dienste tun. Dass niemals ein Mensch demjenigen adaequat handeln werde, was die reine Idee der Tugend enthaelt, beweist gar nicht etwas Chimaerisches in diesem Gedanken. Denn es ist gleichwohl alles Urteil, ueber den moralischen Wert oder Unwert, nur vermittelst dieser Idee moeglich; mithin liegt sie jeder Annaeherung zur moralischen Vollkommenheit notwendig zum Grunde, soweit auch die ihrem Grade nach nicht zu bestimmenden Hindernisse in der menschlichen Natur uns davon entfernt halten moegen. * Er dehnte seinen Begriff freilich auch auf spekulative Erkenntnisse aus, wenn sie nur rein und voellig a priori gegeben waren, sogar ueber die Mathematik, ob diese gleich ihren Gegenstand nirgend anders, als in der moeglichen Erfahrung hat. Hierin kann ich ihm nun nicht folgen, so wenig als in der mystischen Deduktion dieser Ideen, oder den Uebertreibungen, dadurch er sie gleichsam hypostasierte; wiewohl die hohe Sprache, deren er sich in diesem Felde bediente, einer milderen und der Natur der Dinge angemessenen Auslegung ganz wohl faehig ist. Die platonische Republik ist, als ein vermeintlich auffallendes Beispiel von ertraeumter Vollkommenheit, die nur im Gehirn des muessigen Denkers ihren Sitz haben kann, zum Sprichwort geworden, und Brucker findet es laecherlich, dass der Philosoph behauptete, niemals wuerde ein Fuerst wohl regieren, wenn er nicht der Ideen teilhaftig waere. Allein man wuerde besser tun, diesem Gedanken mehr nachzugehen, und ihn (wo der vortreffliche Mann uns ohne Hilfe laesst) durch neue Bemuehung in Licht zu stellen, als ihn, unter dem sehr elenden und schaedlichen Vorwande der Untunlichkeit, als unnuetz beiseite zu setzen. Eine Verfassung von der groessten menschlichen Freiheit nach Gesetzen, welche machen, dass jedes Freiheit mit der anderen ihrer zusammen bestehen kann, (nicht von der groessten Glueckseligkeit, denn diese wird schon von selbst folgen;) ist doch wenigstens eine notwendige Idee, die man nicht bloss im ersten Entwurfe einer Staatsverfassung, sondern auch bei allen Gesetzen zum Grunde legen muss, und wobei man anfaenglich von den gegenwaertigen Hindernissen abstrahieren muss, die vielleicht nicht sowohl aus der menschlichen Natur unvermeidlich entspringen moegen, als vielmehr aus der Vernachlaessigung der echten Ideen bei der Gesetzgebung. Denn nichts kann Schaedlicheres und eines Philosophen Unwuerdigeres gefunden werden, als die poebelhafte Berufung auf vergeblich widerstreitende Erfahrung, die doch gar nicht existieren wuerde, wenn jene Anstalten zu rechter Zeit nach den Ideen getroffen wuerden, und an deren Statt nicht rohe Begriffe, eben darum, weil sie aus Erfahrung geschoepft worden, alle gute Absicht vereitelt haetten. Je uebereinstimmender die Gesetzgebung und Regierung mit dieser Idee eingerichtet waeren, desto seltener wuerden allerdings die Strafen werden, und da ist es denn ganz vernuenftig, (wie Plato behauptet), dass bei einer vollkommenen Anordnung derselben gar keine dergleichen noetig sein wuerden. Ob nun gleich das letztere niemals zustande kommen mag, so ist die Idee doch ganz richtig, welche dieses Maximum zum Urbilde aufstellt, um nach demselben die gesetzliche Verfassung der Menschen der moeglich groessten Vollkommenheit immer naeher zu bringen. Denn welches der hoechste Grad sein mag, bei welchem die Menschheit stehenbleiben muesse, und wie gross also die Kluft, die zwischen der Idee und ihrer Ausfuehrung notwendig uebrigbleibt, sein moege, das kann und soll niemand bestimmen, eben darum, weil es Freiheit ist, welche jede angegebene Grenze uebersteigen kann. Aber nicht bloss in demjenigen, wobei die menschliche Vernunft wahrhafte Kausalitaet zeigt, und wo Ideen wirkende Ursachen (der Handlungen und ihrer Gegenstaende) werden, naemlich im Sittlichen, sondern auch in Ansehung der Natur selbst, sieht Plato mit Recht deutliche Beweise ihres Ursprungs aus Ideen. Ein Gewaechs, ein Tier, die regelmaessige Anordnung des Weltbaues (vermutlich also auch die ganze Naturordnung) zeigen deutlich, dass sie nur nach Ideen moeglich sind; dass zwar kein einzelnes Geschoepf, unter den einzelnen Bedingungen seines Daseins, mit der Idee des Vollkommensten seiner Art kongruiere (so wenig wie der Mensch mit der Idee der Menschheit, die er sogar selbst als das Urbild seiner Handlungen in seiner Seele traegt,) dass gleichwohl jene Ideen im hoechsten Verstande einzeln, unveraenderlich, durchgaengig bestimmt, und die urspruenglichen Ursachen der Dinge sind, und nur das Ganze ihrer Verbindung im Weltall einzig und allein jener Idee voellig adaequat sei. Wenn man das Uebertriebene des Ausdrucks absondert, so ist der Geistesschwung des Philosophen, von der copeilichen Betrachtung des Physischen der Weltordnung zu der architektonischen Verknuepfung derselben nach Zwecken, d.i. nach Ideen, hinaufzusteigen, eine Bemuehung, die Achtung und Nachfolge verdient, in Ansehung desjenigen aber, was die Prinzipien der Sittlichkeit, der Gesetzgebung und der Religion betrifft, wo die Ideen die Erfahrung selbst (des Guten) allererst moeglich machen, obzwar niemals darin voellig ausgedrueckt werden koennen, ein ganz eigentuemliches Verdienst, welches man nur darum nicht erkennt, weil man es durch eben die empirischen Regeln beurteilt, deren Gueltigkeit, als Prinzipien, eben durch sie hat aufgehoben werden sollen. Denn in Betracht der Natur gibt uns Erfahrung die Regel an die Hand und ist der Quell der Wahrheit; in Ansehung der sittlichen Gesetze aber ist Erfahrung (leider!) die Mutter des Scheins, und es ist hoechst verwerflich, die Gesetze ueber das, was ich tun soll, von demjenigen herzunehmen, oder dadurch einschraenken zu wollen, was getan wird. Statt aller dieser Betrachtungen, deren gehoerige Ausfuehrung in der Tat die eigentuemliche Wuerde der Philosophie ausmacht, beschaeftigen wir uns jetzt mit einer nicht so glaenzenden, aber doch auch nicht verdienstlosen Arbeit, naemlich: den Boden zu jenen majestaetischen sittlichen Gebaeuden eben und baufest zu machen, in welchem sich allerlei Maulwurfsgaenge einer vergeblich, aber mit guter Zuversicht, auf Schaetze grabenden Vernunft vorfinden, und die jenes Bauwerk unsicher machen. Der transzendentale Gebrauch der reinen Vernunft, ihre Prinzipien und Ideen, sind es also, welche genau zu kennen uns jetzt obliegt, um den Einfluss der reinen Vernunft und den Wert derselben gehoerig bestimmen und schaetzen zu koennen. Doch, ehe ich diese vorlaeufige Einleitung beiseite lege, ersuche ich diejenige, denen Philosophie am Herzen liegt, (welches mehr gesagt ist, als man gemeiniglich antrifft,) wenn sie sich durch dieses und das Nachfolgende ueberzeugt finden sollten, den Ausdruck Idee seiner urspruenglichen Bedeutung nach in Schutz zu nehmen, damit er nicht fernerhin unter die uebrigen Ausdruecke, womit gewoehnlich allerlei Vorstellungsarten in sorgloser Unordnung bezeichnet werden, gerate, und die Wissenschaft dabei einbuesse. Fehlt es uns doch nicht an Benennungen, die jeder Vorstellungsart gehoerig angemessen sind, ohne dass wir noetig haben, in das Eigentum einer anderen einzugreifen. Hier ist eine Stufenleiter derselben. Die Gattung ist Vorstellung ueberhaupt (repraesentatio). Unter ihr steht die Vorstellung mit Bewusstsein (perceptio). Eine Perception, die sich lediglich auf das Subjekt, als die Modifikation seines Zustandes bezieht, ist Empfindung (sensatio), eine objektive Perzeption ist Erkenntnis (cognitio). Diese ist entweder Anschauung oder Begriff (intuitus vel conceptus). Jene bezieht sich unmittelbar auf den Gegenstand und ist einzeln; dieser mittelbar, vermittelst eines Merkmals, was mehreren Dingen gemein sein kann. Der Begriff ist entweder ein empirischer oder reiner Begriff, und der reine Begriff, sofern er lediglich im Verstande seinen Ursprung hat (nicht im reinen Bilde der Sinnlichkeit) heisst Notio. Ein Begriff aus Notionen, der die Moeglichkeit der Erfahrung uebersteigt, ist die Idee, oder der Vernunftbegriff. Dem, der sich einmal an diese Unterscheidung gewoehnt hat, muss es unertraeglich fallen, die Vorstellung der roten Farbe Idee nennen zu hoeren. Sie ist nicht einmal Notion (Verstandesbegriff) zu nennen. Des ersten Buchs der transzendentalen Dialektik Zweiter Abschnitt Von den transzendentalen Ideen Die transzendentale Analytik gab uns ein Beispiel, wie die blosse logische Form unserer Erkenntnis den Ursprung von reinen Begriffen a priori enthalten koenne, welche vor aller Erfahrung Gegenstaende vorstellen, oder vielmehr die synthetische Einheit anzeigen, welche allein eine empirische Erkenntnis von Gegenstaenden moeglich macht. Die Form der Urteile (in einen Begriff von der Synthesis der Anschauungen verwandelt) brachte Kategorien hervor, welche allen Verstandesgebrauch in der Erfahrung leiten. Ebenso koennen wir erwarten, dass die Form der Vernunftschluesse, wenn man sie auf die synthetische Einheit der Anschauungen, nach Massgebung der Kategorien, anwendet, den Ursprung besonderer Begriffe a priori enthalten werde, welche wir reine Vernunftbegriffe, oder transzendentale Ideen nennen koennen, und die den Verstandesgebrauch im Ganzen der getarnten Erfahrung nach Prinzipien bestimmen werden. Die Funktion der Vernunft bei ihren Schluessen bestand in der Allgemeinheit der Erkenntnis nach Begriffen, und der Vernunftschluss selbst ist ein Urteil, welches a priori in dem ganzen Umfange seiner Bedingung bestimmt wird. Den Satz: Cajus ist sterblich, koennte ich auch bloss durch den Verstand aus der Erfahrung schoepfen. Allein ich suche einen Begriff, der die Bedingung enthaelt, unter welcher das Praedikat (Assertion ueberhaupt) dieses Urteils gegeben wird (d.i. hier, den Begriff des Menschen;) und nachdem ich unter diese Bedingung, in ihrem ganzen Umfange genommen, (alle Menschen sind sterblich) subsumiert habe; so bestimme ich darnach die Erkenntnis meines Gegenstandes (Cajus ist sterblich). Demnach restringieren wir in der Conclusion eines Vernunftschlusses ein Praedikat auf einen gewissen Gegenstand, nachdem wir es vorher in dem Obersatz in seinem ganzen Umfange unter einer gewissen Bedingung gedacht haben. Diese vollendete Groesse des Umfanges, in Beziehung auf eine solche Bedingung, heisst die Allgemeinheit (Universalitas). Dieser entspricht in der Synthesis der Anschauungen die Allheit (Universitas) oder Totalitaet der Bedingungen. Also ist der transzendentale Vernunftbegriff kein anderer, als der von der Totalitaet der Bedingungen zu einem gegebenen Bedingten. Da nun das Unbedingte allein die Totalitaet der Bedingungen moeglich macht, und umgekehrt die Totalitaet der Bedingungen jederzeit selbst unbedingt ist; so kann ein reiner Vernunftbegriff ueberhaupt durch den Begriff des Unbedingten, sofern er einen Grund der Synthesis des Bedingten enthaelt, erklaert werden. Soviel Arten des Verhaeltnisses es nun gibt, die der Verstand vermittelst der Kategorien sich vorstellt, so vielerlei reine Vernunftbegriffe wird es auch geben, und es wird also erstlich ein Unbedingtes der kategorischen Synthesis in einem Subjekt, zweitens der hypothetischen Synthesis der Glieder einer Reihe, drittens der disjunktiven Synthesis der Teile in einem System zu suchen sein. Es gibt naemlich ebensoviel Arten von Vernunftschluessen, deren jede durch Prosyllogismen zum Unbedingten fortschreitet, die eine zum Subjekt, welches selbst nicht mehr Praedikat ist, die andere zur Voraussetzung, die nichts weiter voraussetzt, und die dritte zu einem Aggregat der Glieder der Einteilung, zu welchen nichts weiter erforderlich ist, um die Einteilung eines Begriffs zu vollenden. Daher sind die reinen Vernunftbegriffe von der Totalitaet in der Synthesis der Bedingungen wenigstens als Aufgaben, um die Einheit des Verstandes, womoeglich, bis zum Unbedingten fortzusetzen, notwendig und in der Natur der menschlichen Vernunft gegruendet, es mag auch uebrigens diesen transzendentalen Begriffen an einem ihnen angemessenen Gebrauch in concreto fehlen, und sie mithin keinen anderen Nutzen haben, als den Verstand in die Richtung zu bringen, darin sein Gebrauch, indem er aufs aeusserste erweitert, zugleich mit sich selbst durchgehende einstimmig gemacht wird. Indem wir aber hier von der Totalitaet der Bedingungen und dem Unbedingten, als dem gemeinschaftlichen Titel aller Vernunftbegriffe reden, so stossen wir wiederum auf einen Ausdruck, den wir nicht entbehren und gleichwohl, nach einer ihm durch langen Missbrauch anhaengenden Zweideutigkeit, nicht sicher brauchen koennen. Das Wort absolut ist eines von den wenigen Woertern, die in ihrer uranfaenglichen Bedeutung einem Begriffe angemessen worden, welchem nach der Hand gar kein anderes Wort eben derselben Sprache genau anpasst, und dessen Verlust, oder welches ebensoviel ist, sein schwankender Gebrauch daher auch den Verlust des Begriffs selbst nach sich ziehen muss, und zwar eines Begriffs, der, weil er die Vernunft gar sehr beschaeftigt, ohne grossen Nachteil aller transzendentalen Beurteilungen nicht entbehrt werden kann. Das Wort absolut wird jetzt oefters gebraucht, um bloss anzuzeigen, dass etwas von einer Sache an sich selbst betrachtet und also innerlich gelte. In dieser Bedeutung wuerde absolutmoeglich das bedeuten, was an sich selbst (interne) moeglich ist, welches in der Tat das wenigste ist, was man von einem Gegenstande sagen kann. Dagegen wird es auch bisweilen gebraucht, um anzuzeigen, dass etwas in aller Beziehung (uneingeschraenkt) gueltig ist (z.B. die absolute Herrschaft,) und absolutmoeglich wuerde in dieser Bedeutung dasjenige bedeuten, was in aller Absicht in aller Beziehung moeglich ist, welches wiederum das meiste ist, was ich ueber die Moeglichkeit eines Dinges sagen kann. Nun treffen zwar diese Bedeutungen manchmal zusammen. So ist z.E., was innerlich unmoeglich ist, auch in aller Beziehung, mithin absolut unmoeglich. Aber in den meisten Faellen sind sie unendlich weit auseinander, und ich kann auf keine Weise schliessen, dass, weil etwas an sich selbst moeglich ist, es darum auch in aller Beziehung, mithin absolut, moeglich sei. Ja von der absoluten Notwendigkeit werde ich in der Folge zeigen, dass sie keineswegs in allen Faellen von der inneren abhaenge, und also mit dieser nicht als gleichbedeutend angesehen werden muesse. Dessen Gegenteil innerlich unmoeglich ist, dessen Gegenteil ist freilich auch in aller Absicht unmoeglich, mithin ist es selbst absolut notwendig; aber ich kann nicht umgekehrt schliessen, was absolut notwendig ist, dessen Gegenteil sei innerlich unmoeglich, d.i. die absolute Notwendigkeit der Dinge sei eine innere Notwendigkeit; denn diese innere Notwendigkeit ist in gewissen Faellen ein ganz leerer Ausdruck, mit welchem wir nicht den mindesten Begriff verbinden koennen; dagegen der von der Notwendigkeit eines Dinges in aller Beziehung (auf alles Moegliche) ganz besondere Bestimmungen bei sich fuehrt. Weil nun der Verlust eines Begriffs von grosser Anwendung in der spekulativen Weltweisheit dem Philosophen niemals gleichgueltig sein kann, so hoffe ich, es werde ihm die Bestimmung und sorgfaeltige Aufbewahrung des Ausdrucks, an dem der Begriff haengt, auch nicht gleichgueltig sein. In dieser erweiterten Bedeutung werde ich mich dann des Wortes: absolut, bedienen und es dem bloss komparativ oder in besonderer Ruecksicht Gueltigen entgegensetzen; denn dieses letztere ist auf Bedingungen restringiert, jenes aber gilt ohne Restriktion. Nun geht der transzendentale Vernunftbegriff jederzeit nur auf die absolute Totalitaet in der Synthesis der Bedingungen, und endigt niemals, als bei den schlechthin, d.i. in jeder Beziehung, Unbedingten. Denn die reine Vernunft ueberlaesst alles dem Verstande, der sich zunaechst auf die Gegenstaende der Anschauung oder vielmehr deren Synthesis in der Einbildungskraft bezieht. Jene behaelt sich allein die absolute Totalitaet im Gebrauche der Verstandesbegriffe vor, und sucht die synthetische Einheit, welche in der Kategorie gedacht wird, bis zum Schlechthinunbedingten hinauszufuehren. Man kann daher diese die Vernunfteinheit der Erscheinungen, so wie jene, welche die Kategorie ausdrueckt, Verstandeseinheit nennen. So bezieht sich demnach die Vernunft nur auf den Verstandesgebrauch, und zwar nicht sofern dieser den Grund moeglicher Erfahrung enthaelt, (denn die absolute Totalitaet der Bedingungen ist kein in einer Erfahrung brauchbarer Begriff, weil keine Erfahrung unbedingt ist,) sondern um ihm die Richtung auf eine gewisse Einheit vorzuschreiben, von der der Verstand keinen Begriff hat, und die darauf hinausgeht, alle Verstandeshandlungen, in Ansehung eines jeden Gegenstandes, in ein absolutes Ganzes zusammenzufassen. Daher ist der objektive Gebrauch der reinen Vernunftbegriffe jederzeit transzendent, indessen dass der von den reinen Verstandesbegriffen, seiner Natur nach, jederzeit immanent sein muss, indem er sich bloss auf moegliche Erfahrung einschraenkt. Ich verstehe unter der Idee einen notwendigen Vernunftbegriff, dem kein kongruierender Gegenstand in den Sinnen gegeben werden kann. Also sind unsere jetzt erwogenen reinen Vernunftbegriffe transzendentale Ideen. Sie sind Begriffe der reinen Vernunft; denn sie betrachten alles Erfahrungserkenntnis als bestimmt durch eine absolute Totalitaet der Bedingungen. Sie sind nicht willkuerlich erdichtet, sondern durch die Natur der Vernunft selbst aufgegeben, und beziehen sich daher notwendigerweise auf den ganzen Verstandesgebrauch. Sie sind endlich transzendent und uebersteigen die Grenze aller Erfahrung, in welcher also niemals ein Gegenstand vorkommen kann, der der transzendentalen Idee adaequat waere. Wenn man eine Idee nennt, so sagt man dem Objekt nach (als von einem Gegenstande des reinen Verstandes) sehr viel, dem Subjekte nach aber (d.i. in Ansehung seiner Wirklichkeit unter empirischer Bedingung) eben darum sehr wenig, weil sie, als der Begriff eines Maximum, in concreto niemals kongruent kann gegeben werden. Weil nun das letztere im bloss spekulativen Gebrauch der Vernunft eigentlich die ganze Absicht ist, und die Annaeherung zu einem Begriffe, der aber in der Ausuebung doch niemals erreicht wird, ebensoviel ist, als ob der Begriff ganz und gar verfehlt wuerde, so heisst es von einem dergleichen Begriffe: er ist nur eine Idee. So wuerde man sagen koennen: das absolute Ganze aller Erscheinungen ist nur eine Idee, denn, da wir dergleichen niemals im Bilde entwerfen koennen, so bleibt es ein Problem ohne alle Aufloesung. Dagegen, weil es im praktischen Gebrauch des Verstandes ganz allein um die Ausuebung nach Regeln zu tun ist, so kann die Idee der praktischen Vernunft jederzeit wirklich, obzwar nur zum Teil, in concreto gegeben werden, ja sie ist die unentbehrliche Bedingung jedes praktischen Gebrauchs der Vernunft. Ihre Ausuebung ist jederzeit begrenzt und mangelhaft, aber unter nicht bestimmbaren Grenzen, also jederzeit unter dem Einflusse des Begriffs einer absoluten Vollstaendigkeit. Demnach ist die praktische Idee jederzeit hoechst fruchtbar und in Ansehung der wirklichen Handlungen unumgaenglich notwendig. In ihr hat die reine Vernunft sogar Kausalitaet, das wirklich hervorzubringen, was ihr Begriff enthaelt; daher kann man von der Weisheit nicht gleichsam geringschaetzig sagen: sie ist nur eine Idee; sondern eben darum, weil sie die Idee von der notwendigen Einheit aller moeglichen Zwecke ist, so muss sie allem Praktischen als urspruengliche, zum wenigsten einschraenkende, Bedingung zur Regel dienen. Ob wir nun gleich von den transzendentalen Vernunftbegriffen sagen muessen: sie sind nur Ideen, so werden wir sie doch keineswegs fuer ueberfluessig und nichtig anzusehen haben. Denn, wenn schon dadurch kein Objekt bestimmt werden kann, so koennen sie doch im Grunde und unbemerkt dem Verstande zum Kanon seines ausgebreiteten und einhelligen Gebrauchs dienen, dadurch er zwar keinen Gegenstand mehr erkennt, als er nach seinen Begriffen erkennen wuerde, aber doch in dieser Erkenntnis besser und weiter geleitet wird. Zu geschweigen, dass sie vielleicht von den Naturbegriffen zu den praktischen einen Uebergang moeglich machen, und den moralischen Ideen selbst auf solche Art Haltung und Zusammenhang mit den spekulativen Erkenntnissen der Vernunft verschaffen koennen. Ueber alles dieses muss man den Aufschluss in dem Verfolg erwarten. Unserer Absicht gemaess setzen wir aber hier die praktischen Ideen beiseite, und betrachten daher die Vernunft nur im spekulativen, und in diesem noch enger, naemlich nur im transzendentalen Gebrauch. Hier muessen wir nun denselben Weg einschlagen, den wir oben bei der Deduktion der Kategorien nahmen; naemlich, die logische Form der Vernunfterkenntnis erwaegen, und sehen, ob nicht etwa die Vernunft dadurch auch ein Quell von Begriffen werde, Objekte an sich selbst, als synthetisch a priori bestimmt, in Ansehung einer oder der anderen Funktion der Vernunft, anzusehen. Vernunft, als Vermoegen einer gewissen logischen Form der Erkenntnis betrachtet, ist das Vermoegen zu schliessen, d.i. mittelbar (durch die Subsumtion der Bedingung eines moeglichen Urteils unter die Bedingung eines gegebenen) zu urteilen. Das gegebene Urteil ist die allgemeine Regel (Obersatz, Major). Die Subsumtion der Bedingung eines anderen moeglichen Urteils unter die Bedingung der Regel ist der Untersatz (Minor). Das wirkliche Urteil, welches die Assertion der Regel in dem subsumierten Falle aussagt, ist der Schlusssatz (Conclusio). Die Regel naemlich sagt etwas allgemein unter einer gewissen Bedingung. Nun findet in einem vorkommenden Falle die Bedingung der Regel statt. Also wird das, was unter jener Bedingung allgemein galt, auch in dem vorkommenden Falle (der diese Bedingung bei sich fuehrt) als gueltig angesehen. Man sieht leicht, dass die Vernunft durch Verstandeshandlungen, welche eine Reihe von Bedingungen ausmachen, zu einem Erkenntnisse gelange. Wenn ich zu dem Satze: alle Koerper sind veraenderlich, nur dadurch gelangen dass ich von dem entfernteren Erkenntnis (worin der Begriff des Koerpers noch nicht vorkommt, der aber doch davon die Bedingung enthaelt,) anfange: alles Zusammengesetzte ist veraenderlich; von diesem zu einem naeheren gehe, der unter der Bedingung des ersteren steht: die Koerper sind zusammengesetzt; und von diesem allererst zu einem dritten, der nunmehr das entfernte Erkenntnis (veraenderlich) mit dem vorliegenden verknuepft: folglich sind die Koerper veraenderlich; so bin ich durch eine Reihe von Bedingungen (Praemissen) zu einer Erkenntnis (Conclusion) gelangt. Nun laesst sich eine jede Reihe, deren Exponent (des kategorischen oder hypothetischen Urteils) gegeben ist, fortsetzen; mithin fuehrt ebendieselbe Vernunfthandlung zur ratiocinatio polysyllogistica, welches eine Reihe von Schluessen ist, die entweder auf der Seite der Bedingungen (per prosyllogismos), oder des Bedingten (per episyllogismos), in unbestimmte Weiten fortgesetzt werden kann. Man wird aber bald inne, dass die Kette, oder Reihe der Prosyllogismen, d.i. der gefolgerten Erkenntnisse auf der Seite der Gruende, oder der Bedingungen zu einem gegebenen Erkenntnis, mit anderen Worten: die aufsteigende Reihe der Vernunftschluesse, sich gegen das Vernunftvermoegen doch anders verhalten muesse, als die absteigende Reihe, d.i. der Fortgang der Vernunft auf der Seite des Bedingten durch Episyllogismen. Denn, da im ersteren Falle das Erkenntnis (conclusio) nur als bedingt gegeben ist; so kann man zu demselben vermittelst der Vernunft nicht anders gelangen, als wenigstens unter der Voraussetzung, dass alle Glieder der Reihe auf der Seite der Bedingungen gegeben sind, (Totalitaet in der Reihe der Praemissen,) weil nur unter deren Voraussetzung das vorliegende Urteil a priori moeglich ist; dagegen auf der Seite des Bedingten, oder der Folgerungen, nur eine werdende und nicht schon ganz vorausgesetzte oder gegebene Reihe, mithin nur ein potentialer Fortgang gedacht wird. Daher, wenn eine Erkenntnis als bedingt angesehen wird, so ist die Vernunft genoetigt, die Reihe der Bedingungen in aufsteigender Linie als vollendet und ihrer Totalitaet nach gegeben anzusehen. Wenn aber eben dieselbe Erkenntnis zugleich als Bedingung anderer Erkenntnisse angesehen wird, die untereinander eine Reihe von Folgerungen in absteigender Linie ausmachen, so kann die Vernunft ganz gleichgueltig sein, wie weit dieser Fortgang sich a parte posteriori erstrecke, und ob gar ueberall Totalitaet dieser Reihe moeglich sei; weil sie einer dergleichen Reihe zu der vor ihr liegenden Konklusion nicht bedarf, indem diese durch ihre Gruende a parte priori schon hinreichend bestimmt und gesichert ist. Es mag nun sein, dass auf der Seite der Bedingungen die Reihe der Praemissen ein Erstes habe, als oberste Bedingung, oder nicht, und also a parte priori ohne Grenzen; so muss sie doch Totalitaet der Bedingung enthalten, gesetzt, dass wir niemals dahin gelangen koennten, sie zu fassen, und die ganze Reihe muss unbedingt wahr sein, wenn das Bedingte, welches als eine daraus entspringende Folgerung angesehen wird, als wahr gelten soll. Dieses ist eine Forderung der Vernunft, die ihr Erkenntnis als a priori bestimmt und als notwendig ankuendigt, entweder an sich selbst, und dann bedarf es keiner Gruende, oder, wenn es abgeleitet ist, als ein Glied einer Reihe von Gruenden, die selbst unbedingterweise wahr ist. Des ersten Buchs der transzendentalen Dialektik Dritter Abschnitt System der transzendentalen Ideen Wir haben es hier nicht mit einer logischen Dialektik zu tun, welche von allem Inhalte der Erkenntnis abstrahiert, und lediglich den falschen Schein in der Form der Vernunftschluesse aufdeckt, sondern mit einer transzendentalen, welche, voellig a priori, den Ursprung gewisser Erkenntnisse aus reiner Vernunft, und geschlossener Begriffe, deren Gegenstand empirisch gar nicht gegeben werden kann, die also gaenzlich ausser dem Vermoegen des reinen Verstandes liegen, enthalten soll. Wir haben aus der natuerlichen Beziehung, die der transzendentale Gebrauch unserer Erkenntnis, sowohl in Schluessen als Urteilen, auf den logischen haben muss, abgenommen: dass es nur drei Arten von dialektischen Schluessen geben werde, die sich auf die dreierlei Schlussarten beziehen, durch welche Vernunft aus Prinzipien zu Erkenntnissen gelangen kann, und dass in allem ihr Geschaeft sei, von der bedingten Synthesis, an die der Verstand jederzeit gebunden bleibt, zur unbedingten aufzusteigen, die er niemals erreichen kann. Nun ist das Allgemeine aller Beziehung, die unsere Vorstellungen haben koennen, 1. die Beziehung aufs Subjekt, 2. die Beziehung auf Objekte, und zwar entweder als Erscheinungen, oder als Gegenstaende des Denkens ueberhaupt. Wenn man diese Untereinteilung mit der oberen verbindet, so ist alles Verhaeltnis der Vorstellungen, davon wir uns entweder einen Begriff, oder Idee machen koennen, dreifach: 1. das Verhaeltnis zum Subjekt, 2. zum Mannigfaltigen des Objekts in der Erscheinung, 3. zu allen Dingen ueberhaupt. Nun haben es alle reinen Begriffe ueberhaupt mit der synthetischen Einheit der Vorstellungen, Begriffe der reinen Vernunft (transszendentale Ideen) aber mit der unbedingten synthetischen Einheit aller Bedingungen ueberhaupt zu tun. Folglich werden alle transzendentalen Ideen sich unter drei Klassen bringen lassen, davon die erste die absolute (unbedingte) Einheit des denkenden Subjekts, die zweite die absolute Einheit der Reihe der Bedingungen der Erscheinung, die dritte die absolute Einheit der Bedingung aller Gegenstaende des Denkens ueberhaupt enthaelt. Das denkende Subjekt ist der Gegenstand der Psychologie, der Inbegriff aller Erscheinungen (die Welt) der Gegenstand der Kosmologie, und das Ding, welches die oberste Bedingung der Moeglichkeit von allem, was gedacht werden kann, enthaelt, (das Wesen aller Wesen) der Gegenstand der Theologie. Also gibt die reine Vernunft die Idee zu einer transzendentalen Seelenlehre (psychologia rationalis), zu einer transzendentalen Weltwissenschaft (cosmologia rationalis), endlich auch zu einer transzendentalen Gotteserkenntnis (Theologia transzendentalis) an die Hand. Der blosse Entwurf sogar zu einer sowohl als der anderen dieser Wissenschaften, schreibt sich gar nicht von dem Verstande her, selbst wenn er gleich mit dem hoechsten logischen Gebrauche der Vernunft, d.i. allen erdenklichen Schluessen, verbunden waere, um von einem Gegenstande desselben (Erscheinung) zu allen anderen bis in die entlegensten Glieder der empirischen Synthesis fortzuschreiten, sondern ist lediglich ein reines und echtes Produkt, oder Problem der reinen Vernunft. Was unter diesen drei Titeln aller transzendentalen Ideen fuer modi der reinen Vernunftbegriffe stehen, wird in dem folgenden Hauptstuecke vollstaendig dargelegt werden. Sie laufen am Faden der Kategorien fort. Denn die reine Vernunft bezieht sich niemals geradezu auf Gegenstaende, sondern auf die Verstandesbegriffe von denselben. Ebenso wird sich auch nur in der voelligen Ausfuehrung deutlich machen lassen, wie die Vernunft lediglich durch den synthetischen Gebrauch eben derselben Funktion, deren sie sich zum kategorischen Vernunftschlusse bedient, notwendigerweise auf den Begriff der absoluten Einheit des denkenden Subjekts kommen muesse, wie das logische Verfahren in hypothetischen Ideen die vom Schlechthinunbedingten in einer Reihe gegebener Bedingungen, endlich die blosse Form des disjunktiven Vernunftschlusses den hoechsten Vernunftbegriff von einem Wesen aller Wesen notwendigerweise nach sich ziehen muesse; ein Gedanke, der beim ersten Anblick aeusserst paradox zu sein scheint. Von diesen transzendentalen Ideen ist eigentlich keine objektive Deduktion moeglich, so wie wir sie von den Kategorien liefern konnten. Denn in der Tat haben sie keine Beziehung auf irgendein Objekt, was ihnen kongruent gegeben werden koennte, eben darum, weil sie nur Ideen sind. Aber eine subjektive Anleitung derselben aus der Natur unserer Vernunft konnten wir unternehmen, und die ist im gegenwaertigen Hauptstuecke auch geleistet worden. Man sieht leicht, dass die reine Vernunft nichts anderes zur Absicht habe, als die absolute Totalitaet der Synthesis auf der Seite der Bedingungen, (es sei der Inhaerenz, oder der Dependenz, oder der Konkurrenz,) und dass sie mit der absoluten Vollstaendigkeit von seiten des Bedingten nichts zu schaffen habe. Denn nur allein jener bedarf sie, um die ganze Reihe der Bedingungen vorauszusetzen, und sie dadurch dem Verstande a priori zu geben. Ist aber eine vollstaendig (und unbedingt) gegebene Bedingung einmal da, so bedarf es nicht mehr eines Vernunftbegriffs in Ansehung der Fortsetzung der Reihe; denn der Verstand tut jeden Schritt abwaerts, von der Bedingung zum Bedingten, von selber. Auf solche Weise dienen die transzendentalen Ideen nur zum Aufsteigen in der Reihe der Bedingungen, bis zum Unbedingten, d.i. zu den Prinzipien. In Ansehung des Hinabgehens zum Bedingten aber, gibt es zwar einen weit erstreckten logischen Gebrauch, den unsere Vernunft von den Verstandesgesetzen macht, aber gar keinen transzendentalen, und, wenn wir uns von der absoluten Totalitaet einer solchen Synthesis (des progressus) eine Idee machen, z.B. von der ganzen Reihe aller kuenftigen Weltveraenderungen, so ist dieses ein Gedankending (ens rationis), welches nur willkuerlich gedacht, und nicht durch die Vernunft notwendig vorausgesetzt wird. Denn zur Moeglichkeit des Bedingten wird zwar die Totalitaet seiner Bedingungen, aber nicht seiner Folgen, vorausgesetzt. Folglich ist ein solcher Begriff keine transzendentale Idee, mit der wir es doch hier lediglich zu tun haben. Zuletzt wird man auch gewahr, dass unter den transzendentalen Ideen selbst ein gewisser Zusammenhang und Einheit hervorleuchte, und dass die reine Vernunft, vermittelst ihrer, alle ihre Erkenntnisse in ein System bringe. Von der Erkenntnis seiner selbst (der Seele) zur Welterkenntnis, und, vermittelst dieser, zum Urwesen fortzugehen, ist ein so natuerlicher Fortschritt, dass er dem logischen Fortgange der Vernunft von den Praemissen zum Schlusssatze aehnlich scheint*. Ob nun hier wirklich eine Verwandtschaft von der Art, als zwischen dem logischen und transzendentalen Verfahren, insgeheim zum Grunde liege, ist auch eine von den Fragen, deren Beantwortung man in dem Verfolg dieser Untersuchungen allererst erwarten muss. Wir haben vorlaeufig unseren Zweck schon erreicht, da wir die transzendentalen Begriffe der Vernunft, die sich sonst gewoehnlich in der Theorie der Philosophen unter andere mischen, ohne dass diese sie einmal von Verstandesbegriffen gehoerig unterscheiden, aus dieser zweideutigen Lage haben herausziehen, ihren Ursprung, und dadurch zugleich ihre bestimmte Zahl, ueber die es gar keine mehr geben kann, angeben und sie in einem systematischen Zusammenhange haben vorstellen koennen, wodurch ein besonderes Feld fuer die reine Vernunft abgesteckt und eingeschraenkt wird. * Die Metaphysik hat zum eigentlichen Zwecke ihrer Nachforschung nur drei Ideen: Gott, Freiheit und Unsterblichkeit, so dass der zweite Begriff, mit dem ersten verbunden, auf den dritten, als einen notwendigen Schlusssatz, fuehren soll. Alles, womit sich diese Wissenschaft sonst beschaeftigt, dient ihr bloss zum Mittel, um zu diesen Ideen und ihrer Realitaet zu gelangen. Sie bedarf sie nicht zum Behuf der Naturwissenschaft, sondere um ueber die Natur hinaus zu kommen. Die Einsicht in dieselben wuerde Theologie, Moral, und durch beider Verbindung, Religion, mithin die hoechsten Zwecke unseres Daseins, bloss vom spekulativen Vernunftvermoegen und sonst von nichts anderem abhaengig machen. In einer systematischen Vorstellung jener Ideen wuerde die angefuehrte Ordnung, als die synthetische, die schicklichste sein; aber in der Bearbeitung, die vor ihr notwendig vorhergehen muss, wird die analytische, welche diese Ordnung umkehrt, dem Zwecke angemessener sein, um, indem wir von demjenigen, was uns Erfahrung unmittelbar an die Hand gibt, der Seelenlehre, zur Weltlehre, und von da bis zur Erkenntnis Gottes fortgehen, unseren grossen Entwurf zu vollziehen. Der transzendentalen Dialektik Zweites Buch Von den dialektischen Schluessen der reinen Vernunft Man kann sagen, der Gegenstand einer blossen transzendentalen Idee sei etwas, wovon man keinen Begriff hat, obgleich diese Idee ganz notwendig in der Vernunft nach ihren urspruenglichen Gesetzen erzeugt worden. Denn in der Tat ist auch von einem Gegenstande, der der Forderung der Vernunft adaequat sein soll, kein Verstandesbegriff moeglich, d.i. ein solcher, welcher in einer moeglichen Erfahrung gezeigt und anschaulich gemacht werden kann. Besser wuerde man sich doch und mit weniger Gefahr des Missverstaendnisses, ausdruecken, wenn man sagte: dass wir vom Objekt, welches einer Idee korrespondiert, keine Kenntnis, obzwar einen problematischen Begriff, haben koennen. Nun beruht wenigstens die transzendentale (subjektive) Realitaet der reinen Vernunftbegriffe darauf, dass wir durch einen notwendigen Vernunftschluss auf solche Ideen gebracht werden. Also wird es Vernunftschluesse geben, die keine empirischen Praemissen enthalten, und vermittelst deren wir von etwas, das wir kennen, auf etwas anderes schliessen, wovon wir doch keinen Begriff haben, und dem wir gleichwohl, durch einen unvermeidlichen Schein, objektive Realitaet geben. Dergleichen Schluesse sind in Ansehung ihres Resultats also eher vernuenftelnde, als Vernunftschluesse zu nennen; wiewohl sie, ihrer Veranlassung wegen, wohl den letzteren Namen fuehren koennen, weil sie doch nicht erdichtet, oder zufaellig entstanden, sondern aus der Natur der Vernunft entsprungen sind. Es sind Sophistikationen, nicht der Menschen, sondern der reinen Vernunft selbst, von denen selbst der Weiseste unter allen Menschen sich nicht losmachen, und vielleicht zwar nach vieler Bemuehung den Irrtum verhueten, den Schein aber, der ihn unaufhoerlich zwackt und aefft, niemals voellig loswerden kann. Dieser dialektischen Vernunftschluesse gibt es also nur dreierlei Arten, so vielfach, als die Ideen sind, auf die ihre Schlusssaetze auslaufen. In dem Vernunftschlusse der ersten Klasse schliesse ich von dem transzendentalen Begriffe des Subjekts, der nichts Mannigfaltiges enthaelt, auf die absolute Einheit dieses Subjekts selber, von welchem ich auf diese Weise gar keinen Begriff habe. Diesen dialektischen Schluss werde ich den transzendentalen Paralogismus nennen. Die zweite Klasse der vernuenftelnden Schluesse ist auf den transzendentalen Begriff der absoluten Totalitaet, der Reihe der Bedingungen zu einer gegebenen Erscheinung ueberhaupt, angelegt, und ich schliesse daraus, dass ich von der unbedingten synthetischen Einheit der Reihe auf einer Seite, jederzeit einen sich selbst widersprechenden Begriff habe, auf die Richtigkeit der entgegenstehenden Einheit, wovon ich gleichwohl auch keinen Begriff habe. Den Zustand der Vernunft bei diesen dialektischen Schluessen, werde ich die Antinomie der reinen Vernunft nennen. Endlich schliesse ich, nach der dritten Art vernuenftelnder Schluesse, von der Totalitaet der Bedingungen, Gegenstaende ueberhaupt, sofern sie mir gegeben werden koennen, zu denken, auf die absolute synthetische Einheit aller Bedingungen der Moeglichkeit der Dinge ueberhaupt, d.i. von Dingen, die ich nach ihrem blossen transzendentalen Begriff nicht kenne, auf ein Wesen aller Wesen, welches ich durch einen transzendenten Begriff noch weniger kenne, und von dessen unbedingter Notwendigkeit ich mir keinen Begriff machen kann. Diesen dialektischen Vernunftschluss werde ich das Ideal der reinen Vernunft nennen. Des zweiten Buchs der transzendentalen Dialektik Erstes Hauptstueck Von den Paralogismen der reinen Vernunft Der logische Paralogismus besteht in der Falschheit eines Vernunftschlusses der Form nach, sein Inhalt mag uebrigens sein, welcher er wolle. Ein transzendentaler Paralogismus aber hat einen transzendentalen Grund: der Form nach falsch zu schliessen. Auf solche Weise wird ein dergleichen Fehlschluss in der Natur der Menschenvernunft seinen Grund haben, und eine unvermeidliche, obzwar nicht unaufloesliche, Illusion bei sich fuehren. Jetzt kommen wir auf einen Begriff, der oben, in der allgemeinen Liste der transzendentalen Begriffe, nicht verzeichnet worden, und dennoch dazu gezaehlt werden muss, ohne doch darum jene Tafel im mindesten zu veraendern und fuer mangelhaft zu erklaeren. Dieses ist der Begriff, oder, wenn man lieber will, das Urteil: Ich denke. Man sieht aber leicht, dass er das Vehikel aller Begriffe ueberhaupt, und mithin auch der transzendentalen sei, und also unter diesen jederzeit mit begriffen werde, und daher ebensowohl transzendental sei, aber keinen besonderen Titel haben koenne, weil er nur dazu dient, alles Denken, als zum Bewusstsein gehoerig, aufzufuehren. Indessen, so rein er auch vom Empirischen (dem Eindrucke der Sinne) ist, so dient er doch dazu, zweierlei Gegenstaende aus der Natur unserer Vorstellungskraft zu unterscheiden. Ich, als denkend, bin ein Gegenstand des inneren Sinnes, und heisse Seele. Dasjenige, was ein Gegenstand aeusserer Sinne ist, heisst Koerper. Demnach bedeutet der Ausdruck: Ich, als ein denkend Wesen, schon den Gegenstand der Psychologie, welche die rationale Seelenlehre heissen kann, wenn ich von der Seele nichts weiter zu wissen verlange, als was unabhaengig von aller Erfahrung (welche mich naeher und in concreto bestimmt) aus diesem Begriffe Ich, sofern er bei allem Denken vorkommt, geschlossen werden kann. Die rationale Seelenlehre ist nun wirklich ein Unterfangen von dieser Art; denn, wenn das mindeste Empirische meines Denkens, irgendeine besondere Wahrnehmung meines inneren Zustandes, noch unter die Erkenntnisgruende dieser Wissenschaft gemischt wuerde, so waere sie nicht mehr rationale, sondern empirische Seelenlehre. Wir haben also schon eine angebliche Wissenschaft vor uns, welche auf dem einzigen Satze: Ich denke, erbaut worden, und deren Grund oder Ungrund wir hier ganz schicklich, und der Natur einer Transzendentalphilosophie gemaess, untersuchen koennen. Man darf sich daran nicht stossen, dass ich doch an diesem Satze, der die Wahrnehmung seiner selbst ausdrueckt, eine innere Erfahrung habe, und mithin die rationale Seelenlehre, welche darauf erbaut wird, niemals rein, sondern zum Teil auf ein empirisches Prinzipium gegruendet sei. Denn diese innere Wahrnehmung ist nichts weiter, als die blosse Apperzeption: Ich denke; welche sogar alle transzendentalen Begriffe moeglich macht, in welchen es heisst: Ich denke die Substanz, die Ursache usw. Denn innere Erfahrung ueberhaupt und deren Moeglichkeit, oder Wahrnehmung ueberhaupt und deren Verhaeltnis zu anderer Wahrnehmung, ohne dass irgendein besonderer Unterschied derselben und Bestimmung empirisch gegeben ist, kann nicht als empirische Erkenntnis, sondern muss als Erkenntnis des Empirischen ueberhaupt angesehen werden, und gehoert zur Untersuchung der Moeglichkeit einer jeden Erfahrung, welche allerdings transzendental ist. Das mindeste Objekt der Wahrnehmung (z.B. nur Lust oder Unlust), welche zu der allgemeinen Vorstellung des Selbstbewusstseins hinzukaeme, wuerde die rationale Psychologie sogleich in eine empirische verwandeln. Ich denke, ist also der alleinige Text der rationalen Psychologie, aus welchem sie ihre ganze Weisheit auswickeln soll. Man sieht leicht, dass dieser Gedanke, wenn er auf einen Gegenstand (mich selbst) bezogen werden soll, nichts anderes, als transzendentale Praedikate desselben, enthalten koenne; weil das mindeste empirische Praedikat die rationale Reinigkeit und Unabhaengigkeit der Wissenschaft von aller Erfahrung, verderben wuerde. Wir werden aber hier bloss dem Leitfaden der Kategorien zu folgen haben, nur, da hier zuerst ein Ding, Ich, als denkend Wesen, gegeben worden, so werden wir zwar die obige Ordnung der Kategorien untereinander, wie sie in ihrer Tafel vorgestellt ist, nicht veraendern, aber doch hier von der Kategorie der Substanz anfangen, dadurch ein Ding an sich selbst vorgestellt wird, und so ihrer Reihe rueckwaerts nachgehen. Die Topik der rationalen Seelenlehre, woraus alles uebrige, was sie nur enthalten mag, abgeleitet werden muss, ist demnach folgende: 1. Die Seele ist Substanz. 2. Ihrer Qualitaet nach 3. Den verschiedenen Zeiten einfach. nach, in welchen sie da ist, numerisch-identisch, d.i. Einheit (nicht Vielheit). 4. Im Verhaeltnisse zu moeglichen Gegenstaenden im Raume*. * Der Leser, der aus diesen Ausdruecken, in ihrer transzendentalen Abgezogenheit, nicht so leicht den psychologischen Sinn derselben, und warum das letztere Attribut der Seele zur Kategorie der Existenz gehoere, erraten wird, wird sie in dem Folgenden hinreichend erklaert und gerechtfertigt finden. Uebrigens habe ich wegen der lateinischen Ausdruecke, die statt der gleichbedeutenden deutschen, wider den Geschmack der guten Schreibart, eingeflossen sind, sowohl bei diesem Abschnitte, als auch in Ansehung des ganzen Werks, zur Entschuldigung anzufuehren: dass ich lieber etwas der Zierlichkeit der Sprache habe entziehen, als den Schulgebrauch durch die mindeste Unverstaendlichkeit erschweren wollen. Aus diesen Elementen entspringen alle Begriffe der reinen Seelenlehre, lediglich durch die Zusammensetzung, ohne im mindesten ein anderes Prinzipium zu erkennen. Diese Substanz, bloss als Gegenstand des inneren Sinnes, gibt den Begriff der Immaterialitaet; als einfache Substanz, der Inkorruptibilitaet; die Identitaet derselben, als intellektueller Substanz, gibt die Personalitaet; alle diese drei Stuecke zusammen die Spiritualitaet; das Verhaeltnis zu den Gegenstaenden im Raume gibt das Kommerzium mit Koerpern; mithin stellt sie die denkende Substanz, als das Prinzipium des Lebens in der Materie, d.i. sie als Seele (anima) und als den Grund der Animalitaet vor; diese durch die Spiritualitaet eingeschraenkt, Immortalitaet. Hierauf beziehen sich nun vier Paralogismen einer transzendentalen Seelenlehre, welche faelschlich fuer eine Wissenschaft der reinen Vernunft, von der Natur unseres denkenden Wesens gehalten wird. Zum Grunde derselben koennen wir aber nichts anderes legen, als die einfache und fuer sich selbst an Inhalt gaenzlich leere Vorstellung: Ich; von der man nicht einmal sagen kann, dass sie ein Begriff sei, sondern ein blosses Bewusstsein, das alle Begriffe begleitet. Durch dieses Ich, oder Er, oder Es (das Ding), welches denkt, wird nun nichts weiter, als ein transzendentales Subjekt der Gedanken vorgestellt = x, welches nur durch die Gedanken, die seine Praedikate sind, erkannt wird, und wovon wir, abgesondert, niemals den mindesten Begriff haben koennen; um welches wir uns daher in einem bestaendigen Zirkel herumdrehen, indem wir uns seiner Vorstellung jederzeit schon bedienen muessen, um irgend etwas von ihm zu urteilen; eine Unbequemlichkeit, die davon nicht zu trennen ist, weil das Bewusstsein an sich nicht sowohl eine Vorstellung ist, die ein besonderes Objekt unterscheidet, sondern eine Form derselben ueberhaupt, sofern sie Erkenntnis genannt werden soll; denn von der allein kann ich sagen, dass ich dadurch irgend etwas denke. Es muss aber gleich anfangs befremdlich scheinen, dass die Bedingung, unter der ich ueberhaupt denke, und die mithin bloss eine Beschaffenheit meines Subjekts ist, zugleich fuer alles, was denkt, gueltig sein solle, und dass wir auf einen empirisch scheinenden Satz ein apodiktisches und allgemeines Urteil zu gruenden uns anmassen koennen, naemlich: dass alles, was denkt, so beschaffen sei, als der Ausspruch des Selbstbewusstseins es an mir aussagt. Die Ursache aber hiervon liegt darin: dass wir den Dingen a priori alle die Eigenschaften notwendig beilegen muessen, die die Bedingungen ausmachen, unter welchen wir sie allein denken. Nun kann ich von einem denkenden Wesen durch keine aeussere Erfahrung, sondern bloss durch das Selbstbewusstsein die mindeste Vorstellung haben. Also sind dergleichen Gegenstaende nichts weiter, als die Uebertragung dieses meines Bewusstseins auf andere Dinge, welche nur dadurch als denkende Wesen vorgestellt werden. Der Satz: Ich denke, wird aber hierbei nur problematisch genommen; nicht sofern er eine Wahrnehmung von einem Dasein enthalten mag, (das Cartesianische cogito, ergo sum,) sondern seiner blossen Moeglichkeit nach, um zu sehen, welche Eigenschaften aus diesem so einfachen Satze auf das Subjekt desselben (es mag dergleichen nun existieren oder nicht) fliessen moegen. Laege unserer reinen Vernunftserkenntnis von denkenden Wesen ueberhaupt mehr, als das cogito zum Grunde; wuerden wir die Beobachtungen, ueber das Spiel unserer Gedanken und die daraus zu schoepfenden Naturgesetze des denkenden Selbst, auch zu Hilfe nehmen: so wuerde eine empirische Psychologie entspringen, welche eine Art der Physiologie des inneren Sinnes sein wuerde, und vielleicht die Erscheinungen desselben zu erklaeren, niemals aber dazu dienen koennte, solche Eigenschaften, die gar nicht zur moeglichen Erfahrung gehoeren (als die des Einfachen), zu eroeffnen, noch von denkenden Wesen ueberhaupt etwas, das ihre Natur betrifft, apodiktisch zu lehren; sie waere also keine rationale Psychologie. Da nun der Satz: Ich denke, (problematisch genommen,) die Form eines jeden Verstandesurteils ueberhaupt enthaelt, und alle Kategorien als ihr Vehikel begleitet, so ist klar, dass die Schluesse aus demselben einen bloss transzendentalen Gebrauch des Verstandes enthalten koennen, welcher alle Beimischung der Erfahrung ausschlaegt, und von dessen Fortgang wir, nach dem, was wir oben gezeigt haben, uns schon zum voraus keinen vorteilhaften Begriff machen koennen. Wir wollen ihn also durch alle Praedikamente der reinen Seelenlehre mit einem kritischen Auge verfolgen, doch um der Kuerze willen ihre Pruefung in einem ununterbrochenen Zusammenhange fortgehen lassen. Zuvoerderst kann folgende allgemeine Bemerkung unsere Achtsamkeit auf diese Schlussart schaerfen. Nicht dadurch, dass ich bloss denke, erkenne ich irgendein Objekt, sondern nur dadurch, dass ich eine gegebene Anschauung in Absicht auf die Einheit des Bewusstseins, darin alles Denken besteht, bestimme, kann ich irgend einen Gegenstand erkennen. Also erkenne ich mich nicht selbst dadurch, dass ich mich meiner als denkend bewusst bin, sondern wenn ich mir die Anschauung meiner selbst, als in Ansehung der Funktion des Denkens bestimmt, bewusst bin. Alle modi des Selbstbewusstseins im Denken an sich, sind daher noch keine Verstandesbegriffe von Objekten, (Kategorien) sondern blosse Funktionen, die dem Denken gar keinen Gegenstand, mithin mich selbst auch nicht als Gegenstand, zu erkennen geben. Nicht das Bewusstsein des Bestimmenden, sondern nur die des bestimmbaren Selbst, d.i. meiner inneren Anschauung (sofern ihr Mannigfaltiges der allgemeinen Bedingung der Einheit der Apperzeption im Denken gemaess verbunden werden kann), ist das Objekt. 1) In allen Urteilen bin ich nun immer das bestimmende Subjekt desjenigen Verhaeltnisses, welches das Urteil ausmacht. Dass aber Ich, der ich denke, im Denken immer als Subjekt, und als etwas, was nicht bloss wie Praedikat dem Denken anhaenge, betrachtet werden kann, gelten muesse, ist ein apodiktischer und selbst identischer Satz; aber er bedeutet nicht, dass ich, als Objekt, ein, fuer mich, selbst bestehendes Wesen, oder Substanz sei. Das letztere geht sehr weit, erfordert daher auch Data, die im Denken gar nicht angetroffen werden, vielleicht (sofern ich bloss das denkende als ein solches betrachte) mehr, als ich ueberall (in ihm) jemals antreffen werde. 2) Dass das Ich der Apperzeption, folglich in jedem Denken, ein Singular sei, der nicht in eine Vielheit der Subjekte aufgeloest werden kann, mithin ein logisch einfaches Subjekt bezeichne, liegt schon im Begriffe des Denkens, ist folglich ein analytischer Satz; aber das bedeutet nicht, dass das denkende Ich eine einfache Substanz sei, welches ein synthetischer Satz sein wuerde. Der Begriff der Substanz bezieht sich immer auf Anschauungen, die bei mir nicht anders als sinnlich sein koennen, mithin ganz ausser dem Felde des Verstandes und seinem Denken liegen, von welchem doch eigentlich hier nur geredet wird, wenn gesagt wird, dass das Ich im Denken einfach sei. Es waere auch wunderbar, wenn ich das, was sonst so viele Anstalt erfordert, um in dem, was die Anschauung darlegt, das zu unterscheiden, was darin Substanz sei; noch mehr aber, ob diese auch einfach sein koenne, (wie bei den Teilen der Materie) hier so geradezu in der aermsten Vorstellung unter allen, gleichsam wie durch eine Offenbarung, gegeben wuerde. 3) Der Satz der Identitaet meiner selbst bei allem Mannigfaltigen, dessen ich mir bewusst bin, ist ein ebensowohl in den Begriffen selbst liegender, mithin analytischer Satz; aber diese Identitaet des Subjekts, deren ich mir in allen seinen Vorstellungen bewusst werden kann, betrifft nicht die Anschauung desselben, dadurch es als Objekt gegeben ist, kann also auch nicht die Identitaet der Person bedeuten, wodurch das Bewusstsein der Identitaet seiner eigenen Substanz, als denkenden Wesens, in allem Wechsel der Zustaende verstanden wird, wozu, um sie zu beweisen, es mit der blossen Analysis des Satzes, ich denke, nicht ausgerichtet sein, sondern verschiedene synthetische Urteile, welche sich auf die gegebene Anschauung gruenden, wuerden erfordert werden. 4) Ich unterscheide meine eigene Existenz, als eines denkenden Wesens, von anderen Dingen ausser mir (wozu auch mein Koerper gehoert), ist ebensowohl ein analytischer Satz, denn andere Dinge sind solche, die ich als von mir unterschieden denke. Aber ob dieses Bewusstsein meiner selbst ohne Dinge ausser mir, dadurch mir Vorstellungen gegeben werden, gar moeglich sei, und ich also bloss als denkend Wesen (ohne Mensch zu sein) existieren koenne, weiss ich dadurch gar nicht. Also ist durch die Analysis des Bewusstseins meiner selbst im Denken ueberhaupt in Ansehung der Erkenntnis meiner selbst als Objekts nicht das mindeste gewonnen. Die logische Eroerterung des Denkens ueberhaupt wird faelschlich fuer eine metaphysische Bestimmung des Objekts gehalten. Ein grosser, ja sogar der einzige Stein des Anstosses wider unsere ganze Kritik wuerde es sein, wenn es eine Moeglichkeit gaebe, a priori zu beweisen, dass alle denkenden Wesen an sich einfache Substanzen sind, als solche also (welches eine Folge aus dem naemlichen Beweisgrunde ist) Persoenlichkeit unzertrennlich bei sich fuehren, und sich ihrer von aller Materie abgesonderten Existenz bewusst sind. Denn auf diese Art haetten wir doch einen Schritt ueber die Sinnenwelt hinaus getan, wir waeren in das Feld der Noumenen getreten, und nun spreche uns niemand die Befugnis ab, in diesem uns weiter auszubreiten, anzubauen, und, nachdem einen jeden sein Glueckstern beguenstigt, darin Besitz zu nehmen. Denn der Satz: Ein jedes denkende Wesen, als ein solches, ist einfache Substanz; ist ein synthetischer Satz a priori, weil er erstlich ueber den ihm zum Grunde gelegten Begriff hinausgeht und die Art des Daseins zum Denken ueberhaupt dazutut, und zweitens zu jenem Begriffe ein Praedikat (der Einfachheit) hinzufuegt, welches in gar keiner Erfahrung gegeben werden kann. Also sind synthetische Saetze a priori nicht bloss, wie wir behauptet haben, in Beziehung auf Gegenstaende moeglicher Erfahrung, und zwar als Prinzipien der Moeglichkeit dieser Erfahrung selbst, tunlich und zulaessig, sondern sie koennen auch auf Dinge ueberhaupt und an sich selbst gehen, welche Folgerung dieser ganzen Kritik ein Ende macht und gebieten wuerde, es beim Alten bewenden zu lassen. Allein die Gefahr ist hier nicht so gross, wenn man der Sache naeher tritt. In dem Verfahren der rationalen Psychologie herrscht ein Paralogism, der durch folgenden Vernunftschluss dargestellt wird, Was nicht anders als Subjekt gedacht werden kann, existiert auch nicht anders als Subjekt, und ist also Substanz. Nun kann ein denkendes Wesen, bloss als ein solches betrachtet, nicht anders als Subjekt gedacht werden. Also existiert es auch nur als ein solches, d.i. als Substanz. Im Obersatze wird von einem Wesen geredet, das ueberhaupt in jeder Absicht, folglich auch so wie es in der Anschauung gegeben werden mag, gedacht werden kann. Im Untersatze aber ist nur von demselben die Rede, sofern es sich selbst, als Subjekt, nur relativ auf das Denken und die Einheit des Bewusstseins, nicht aber zugleich in Beziehung auf die Anschauung, wodurch sie als Objekt zum Denken gegeben wird, betrachtet. Also wird per Sophisma figurae dictionis, mithin durch einen Trugschluss die Konklusion gefolgert*. * Das Denken wird in beiden Praemissen in ganz verschiedener Bedeutung genommen: im Obersatze, wie es auf ein Objekt ueberhaupt (mithin wie es in der Anschauung gegeben werden mag) geht; im Untersatze aber nur, wie es in der Beziehung aufs Selbstbewusstsein besteht, wobei also an gar kein Objekt gedacht wird, sondern nur die Beziehung auf Sich, als Subjekt, (als die Form des Denkens) vorgestellt wird. Im ersteren wird von Dingen geredet, die nicht anders als Subjekte gedacht werden koennen; im zweiten aber nicht von Dingen, sondern vom Denken (indem man von allem Objekte abstrahiert), in welchem das Ich immer zum Subjekt des Bewusstseins dient; daher im Schlusssatze nicht folgen kann: ich kann nicht anders als Subjekt existieren, sondern nur: ich kann im Denken meiner Existenz mich nur zum Subjekt des Urteils brauchen, welches ein identischer Satz ist, der schlechterdings nichts ueber die Art meines Daseins eroeffnet. Dass diese Aufloesung des beruehmten Arguments in einem Paralogism so ganz richtig sei, erhellt deutlich, wenn man die allgemeine Anmerkung zur systematischen Vorstellung der Grundsaetze und den Abschnitt von den Noumenen hierbei nachsehen will, da bewiesen worden, dass der Begriff eines Dinges, was fuer sich selbst als Subjekt, nicht aber als blosses Praedikat existieren kann, noch gar keine objektive Realitaet bei sich fuehre, d.i. dass man nicht wissen koenne, ob ihm ueberall ein Gegenstand zukommen koenne, indem man die Moeglichkeit einer solchen Art zu existieren nicht einsieht, folglich dass es schlechterdings keine Erkenntnis abgebe. Soll er also unter der Benennung einer Substanz ein Objekt, das gegeben werden kann, anzeigen; soll er ein Erkenntnis werden: so muss eine beharrliche Anschauung, als die unentbehrliche Bedingung der objektiven Realitaet eines Begriffs, naemlich das, wodurch allein der Gegenstand gegeben wird, zum Grunde gelegt werden. Nun haben wir aber in der inneren Anschauung gar nichts Beharrliches, denn das Ich ist nur das Bewusstsein meines Denkens; also fehlt es uns auch, wenn wir bloss beim Denken stehenbleiben, an der notwendigen Bedingung, den Begriff der Substanz, d.i. eines fuer sich bestehenden Subjekts, auf sich selbst als denkend Wesen anzuwenden, und die damit verbundene Einfachheit der Substanz faellt mit der objektiven Realitaet dieses Begriffs gaenzlich weg, und wird in eine blosse logische qualitative Einheit des Selbstbewusstseins im Denken ueberhaupt, das Subjekt mag zusammengesetzt sein oder nicht, verwandelt. Widerlegung des Mendelssohnschen Beweises der Beharrlichkeit der Seele Dieser scharfsinnige Philosoph merkte bald in dem gewoehnlichen Argumente, dadurch bewiesen werden soll, dass die Seele (wenn man einraeumt, sie sei ein einfaches Wesen) nicht durch Zerteilung zu sein aufhoeren koenne, einen Mangel der Zulaenglichkeit zu der Absicht, ihr die notwendige Fortdauer zu sichern, indem man noch ein Aufhoeren ihres Daseins durch Verschwinden annehmen koennte. In seinem Phaedon suchte er nun diese Vergaenglichkeit, welche eine wahre Vernichtung sein wuerde, von ihr dadurch abzuhalten, dass er sich zu beweisen getraute, ein einfaches Wesen koenne gar nicht aufhoeren zu sein, weil, da es gar nicht vermindert werden und also nach und nach etwas an seinem Dasein verlieren, und so allmaehlich in nichts verwandelt werden koenne, (indem es keine Teile, also auch keine Vielheit in sich habe,) zwischen einem Augenblicke, darin es ist, und dem andern, darin es nicht mehr ist, gar keine Zeit angetroffen werden wuerde, welches unmoeglich ist. - Allein er bedachte nicht, dass, wenn wir gleich der Seele diese einfache Natur einraeumen, da sie naemlich kein Mannigfaltiges aussereinander, mithin keine extensive Groesse enthaelt, man ihr doch, so wenig wie irgendeinem Existierenden, intensive Groesse, d.i. einen Grad der Realitaet in Ansehung aller ihrer Vermoegen, ja ueberhaupt alles dessen, was das Dasein ausmacht, ableugnen koenne, welcher durch alle unendlich vielen kleineren Grade abnehmen, und so die vorgebliche Substanz, (das Ding, dessen Beharrlichkeit nicht sonst schon fest steht,) obgleich nicht durch Zerteilung, doch durch allmaehliche Nachlassung (remissio) ihrer Kraefte, (mithin durch Elangueszenz, wenn es mir erlaubt ist, mich dieses Ausdrucks zu bedienen,) in nichts verwandelt werden koenne. Denn selbst das Bewusstsein hat jederzeit einen Grad, der immer noch vermindert werden kann*, folglich auch das Vermoegen sich seiner bewusst zu sein, und so alle uebrigen Vermoegen. - Also bleibt die Beharrlichkeit der Seele, als bloss Gegenstandes des inneren Sinnes, unbewiesen, und selbst unerweislich, obgleich ihre Beharrlichkeit im Leben, da das denkende Wesen (als Mensch) sich zugleich ein Gegenstand aeusserer Sinne ist, fuer sich klar ist, womit aber dem rationalen Psychologen gar nicht Genuege geschieht, der die absolute Beharrlichkeit derselben selbst ueber das Leben hinaus aus blossen Begriffen zu beweisen unternimmt**. * Klarheit ist nicht, wie die Logiker sagen, das Bewusstsein einer Vorstellung; denn ein gewisser Grad des Bewusstseins, der aber zur Erinnerung nicht zureicht, muss selbst in manchen dunklen Vorstellungen anzutreffen sein, weil ohne alles Bewusstsein wir in der Verbindung dunkler Vorstellungen keinen Unterschied machen wuerden, welches wir doch bei den Merkmalen mancher Begriffe (wie der von Recht und Billigkeit, und des Tonkuenstlers, wenn er viele Noten im Phantasieren zugleich greift,) zu tun vermoegen. Sondern eine Vorstellung ist klar, in der das Bewusstsein zum Bewusstsein des Unterschiedes derselben von andern zureicht. Reicht dieses zwar zur Unterscheidung, aber nicht zum Bewusstsein des Unterschiedes zu, so muesste die Vorstellung noch dunkel genannt werden. Also gibt es unendlich viele Grade des Bewusstseins bis zum Verschwinden. ** Diejenigen, welche, um eine neue Moeglichkeit auf die Bahn zu bringen, schon genug getan zu haben glauben, wenn sie darauf trotzen, dass man ihnen keinen Widerspruch in ihren Voraussetzungen zeigen koenne, (wie diejenigen insgesamt sind, die die Moeglichkeit des Denkens, wovon sie nur bei den empirischen Anschauungen im menschlichen Leben ein Beispiel haben, auch nach dessen Aufhoerung einzusehen glauben,) koennen durch andere Moeglichkeiten, die nicht im mindesten kuehner sind, in grosse Verlegenheit gebracht werden. Dergleichen ist die Moeglichkeit der Teilung einer einfachen Substanz in mehrere Substanzen, und umgekehrt das Zusammenfliessen (Koalition) mehrerer in eine einfache. Denn, obzwar die Teilbarkeit ein Zusammengesetztes voraussetzt, so erfordert sie doch nicht notwendig ein Zusammengesetztes von Substanzen, sondern bloss von Graden (der mancherlei Vermoegen) einer und derselben Substanz. Gleichwie man sich nun alle Kraefte und Vermoegen der Seele, selbst das des Bewusstseins, als auf die Haelfte geschwunden denken kann, so doch, dass immer noch Substanz uebrig bliebe; so kann man sich auch diese erloschene Haelfte als aufbehalten, aber nicht in ihr, sondern ausser ihr, ohne Widerspruch vorstellen, und dass, da hier alles was in ihr nur immer real ist, folglich einen Grad hat, mithin die ganze Existenz derselben, so, dass nichts mangelt, halbiert worden, ausser ihr alsdann eine besondere Substanz entspringen wuerde. Denn die Vielheit, welche geteilt worden, war schon vorher, aber nicht als Vielheit der Substanzen, sondern jeder Realitaet, als Quantum der Existenz in ihr, und die Einheit der Substanz war nur eine Art zu existieren, die durch diese Teilung allein in eine Mehrheit der Subsistenz verwandelt werden. So koennten aber auch mehrere einfache Substanzen in eine wiederum zusammenfliessen, dabei nichts verloren ginge, als bloss die Mehrheit der Subsistenz, indem die eine den Grad der Realitaet aller vorigen zusammen in sich enthielte, und vielleicht moechten die einfachen Substanzen, welche uns die Erscheinung einer Materie geben, (freilich zwar nicht durch einen mechanischen oder chemischen Einfuss aufeinander, aber doch durch einen uns unbekannten, davon jener nur die Erscheinung waere,) durch dergleichen dynamische Teilung der Elternseelen, als intensiver Groessen, Kinderseelen hervorbringen, indessen, dass jene ihren Abgang wiederum durch Koalition mit neuem Stoffe von derselben Art ergaenzten. Ich bin weit entfernt, dergleichen Hirngespinsten den mindesten Wert oder Gueltigkeit einzuraeumen, auch haben die obigen Prinzipien der Analytik hinreichend eingeschaerft, von den Kategorien (als der der Substanz) keinen anderen als Erfahrungsgebrauch zu machen. Wenn aber der Rationalist aus dem blossen Denkungsvermoegen, ohne irgendeine beharrliche Anschauung, dadurch ein Gegenstand gegeben wuerde, ein fuer sich bestehendes Wesen zu machen kuehn genug ist, bloss weil die Einheit der Apperzeption im Denken ihm keine Erklaerung aus dem Zusammengesetzten erlaubt, statt dass er besser tun wuerde, zu gestehen, er wisse die Moeglichkeit einer denkenden Natur nicht zu erklaeren, warum soll der Materialist, ob er gleich ebensowenig zum Behuf seiner Moeglichkeiten Erfahrung anfuehren kann, nicht zu gleicher Kuehnheit berechtigt sein, sich seines Grundsatzes, mit Beibehaltung der formalen Einheit des ersteren, zum entgegengesetzten Gebrauche zu bedienen? Nehmen wir nun unsere obigen Saetze, wie sie auch, als fuer alle denkenden Wesen gueltig, in der rationalen Psychologie ab System genommen werden muessen, in synthetischem Zusammenhange, und gehen, von der Kategorie der Relation, mit dem Satze: alle denkenden Wesen sind, als solche, Substanzen, rueckwaerts die Reihe derselben, bis sich der Zirkel schliesst, durch, stossen wir zuletzt auf die Existenz derselben, deren sie sich in diesem System, unabhaengig von aeusseren Dingen, nicht allein bewusst sind, sondern diese auch (in Ansehung der Beharrlichkeit, die notwendig zum Charakter der Substanz gehoert,) aus sich selbst bestimmen koennen. Hieraus folgt aber, dass der Idealism in ebendemselben rationalistischen System unvermeidlich sei, wenigstens der problematische, und, wenn das Dasein aeusserer Dinge zu Bestimmung seines eigenen in der Zeit gar nicht erforderlich ist, jenes auch nur ganz umsonst angenommen werde, ohne jemals einen Beweis davon geben zu koennen. Befolgen wir dagegen das analytische Verfahren, da das Ich denke, als ein Satz, der schon ein Dasein in sich schliesst, als gegeben, mithin die Modalitaet, zum Grunde liegt, und zergliedern ihn, um seinen Inhalt, ob und wie naemlich dieses Ich im Raum oder der Zeit bloss dadurch sein Dasein bestimmt, zu erkennen, so wuerden die Saetze der rationalen Seelenlehre nicht vom Begriffe eines denkenden Wesens ueberhaupt, sondern von einer Wirklichkeit anfangen, und aus der Art, wie diese gedacht wird, nachdem alles, was dabei empirisch ist, abgesondert worden, das was einem denkenden Wesen ueberhaupt zukommt gefolgert werden, wie folgende Tafel zeigt. 1. Ich denke, 2. als Subjekt, 3. als einfaches Subjekt, 4. als identisches Subjekt, in jedem Zustande meines Denkens. Weil hier nun im zweiten Satz nicht bestimmt wird, ob ich nur als Subjekt und nicht auch als Praedikat eines andern existieren und gedacht werden koenne, so ist der Begriff eines Subjekts hier bloss logisch genommen, und es bleibt unbestimmt, ob darunter Substanz verstanden werden solle oder nicht. Allein in dem dritten Satze wird die absolute Einheit der Apperzeption, das einfache Ich, in der Vorstellung, drauf sich alle Verbindung oder Trennung, welche das Denken ausmacht, bezieht, auch fuer sich wichtig, wenn ich gleich noch nichts ueber des Subjekts Beschaffenheit oder Subsistenz ausgemacht habe. Die Apperzeption ist etwas Reales, und die Einfachheit derselben liegt schon in ihrer Moeglichkeit. Nun ist im Raum nicht Reales, was einfach waere, denn Punkte (die das einzige Einfache im Raum ausmachen) sind bloss Grenzen, nicht selbst aber etwas, was den Raum als Teil auszumachen dient. Also folgt daraus die Unmoeglichkeit einer Erklaerung meiner, als bloss denkenden Subjekts, Beschaffenheit aus Gruenden des Materialismus. Weil aber mein Dasein in dem ersten Satze als gegeben betrachtet wird, indem es nicht heisst, ein jedes denkendes Wesen existiert, (welches zugleich absolute Notwendigkeit, und also zuviel, von ihnen sagen wuerde,) sondern nur: ich existiere denkend, so ist er empirisch, und enthaelt die Bestimmbarkeit meines Daseins bloss in Ansehung meiner Vorstellungen in der Zeit. Da ich aber wiederum hierzu zuerst etwas Beharrliches bedarf, dergleichen mir, sofern ich mich denke, gar nicht in der inneren Anschauung gegeben ist; so ist die Art, wie ich existiere, ob als Substanz oder als Akzidens, durch dieses einfache Selbstbewusstsein gar nicht zu bestimmen moeglich. Also, wenn der Materialism zur Erklaerungsart meinen Daseins untauglich ist, so ist der Spiritualism zu derselben ebensowohl unzureichend, und die Schlussfolge, ist, dass wir auf keine Art, welche es auch sei, von der Beschaffenheit unserer Seele, die die Moeglichkeit ihrer abgesonderten Existenz ueberhaupt betrifft, irgend etwas erkennen koennen. Und wie sollte es auch moeglich sein, durch die Einheit des Bewusstseins, die wir selbst nur dadurch kennen, dass wir sie zur Moeglichkeit der Erfahrung unentbehrlich brauchen, ueber Erfahrung (unser Dasein im Leben) hinauszukommen, und sogar unsere Erkenntnis auf die Natur aller denkenden Wesen ueberhaupt durch den empirischen, aber in Ansehung aller Art der Anschauung unbestimmten, Satz, Ich denke, zu erweitern? Es gibt also keine rationale Psychologie als Doktrin, die uns einen Zusatz zu unserer Selbsterkenntnis verschaffte, sondern nur als Disziplin, welche der spekulativen Vernunft in diesem Felde unueberschreitbare Grenzen setzt, einerseits um sich nicht dem seelenlosen Materialism in den Schoss zu werfen, andererseits sich nicht in dem, fuer uns im Leben, grundlosen Spiritualism herumschwaermend zu verlieren, sondern uns vielmehr erinnert, diese Weigerung unserer Vernunft, den neugierigen ueber dieses Leben hinausreichenden Fragen befriedigende Antwort zu geben, als einen Wink derselben anzusehen, unser Selbsterkenntnis von der fruchtlosen ueberschwenglichen Spekulation zum fruchtbaren praktischen Gebrauche anzuwenden, welches, wenn es gleich auch nur immer auf Gegenstaende der Erfahrung gerichtet ist, seine Prinzipien doch hoeher hernimmt, und das Verhalten so bestimmt, als ob unsere Bestimmung unendlich weit ueber die Erfahrung, mithin ueber dieses Leben hinaus reiche. Man sieht aus allem diesem, dass ein blosser Missverstand der rationalen Psychologie ihren Ursprung gebe. Die Einheit des Bewusstseins, welche den Kategorien zum Grunde liegt, wird hier fuer Anschauung des Subjekts als Objekts genommen, und darauf die Kategorie der Substanz angewandt. Sie ist aber nur die Einheit im Denken, wodurch allein kein Objekt gegeben wird, worauf also die Kategorie der Substanz, als die jederzeit gegebene Anschauung voraussetzt, nicht angewandt, mithin dieses Subjekt gar nicht erkannt werden kann. Das Subjekt der Kategorien kann also dadurch, dass es diese denkt, nicht von sich selbst als einem Objekte der Kategorien einen Begriff bekommen; denn, um diese zu denken, muss es sein reines Selbstbewusstsein, welches doch hat erklaert werden sollen, zum Grunde legen. Ebenso kann das Subjekt, in welchem die Vorstellung der Zeit urspruenglich ihren Grund hat, ihr eigen Dasein in der Zeit dadurch nicht bestimmen, und wenn das letztere nicht sein kann, so kann auch das erstere als Bestimmung seiner selbst (als denkenden Wesens ueberhaupt) durch Kategorien nicht stattfinden*. * Das Ich denke, ist, wie schon gesagt, ein empirischer Satz, und enthaelt den Satz, Ich existiere, in sich. Ich kann aber nicht sagen: alles, was denkt, existiert; denn da wuerde die Eigenschaft des Denkens alle Wesen, die sie besitzen, zu notwendigen Wesen machen. Daher kann meine Existenz auch nicht aus dem Satze: Ich denke, als gefolgert angesehen werden, wie Cartesius dafuer hielt, (weil sonst der Obersatz: alles. was denkt, existiert, vorausgehen muesste), sondern ist mit ihm identisch. Er drueckt eine unbestimmte empirische Anschauung, d.i. Wahrnehmung, aus, (mithin beweist er doch, dass schon Empfindung, die folglich zur Sinnlichkeit gehoert, diesem Existenzialsatz zum Grunde liege,) geht aber vor der Erfahrung vorher, die das Objekt der Wahrnehmung durch die Kategorie in Ansehung der Zeit bestimmen soll, und die Existenz ist hier noch keine Kategorie, als welche nicht auf ein unbestimmt gegebenes Objekt, sondern nur ein solches, davon man einen Begriff hat, und wovon man wissen will, ob es auch ausser diesem Begriffe gesetzt sei, oder nicht, Beziehung hat. Eine unbestimmte Wahrnehmung bedeutet hier nur etwas Reales, das gegeben worden, und zwar nur zum Denken ueberhaupt, also nicht als Erscheinung, auch nicht als Sache an sich selbst, (Noumenon) sondern als etwas, was in der Tat existiert, und in dem Satze, ich denke, als ein solcher bezeichnet wird. Denn es ist zu merken, dass, wenn ich den Satz: ich denke, einen empirischen Satz genannt habe, ich dadurch nicht sagen will, das Ich in diesem Satze sei empirische Vorstellung, vielmehr ist sie rein intellektuell, weil sie zum Denken ueberhaupt gehoert. Allein ohne irgendeine empirische Vorstellung, die den Stoff zum Denken abgibt, wuerde der Aktus, Ich denke, doch nicht stattfinden, und das Empirische ist nur die Bedingung der Anwendung, oder des Gebrauchs des reinen intellektuellen Vermoegens. * * * So verschwindet denn ein ueber die Grenzen moeglicher Erfahrung hinaus versuchtes und doch zum hoechsten Interesse der Menschheit gehoeriges Erkenntnis, soweit es der spekulativen Philosophie verdankt werden soll, in getaeuschte Erwartung; wobei gleichwohl die Strenge der Kritik dadurch, dass sie zugleich die Unmoeglichkeit beweist, von einem Gegenstande der Erfahrung ueber die Erfahrungsgrenze hinaus etwas dogmatisch auszumachen, der Vernunft bei diesem ihrem Interesse den ihr nicht unwichtigen Dienst tut, sie ebensowohl wider alle moeglichen Behauptungen des Gegenteils in Sicherheit zu stellen; welches nicht anders geschehen kann, als so, dass man entweder seinen Satz apodiktisch beweist, oder, wenn dieses nicht gelingt, die Quellen dieses Unvermoegens aufsucht, welche, wenn sie in den notwendigen Schranken unseres Vernunft liegen, alsdann jeden Gegner gerade demselben Gesetze der Entsagung aller Ansprueche auf dogmatische Behauptung unterwerfen muessen. Gleichwohl wird hierdurch fuer die Befugnis, ja gar die Notwendigkeit, der Annehmung eines kuenftigen Lebens, nach Grundsaetzen des mit dem spekulativen verbundenen praktischen Vernunftgebrauchs, hierbei nicht das mindeste verloren; denn der bloss spekulative Beweis hat auf die gemeine Menschenvernunft ohnedem niemals einigen Einfluss haben koennen. Er ist so auf einer Haaresspitze gestellt, dass selbst die Schule ihn auf derselben nur so lange erhalten kann, als sie ihn als einen Kreisel um demselben sich unaufhoerlich drehen laesst, und er in ihren eigenen Augen also keine beharrliche Grundlage abgibt, worauf etwas gebaut werden koennte. Die Beweise, die fuer die Welt brauchbar sind, bleiben hierbei alle in ihrem unverminderten Werte, und gewinnen vielmehr durch Abstellung jener dogmatischen Anmassungen an Klarheit und ungekuenstelter Ueberzeugung, indem sie die Vernunft in ihr eigentuemliches Gebiet, naemlich die Ordnung der Zwecke, die doch zugleich eine Ordnung der Natur ist, versetzen, die dann aber zugleich, als praktisches Vermoegen an sich selbst, ohne auf die Bedingungen der letzteren eingeschraenkt zu sein, die erstere und mit ihr unsere eigene Existenz ueber die Grenzen der Erfahrung und des Lebens hinaus zu erweitern berechtigt ist. Nach der Analogie mit der Natur lebender Wesen in dieser Welt, an welchen die Vernunft es notwendig zum Grundsatze annehmen muss, dass kein Organ, kein Vermoegen, kein Antrieb, also nichts Entbehrliches, oder fuer den Gebrauch Unproportioniertes, mithin Unzweckmaessiges anzutreffen, sondern alles seiner Bestimmung im Leben genau angemessen sei, zu urteilen, muesste der Mensch, der doch allein den letzten Endzweck von allem diesem in sich erhalten kann, das einzige Geschoepf sein, welches davon ausgenommen waere. Denn seine Naturanlagen, nicht bloss den Talenten und Antrieben nach, davon Gebrauch zu machen, sondern vornehmlich das moralische Gesetz in ihm, gehen so weit ueber allen Nutzen und Vorteil, den er in diesem Leben daraus ziehen koennte, dass das letztere sogar das blosse Bewusstsein der Rechtschaffenheit der Gesinnung, bei Ermangelung aller Vorteile, selbst sogar des Schattenwerks vom Nachruhm, ueber alles hochschaetzen lehrt, und sich innerlich dazu berufen fuehlt, sich durch sein Verhalten in dieser Welt, mit Verzichtung auf viele Vorteile, zum Buerger einer besseren, die er in der Idee hat, tauglich zu machen. Dieser maechtige, niemals zu widerlegende Beweisgrund, begleitet durch eine sich unaufhoerlich vermehrende Erkenntnis der Zweckmaessigkeit in allem, was wir vor uns sehen, und durch eine Aussicht in die Unermesslichkeit der Schoepfung, mithin auch durch das Bewusstsein einer gewissen Unbegrenztheit in der moeglichen Erweiterung unserer Kenntnisse, samt einem dieser angemessenen Triebe bleibt immer noch uebrig, wenn wir es gleich aufgeben muessen, die notwendige Fortdauer unserer Existenz aus der bloss theoretischen Erkenntnis unserer selbst einzusehen. Beschluss der Aufloesung des psychologischen Paralogisms Der dialektische Schein in der rationalen Psychologie beruht auf der Verwechslung einer Idee der Vernunft (einer reinen Intelligenz) mit dem in allen Stuecken unbestimmten Begriffe eines denkenden Wesens ueberhaupt. Ich denke mich selbst zum Behuf einer moeglichen Erfahrung, indem ich noch von aller wirklichen Erfahrung abstrahiere, und schliesse daraus, dass ich mich meiner Existenz auch ausser der Erfahrung und den empirischen Bedingungen derselben bewusst werden koenne. Folglich verwechsle ich die moegliche Abstraktion von meiner empirisch bestimmten Existenz mit dem vermeinten Bewusstsein einer abgesondert moeglichen Existenz meines denkenden Selbst, und glaube das Substantiale in mir als das transzendentale Subjekt zu erkennen, indem ich bloss die Einheit des Bewusstseins, welche allem Bestimmen, als der blossen Form der Erkenntnis, zum Grunde liegt, in Gedanken habe. Die Aufgabe, die Gemeinschaft der Seele mit dem Koerper zu erklaeren, gehoert nicht eigentlich zu derjenigen Psychologie, wovon hier die Rede ist, weil sie die Persoenlichkeit der Seele auch ausser dieser Gemeinschaft (nach dem Tode) zu beweisen die Absicht hat, und also im eigentlichen Verstande transzendent ist, ob sie sich gleich mit einem Objekte der Erfahrung beschaeftigt, aber nur sofern es aufhoert ein Gegenstand der Erfahrung zu sein. Indessen kann auch hierauf nach unserem Lehrbegriffe hinreichende Antwort gegeben werden. Die Schwierigkeit, welche diese Aufgabe veranlasst hat, besteht, wie bekannt, in der vorausgesetzten Ungleichartigkeit des Gegenstandes des inneren Sinnes (der Seele) mit den Gegenstaenden aeusserer Sinne, da jenem nur die Zeit, diesen auch der Raum zur normalen Bedingung ihrer Anschauung anhaengt. Bedenkt man aber, dass beiderlei Art von Gegenstaenden hierin sich nicht innerlich, sondern nur, sofern eines dem andern aeusserlich erscheint, von einander unterscheiden, mithin das, was der Erscheinung der Materie, als Ding an sich selbst, zum Grunde liegt, vielleicht so ungleichartig nicht sein duerfte, so verschwindet diese Schwierigkeit, und es bleibt keine andere uebrig, als die, wie ueberhaupt eine Gemeinschaft von Substanzen moeglich sei, welche zu loesen ganz ausser dem Felde der Psychologie, und, wie der Leser, nach dem, was in der Analytik von Grundkraeften und Vermoegen gesagt worden, leicht urteilen wird, ohne allen Zweifel auch ausser dem Felde aller menschlichen Erkenntnis liegt. Allgemeine Anmerkung, den Uebergang von der rationalen Psychologie zur Kosmologie betreffend Der Satz, Ich denke, oder, ich existiere denkend, ist ein empirischer Satz. Einem solchen aber liegt empirische Anschauung, folglich auch das gedachte Objekt als Erscheinung, zum Grunde, und so scheint es, als wenn nach unserer Theorie die Seele ganz und gar, selbst im Denken, in Erscheinung verwandelt wuerde, und auf solche Weise unser Bewusstsein selbst, als blosser Schein, in der Tat auf nichts gehen muesste. Das Denken, fuer sich genommen, ist bloss die logische Funktion, mithin lauter Spontaneitaet der Verbindung des Mannigfaltigen einer bloss moeglichen Anschauung, und stellt das Subjekt des Bewusstseins keineswegs als Erscheinung dar, bloss darum, weil es gar keine Ruecksicht auf die Art der Anschauung nimmt, ob sie sinnlich oder intellektuell sei. Dadurch stelle ich mich mir selbst, weder wie ich bin, noch wie ich mir erscheine, vor, sondern ich denke mich nur wie ein jedes Objekt ueberhaupt, von dessen Art der Anschauung ich abstrahiere. Wenn ich mich hier als Subjekt der Gedanken, oder auch als Grund des Denkens, vorstelle, so bedeuten diese Vorstellungsarten nicht die Kategorien der Substanz, oder der Ursache, denn diese sind jene Funktionen des Denkens (Urteilens) schon auf unsere sinnliche Anschauung angewandt, welche freilich erfordert werden wuerden, wenn ich mich erkennen wollte. Nun will ich mich meiner aber nur als denkend bewusst werden; wie mein eigenes Selbst in der Anschauung gegeben sei, das setze ich beiseite, und da koennte es mir, der ich denke, aber nicht sofern ich denke, bloss Erscheinung sein; im Bewusstsein meiner Selbst beim blossen Denken bin ich das Wesen selbst, von dem mir aber freilich dadurch noch nichts zum Denken gegeben ist. Der Satz aber, Ich denke, sofern er soviel sagt, als: Ich existiere denkend, ist nicht blosse logische Funktion, sondern bestimmt das Subjekt (welches denn zugleich Objekt ist) in Ansehung der Existenz, und kann ohne den inneren Sinn nicht stattfinden, dessen Anschauung jederzeit das Objekt nicht als Ding an sich selbst, sondern bloss als Erscheinung an die Hand gibt. In ihm ist also schon nicht mehr blosse Spontaneitaet des Denkens, sondern auch Rezeptivitaet der Anschauung, d.i. das Denken meiner selbst auf die empirische Anschauung ebendesselben Subjekts angewandt. In dieser letzteren muesste denn nun das denkende Selbst die Bedingungen des Gebrauchs seiner logischen Funktionen zu Kategorien der Substanz, der Ursache usw. suchen, um sich als Objekt an sich selbst nicht bloss durch das Ich zu bezeichnen, sondern auch die Art seines Daseins zu bestimmen, d.i. sich als Noumenon zu erkennen, welches aber unmoeglich ist, indem die innere empirische Anschauung sinnlich ist, und nichts als Data der Erscheinung an die Hand gibt, die dem Objekte des reinen Bewusstseins zur Kenntnis seiner abgesonderten Existenz nichts liefern, sondern bloss der Erfahrung zum Behufe dienen kann. Gesetzt aber, es faende sich in der Folge, nicht in der Erfahrung, sondern in gewissen (nicht bloss logischen Regeln, sondern) a priori feststehenden, unsere Existenz betreffenden Gesetzen des reinen Vernunftgebrauchs, Veranlassung, um voellig a priori in Ansehung unseres eigenen Daseins als gesetzgebend und diese Existenz auch selbst bestimmend vorauszusetzen, so wuerde sich dadurch eine Spontaneitaet entdecken, wodurch unsere Wirklichkeit bestimmbar waere, ohne dazu der Bedingungen der empirischen Anschauung zu beduerfen; und hier wuerden wir innewerden, dass im Bewusstsein unseres Daseins a priori etwas enthalten sei, was unsere nur sinnlich durchgaengig bestimmbare Existenz, doch in Ansehung eines gewissen inneren Vermoegens in Beziehung auf eine intelligible (freilich nur gedachte) Welt zu bestimmen, dienen kann. Aber dieses wuerde nichtsdestoweniger alle Versuche in der rationalen Psychologie nicht im mindesten weiter bringen. Denn ich wuerde durch jenes bewunderungswuerdige Vermoegen, welches mir das Bewusstsein des moralischen Gesetzes allererst offenbart, zwar ein Prinzip der Bestimmung meiner Existenz, welches rein intellektuell ist, haben, aber durch welche Praedikate? Durch keine anderen, als die mir in der sinnlichen Anschauung gegeben werden muessen, und so wuerde ich da wiederum hingeraten, wo ich in der rationalen Psychologie war, naemlich in das Beduerfnis sinnlicher Anschauungen, um meinen Verstandesbegriffen, Substanz, Ursache usw., wodurch ich allein Erkenntnis von mir haben kann, Bedeutung zu verschaffen; jene Anschauungen koennen mich aber ueber das Feld der Erfahrung niemals hinaushelfen. Indessen wuerde ich doch diese Begriffe in Ansehung des praktischen Gebrauchs, welcher doch immer auf Gegenstaende der Erfahrung gerichtet ist, der im theoretischen Gebrauche analogischen Bedeutung gemaess, auf die Freiheit und das Subjekt derselben anzuwenden befugt sein, indem ich bloss die logischen Funktionen des Subjekts und Praedikats des Grundes und der Folge darunter verstehe, denen gemaess die Handlungen oder die Wirkungen jenen Gesetzen gemaess so bestimmt werden, dass sie zugleich mit den Naturgesetzen, den Kategorien der Substanz und der Ursache allemal gemaess erklaert werden koennen, ob sie gleich aus ganz anderem Prinzip entspringen. Dieses hat nur zur Verhuetung des Missverstandes, dem die Lehre von unserer Selbstanschauung, als Erscheinung, leicht ausgesetzt ist, gesagt sein sollen. Im folgenden wird man davon Gebrauch zu machen Gelegenheit haben. Der transzendentalen Dialektik Zweites Buch Zweites Hauptstueck Die Antinomie der reinen Vernunft Wir haben in der Einleitung zu diesem Teile unseres Werks gezeigt, dass aller transzendentale Schein der reinen Vernunft auf dialektischen Schluessen beruhe, deren Schema die Logik in den drei formalen Arten der Vernunftschluesse ueberhaupt an die Hand gibt, so wie etwa die Kategorien ihr logisches Schema in den vier Funktionen aller Urteile antreffen. Die erste Art dieser vernuenftelnden Schluesse ging auf die unbedingte Einheit der subjektiven Bedingungen aller Vorstellungen ueberhaupt (des Subjekts oder der Seele), in Korrespondenz mit den kategorischen Vernunftschluessen, deren Obersatz, als Prinzip, die Beziehung eines Praedikats auf ein Subjekt aussagt. Die zweite Art des dialektischen Arguments wird also, nach der Analogie mit hypothetischen Vernunftschluessen, die unbedingte Einheit der objektiven Bedingungen in der Erscheinung zu ihrem Inhalte machen, so wie die dritte Art, die im folgenden Hauptstuecke vorkommen wird, die unbedingte Einheit der objektiven Bedingungen der Moeglichkeit der Gegenstaende ueberhaupt zum Thema hat. Es ist aber merkwuerdig, dass der transzendentale Paralogismus einen bloss einseitigen Schein, in Ansehung der Idee von dem Subjekte unseres Denkens, bewirkte, und zur Behauptung des Gegenteils sich nicht der mindeste Schein aus Vernunftbegriffen vorfinden will. Der Vorteil ist gaenzlich auf der Seite des Pneumatismus, obgleich dieser den Erbfehler nicht verleugnen kann, bei allem ihm guenstigen Schein in der Feuerprobe der Kritik sich in lauter Dunst aufzuloesen. Ganz anders faellt es aus, wenn wir die Vernunft auf die objektive Synthesis der Erscheinungen anwenden, wo sie ihr Prinzipium der unbedingten Einheit zwar mit vielem Scheine geltend zu machen denkt, sich aber bald in solche Widersprueche verwickelt, dass sie genoetigt wird, in kosmologischer Absicht, von ihrer Forderung abzustehen. Hier zeigt sich naemlich ein neues Phaenomen der menschlichen Vernunft, naemlich: eine ganz natuerliche Antithetik, auf die keiner zu gruebeln und kuenstlich Schlingen zu legen braucht, sondern in welche die Vernunft von selbst und zwar unvermeidlich geraet, und dadurch zwar vor den Schlummer einer eingebildeten Ueberzeugung, den ein bloss einseitiger Schein hervorbringt, verwahrt, aber zugleich in Versuchung gebracht wird, sich entweder einer skeptischen Hoffnungslosigkeit zu ueberlassen, oder einen dogmatischen Trotz anzunehmen und den Kopf steif auf gewisse Behauptungen zu setzen, ohne den Gruenden des Gegenteils Gehoer und Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Beides ist der Tod einer gesunden Philosophie, wiewohl jener allenfalls noch die Euthanasie der reinen Vernunft genannt werden koennte. Ehe wir die Auftritte des Zwiespalts und der Zerruettungen sehen lassen, welche dieser Widerstreit der Gesetze (Antinomie) der reinen Vernunft veranlasst, wollen wir gewisse Eroerterungen geben, welche die Methode erlaeutern und rechtfertigen koennen, deren wir uns in Behandlung unseres Gegenstandes bedienen. Ich nenne alle transzendentalen Ideen, sofern sie die absolute Totalitaet in der Synthesis der Erscheinungen betreffen, Weltbegriffe, teils wegen eben dieser unbedingten Totalitaet, worauf auch der Begriff des Weltganzen beruht, der selbst nur eine Idee ist, teils weil sie lediglich auf die Synthesis der Erscheinungen, mithin die empirische, gehen, da hingegen die absolute Totalitaet, in der Synthesis der Bedingungen aller moeglichen Dinge ueberhaupt, ein Ideal der reinen Vernunft veranlassen wird, welches von dem Weltbegriffe gaenzlich unterschieden ist, ob es gleich darauf in Beziehung steht. Daher, so wie die Paralogismen der reinen Vernunft den Grund zu einer dialektischen Psychologie legten, so wird die Antinomie der reinen Vernunft die transzendentalen Grundsaetze einer vermeinten reinen (rationalen) Kosmologie vor Augen stellen, nicht, um sie gueltig zu finden und sich zuzueignen, sondern, wie es auch schon die Benennung von einem Widerstreit der Vernunft anzeigt, um sie als eine Idee, die sich mit Erscheinungen nicht vereinbaren laesst, in ihrem blendenden aber falschen Scheine darzustellen. Der Antinomie der reinen Vernunft Erster Abschnitt System der kosmologischen Ideen Um nun diese Ideen nach einem Prinzip mit systematischer Praezision aufzaehlen zu koennen, muessen wir erstlich bemerken, dass nur der Verstand es sei, aus welchem reine und transzendentale Begriffe entspringen koennen, dass die Vernunft eigentlich gar keinen Begriff erzeuge, sondern allenfalls nur den Verstandesbegriff, von den unvermeidlichen Einschraenkungen einer moeglichen Erfahrung, frei mache, und ihn also ueber die Grenzen des Empirischen, doch aber in Verknuepfung mit demselben zu erweitern suche. Dieses geschieht dadurch, dass sie zu einem gegebenen Bedingten auf der Seite der Bedingungen (unter denen der Verstand alle Erscheinungen der synthetischen Einheit unterwirft) absolute Totalitaet fordert, und dadurch die Kategorie zur transzendentalen Idee macht, um der empirischen Synthesis, durch die Fortsetzung derselben bis zum Unbedingten, (welches niemals in der Erfahrung, sondern nur in der Idee angetroffen wird,) absolute Vollstaendigkeit zu geben. Die Vernunft fordert dieses nach dem Grundsatze: wenn das Bedingte gegeben ist, so ist auch die ganze Summe der Bedingungen, mithin das schlechthin Unbedingte gegeben, wodurch jenes allein moeglich war. Also werden erstlich die transzendentalen Ideen eigentlich nichts, als bis zum Unbedingten erweiterte Kategorien sein, und jene werden sich in eine Tafel bringen lassen, die nach den Titeln der letzteren angeordnet ist. Zweitens aber werden doch auch nicht alle Kategorien dazu taugen, sondern nur diejenige, in welchen die Synthesis eine Reihe ausmacht, und zwar der einander untergeordneten (nicht beigeordneten) Bedingungen zu einem Bedingten. Die absolute Totalitaet wird von der Vernunft nur sofern gefordert, als sie die aufsteigende Reihe der Bedingungen zu einem gegebenen Bedingten angeht, mithin nicht, wenn von der absteigenden Linie der Folgen, noch auch von dem Aggregat koordinierter Bedingungen zu diesen Folgen, die Rede ist. Denn Bedingungen sind in Ansehung des gegebenen Bedingten schon vorausgesetzt und mit diesem auch als gegeben anzusehen, anstatt dass, da die Folgen ihre Bedingungen nicht moeglich machen, sondern vielmehr voraussetzen, man im Fortgange zu den Folgen (oder im Absteigen von der gegebenen Bedingung zu dem Bedingten) unbekuemmert sein kann, ob die Reihe aufhoere oder nicht, und ueberhaupt die Frage, wegen ihrer Totalitaet, gar keine Voraussetzung der Vernunft ist. So denkt man sich notwendig eine bis auf den gegebenen Augenblick voellig abgelaufene Zeit, auch als gegeben, (wenngleich nicht durch uns bestimmbar). Was aber die kuenftige betrifft, da sie die Bedingung nicht ist, zu der Gegenwart zu gelangen, so ist es, um diese zu begreifen, ganz gleichgueltig, wie wir es mit der kuenftigen Zeit halten wollen, ob man sie irgendwo aufhoeren, oder ins Unendliche laufen lassen will. Es sei die Reihe m, n, o, worin n als bedingt in Ansehung m, aber zugleich als Bedingung von o gegeben ist, die Reihe gehe aufwaerts von dem bedingten n zu m (l, k, i, etc.), imgleichen abwaerts von der Bedingung n zum bedingten o (p, q, r, etc.), so muss ich die erstere Reihe voraussetzen, um n als gegeben anzusehen, und n ist nach der Vernunft (der Totalitaet der Bedingungen) nur vermittelst jener Reihe moeglich, seine Moeglichkeit beruht aber nicht auf der folgenden Reihe o, p, q, r, die daher auch nicht als gegeben, sondern nur als dabilis angesehen werden koenne. Ich will die Synthesis einer Reihe auf der Seite der Bedingungen, also von derjenigen an, welche die naechste zur gegebenen Erscheinung ist, und so zu den entfernteren Bedingungen, die regressive, diejenige aber, die auf der Seite des Bedingten, von der naechsten Folge zu den entfernteren fortgeht, die progressive Synthesis nennen. Die erstere geht in antecedentia, die zweite in consequentia. Die kosmologischen Ideen also beschaeftigen sich mit der Totalitaet der regressiven Synthesis, und gehen in antecedentia, nicht in consequentia. Wenn dieses letztere geschieht, so ist es ein willkuerliches und nicht notwendiges Problem der reinen Vernunft, weil wir zur vollstaendigen Begreiflichkeit dessen, was in der Erscheinung gegeben ist, wohl der Gruende, nicht aber der Folgen beduerfen. Um nun nach der Tafel der Kategorien die Tafel der Ideen einzurichten, so nehmen wir zuerst die zwei urspruenglichen quanta aller unserer Anschauung, Zeit und Raum. Die Zeit ist an sich selbst eine Reihe (und die formale Bedingung aller Reihen), und daher sind in ihr, in Ansehung einer gegebenen Gegenwart, die antecedentia als Bedingungen (das Vergangene) von den consequentibus (dem Kuenftigen) a priori zu unterscheiden. Folglich geht die transzendentale Idee, der absoluten Totalitaet der Reihe der Bedingungen zu einem gegebenen Bedingten, nur auf alle vergangene Zeit. Es wird nach der Idee der Vernunft die ganze verlaufene Zeit als Bedingung des gegebenen Augenblicks notwendig als gegeben gedacht. Was aber den Raum betrifft, so ist in ihm an sich selbst kein Unterschied des Progressus vom Regressus, weil er ein Aggregat, aber keine Reihe ausmacht, indem seine Teile insgesamt zugleich sind. Den gegenwaertigen Zeitpunkt konnte ich in Ansehung der vergangenen Zeit nur als bedingt, niemals aber als Bedingung derselben, ansehen, weil dieser Augenblick nur durch die verflossene Zeit (oder vielmehr durch das Verfliessen der vorhergehenden Zeit) allererst entspringt. Aber da die Teile des Raumes einander nicht untergeordnet, sondern beigeordnet sind, so ist ein Teil nicht die Bedingung der Moeglichkeit des anderen, und er macht nicht, so wie die Zeit, an sich selbst eine Reihe aus. Allein die Synthesis der mannigfaltigen Teile des Raumes, wodurch wir ihn apprehendieren, ist doch successiv, geschieht also in der Zeit und enthaelt eine Reihe. Und da in dieser Reihe der aggregierten Raeume (z.B. der Fuesse in einer Rute) von einem gegebenen an, die weiter hinzugedachten immer die Bedingung von der Grenze der vorigen sind, so ist das Messen eines Raumes auch als eine Synthesis einer Reihe der Bedingungen zu einem gegebenen Bedingten anzusehen, nur dass die Seite der Bedingungen, von der Seite, nach welcher das Bedingte hin liegt, an sich selbst nicht unterschieden ist, folglich regressus und progressus im Raume einerlei zu sein scheint. Weil indessen ein Teil des Raumes nicht durch den anderen gegeben, sondern nur begrenzt wird, so muessen wir jeden begrenzten Raum insofern auch als bedingt ansehen, der einen anderen Raum als die Bedingung seiner Grenze voraussetzt, und so fortan. In Ansehung der Begrenzung ist also der Fortgang im Raume auch ein Regressus, und die transzendentale Idee der absoluten Totalitaet der Synthesis in der Reihe der Bedingungen trifft auch den Raum, und ich kann ebensowohl nach der absoluten Totalitaet der Erscheinung im Raume, als der in der verflossenen Zeit, fragen. Ob aber ueberall darauf auch eine Antwort moeglich sei, wird sich kuenftig bestimmen lassen. Zweitens, so ist die Realitaet im Raume, d.i. die Materie, ein Bedingtes, dessen innere Bedingungen seine Teile, und die Teile der Teile die entfernten Bedingungen sind, so dass hier eine regressive Synthesis stattfindet, deren absolute Totalitaet die Vernunft fordert, welche nicht anders als durch eine vollendete Teilung, dadurch die Realitaet der Materie entweder in Nichts oder doch in das, was nicht mehr Materie ist, naemlich das Einfache, verschwindet, stattfinden kann. Folglich ist hier auch eine Reihe von Bedingungen und ein Fortschritt zum Unbedingten. Drittens, was die Kategorien des realen Verhaeltnisses unter den Erscheinungen anlangt, so schickt sich die Kategorie der Substanz mit ihren Akzidenzen nicht zu einer transzendentalen Idee; d.i. die Vernunft hat keinen Grund, in Ansehung ihrer, regressiv auf Bedingungen zu gehen. Denn Akzidenzen sind (sofern sie einer einigen Substanz inhaerieren) einander koordiniert, und machen keine Reihe aus. In Ansehung der Substanz aber sind sie derselben eigentlich nicht subordiniert, sondern die Art zu existieren der Substanz selber. Was hierbei noch scheinen koennte eine Idee der transzendentalen Vernunft zu sein, waere der Begriff von Substantiale. Allein, da dieses nichts anderes bedeutet, als den Begriff vom Gegenstande ueberhaupt, welcher subsistiert, sofern man an ihm bloss das transzendentale Subjekt ohne alle Praedikate denkt, hier aber nur die Rede vom Unbedingten in der Reihe der Erscheinungen ist, so ist klar, dass das Substantiale kein Glied in derselben ausmachen koenne. Eben dasselbe gilt auch von Substanzen in Gemeinschaft, welche blosse Aggregate sind, und keinen Exponenten einer Reihe haben, indem sie nicht einander als Bedingungen ihrer Moeglichkeit subordiniert sind, welches man wohl von den Raeumen sagen konnte, deren Grenze niemals an sich, sondern immer durch einen anderen Raum bestimmt war. Es bleibt also nur die Kategorie der Kausalitaet uebrig, welche eine Reihe der Ursachen zu einer gegebenen Wirkung darbietet, in welcher man von der letzteren, als dem Bedingten, zu jenen, als Bedingungen, aufsteigen und der Vernunftfrage antworten kann. Viertens, die Begriffe des Moeglichen, Wirklichen und Notwendigen fuehren auf keine Reihe, ausser nur, sofern das Zufaellige im Dasein jederzeit als bedingt angesehen werden muss, und nach der Regel des Verstandes auf eine Bedingung weist, darunter es notwendig ist, diese auf eine hoehere Bedingung zu weisen bis die Vernunft nur in der Totalitaet diese Reihe die unbedingte Notwendigkeit antrifft. Es sind demnach nicht mehr, als vier kosmologische Ideen, nach den vier Titeln der Kategorien, wenn man diejenigen aushebt, welche eine Reihe in der Synthesis des Mannigfaltigen notwendig bei sich fuehren. 1. Die absolute Vollstaendigkeit der Zusammensetzung des gegebenen Ganzen aller Erscheinungen 2. Die absolute 3. Die absolute Vollstaendigkeit Vollstaendigkeit der Teilung der Entstehung eines gegebenen Ganzen einer Erscheinung in der Erscheinung 4. Die absolute Vollstaendigkeit der Abhaengigkeit des Daseins des Veraenderlichen in der Erscheinung Zuerst ist hierbei anzumerken, dass die Idee der absoluten Totalitaet nichts anderes, als die Exposition der Erscheinungen, betreffe, mithin nicht den reinen Verstandesbegriff von einen Ganzen der Dinge ueberhaupt. Es werden hier also Erscheinungen als gegeben betrachtet, und die Vernunft fordert die absolute Vollstaendigkeit der Bedingungen ihrer Moeglichkeit, sofern diese eine Reihe ausmachen, mithin eine schlechthin (d.i. in aller Absicht) vollstaendige Synthesis, wodurch die Erscheinung nach Verstandesgesetzen exponiert werden koenne. Zweitens ist es eigentlich nur das Unbedingte, was die Vernunft, in dieser, reihenweise, und zwar reggressiv, fortgesetzten Synthesis der Bedingungen, sucht, gleichsam die Vollstaendigkeit in der Reihe der Praemissen, die zusammen weiter keine andere voraussetzen. Dieses Unbedingte ist nun jederzeit in der absoluten Totalitaet der Reihe, wenn man sie sich in der Einbildung vorstellt, enthalten. Allein diese schlechthin vollendete Synthesis ist wiederum nur eine Idee; denn man kann, wenigstens zum voraus, nicht wissen, ob eine solche bei Erscheinungen auch moeglich sei. Wenn man sich alles durch blosse reine Verstandesbegriffe, ohne Bedingungen der sinnlichen Anschauung, vorstellt, so kann man geradezu sagen: dass zu einem gegebenen Bedingten auch die ganze Reihe einander subordinierter Bedingungen gegeben sei; denn jenes ist allein durch diese gegeben. Allein bei Erscheinungen ist eine besondere Einschraenkung der Art, wie Bedingungen gegeben werden, anzutreffen, naemlich durch die sukzessive Synthesis des Mannigfaltigen der Anschauung, die im Regressus vollstaendig sein soll. Ob diese Vollstaendigkeit nun sinnlich moeglich sei, ist noch ein Problem. Allein die Idee dieser Vollstaendigkeit liegt doch in der Vernunft, unangesehen der Moeglichkeit, oder Unmoeglichkeit, ihr adaequat empirische Begriffe zu verknuepfen. Also, da in der absoluten Totalitaet der regressiven Synthesis des Mannigfaltigen in der Erscheinung (nach Anleitung der Kategorien, die sie als eine Reihe von Bedingungen zu einem gegebenen Bedingten vorstellen,) das Unbedingte notwendig enthalten ist, man mag auch unausgemacht lassen, ob und wie diese Totalitaet zustande zu bringen sei: so nimmt die Vernunft hier den Weg, von der Idee der Totalitaet auszugehen, ob sie gleich eigentlich das Unbedingte, es sei der ganzen Reihe, oder eines Teils derselben, zur Endabsicht hat. Dieses Unbedingte kann man sich nun gedenken, entweder als bloss in der ganzen Reihe bestehend, in der also alle Glieder ohne Ausnahme bedingt und nur das Ganze derselben schlechthin unbedingt waere, und dann heisst der Regressus unendlich; oder das absolut Unbedingte ist nur ein Teil der Reihe, dem die uebrigen Glieder derselben untergeordnet sind, der selbst aber unter keiner anderen Bedingung steht.* In dem ersteren Falle ist die Reihe a parte priori ohne Grenzen (ohne Anfang), d.i. unendlich, und gleichwohl ganz gegeben, der Regressus in ihr aber ist niemals vollendet, und kann nur potentialiter unendlich genannt werden. Im zweiten Falle gibt es ein Erstes der Reihe, welches in Ansehung der verflossenen Zeit der Weltanfang, in Ansehung des Raums die Weltgrenze, in Ansehung der Teile, eines in seinen Grenzen gegebenen Ganzen, das Einfache, in Ansehung der Ursachen die absolute Selbsttaetigkeit (Freiheit), in Ansehung des Daseins veraenderlicher Dinge die absolute Naturnotwendigkeit heisst. * Das absolute Ganze der Reihe von Bedingungen zu einem gegebenen Bedingten ist jederzeit unbedingt; weil ausser ihr keine Bedingungen mehr sind, in Ansehung deren es bedingt sein koennte. Allein dieses absolute Ganze einer solchen Reihe ist nur eine Idee, oder vielmehr ein problematischer Begriff, dessen Moeglichkeit untersucht werden muss, und zwar in Beziehung auf die Art, wie das Unbedingte, als die eigentliche transzendentale Idee, worauf es ankommt, darin enthalten sein mag. Wir haben zwei Ausdruecke: Welt und Natur, welche bisweilen ineinander laufen. Das erste bedeutet das mathematische Ganze aller Erscheinungen und die Totalitaet ihrer Synthesis, im Grossen sowohl als im Kleinen, d.i. sowohl in dem Fortschritt derselben durch Zusammensetzung, als durch Teilung. Eben dieselbe Welt wird aber Natur* genannt, sofern sie als ein dynamisches Ganzes betrachtet wird, und man nicht auf die Aggregation im Raume oder der Zeit, um sie als eine Groesse zustande zu bringen, sondern auf die Einheit im Dasein der Erscheinungen sieht. Da heisst nun die Bedingung von dem, was geschieht, die Ursache, und die unbedingte Kausalitaet der Ursache in der Erscheinung die Freiheit, die bedingte dagegen heisst im engeren Verstande Naturursache. Das Bedingte im Dasein ueberhaupt heisst zufaellig, und das Unbedingte notwendig. Die unbedingte Notwendigkeit der Erscheinungen kann Naturnotwendigkeit heissen. * Natur, adjektive (formaliter) genommen, bedeutet den Zusammenhang der Bestimmungen eines Dinges nach einem inneren Prinzip der Kausalitaet. Dagegen versteht man unter Natur, substantive (materialiter), den Inbegriff der Erscheinungen, sofern diese vermoege eines inneren Prinzips der Kausalitaet durchgaengig zusammenhaengen. Im ersteren Verstande spricht man von der Natur der fluessigen Materie, des Feuers etc., und bedient sich dieses Worts adjective; dagegen wenn man von den Dingen der Natur redet, so hat man ein bestehendes Ganzes in Gedanken. Die Ideen, mit denen wir uns jetzt beschaeftigen, habe ich oben kosmologische Ideen genannt, teils darum, weil unter Welt der Inbegriff aller Erscheinungen verstanden wird, und unsere Ideen auch nur auf das Unbedingte unter den Erscheinungen gerichtet sind, teils auch, weil das Wort Welt, im transzendentalen Verstande, die absolute Totalitaet des Inbegriffs existierender Dinge bedeutet, und wir auf die Vollstaendigkeit der Synthesis (wiewohl nur eigentlich im Regressus zu den Bedingungen) allein unser Augenmerk richten. In Betracht dessen, dass ueberdem diese Ideen insgesamt transzendent sind, und, ob sie zwar das Objekt, naemlich Erscheinungen, der Art nach nicht ueberschreiten, sondern es lediglich mit der Sinnenwelt (nicht mit Noumenis) zu tun haben, dennoch die Synthesis bis auf einen Grad, der alle moegliche Erfahrung uebersteigt, treiben, so kann man sie insgesamt meiner Meinung nach ganz schicklich Weltbegriffe nennen. In Ansehung des Unterschiedes des Mathematisch- und des Dynamischunbedingten, worauf der Regressus abzielt, wuerde ich doch die zwei ersteren in engerer Bedeutung Weltbegriffe (der Welt im Grossen und Kleinen), die zwei uebrigen aber transzendente Naturbegriffe nennen. Diese Unterscheidung ist vorjetzt noch nicht von sonderlicher Erheblichkeit, sie kann aber im Fortgange wichtiger werden. Der Antinomie der reinen Vernunft Zweiter Abschnitt Antithetik der reinen Vernunft Wenn Thetik ein jeder Inbegriff dogmatischer Lehren ist, so verstehe ich unter Antithetik nicht dogmatische Behauptungen des Gegenteils, sondern den Widerstreit der dem Scheine nach dogmatischen Erkenntnisse, (thesin cum antithesi), ohne dass man einer vor der anderen einen vorzueglichen Anspruch auf Beifall beilegt. Die Antithetik beschaeftigt sich also gar nicht mit einseitigen Behauptungen, sondern betrachtet allgemeine Erkenntnisse der Vernunft nur nach dem Widerstreite derselben untereinander und den Ursachen desselben. Die transzendentale Antithetik ist eine Untersuchung ueber die Antinomie der reinen Vernunft, die Ursachen und das Resultat derselben. Wenn wir unsere Vernunft nicht bloss, zum Gebrauch der Verstandesgrundsaetze, auf Gegenstaende der Erfahrung verwenden, sondern jene ueber die Grenze der letzteren hinaus auszudehnen wagen, so entspringen vernuenftelnde Lehrsaetze, die in der Erfahrung weder Bestaetigung hoffen, noch Widerlegung fuerchten duerfen, und deren jeder nicht allein an sich selbst ohne Widerspruch ist, sondern sogar in der Natur der Vernunft Bedingungen seiner Notwendigkeit antrifft, nur dass ungluecklicherweise der Gegensatz ebenso gueltige und notwendige Gruende der Behauptung auf seiner Seite hat. Die Fragen, welche bei einer solchen Dialektik der reinen Vernunft sich natuerlich darbieten, sind also: 1. Bei welchen Saetzen denn eigentlich die reine Vernunft einer Antinomie unausbleiblich unterworfen sei. 2. Auf welchen Ursachen diese Antinomie beruhe. 3. Ob und auf welche Art dennoch der Vernunft unter diesem Widerspruch ein Weg zur Gewissheit offen bleibe. Ein dialektischer Lehrsatz der reinen Vernunft muss demnach dieses, ihn von allen sophistischen Saetzen unterscheidendes, an sich haben, dass er nicht eine willkuerliche Frage betrifft, die man nur in gewisser beliebiger Absicht aufwirft, sondern eine solche, auf die jede menschliche Vernunft in ihrem Fortgange notwendig stossen muss; und zweitens, dass er, mit seinem Gegensatze, nicht bloss einen gekuenstelten Schein, der, wenn man ihn einsieht, sogleich verschwindet, sondern einen natuerlichen und unvermeidlichen Schein bei sich fuehre, der selbst, wenn man nicht mehr durch ihn hintergangen wird, noch immer taeuscht, obschon nicht betruegt, und also zwar unschaedlich gemacht, aber niemals vertilgt werden kann. Eine solche dialektische Lehre wird sich nicht auf die Verstandeseinheit in Erfahrungsbegriffen, sondern auf die Vernunfteinheit in blossen Ideen beziehen, deren Bedingungen, da sie erstlich, als Synthesis nach Regeln. dem Verstande, und doch zugleich, als absolute Einheit derselben, der Vernunft kongruieren soll, wenn sie der Vernunfteinheit adaequat ist, fuer den Verstand zu gross, und, wenn sie dem Verstande angemessen, fuer die Vernunft zu klein sein wird; woraus denn ein Widerstreit entspringen muss, der nicht vermieden werden kann, man mag es anfangen, wie man will. Diese vernuenftelnden Behauptungen eroeffnen also einen dialektischen Kampfplatz, wo jeder Teil die Oberhand behaelt, der die Erlaubnis hat, den Angriff zu tun, und derjenige gewiss unterliegt, der bloss verteidigungsweise zu verfahren genoetigt ist. Daher auch ruestige Ritter, sie moegen sich fuer die gute oder schlimme Sache verbuergen, sicher sind, den Siegeskranz davon zu tragen, wenn sie nur dafuer sorgen, dass sie den letzten Angriff zu tun das Vorrecht haben, und nicht verbunden sind, einen neuen Anfall des Gegners auszuhalten. Man kann sich leicht vorstellen, dass dieser Tummelplatz von jeher oft genug betreten worden, dass viele Siege von beiden Seiten erfochten, fuer den letzteren aber, der die Sache entschied, jederzeit so gesorgt worden sei, dass der Verfechter der guten Sache den Platz allein behielte, dadurch, dass seinem Gegner verboten wurde, fernerhin Waffen in die Haende zu nehmen. Als unparteiische Kampfrichter muessen wir es ganz beiseite setzen, ob es die gute oder die schlimme Sache sei, um welche die Streitenden fechten, und sie ihre Sache erst unter sich ausmachen lassen. Vielleicht dass, nachdem sie einander mehr ermuedet als geschadet haben, sie die Nichtigkeit ihres Streithandels von selbst einsehen und als gute Freunde auseinander gehen. Diese Methode, einem Streite der Behauptungen zuzusehen, oder vielmehr ihn selbst zu veranlassen, nicht, um endlich zum Vorteile des einen oder des anderen Teils zu entscheiden, sondern, um zu untersuchen, ob der Gegenstand desselben nicht vielleicht ein blosses Blendwerk sei, wonach jeder vergeblich hascht, und bei welchem er nichts gewinnen kann, wenn ihm gleich gar nicht widerstanden wuerde, dieses Verfahren, sage ich, kann man die skeptische Methode nennen. Sie ist vom Skeptizismus gaenzlich unterschieden, einem Grundsatze einer kunstmaessigen und szientifischen Unwissenheit, welcher die Grundlagen aller Erkenntnis untergraebt, um, wo moeglich, ueberall keine Zuverlaessigkeit und Sicherheit derselben uebrigzulassen. Denn die skeptische Methode geht auf Gewissheit, dadurch, dass sie in einem solchen, auf beiden Seiten redlich gemeinten und mit Verstande gefuehrten Streite, den Punkt des Missverstaendnisses zu entdecken sucht, um, wie weise Gesetzgeber tun, aus der Verlegenheit der Richter bei Rechtshaendeln fuer sich selbst Belehrung, von dem Mangelhaften und nicht genau Bestimmten in ihren Gesetzen, zu ziehen. Die Antinomie, die sich in der Anwendung der Gesetze offenbart, ist bei unserer eingeschraenkten Weisheit der beste Pruefungsversuch der Nomothetik, um die Vernunft, die in abstrakter Spekulation ihre Fehltritte nicht leicht gewahr wird, dadurch auf die Momente in Bestimmung ihrer Grundsaetze aufmerksam zu machen. Diese skeptische Methode ist aber nur der Transzendentalphilosophie allein wesentlich eigen, und kann allenfalls in jedem anderen Felde der Untersuchungen, nur in diesem nicht, entbehrt werden. In der Mathematik wuerde ihr Gebrauch ungereimt sein; weil sich in ihr keine falschen Behauptungen verbergen und unsichtbar machen koennen, indem die Beweise jederzeit an dem Faden der reinen Anschauung, und zwar durch jederzeit evidente Synthesis fortgehen muessen. In der Experimentalphilosophie kann wohl ein Zweifel des Aufschubs nuetzlich sein, allein es ist doch wenigstens kein Missverstand moeglich, der nicht leicht gehoben werden koennte, und in der Erfahrung muessen doch endlich die letzten Mittel der Entscheidung des Zwistes liegen, sie moegen nun frueh oder spaet aufgefunden werden. Die Moral kann ihre Grundsaetze insgesamt auch in concreto, zusamt den praktischen Folgen, wenigstens in moeglichen Erfahrungen geben und dadurch den Missverstand der Abstraktion vermeiden. Dagegen sind die transzendentalen Behauptungen, welche selbst ueber das Feld aller moeglichen Erfahrungen hinaus sich erweiternde Einsichten anmassen, weder in dem Falle, dass ihre abstrakte Synthesis in irgendeiner Anschauung a priori koennte gegeben, noch so beschaffen, dass der Missverstand vermittelst irgendeiner Erfahrung entdeckt werden koennte. Die transzendentale Vernunft also verstattet keinen anderen Probierstein, als den Versuch der Vereinigung ihrer Behauptungen unter sich selbst, und mithin zuvor des freien und ungehinderten Wettstreits derselben untereinander, und diesen wollen wir anjetzt anstellen.* * Die Antinomien folgen einander nach der Ordnung der oben angefuehrten transzendentalen Ideen. Die Antinomie der reinen Vernunft Erster Widerstreit der transzendentalen Ideen Thesis Die Welt hat einen Anfang in der Zeit, und ist dem Raum nach auch in Grenzen eingeschlossen. Die Welt hat keinen Anfang, und keine Grenzen im Raume, sondern ist, sowohl in Ansehung der Zeit, als des Raumes, unendlich. Beweis Denn, man nehme an, die Welt habe der Zeit nach keinen Anfang: so ist bis zu jedem gegebenen Zeitpunkte eine Ewigkeit abgelaufen, und mithin eine unendliche Reihe aufeinander folgender Zustaende der Dinge in der Welt verflossen. Nun besteht aber eben darin die Unendlichkeit einer Reihe, dass sie durch sukzessive Synthesis niemals vollendet sein kann. Also ist eine unendliche verflossene Weltreihe unmoeglich, mithin ein Anfang der Welt eine notwendige Bedingung ihres Daseins; welches zuerst zu beweisen war. In Ansehung des zweiten nehme man wiederum das Gegenteil an: so wird die Welt ein unendliches gegebenes Ganzes von zugleich existierenden Dingen sein. Nun koennen wir die Groesse eines Quanti, welches nicht innerhalb gewisser Grenzen jeder Anschauung gegeben wird,* auf keine andere Art, als nur durch die Synthesis der Teile, und die Totalitaet eines solchen Quanti nur durch die vollendete Synthesis, oder durch wiederholte Hinzusetzung der Einheit zu sich selbst, gedenken.** Demnach, um sich die Welt, die alle Raeume erfuellt, als ein Ganzes zu denken, muesste die sukzessive Synthesis der Teile einer unendlichen Welt als vollendet angesehen, d.i., eine unendliche Zeit muesste, in der Durchzaehlung aller koexistierenden Dinge, als abgelaufen angesehen werden; welches unmoeglich ist. Demnach kann ein unendliches Aggregat wirklicher Dinge, nicht als ein gegebenes Ganzes, mithin auch nicht als zugleich gegeben, angesehen werden. Eine Welt ist folglich, der Ausdehnung im Raume nach, nicht unendlich, sondern in ihren Grenzen eingeschlossen, welches das zweite war. * Wir koennen ein unbestimmtes Quantum als ein Ganzes anschauen, wenn es in Grenzen eingeschlossen ist, ohne die Totalitaet desselben durch Messung, d.i. die sukzessive Synthesis seiner Teile, konstruieren zu duerfen. Denn die Grenzen bestimmen schon die Vollstaendigkeit, indem sie alles Mehreres abschneiden. ** Der Begriff der Totalitaet ist in diesem Falle nichts anderes, als die Vorstellung der vollendeten Synthesis, seiner Teile, weil, da wir nicht von der Anschauung des Ganzen (als welche in diesem Falle unmoeglich ist) den Begriff abziehen koennen, wir diesen nur durch die Synthesis der Teile, bis zur Vollendung des Unendlichen, wenigstens in der Idee fassen koennen. Antithesis Die Welt hat keinen Anfang, und keine Grenzen im Raume, sondern ist, sowohl in Ansehung der Zeit, als des Raumes, unendlich. Beweis Denn man setze: sie habe einen Anfang. Da der Anfang ein Dasein ist, wovor eine Zeit vorhergeht, darin das Ding nicht ist, so muss eine Zeit vorhergegangen sein, darin die Welt nicht war, d.i. eine leere Zeit. Nun ist aber in einer leeren Zeit kein Entstehen irgend eines Dinges moeglich; weil kein Teil einer solchen Zeit vor einem anderen irgendeine unterscheidende Bedingung des Daseins, vor die des Nichtseins, an sich hat (man mag annehmen, dass sie von sich selbst, oder durch eine andere Ursache entstehe). Also kann zwar in der Welt manche Reihe der Dinge anfangen, die Welt selber aber kann keinen Anfang haben, und ist also in Ansehung der vergangenen Zeit unendlich. Was das zweite betrifft, so nehme man zuvoerderst das Gegenteil an, dass naemlich die Welt dem Raume nach endlich und begrenzt ist; so befindet sie sich in einem leeren Raum, der nicht begrenzt ist. Es wuerde also nicht allein ein Verhaeltnis der Dinge im Raum, sondern auch der Dinge zum Raume angetroffen werden. Da nun die Welt ein absolutes Ganzes ist, ausser welchem kein Gegenstand der Anschauung, und mithin kein Korrelatum der Welt, angetroffen wird, womit dieselbe im Verhaeltnis stehe, so wuerde das Verhaeltnis der Welt zum leeren Raum ein Verhaeltnis derselben zu keinem Gegenstande sein. Ein dergleichen Verhaeltnis aber, mithin auch die Begrenzung der Welt durch den leeren Raum, ist nichts; also ist die Welt, dem Raume nach, gar nicht begrenzt, d.i. sie ist in Ansehung der Ausdehnung unendlich.* * Der Raum ist bloss die Form der aeusseren Anschauung (formale Anschauung), aber kein wirklicher Gegenstand, der aeusserlich angeschaut werden kann. Der Raum, vor allen Dingen, die ihn bestimmen (erfuellen oder begrenzen), oder die vielmehr eine seiner Form gemaesse empirische Anschauung geben, ist, unter dem Namen des absoluten Raumes, nichts anderes, als die blosse Moeglichkeit aeusserer Erscheinungen, sofern sie entweder an sich existieren, oder zu gegebenen Erscheinungen noch hinzukommen koennen. Die empirische Anschauung ist also nicht zusammengesetzt aus Erscheinungen und dem Raume (der Wahrnehmung und der leeren Anschauung). Eines ist nicht des anderen Korrelatum der Synthesis, sondern nur in einer und derselben empirischen Anschauung verbunden, als Materie und Form derselben. Will man eines dieser zwei Stuecke ausser dem anderen setzen (Raum ausserhalb allen Erscheinungen), so entstehen daraus allerlei leere Bestimmungen der aeusseren Anschauung, die doch nicht moegliche Wahrnehmungen sind. Z.B. Bewegung oder Ruhe der Welt im unendlichen leeren Raum, eine Bestimmung des Verhaeltnisses beider untereinander, welche niemals wahrgenommen werden kann, und also auch das Praedikat eines blossen Gedankendinges ist. Anmerkung zur ersten Antinomie I. zur Thesis Ich habe bei diesen einander widerstreitenden Argumenten nicht Blendwerke gesucht, um etwa (wie man sagt) einen Advokatenbeweis zu fuehren, welcher sich der Unbehutsamkeit des Gegners zu seinem Vorteile bedient, und seine Berufung auf ein missverstandenes Gesetz gerne gelten laesst, um seine eigenen unrechtmaessigen Ansprueche auf die Widerlegung desselben zu bauen. Jeder dieser Beweise ist aus der Sache Natur gezogen und der Vorteil beiseite gesetzt worden, den uns die Fehlschluesse der Dogmatiker von beiden Teilen geben koennten. Ich haette die Thesis auch dadurch dem Scheine nach beweisen koennen, dass ich von der Unendlichkeit einer gegebenen Groesse, nach der Gewohnheit der Dogmatiker, einen fehlerhaften Begriff vorangeschickt haette. Unendlich ist eine Groesse, ueber die keine groessere (d.i. ueber die darin enthaltene Menge einer gegebenen Einheit) moeglich ist. Nun ist keine Menge die groesste, weil noch immer eine oder mehrere Einheiten hinzugetan werden koennen. Also ist eine unendliche gegebene Groesse, mithin auch eine (der verflossenen Reihe sowohl, als der Ausdehnung nach) unendliche Welt unmoeglich: sie ist also beiderseitig begrenzt. So haette ich meinen Beweis fuehren koennen: allein dieser Begriff stimmt nicht mit dem, was man unter einem unendlichen Ganzen versteht. Es wird dadurch nicht vorgestellt, wie gross es sei, mithin ist sein Begriff auch nicht der Begriff eines Maximum, sondern es wird dadurch nur sein Verhaeltnis zu einer beliebig anzunehmenden Einheit, in Ansehung deren dasselbe groesser ist als alle Zahl, gedacht. Nachdem die Einheit nun groesser oder kleiner angenommen wird, wuerde das Unendliche groesser oder kleiner sein; allein die Unendlichkeit, da sie bloss in dem Verhaeltnisse zu dieser gegebenen Einheit besteht, wuerde immer dieselbe bleiben, obgleich freilich die absolute Groesse des Ganzen dadurch gar nicht erkannt wuerde, davon auch hier nicht die Rede ist. Der wahre (transzendentale) Begriff der Unendlichkeit ist: dass die sukzessive Synthesis der Einheit in Durchmessung eines Quantum niemals vollendet sein kann.* Hieraus folgt ganz sicher, dass eine Ewigkeit wirklicher aufeinanderfolgenden Zustaende bis zu einem gegebenen (dem gegenwaertigen) Zeitpunkte nicht verflossen sein kann, die Welt also einen Anfang haben muesse. * Dieses enthaelt dadurch eine Menge (von gegebener Einheit), die groesser ist als alle Zahl, welches der mathematische Begriff des Unendlichen ist. In Ansehung des zweiten Teils der Thesis faellt die Schwierigkeit, von einer unendlichen und doch abgelaufenen Reihe zwar weg; denn das Mannigfaltige einer der Ausdehnung nach unendlichen Welt ist zugleich gegeben. Allein, um die Totalitaet einer solchen Menge zu denken, da wir uns nicht auf Grenzen berufen koennen, welche diese Totalitaet von selbst in der Anschauung ausmachen, muessen wir von unserem Begriffe Rechenschaft geben, der in solchem Falle nicht vom Ganzen zu der bestimmten Menge der Teile gehen kann, sondern die Moeglichkeit eines Ganzen durch die sukzessive Synthesis der Teile dartun muss. Da diese Synthesis nun eine nie zu vollendende Reihe ausmachen muesste; so kann man sich nicht vor ihr, und mithin auch nicht durch sie, eine Totalitaet denken. Denn der Begriff der Totalitaet selbst ist in diesem Falle die Vorstellung einer vollendeten Synthesis der Teile, und diese Vollendung, mithin auch der Begriff derselben, ist unmoeglich. II. Anmerkung zur Antithesis Der Beweis fuer die Unendlichkeit der gegebenen Weltreihe und des Weltinbegriffs beruht darauf: dass im entgegengesetzten Falle eine leere Zeit, imgleichen ein leerer Raum, die Weltgrenze ausmachen muesste. Nun ist mir nicht unbekannt, dass wider diese Konsequenz Ausfluechte gesucht werden, indem man vorgibt: es sei eine Grenze der Welt, der Zeit und dem Raume nach, ganz wohl moeglich, ohne dass man eben eine absolute Zeit vor der Welt Anfang, oder einen absoluten, ausser der wirklichen Welt ausgebreiteten Raum annehmen duerfe; welches unmoeglich ist. Ich bin mit dem letzteren Teile dieser Meinung der Philosophen aus der Leibnitzischen Schule ganz wohl zufrieden. Der Raum ist bloss die Form der aeusseren Anschauung, aber kein wirklicher Gegenstand, der aeusserlich angeschaut werden kann, und kein Korrelatum der Erscheinungen, sondern die Form der Erscheinungen selbst. Der Raum also kann absolut (fuer sich allein) nicht als etwas Bestimmendes in dem Dasein der Dinge vorkommen, weil er gar kein Gegenstand ist, sondern nur die Form moeglicher Gegenstaende. Dinge also, als Erscheinungen, bestimmen wohl den Raum, d.i. unter allen moeglichen Praedikaten desselben (Groesse und Verhaeltnis) machen sie es, dass diese oder jene zur Wirklichkeit gehoeren; aber umgekehrt kann der Raum, als etwas, welches fuer sich besteht, die Wirklichkeit der Dinge in Ansehung der Groesse oder Gestalt nicht bestimmen, weil er an sich selbst nichts Wirkliches ist. Es kann also wohl ein Raum (er sei voll oder leer)* durch Erscheinungen begrenzt, Erscheinungen aber koennen nicht durch einen leeren Raum ausser denselben begrenzt werden. Eben dieses gilt auch von der Zeit. Alles dieses nun zugegeben, so ist gleichwohl unstreitig, dass man diese zwei Undinge, den leeren Raum ausser und die leere Zeit vor der Welt, durchaus annehmen muesse, wenn man eine Weltgrenze, es sei dem Raume oder der Zeit nach, annimmt. * Man bemerkt leicht, dass hierdurch gesagt werden wolle: der leere Raum, sofern er durch Erscheinungen begrenzt wird, mithin derjenige innerhalb der Welt, widerspreche wenigstens nicht den transzendentalen Prinzipien, und koenne also in Ansehung dieser eingeraeumt (obgleich darum seine Moeglichkeit nicht sofort behauptet werden). Denn was den Ausweg betrifft, durch den man der Konsequenz auszuweichen sucht, nach welcher wir sagen: dass, wenn die Welt (der Zeit und dem Raum nach) Grenzen hat, das unendliche Leere das Dasein wirklicher Dinge ihrer Groesse nach bestimmen muesse, so besteht er insgeheim nur darin: dass man statt einer Sinnenwelt sich, wer weiss welche, intelligible Welt gedenkt, und, statt des ersten Anfanges, (ein Dasein, vor welchem eine Zeit des Nichtseins vorhergeht) sich ueberhaupt ein Dasein denkt, welches keine andere Bedingung in der Welt voraussetzt, statt der Grenze der Ausdehnung, Schranken des Weltganzen denkt, und dadurch der Zeit und dem Raume aus dem Wege geht. Es ist hier aber nur von dem mundus phaenomenon die Rede, und von dessen Groesse, bei dem man von gedachten Bedingungen der Sinnlichkeit keineswegs abstrahieren kann, ohne das Wesen desselben aufzuheben. Die Sinnenwelt, wenn sie begrenzt ist, liegt notwendig in dem unendlichen Leeren. Will man dieses, und mithin den Raum ueberhaupt als Bedingung der Moeglichkeit der Erscheinungen a priori weglassen, so faellt die ganze Sinnenwelt weg. In unserer Aufgabe ist uns diese allein gegeben. Der mundus intelligibilis ist nichts als der allgemeine Begriff einer Welt ueberhaupt, in welchem man von allen Bedingungen der Anschauung derselben abstrahiert, und in Ansehung dessen folglich gar kein synthetischer Satz, weder bejahend, noch verneinend moeglich ist. Der Antinomie der reinen Vernunft Zweiter Widerstreit der transzendentalen Ideen Thesis Eine jede zusammengesetzte Substanz in der Welt besteht aus einfachen Teilen, und es existiert ueberall nichts als das Einfache, oder das, was aus diesem zusammengesetzt ist. Beweis Denn, nehmet an, die zusammengesetzten Substanzen bestaenden nicht aus einfachen Teilen; so wuerde wenn alle Zusammensetzung in Gedanken aufgehoben wuerde, kein zusammengesetzter Teil, und (da es keine einfachen Teile gibt) auch kein einfacher, mithin gar nichts uebrigbleiben, folglich keine Substanz sein gegeben worden. Entweder also laesst sich unmoeglich alle Zusammensetzung in Gedanken aufheben, oder es muss nach deren Aufhebung etwas ohne alle Zusammensetzung Bestehendes, d.i. das Einfache, uebrigbleiben. Im ersteren Falle aber wuerde das Zusammengesetzte wiederum nicht aus Substanzen bestehen (weil bei diesen die Zusammensetzung nur eine zufaellige Relation der Substanzen ist, ohne welche diese, als fuer sich beharrliche Wesen, bestehen muessen). Da nun dieser Fall der Voraussetzung widerspricht, so bleibt nur der zweite uebrig: dass naemlich das substantielle Zusammengesetzte in der Welt aus einfachen Teilen bestehe. Hieraus folgt unmittelbar, dass die Dinge der Welt insgesamt einfache Wesen sind, dass die Zusammensetzung nur ein aeusserer Zustand derselben sei, und dass, wenn wir die Elementarsubstanzen gleich niemals voellig aus diesem Zustande der Verbindung setzen und isolieren koennen, doch die Vernunft sie als die ersten Subjekte aller Komposition, und mithin, vor derselben, als einfache Wesen denken muesse. Antithesis Kein zusammengesetztes Ding in der Welt besteht aus einfachen Teilen, und es existiert ueberall nichts Einfaches in derselben. Beweis Setzet: ein zusammengesetztes Ding (als Substanz) bestehe aus einfachen Teilen. Weil alles aeussere Verhaeltnis, mithin auch alle Zusammensetzung aus Substanzen, nur im Raume moeglich ist: so muss, aus so viel Teilen das Zusammengesetzte besteht, aus ebensoviel Teilen auch der Raum bestehen, den es einnimmt. Nun besteht der Raum nicht aus einfachen Teilen, sondern aus Raeumen. Also muss jeder Teil des Zusammengesetzten einen Raum einnehmen. Die schlechthin ersten Teile aber alles Zusammengesetzten sind einfach. Also nimmt das Einfache einen Raum ein. Da nun alles Reale, was einen Raum einnimmt, ein ausserhalb einander befindliches Mannigfaltiges in sich fasst, mithin zusammengesetzt ist, und zwar als ein reales Zusammengesetztes, nicht aus Akzidenzen, (denn die koennen nicht ohne Substanz aussereinander sein,) mithin aus Substanzen; so wuerde das Einfache ein substantielles Zusammengesetztes sein, welches sich widerspricht. Der zweite Satz der Antithesis, dass in der Welt gar nichts Einfaches existiere, soll hier nur so viel bedeuten, als: Es koenne das Dasein des schlechthin Einfachen aus keiner Erfahrung oder Wahrnehmung, weder aeusseren, noch inneren, dargetan werden, und das schlechthin Einfache sei also eine blosse Idee, deren objektive Realitaet niemals in irgend einer moeglichen Erfahrung kann dargetan werden, mithin in der Exposition der Erscheinungen ohne alle Anwendung und Gegenstand. Denn wir wollen annehmen, es liesse sich fuer diese transzendentale Idee ein Gegenstand der Erfahrung finden: so muesste die empirische Anschauung irgendeines Gegenstandes als eine solche erkannt werden, welche schlechthin kein Mannigfaltiges ausserhalb einander, und zur Einheit verbunden, enthaelt. Da nun von dem Nichtbewusstsein eines solchen Mannigfaltigen auf die gaenzliche Unmoeglichkeit desselben in irgendeiner Anschauung eines Objekts, kein Schluss gilt, dieses letztere aber zur absoluten Simplizitaet durchaus noetig ist, so folgt, dass diese aus keiner Wahrnehmung, welche sie auch sei, koenne geschlossen werden. Da also etwas als ein schlechthin einfaches Objekt niemals in irgend einer moeglichen Erfahrung kann gegeben werden, die Sinnenwelt aber als der Inbegriff aller moeglichen Erfahrungen angesehen werden muss: so ist ueberall in ihr nichts Einfaches gegeben. Dieser zweite Satz der Antithesis geht viel weiter als der erste, der das Einfache nur von der Anschauung des Zusammengesetzten verbannt, da hingegen dieser es aus der ganzen Natur wegschafft; daher er auch nicht aus dem Begriffe eines gegebenen Gegenstandes der aeusseren Anschauung (des Zusammengesetzten), sondern aus dem Verhaeltnis desselben zu einer moeglichen Erfahrung ueberhaupt hat bewiesen werden koennen. Anmerkung zur zweiten Antinomie I. zur Thesis Wenn ich von einem Ganzen rede, welches notwendig aus einfachen Teilen besteht, so verstehe ich darunter nur ein substantielles Ganzes als das eigentliche Kompositum, d.i. die zufaellige Einheit des Mannigfaltigen, welches abgesondert (wenigstens in Gedanken) gegeben, in eine wechselseitige Verbindung gesetzt wird, und dadurch Eines ausmacht. Den Raum sollte man eigentlich nicht Kompositium, sondern Totum nennen, weil die Teile desselben nur im Ganzen und nicht das Ganze durch die Teile moeglich ist. Er wuerde allenfalls ein compositum ideale, aber nicht reale heissen koennen. Doch dieses ist nur Subtilitaet. Da der Raum kein Zusammengesetztes aus Substanzen (nicht einmal aus realen Akzidenzen) ist, so muss, wenn ich alle Zusammensetzung in ihm aufhebe, nichts, auch nicht einmal der Punkt uebrigbleiben; denn dieser ist nur als die Grenze eines Raumes, (mithin eines Zusammengesetzten) moeglich. Raum und Zeit bestehen also nicht aus einfachen Teilen. Was nur zum Zustande einer Substanz gehoert, ob es gleich eine Groesse hat (z.B. die Veraenderung), besteht auch nicht aus dem Einfachen, d.i. ein gewisser Grad der Veraenderung entsteht nicht durch einen Anwachs vieler einfachen Veraenderungen. Unser Schluss vom Zusammengesetzten auf das Einfache gilt nur von fuer sich selbst bestehenden Dingen. Akzidenzen aber des Zustandes, bestehen nicht fuer sich selbst. Man kann also den Beweis fuer die Notwendigkeit des Einfachen, als der Bestandteile alles substantiellen Zusammengesetzten, und dadurch ueberhaupt seine Sache leichtlich verderben, wenn man ihn zu weit ausdehnt und ihn fuer alles Zusammengesetzte ohne Unterschied geltend machen will, wie es wirklich mehrmalen schon geschehen ist. Ich rede uebrigens hier nur von dem Einfachen, sofern es notwendig im Zusammengesetzten gegeben ist, indem dieses darin, als in seine Bestandteile, aufgeloest werden kann. Die eigentliche Bedeutung des Wortes Monas (nach Leibnitzens Gebrauch) sollte wohl nur auf das Einfache gehen, welches unmittelbar als einfache Substanz gegeben ist (z.B. im Selbstbewusstsein) und nicht als Element des Zusammengesetzten, welches man besser den Atomus nennen koennte. Und da ich nur in Ansehung des Zusammengesetzten die einfachen Substanzen, als deren Elemente, beweisen will, so koennte ich die Antithese der zweiten Antinomie die transzendentale Atomistik nennen. Weil aber dieses Wort schon vorlaengst zur Bezeichnung einer besonderen Erklaerungsart koerperlicher Erscheinungen (molecularum) gebraucht worden, und also empirische Begriffe voraussetzt, so mag er der dialektische Grundsatz der Monadologie heissen. II. Anmerkung zur Antithesis Wider diesen Satz einer unendlichen Teilung der Materie, dessen Beweisgrund bloss mathematisch ist, werden von den Monadisten Einwuerfe vorgebracht, welche sich dadurch schon verdaechtig machen, dass sie die klarsten mathematischen Beweise nicht fuer Einsichten in die Beschaffenheit des Raumes, sofern er in der Tat die formale Bedingung der Moeglichkeit aller Materie ist, wollen gelten lassen, sondern sie nur als Schluesse aus abstrakten aber willkuerlichen Begriffen ansehen, die auf wirkliche Dinge nicht bezogen werden koennten. Gleich als wenn es auch nur moeglich waere, eine andere Art der Anschauung zu erdenken, als die in der urspruenglichen Anschauung des Raumes gegeben wird, und die Bestimmungen desselben a priori nicht zugleich alles dasjenige betraefen, was dadurch allein moeglich ist, dass es diesen Raum erfuellt. Wenn man ihnen Gehoer gibt, so muesste man, ausser dem mathematischen Punkte, der einfach, aber kein Teil, sondern bloss die Grenze eines Raumes ist, sich noch physische Punkte denken, die zwar auch einfach sind, aber den Vorzug haben, als Teile des Raumes, durch ihre blosse Aggregation denselben zu erfuellen. Ohne nun hier die gemeinen und klaren Widerlegungen dieser Ungereimtheit, die man in Menge antrifft, zu wiederholen, wie es denn gaenzlich umsonst ist, durch bloss diskursive Begriffe die Evidenz der Mathematik weg vernuenfteln zu wollen, so bemerke ich nur, dass, wenn die Philosophie hier mit der Mathematik schikaniert, es darum geschehe, weil sie vergisst, dass es in dieser Frage nur um Erscheinungen und deren Bedingung zu tun sei. Hier ist es aber nicht genug, zum reinen Verstandesbegriffe des Zusammengesetzten den Begriff des Einfachen, sondern zur Anschauung des Zusammengesetzten (der Materie) die Anschauung des Einfachen zu finden, und dieses ist nach Gesetzen der Sinnlichkeit, mithin auch bei Gegenstaenden der Sinne, gaenzlich unmoeglich. Es mag also von einem Ganzen aus Substanzen, welches bloss durch den reinen Verstand gedacht wird, immer gelten, dass wir vor aller Zusammensetzung desselben das Einfache haben muessen; so gilt dieses doch nicht vom totum substantiale phaenomenon, welches, als empirische Anschauung im Raume, die notwendige Eigenschaft bei sich fuehrt, dass kein Teil desselben einfach ist, darum, weil kein Teil des Raumes einfach ist. Indessen sind die Monadisten fein genug gewesen, dieser Schwierigkeit dadurch ausweichen zu wollen, dass sie nicht den Raum als eine Bedingung der Moeglichkeit der Gegenstaende aeusserer Anschauung (Koerper), sondern diese, und das dynamische Verhaeltnis der Substanzen ueberhaupt, als die Bedingung der Moeglichkeit des Raumes voraussetzen. Nun haben wir von Koerpern nur als Erscheinungen einen Begriff, als solche aber setzen sie den Raum als die Bedingung der Moeglichkeit aller aeusseren Erscheinung notwendig voraus, und die Ausflucht ist also vergeblich, wie sie denn auch oben in der transzendentalen Aesthetik hinreichend ist abgeschnitten worden. Waeren sie Dinge an sich selbst, so wuerde der Beweis der Monadisten allerdings gelten. Die zweite dialektische Behauptung hat das Besondere an sich, dass sie eine dogmatische Behauptung wider sich hat, die unter allen vernuenftelnden die einzige ist, welche sich unternimmt, an einem Gegenstande der Erfahrung die Wirklichkeit dessen, was wir oben bloss zu transzendentalen Ideen rechneten, naemlich die absolute Simplizitaet der Substanz, augenscheinlich zu beweisen: naemlich dass der Gegenstand des inneren Sinnes, das Ich, was da denkt, eine schlechthin einfache Substanz sei. Ohne mich hierauf jetzt einzulassen, (da es oben ausfuehrlicher erwogen ist,) so bemerke ich nur: dass wenn etwas bloss als Gegenstand gedacht wird, ohne irgendeine synthetische Bestimmung seiner Anschauung hinzuzusetzen, (wie denn dieses durch die ganz nackte Vorstellung: Ich, geschieht,) so koenne freilich nichts Mannigfaltiges und keine Zusammensetzung in einer solchen Vorstellung wahrgenommen werden. Da ueberdem die Praedikate, wodurch ich diesen Gegenstand denke, bloss Anschauungen des inneren Sinnes sind, so kann darin auch nichts vorkommen, welches ein Mannigfaltiges ausserhalb einander, mithin reale Zusammensetzung bewiese. Es bringt also nur das Selbstbewusstsein es so mit sich, dass, weil das Subjekt, welches denkt, zugleich sein eigenes Objekt ist, es sich selber nicht teilen kann (obgleich die ihm inhaerierenden Bestimmungen); denn in Ansehung seiner selbst ist jeder Gegenstand absolute Einheit. Nichtsdestoweniger, wenn dieses Subjekt aeusserlich, als ein Gegenstand der Anschauung, betrachtet wird, so wuerde es doch wohl Zusammensetzung in der Erscheinung an sich zeigen. So muss es aber jederzeit betrachtet werden, wenn man wissen will, ob in ihm ein Mannigfaltiges ausserhalb einander sei, oder nicht. Der Antinomie der reinen Vernunft Dritter Widerstreit der transzendentalen Ideen Thesis Die Kausalitaet nach Gesetzen der Natur ist nicht die einzige, aus welcher die Erscheinungen der Welt insgesamt abgeleitet werden koennen. Es ist noch eine Kausalitaet durch Freiheit zur Erklaerung derselben anzunehmen notwendig. Beweis Man nehme an, es gebe keine andere Kausalitaet, als nach Gesetzen der Natur; so setzt alles, was geschieht, einen vorigen Zustand voraus, auf den es unausbleiblich nach einer Regel folgt. Nun muss aber der vorige Zustand selbst etwas sein, was geschehen ist (in der Zeit geworden, da es vorher nicht war), weil, wenn es jederzeit gewesen waere, seine Folge auch nicht allererst entstanden, sondern immer gewesen sein wuerde. Also ist die Kausalitaet der Ursache, durch welche etwas geschieht, selbst etwas Geschehenes, welches nach dem Gesetz der Natur wiederum einen vorigen Zustand und dessen Kausalitaet, dieser aber eben so einen noch aelteren voraussetzt usw. Wenn also alles nach blossen Gesetzen der Natur geschieht, so gibt es jederzeit nur einen subalternen, niemals aber einen ersten Anfang, und also ueberhaupt keine Vollstaendigkeit der Reihe auf der Seite der voneinander abstammenden Ursachen. Nun besteht aber eben darin das Gesetz der Natur: dass ohne hinreichend a priori bestimmte Ursache nichts geschehe. Also widerspricht der Satz, als wenn alle Kausalitaet nur nach Naturgesetzen moeglich sei, sich selbst in seiner unbeschraenkten Allgemeinheit, und diese kann also nicht als die einzige angenommen werden. Diesem nach muss eine Kausalitaet angenommen werden, durch welche etwas geschieht, ohne dass die Ursache davon noch weiter, durch eine andere vorhergehende Ursache, nach notwendigen Gesetzen bestimmt sei, d.i. eine absolute Spontaneitaet der Ursachen, eine Reihe von Erscheinungen, die nach Naturgesetzen laeuft, von selbst anzufangen, mithin transzendentale Freiheit, ohne welche selbst im Laufe der Natur die Reihenfolge der Erscheinungen auf der Seite der Ursachen niemals vollstaendig ist. Antithesis Es ist keine Freiheit, sondern alles in der Welt geschieht lediglich nach Gesetzen der Natur. Beweis Setzet: es gehe eine Freiheit im transzendentalen Verstande, als eine besondere Art von Kausalitaet, nach welcher die Begebenheiten der Welt erfolgen koennten, naemlich ein Vermoegen, einen Zustand, mithin auch eine Reihe von Folgen desselben, schlechthin anzufangen; so wird nicht allein eine Reihe durch diese Spontaneitaet, sondern die Bestimmung dieser Spontaneitaet selbst zur Hervorbringung der Reihe, d.i. die Kausalitaet, wird schlechthin anfangen, so dass nichts vorhergeht, wodurch diese geschehende Handlung nach bestaendigen Gesetzen bestimmt sei. Es setzt aber ein jeder Anfang zu handeln einen Zustand der noch nicht handelnden Ursache voraus, und ein dynamisch erster Anfang der Handlung einen Zustand, der mit dem vorhergehenden eben derselben Ursache gar keinen Zusammenhang der Kausalitaet hat, d.i. auf keine Weise daraus erfolgt. Also ist die transzendentale Freiheit dem Kausalgesetze entgegen, und eine solche Verbindung der sukzessiven Zustaende wirkender Ursachen, nach welcher keine Einheit der Erfahrung moeglich ist, die also auch in keiner Erfahrung angetroffen wird, mithin ein leeres Gedankending. Wir haben also nichts als Natur, in welcher wir den Zusammenhang und Ordnung der Weltbegebenheiten suchen muessen. Die Freiheit (Unabhaengigkeit) von den Gesetzen der Natur, ist zwar eine Befreiung vom Zwange, aber auch vom Leitfaden aller Regeln. Denn man kann nicht sagen, dass, anstatt der Gesetze der Natur, Gesetze der Freiheit in die Kausalitaet des Weltlaufs eintreten, weil, wenn diese nach Gesetzen bestimmt waere, sie nicht Freiheit, sondern selbst nichts anderes als Natur waere. Natur also und transzendentale Freiheit unterscheiden sich wie Gesetzmaessigkeit und Gesetzlosigkeit, davon jene zwar den Verstand mit der Schwierigkeit belaestigt, die Abstammung der Begebenheiten in der Reihe der Ursachen immer hoeher hinauf zu suchen, weil die Kausalitaet an ihnen jederzeit bedingt ist, aber zur Schadloshaltung durchgaengige und gesetzmaessige Einheit der Erfahrung verspricht, dahingegen das Blendwerk von Freiheit zwar dem forschenden Verstande in der Kette der Ursachen Ruhe verheisst, indem sie ihn zu einer unbedingten Kausalitaet fuehrt, die von selbst zu handeln anhebt, die aber, da sie selbst blind ist, den Leitfaden der Regeln abreisst, an welchem allein eine durchgaengig zusammenhaengende Erfahrung moeglich ist. Anmerkung zur dritten Antinomie I. zur Thesis Die transzendentale Idee der Freiheit macht zwar bei weitem nicht den ganzen Inhalt des psychologischen Begriffs dieses Namens aus, welcher grossenteils empirisch ist, sondern nur den der absoluten Spontaneitaet der Handlung, als den eigentlichen Grund der Imputabilitaet derselben; ist aber dennoch der eigentliche Stein des Anstosses fuer die Philosophie, welche unueberwindliche Schwierigkeiten findet, dergleichen Art von unbedingter Kausalitaet einzuraeumen. Dasjenige also in der Frage ueber die Freiheit des Willens, was die spekulative Vernunft von jeher in so grosse Verlegenheit gesetzt hat, ist eigentlich nur transzendental, und geht lediglich darauf, ob ein Vermoegen angenommen werden muesse, eine Reihe von sukzessiven Dingen oder Zustaenden von selbst anzufangen. Wie ein solches moeglich sei, ist nicht ebenso notwendig beantworten zu koennen, da wir uns ebensowohl bei der Kausalitaet nach Naturgesetzen damit begnuegen muessen, a priori zu erkennen, dass eine solche vorausgesetzt werden muesse, ob wir gleich die Moeglichkeit, wie durch ein gewisses Dasein das Dasein eines anderen gesetzt werde, auf keine Weise begreifen, und uns desfalls lediglich an die Erfahrung halten muessen. Nun haben wir diese Notwendigkeit eines ersten Anfangs einer Reihe von Erscheinungen aus Freiheit, zwar nur eigentlich insofern dargetan, als zur Begreiflichkeit eines Ursprungs der Welt erforderlich ist, indessen dass man alle nachfolgenden Zustaende fuer eine Abfolge nach blossen Naturgesetzen nehmen kann. Weil aber dadurch doch einmal das Vermoegen, eine Reihe in der Zeit ganz von selbst anzufangen, bewiesen (obzwar nicht eingesehen) ist, so ist es uns nunmehr auch erlaubt, mitten im Laufe der Welt verschiedene Reihen, der Kausalitaet nach, von selbst anfangen zu lassen, und den Substanzen derselben ein Vermoegen beizulegen, aus Freiheit zu handeln. Man lasse sich aber hierbei nicht durch einen Missverstand aufhalten: dass, da naemlich eine sukzessive Reihe in der Welt nur einen komparativ ersten Anfang haben kann, indem doch immer ein Zustand der Dinge in der Welt vorhergeht, etwa kein absolut erster Anfang der Reihen waehrend dem Weltlaufe moeglich sei. Denn wir reden hier nicht vom absolut ersten Anfange der Zeit nach, sondern der Kausalitaet nach. Wenn ich jetzt (zum Beispiel) voellig frei, und ohne den notwendig bestimmenden Einfluss der Naturursachen, von meinem Stuhle aufstehe, so faengt in dieser Begebenheit, samt deren natuerlichen Folgen ins Unendliche, eine neue Reihe schlechthin an, obgleich der Zeit nach diese Begebenheit nur die Fortsetzung einer vorhergehenden Reihe ist. Denn diese Entschliessung und Tat liegt gar nicht in der Abfolge blosser Naturwirkungen, und ist nicht eine blosse Fortsetzung derselben, sondern die bestimmenden Naturursachen hoeren oberhalb derselben, in Ansehung dieser Ereignis, ganz auf, die zwar auf jene folgt, aber daraus nicht erfolgt, und daher zwar nicht der Zeit nach, aber doch in Ansehung der Kausalitaet, ein schlechthin erster Anfang einer Reihe von Erscheinungen genannt werden muss. Die Bestaetigung von der Beduerfnis der Vernunft, in der Reihe der Naturursachen sich auf einen ersten Anfang aus Freiheit zu berufen, leuchtet daran sehr klar in die Augen: dass (die epikurische Schule ausgenommen) alle Philosophen des Altertums sich gedrungen sahen, zur Erklaerung der Weltbewegungen einen ersten Beweger anzunehmen, d.i. eine freihandelnde Ursache, welche diese Reihe von Zustaenden zuerst und von selbst anfing. Denn aus blosser Natur unterfangen sie sich nicht, einen ersten Anfang begreiflich zu machen. II. Anmerkung zur Antithesis Der Verteidiger der Allvermoegenheit der Natur (transzendentale Physiokratie), im Widerspiel mit der Lehre von der Freiheit, wuerde seinen Satz, gegen die vernuenftelnden Schluesse der letzteren, auf folgende Art behaupten. Wenn ihr kein mathematisch Erstes der Zeit nach in der Welt annehmt, so habt ihr auch nicht noetig, ein dynamisch Erstes der Kausalitaet nach zu suchen. Wer hat euch geheissen, einen schlechthin ersten Zustand der Welt, und mithin einen absoluten Anfang der nach und nach ablaufenden Reihe der Erscheinungen, zu erdenken, und, damit ihr eurer Einbildung einen Ruhepunkt verschaffen moeget, der unumschraenkten Natur Grenzen zu setzen? Da die Substanzen in der Welt jederzeit gewesen sind, wenigstens die Einheit der Erfahrung eine solche Voraussetzung notwendig macht, so hat es keine Schwierigkeit, auch anzunehmen, dass der Wechsel ihrer Zustaende, d.i. eine Reihe ihrer Veraenderungen, jederzeit gewesen sei, und mithin kein erster Anfang, weder mathematisch, noch dynamisch, gesucht werden duerfe. Die Moeglichkeit einer solchen unendlichen Abstammung, ohne ein erstes Glied, in Ansehung dessen alles uebrige bloss nachfolgend ist, laesst sich, seiner Moeglichkeit nach, nicht begreiflich machen. Aber wenn ihr diese Naturraetsel darum wegwerfen wollt, so werdet ihr euch genoetigt sehen, viel synthetische Grundbeschaffenheiten zu verwerfen, (Grundkraefte) die ihr ebensowenig begreifen koennt, und selbst die Moeglichkeit einer Veraenderung ueberhaupt muss euch anstoessig werden. Denn, wenn ihr nicht durch Erfahrung faendet, dass sie wirklich ist, so wuerdet ihr niemals a priori ersinnen koennen, wie eine solche unaufhoerliche Folge von Sein und Nichtsein moeglich sei. Wenn auch indessen allenfalls ein transzendentales Vermoegen der Freiheit nachgegeben wird, um die Weltveraenderungen anzufangen, so wuerde dieses Vermoegen doch wenigstens nur ausserhalb der Welt sein muessen, (wiewohl es immer eine kuehne Anmassung bleibt, ausserhalb dem Inbegriffe aller moeglichen Anschauungen, noch einen Gegenstand anzunehmen, der in keiner moeglichen Wahrnehmung gegeben werden kann). Allein, in der Welt selbst, den Substanzen ein solches Vermoegen beizumessen, kann nimmermehr erlaubt sein, weil alsdann der Zusammenhang nach allgemeinen Gesetzen sich einander notwendig bestimmender Erscheinungen, den man Natur nennt, und mit ihm das Merkmal empirischer Wahrheit, welches Erfahrung vom Traum unterscheidet, groesstenteils verschwinden wuerde. Denn es laesst sich neben einem solchen gesetzlosen Vermoegen der Freiheit, kaum mehr Natur denken; weil die Gesetze der letzteren durch die Einfluesse der ersteren unaufhoerlich abgeaendert, und das Spiel der Erscheinungen, welches nach der blossen Natur regelmaessig und gleichfoermig sein wuerde, dadurch verwirrt und unzusammenhaengend gemacht wird. Der Antinomie der reinen Vernunft Vierter Widerstreit der transzendentalen Ideen Thesis Zu der Welt gehoert etwas, das, entweder als ihr Teil, oder ihre Ursache, ein schlechthin notwendiges Wesen ist. Beweis Die Sinnenwelt, als das Ganze aller Erscheinungen, enthaelt zugleich eine Reihe von Veraenderungen. Denn, ohne diese, wuerde selbst die Vorstellung der Zeitreihe, als einer Bedingung der Moeglichkeit der Sinnenwelt, uns nicht gegeben sein*. Eine jede Veraenderung aber steht unter ihrer Bedingung, die der Zeit nach vorhergeht, und unter welcher sie notwendig ist. Nun setzt ein jedes Bedingte, das gegeben ist, in Ansehung seiner Existenz, eine vollstaendige Reihe von Bedingungen bis zum Schlechthinunbedingten voraus, welches allein absolutnotwendig ist. Also muss etwas Absolutnotwendiges existieren, wenn eine Veraenderung als seine Folge existiert. Dieses Notwendige aber gehoert selber zur Sinnenwelt. Denn setzet, es sei ausser derselben, so wuerde von ihm die Reihe der Weltveraenderungen ihren Anfang ableiten, ohne dass doch diese notwendige Ursache selbst zur Sinnenwelt gehoerte. Nun ist dieses unmoeglich. Denn, da der Anfang einer Zeitreihe nur durch dasjenige, was der Zeit nach vorhergeht, bestimmt werden kann: so muss die oberste Bedingung des Anfangs einer Reihe von Veraenderungen in der Zeit existieren, da diese noch nicht war, (denn der Anfang ist ein Dasein, vor welchem eine Zeit vorhergeht, darin das Ding, welches anfaengt, noch nicht war). Also gehoert die Kausalitaet der notwendigen Ursache der Veraenderungen, mithin auch die Ursache selbst, zu der Zeit, mithin zur Erscheinung (an welcher die Zeit allein als deren Form moeglich ist), folglich kann sie von der Sinnenwelt, als dem Inbegriff aller Erscheinungen, nicht abgesondert gedacht werden. Also ist in der Welt selbst etwas Schlechthinnotwendiges enthalten (es mag nun dieses die ganze Weltreihe selbst, oder ein Teil derselben sein). * Die Zeit geht zwar als formale Bedingung der Moeglichkeit der Veraenderungen vor dieser objektiv vorher, allein subjektiv, und in der Wirklichkeit des Bewusstseins, ist, diese Vorstellung doch nur, so wie jede andere, durch Veranlassung der Wahrnehmungen gegeben. Antithesis Es existiert ueberall kein schlechthin notwendiges Wesen, weder in der Welt, noch ausser der Welt, als ihre Ursache. Beweis Setzet: die Welt selber, oder in ihr, sei ein notwendiges Wesen, so wuerde in der Reihe ihrer Veraenderungen, entweder ein Anfang sein, der unbedingtnotwendig, mithin ohne Ursache waere, welches dem dynamischen Gesetze der Bestimmung aller Erscheinungen in der Zeit widerstreitet; oder die Reihe selbst waere ohne allen Anfang, und, obgleich in allen ihren Teilen zufaellig und bedingt, im Ganzen dennoch schlechthinnotwendig und unbedingt, welches sich selbst widerspricht, weil das Dasein einer Menge nicht notwendig sein kann, wenn kein einziger Teil derselben ein an sich notwendiges Dasein besitzt. Setzet dagegen: es gebe eine schlechthin notwendige Weltursache ausser der Welt, so wuerde dieselbe als das oberste Glied in der Reihe der Ursachen der Weltveraenderungen, das Dasein der letzteren und ihre Reihe zuerst anfangen*. Nun muesste sie aber alsdann auch anfangen zu handeln, und ihre Kausalitaet wuerde in die Zeit, eben darum aber in den Inbegriff der Erscheinungen, d.i. in die Welt gehoeren, folglich sie selbst, die Ursache, nicht ausser der Welt sein, welches der Voraussetzung widerspricht. Also ist weder in der Welt, noch ausser derselben (aber mit ihr in Kausalverbindung) irgendein schlechthinnotwendiges Wesen. * Das Wort: Anfangen, wird in zwiefacher Bedeutung genommen. Die erste ist aktiv, da die Ursache eine Reihe von Zustaenden als ihre Wirkung anfaengt (infit.). Die zweite passiv, da die Kausalitaet in der Ursache selbst anhebt (fit.). Ich schliesse hier aus der ersteren auf die letzte. Anmerkung zur vierten Antinomie I. zur Thesis Um das Dasein eines notwendigen Wesens zu beweisen, liegt mir hier ob, kein anderes als kosmologisches Argument zu brauchen, welches naemlich von dem Bedingten in der Erscheinung zum Unbedingten im Begriffe aufsteigt, indem man dieses als die notwendige Bedingung der absoluten Totalitaet der Reihe ansieht. Den Beweis, aus der blossen Idee eines obersten aller Wesen ueberhaupt, zu versuchen, gehoert zu einem anderen Prinzip der Vernunft, und ein solcher wird daher besonders vorkommen muessen. Der reine kosmologische Beweis kann nun das Dasein eines notwendigen Wesens nicht anders dartun, als dass er es zugleich unausgemacht lasse, ob dasselbe die Welt selbst, oder ein von ihr unterschiedenes Ding sei. Denn, um das letztere auszumitteln, dazu werden Grundsaetze erfordert, die nicht mehr kosmologisch sind, und nicht in der Reihe der Erscheinungen fortgehen, sondern Begriffe von zufaelligen Wesen ueberhaupt, (sofern sie bloss als Gegenstaende des Verstandes erwogen werden,) und ein Prinzip, solche mit einem notwendigen Wesen, durch blosse Begriffe, zu verknuepfen, welches alles fuer eine transzendente Philosophie gehoert, fuer welche hier noch nicht der Platz ist. Wenn man aber einmal den Beweis kosmologisch anfaengt, indem man die Reihe von Erscheinungen, und den Regressus in derselben nach empirischen Gesetzen der Kausalitaet, zum Grunde legt: so kann man nachher davon nicht abspringen und auf etwas uebergehen, was gar nicht in die Reihe als ein Glied gehoert. Denn in eben derselben Bedeutung muss etwas als Bedingung angesehen werden, in welcher die Relation des Bedingten zu seiner Bedingung in der Reihe genommen wurde, die auf diese hoechste Bedingung in kontinuirlichem Fortschritte fuehren sollte. Ist nun dieses Verhaeltnis sinnlich und gehoert zum moeglichen empirischen Verstandesgebrauch, so kann die oberste Bedingung oder Ursache nur nach Gesetzen der Sinnlichkeit, mithin nur als zur Zeitreihe gehoerig den Regressus beschliessen, und das notwendige Wesen muss als das oberste Glied der Weltreihe angesehen werden. Gleichwohl hat man sich die Freiheit genommen, einen solchen Absprung (metabasis eis allo genos) zu tun. Man schloss naemlich aus den Veraenderungen in der Welt auf die empirische Zufaelligkeit, d.i. die Abhaengigkeit derselben von empirisch bestimmenden Ursachen, und bekam eine aufsteigende Reihe empirischer Bedingungen, welches auch ganz recht war. Da man aber hierin keinen ersten Anfang und kein oberstes Glied finden konnte, so ging man ploetzlich vom empirischen Begriff der Zufaelligkeit ab und nahm die reine Kategorie, welche alsdann eine bloss intelligible Reihe veranlasste, deren Vollstaendigkeit auf dem Dasein einer schlechthin notwendigen Ursache beruhte, die nunmehr, da sie an keine sinnliche Bedingungen gebunden war, auch von der Zeitbedingung, ihre Kausalitaet selbst anzufangen, befreit wurde. Dieses Verfahren ist aber ganz widerrechtlich, wie man aus folgendem schliessen kann. Zufaellig, im reinen Sinne der Kategorie, ist das, dessen kontradiktorisches Gegenteil moeglich ist. Nun kann man aus der empirischen Zufaelligkeit auf jene intelligible gar nicht schliessen. Was veraendert wird, dessen Gegenteil (seines Zustandes) ist zu einer anderen Zeit wirklich, mithin auch moeglich; mithin ist dieses nicht das kontradiktorische Gegenteil des vorigen Zustandes, wozu erfordert wird, dass in derselben Zeit, da der vorige Zustand war, an der Stelle desselben sein Gegenteil haette sein koennen, welches aus der Veraenderung gar nicht geschlossen werden kann. Ein Koerper, der in Bewegung war = A, kommt in Ruhe = non A. Daraus nun, dass ein entgegengesetzter Zustand vom Zustande A auf diesen folgt, kann gar nicht geschlossen werden, dass das kontradiktorische Gegenteil von A moeglich, mithin A zufaellig sei; denn dazu wuerde erfordert werden, dass in derselben Zeit, da die Bewegung war, anstatt derselben die Ruhe habe sein koennen. Nun wissen wir nichts weiter, als dass die Ruhe in der folgenden Zeit wirklich, mithin auch moeglich war. Bewegung aber zu einer Zeit, und Ruhe zu einer anderen Zeit, sind einander nicht kontradiktorisch entgegengesetzt. Also beweist die Sukzession entgegengesetzter Bestimmungen, d.i. die Veraenderung, keineswegs die Zufaelligkeit nach Begriffen des reinen Verstandes, und kann also auch nicht auf das Dasein eines notwendigen Wesens, nach reinen Verstandesbegriffen, fuehren. Die Veraenderung beweist nur die empirische Zufaelligkeit, d.i. dass der neue Zustand fuer sich selbst, ohne eine Ursache, die zur vorigen Zeit gehoert, gar nicht haette stattfinden koennen, zufolge dem Gesetze der Kausalitaet. Diese Ursache, und wenn sie auch als schlechthin notwendig angenommen wird, muss auf diese Art doch in der Zeit angetroffen werden, und zur Reihe der Erscheinungen gehoeren. II. Anmerkung zur Antithesis Wenn man, beim Aufsteigen in der Reihe der Erscheinungen, wider das Dasein einer schlechthin notwendigen obersten Ursache, Schwierigkeiten anzutreffen vermeint, so muessen sich diese auch nicht auf blosse Begriffe vom notwendigen Dasein eines Dinges ueberhaupt gruenden, und mithin nicht ontologisch sein, sondern sich aus der Kausalverbindung mit einer Reihe von Erscheinungen, um zu derselben eine Bedingung anzunehmen, die selbst unbedingt ist, hervorfinden, folglich kosmologisch und nach empirischen Gesetzen gefolgert sein. Es muss sich naemlich zeigen, dass das Aufsteigen in der Reihe der Ursachen (in der Sinnenwelt) niemals bei einer empirisch unbedingten Bedingung endigen koenne, und dass das kosmologische Argument aus der Zufaelligkeit der Weltzustaende, laut ihrer Veraenderungen, wider die Annehmung einer ersten und die Reihe schlechthin zuerst anhebenden Ursache ausfalle. Es zeigt sich aber in dieser Antinomie ein seltsamer Kontrast: dass naemlich aus eben demselben Beweisgrunde, woraus in der Thesis das Dasein eines Urwesens geschlossen wurde, in der Antithesis das Nichtsein desselben, und zwar mit derselben Schaerfe. geschlossen wird. Erst hiess es: es ist ein notwendiges Wesen, weil die ganze vergangene Zeit die Reihe aller Bedingungen und hiermit also auch das Unbedingte (Notwendige) in sich fasst. Nun heisst es: es ist kein notwendiges Wesen, eben darum, weil die ganze verflossene Zeit die Reihe aller Bedingungen (die mithin insgesamt wiederum bedingt sind) in sich fasst. Die Ursache hiervon ist diese. Das erste Argument sieht nur auf die absolute Totalitaet der Reihe der Bedingungen, deren eine die andere in der Zeit bestimmt, und bekommt dadurch ein Unbedingtes und Notwendiges. Das zweite zieht dagegen die Zufaelligkeit alles dessen, was in der Zeitreihe bestimmt ist, in Betrachtung, (weil vor jedem eine Zeit vorhergeht, darin die Bedingung selbst wiederum als bedingt bestimmt sein muss,) wodurch denn alles Unbedingte, und alle absolute Notwendigkeit, gaenzlich wegfaellt. Indessen ist die Schlussart in beiden, selbst der gemeinen Menschenvernunft ganz angemessen, welche mehrmalen in den Fall geraet, sich mit sich selbst zu entzweien, nachdem sie ihren Gegenstand aus zwei verschiedenen Standpunkten erwaegt. Herr von Mairan hielt den Streit zweier beruehmter Astronomen, der aus einer aehnlichen Schwierigkeit ueber die Wahl des Standpunktes entsprang, fuer ein genugsam merkwuerdiges Phaenomen, um darueber eine besondere Abhandlung abzufassen. Der eine schloss naemlich so: der Mond dreht sich um seine Achse, darum, weil er der Erde bestaendig dieselbe Seite zukehrt; der andere: der Mond dreht sich nicht um seine Achse, eben darum, weil er der Erde bestaendig dieselbe Seite zukehrt. Beide Schluesse waren richtig; je nachdem man den Standpunkt nahm, aus dem man die Mondbewegung beobachten wollte. Der Antinomie der reinen Vernunft Dritter Abschnitt Von dem Interesse der Vernunft bei diesem ihrem Widerstreite Da haben wir nun das ganze dialektische Spiel der kosmologischen Ideen, die es gar nicht verstatten, dass ihnen ein kongruierender Gegenstand in irgendeiner moeglichen Erfahrung gegeben werde, ja nicht einmal, dass die Vernunft sie einstimmig mit allgemeinen Erfahrungsgesetzen denke, die gleichwohl doch nicht willkuerlich erdacht sind, sondern auf welche die Vernunft im kontinuierlichen Fortgange der empirischen Synthesis notwendig gefuehrt wird, wenn sie das, was nach Regeln der Erfahrung jederzeit nur bedingt bestimmt werden kann, von aller Bedingung befreien und in seiner unbedingten Totalitaet fassen will. Diese vernuenftelnden Behauptungen sind so viele Versuche, vier natuerliche und unvermeidliche Probleme der Vernunft aufzuloesen, deren es also nur gerade so viel, nicht mehr, auch nicht weniger, geben kann, weil es nicht mehr Reihen synthetischer Voraussetzungen gibt, welche die empirische Synthesis a priori begrenzen. Wir haben die glaenzenden Anmassungen der ihr Gebiet ueber alle Grenzen der Erfahrung erweiternden Vernunft nur in trockenen Formeln, welche bloss den Grund ihrer rechtlichen Ansprueche enthalten, vorgestellt, und, wie es einer Transzendentalphilosophie geziemt, diese von allem Empirischen entkleidet, obgleich die ganze Pracht der Vernunftbehauptungen nur in Verbindung mit demselben hervorleuchten kann. In dieser Anwendung aber, und der fortschreitenden Erweiterung des Vernunftgebrauchs, indem sie von dem Felde der Erfahrungen anhebt, und sich bis zu diesen erhabenen Ideen allmaehlich hinaufschwingt, zeigt die Philosophie eine Wuerde, welche, wenn sie ihre Anmassungen nur behaupten koennte, den Wert aller anderen menschlichen Wissenschaft weit unter sich lassen wuerde, indem sie die Grundlage zu unseren groessesten Erwartungen und Aussichten auf die letzten Zwecke, in welchen alle Vernunftbemuehungen sich endlich vereinigen muessen, verheisst. Die Fragen: ob die Welt einen Anfang und irgendeine Grenze ihrer Ausdehnung im Raume habe, ob es irgendwo und vielleicht in meinem denkenden Selbst eine unteilbare und unzerstoerliche Einheit, oder nichts als das Teilbare und Vergaengliche gebe, ob ich in meinen Handlungen frei, oder, wie andere Wesen, an dem Faden der Natur und des Schicksals geleitet sei, ob es endlich eine oberste Weltursache gebe, oder die Naturdinge und deren Ordnung den letzten Gegenstand ausmachen, bei dem wir in allen unseren Betrachtungen stehenbleiben muessen: das sind Fragen, um deren Aufloesung der Mathematiker gerne seine ganze Wissenschaft dahingaebe; denn diese kann ihm doch in Ansehung der hoechsten und angelegentsten Zwecke der Menschheit keine Befriedigung verschaffen. Selbst die eigentliche Wuerde der Mathematik (dieses Stolzes der menschlichen Vernunft) beruht darauf, dass, da sie der Vernunft die Leitung gibt, die Natur im Grossen sowohl als im Kleinen in ihrer Ordnung und Regelmaessigkeit, imgleichen in der bewunderungswuerdigen Einheit der sie bewegenden Kraefte, weit ueber alle Erwartung der auf gemeine Erfahrung bauenden Philosophie einzusehen, sie dadurch selbst zu dem ueber alle Erfahrung erweiterten Gebrauch der Vernunft, Anlass und Aufmunterung gibt, imgleichen die damit beschaeftigte Weltweisheit mit den vortrefflichsten Materialien versorgt, ihre Nachforschung, so viel deren Beschaffenheit es erlaubt, durch angemessene Anschauungen zu unterstuetzen. Ungluecklicherweise fuer die Spekulation (vielleicht aber zum Glueck fuer die praktische Bestimmung des Menschen) sieht sich die Vernunft, mitten unter ihren groessesten Erwartungen, in einem Gedraenge von Gruenden und Gegengruenden so befangen, dass, da es sowohl ihrer Ehre, als auch sogar ihrer Sicherheit wegen nicht tunlich ist, sich zurueckzuziehen, und diesem Zwist als einem blossen Spielgefechte gleichgueltig zuzusehen, noch weniger schlechthin Friede zu gebieten, weil der Gegenstand des Streits sehr interessiert, ihr nichts weiter uebrigbleibt, als ueber den Ursprung dieser Veruneinigung der Vernunft mit sich selbst nachzusinnen, ob nicht etwa ein blosser Missverstand daran schuld sei, nach dessen Eroerterung zwar beiderseits stolze Ansprueche vielleicht wegfallen, aber dafuer ein dauerhaft ruhiges Regiment der Vernunft ueber Verstand und Sinne seinen Anfang nehmen wuerde. Wir wollen vorjetzt diese gruendliche Eroerterung noch etwas aussetzen, und zuvor in Erwaegung ziehen: auf welche Seite wir uns wohl am liebsten schlagen moechten, wenn wir etwa genoetigt wuerden, Partei zu nehmen. Da wir in diesem Falle, nicht den logischen Probierstein der Wahrheit, sondern bloss unser Interesse befragen, so wird eine solche Untersuchung, ob sie gleich in Ansehung des streitigen Rechts beider Teile nichts ausmacht, dennoch den Nutzen haben, es begreiflich zu machen, warum die Teilnehmer an diesem Streite sich lieber auf die eine Seite, als auf die andere geschlagen haben, ohne dass eben eine vorzuegliche Einsicht des Gegenstandes daran Ursache gewesen, angleichen noch andere Nebendinge zu erklaeren, z.B. die zelotische Hitze des einen und die kalte Behauptung des anderen Teils, warum sie gerne der einen Partei freudigen Beifall zujauchzen, und wider die andere zum voraus, unversoehnlich eingenommen sind. Es ist aber etwas, das bei dieser vorlaeufigen Beurteilung den Gesichtspunkt bestimmt, aus dem sie allein mit gehoeriger Gruendlichkeit angestellt werden kann, und dieses ist die Vergleichung der Prinzipien, von denen beide Teile ausgehen. Man bemerkt unter den Behauptungen der Antithesis, eine vollkommene Gleichfoermigkeit der Denkungsart und voellige Einheit der Maxime, naemlich ein Prinzipium des reinen Empirismus, nicht allein in Erklaerung der Erscheinungen in der Welt, sondern auch in Aufloesung der transzendentalen Ideen, vom Weltall selbst. Dagegen legen die Behauptungen der Thesis, ausser der empirischen Erklaerungsart innerhalb der Reihe der Erscheinungen, noch intellektuelle Anfaenge zum Grunde, und die Maxime ist sofern nicht einfach. Ich will sie aber, von ihrem wesentlichen Unterscheidungsmerkmal, den Dogmatism der reinen Vernunft nennen. Auf der Seite also des Dogmatismus, in Bestimmung der kosmologischen Vernunftideen, oder der Thesis, zeigt sich Zuerst ein gewisses praktisches Interesse, woran jeder Wohlgesinnter, wenn er sich auf seinen wahren Vorteil versteht, herzlich teilnimmt. Dass die Welt einen Anfang habe, dass mein denkendes Selbst einfacher und daher unverweslicher Natur, dass dieses zugleich in seinen willkuerlichen Handlungen frei und ueber den Naturzwang erhoben sei, und dass endlich die ganze Ordnung der Dinge, welche die Welt ausmachen, von einem Urwesen abstamme, von welchem alles seine Einheit und zweckmaessige Verknuepfung entlehnt, das sind so viel Grundsteine der Moral und Religion. Die Antithesis raubt uns alle diese Stuetzen, oder scheint wenigstens sie uns zu rauben. Zweitens aeussert sich auch ein spekulatives Interesse der Vernunft auf dieser Seite. Denn, wenn man die transzendentalen Ideen auf solche Art annimmt und gebraucht, so kann man voellig a priori die ganze Kette der Bedingungen fassen, und die Ableitung des Bedingten begreifen, indem man vom Unbedingten anfaengt, welches die Antithesis nicht leistet, die dadurch sich sehr uebel empfiehlt, dass sie auf die Frage, wegen der Bedingungen ihrer Synthesis, keine Antwort geben kann, die nicht ohne Ende immer weiter zu fragen uebrig liesse. Nach ihr muss man von einem gegebenen Anfange zu einem noch hoeheren aufsteigen, jeder Teil fuehrt auf einen noch kleineren Teil, jede Begebenheit hat immer noch eine andere Begebenheit als Ursache ueber sich, und die Bedingungen des Daseins ueberhaupt stuetzen sich immer wiederum auf andere, ohne jemals in einem selbstaendigen Dinge als Urwesen unbedingte Haltung und Stuetze zu bekommen. Drittens hat diese Seite auch den Vorzug der Popularitaet, der gewiss nicht den kleinsten Teil seiner Empfehlung ausmacht. Der gemeine Verstand findet in den Ideen des unbedingten Anfangs aller Synthesis nicht die mindeste Schwierigkeit, da er ohnedem mehr gewohnt ist, zu den Folgen abwaerts zu gehen, als zu den Gruenden hinaufzusteigen, und hat in den Begriffen des absolut Ersten (ueber dessen Moeglichkeit er nicht gruebelt) eine Gemaechlichkeit und zugleich einen festen Punkt, um die Leitschnur seiner Schritte daran zu knuepfen, da er hingegen an dem rastlosen Aufsteigen vom Bedingten zur Bedingung, jederzeit mit einem Fusse in der Luft, gar keinen Wohlgefallen finden kann. Auf der Seite des Empirismus in Bestimmung der kosmologischen Ideen, oder der Antithesis, findet sich erstlich kein solches praktisches Interesse aus reinen Prinzipien der Vernunft, als Moral und Religion bei sich fuehren. Vielmehr scheint der blosse Empirism beiden alle Kraft und Einfluss zu benehmen. Wenn es kein von der Welt unterschiedenes Urwesen gibt, wenn die Welt ohne Anfang und also auch ohne Urheber, unser Wille nicht frei und die Seele von gleicher Teilbarkeit und Verweslichkeit mit der Materie ist, so verlieren auch die moralischen Ideen und Grundsaetze alle Gueltigkeit, und fallen mit den transzendentalen Ideen, welche ihre theoretische Stuetze ausmachten. Dagegen bietet aber der Empirism dem spekulativen Interesse der Vernunft Vorteile an, die sehr anlockend sind und diejenigen weit uebertreffen, die der dogmatische Lehrer der Vernunftideen versprechen mag. Nach jenem ist der Verstand jederzeit auf seinem eigentuemlichen Boden, naemlich dem Felde von lauter moeglichen Erfahrungen, deren Gesetzen er nachspueren, und vermittelst derselben er seine sichere und fassliche Erkenntnis ohne Ende erweitern kann. Hier kann und soll er den Gegenstand, sowohl an sich selbst, als in seinen Verhaeltnissen, der Anschauung darstellen, oder doch in Begriffen, deren Bild in gegebenen aehnlichen Anschauungen klar und deutlich vorgelegt werden kann. Nicht allein, dass er nicht noetig hat, diese Kette der Naturordnung zu verlassen, um sich an Ideen zu haengen, deren Gegenstaende er nicht kennt, weil sie als Gedankendinge niemals gegeben werden koennen; sondern es ist ihm nicht einmal erlaubt, sein Geschaeft zu verlassen, und unter dem Vorwande, es sei nunmehr zu Ende gebracht, in das Gebiet der idealisierenden Vernunft und zu transzendenten Begriffe ueberzugehen, wo er nicht weiter noetig hat zu beobachten und den Naturgesetzen gemaess zu forschen, sondern nur zu denken und zu dichten, sicher, dass er nicht durch Tatsachen der Natur widerlegt werden koenne, weil er an ihr Zeugnis eben nicht gebunden ist, sondern sie vorbeigehen, oder sie sogar selbst einem hoeheren Ansehen, naemlich dem der reinen Vernunft, unterordnen darf. Der Empirist wird es daher niemals erlauben, irgendeine Epoche der Natur fuer die schlechthin erste anzunehmen, oder irgendeine Grenze seiner Aussicht in den Umfang derselben als die aeusserste anzusehen, oder von den Gegenstaenden der Natur, die er durch Beobachtung und Mathematik aufloesen und in der Anschauung synthetisch bestimmen kann, (dem Ausgedehnten,) zu denen ueberzugehen, die weder Sinn, noch Einbildungskraft jemals in concreto darstellen kann (dem Einfachen); noch einraeumen, dass man selbst in der Natur ein Vermoegen, unabhaengig von Gesetzen der Natur zu wirken, (Freiheit,) zum Grunde lege, und dadurch dem Verstande sein Geschaeft schmaelere, an dem Leitfaden notwendiger Regeln dem Entstehen der Erscheinungen nachzuspueren; noch endlich zugeben, dass man irgend wozu die Ursache ausserhalb der Natur suche, (Urwesen,) weil wir nichts weiter, als diese kennen, indem sie es allein ist, welche uns Gegenstaende darbietet, und von ihren Gesetzen unterrichten kann. Zwar, wenn der empirische Philosoph mit seiner Antithese keine andere Absicht hat, als, den Vorwitz und die Vermessenheit der ihre wahre Bestimmung verkennenden Vernunft niederzuschlagen, welche mit Einsicht und Wissen gross tut, da wo eigentlich Einsicht und Wissen aufhoeren, und das, was man in Ansehung des praktischen Interesse gelten laesst, fuer eine Befoerderung des spekulativen Interesse ausgeben will, um, wo es ihrer Gemaechlichkeit zutraeglich ist, den Faden physischer Untersuchungen abzureissen, und mit einem Vorgeben von Erweiterung der Erkenntnis, ihn an transzendentale Ideen zu knuepfen, durch die man eigentlich nur erkennt, dass man nichts wisse; wenn, sage ich, der Empirist sich hiermit begnuegte, so wuerde sein Grundsatz eine Maxime der Maessigung in Anspruechen, der Bescheidenheit in Behauptungen und zugleich der groessest moeglichen Erweiterung unseres Verstandes, durch den eigentlich uns vorgesetzten Lehrer, naemlich die Erfahrung, sein. Denn, in solchem Falle, wuerden uns intellektuelle Voraussetzungen und Glaube, zum Behuf unserer praktischen Angelegenheit, nicht genommen werden; nur koennte man sie nicht unter dem Titel und dem Pompe von Wissenschaft und Vernunfteinsicht auftreten lassen, weil das eigentliche spekulative Wissen ueberall keinen anderen Gegenstand, als den der Erfahrung treffen kann, und, wenn man ihre Grenze ueberschreitet, die Synthesis, welche neue und von jener unabhaengige Erkenntnisse versucht, kein Substratum der Anschauung hat, an welchem sie ausgeuebt werden koennte. So aber, wenn der Empirismus in Ansehung der Ideen (wie es mehrenteils geschieht) selbst dogmatisch wird und dasjenige dreist verneint, was ueber der Sphaere seiner anschauenden Erkenntnisse ist, so faellt er selbst in den Fehler der Unbescheidenheit, der hier um desto tadelbarer ist, weil dadurch dem praktischen Interesse der Vernunft ein unersetzlicher Nachteil verursacht wird. Dies ist der Gegensatz des Epikureisms* gegen den Platonisms. * Es ist indessen noch die Frage, ob Epikur diese Grundsaetze als objektive Behauptungen jemals vorgetragen habe. Wenn sie etwa weiter nichts als Maximen des spekulativen Gebrauchs der Vernunft waren, so zeigte er daran einen echteren philosophischen Geist, als irgendeiner der Weltweisen des Altertums. Dass man in Erklaerung der Erscheinungen so zu Werke gehen muesse, als ob das Feld der Untersuchung durch keine Grenze oder Anfang der Welt abgeschnitten sei; den Stoff der Welt so annehmen, wie er sein muss, wenn wir von ihm durch Erfahrung belehrt werden wollen; dass keine andere Erzeugung der Begebenheiten, als wie sie durch unveraenderliche Naturgesetze bestimmt werden, und endlich keine von der Welt unterschiedene Ursache muesse gebraucht werden; sind noch jetzt sehr richtige, aber wenig beobachtete Grundsaetze, die spekulative Philosophie zu erweitern, so wie auch die Prinzipien der Moral, unabhaengig von fremden Hilfsquellen auszufinden, ohne dass darum derjenige, welcher verlangt, jene dogmatischen Saetze, so lange als wir mit der blossen Spekulation beschaeftigt sind, zu ignorieren, darum beschuldigt werden darf, er wolle sie leugnen. Ein jeder von beiden sagt mehr, als er weiss, doch so, dass der erstere das Wissen, obzwar zum Nachteile des Praktischen, aufmuntert und befoerdert, der zweite zwar zum Praktischen vortreffliche Prinzipien an die Hand gibt, aber eben dadurch in Ansehung alles dessen, worin uns allein ein spekulatives Wissen vergoennt ist, der Vernunft erlaubt, idealischen Erklaerungen der Naturerscheinungen nachzuhaengen und darueber die physische Nachforschung zu verabsaeumen. Was endlich das dritte Moment, worauf bei der vorlaeufigen Wahl zwischen beiden strittigen Teilen gesehen werden kann, anlangt: so ist es ueberaus befremdlich, dass der Empirismus aller Popularitaet gaenzlich zuwider ist, ob man gleich glauben sollte, der gemeine Verstand werde einen Entwurf begierig aufnehmen, der ihn durch nichts als Erfahrungserkenntnisse und deren vernunftmaessigen Zusammenhang zu befriedigen verspricht, anstatt dass die transzendentale Dogmatik ihn noetigt, zu Begriffen hinaufzusteigen, welche die Einsicht und das Vernunftvermoegen der im Denken geuebtesten Koepfe weit uebersteigen. Aber eben dieses ist sein Bewegungsgrund. Denn er befindet sich alsdann in einem Zustande, in welchem sich auch der Gelehrteste ueber ihn nichts herausnehmen kann. Wenn er wenig oder nichts davon versteht, so kann sich doch auch niemand ruehmen, viel mehr davon zu verstehen, und, ob er gleich hierueber nicht so schulgerecht als andere sprechen kann, so kann er doch darueber unendlich mehr vernuenfteln, weil er unter lauter Ideen herumwandelt, ueber die man eben darum am beredtsten ist, weil man davon nichts weiss; anstatt, dass er ueber der Nachforschung der Natur ganz verstummen und seine Unwissenheit gestehen muesste. Gemaechlichkeit und Eitelkeit also sind schon eine starke Empfehlung dieser Grundsaetze. Ueberdem, ob es gleich einem Philosophen sehr schwer wird, etwas als Grundsatz anzunehmen, ohne deshalb sich selbst Rechenschaft geben zu koennen, oder gar Begriffe, deren objektive Realitaet nicht eingesehen werden kann, einzufuehren: so ist doch dem gemeinen Verstande nichts gewoehnlicher. Er will etwas haben, womit er zuversichtlich anfangen koenne. Die Schwierigkeit, eine solche Voraussetzung selbst zu begreifen, beunruhigt ihn nicht, weil sie ihm, (der nicht weiss, was Begreifen heisst,) niemals in den Sinn kommt, und er haelt das fuer bekannt, was ihm durch oefteren Gebrauch gelaeufig ist. Zuletzt aber verschwindet alles spekulative Interesse bei ihm vor dem Praktischen, und er bildet sich ein, das einzusehen und zu wissen, was anzunehmen, oder zu glauben, ihn seine Besorgnisse oder Hoffnungen antreiben. So ist der Empirismus der transzendental-idealisierenden Vernunft aller Popularitaet gaenzlich beraubt, und, so viel Nachteiliges wider die obersten praktischen Grundsaetze sie auch enthalten mag, so ist doch gar nicht zu besorgen, dass sie die Grenzen der Schule jemals ueberschreiten und im gemeinen Wesen ein nur einigermassen betraechtliches Ansehen und einige Gunst bei der grossen Menge erwerben werde. Die menschliche Vernunft ist ihrer Natur nach architektonisch, d.i. sie betrachtet alle Erkenntnisse als gehoerig zu einem moeglichen System, und verstattet daher auch nur solche Prinzipien, die eine vorhabende Erkenntnis wenigstens nicht unfaehig machen, in irgendeinem System mit anderen zusammen zu stehen. Die Saetze der Antithesis sind aber von der Art, dass sie die Vollendung eines Gebaeudes von Erkenntnissen gaenzlich unmoeglich machen. Nach ihnen gibt es ueber einen Zustand der Welt immer einen noch aelteren, in jedem Teile immer noch andere, wiederum teilbare, vor jeder Begebenheit eine andere, die wiederum ebensowohl anderweitig erzeugt war, und im Dasein ueberhaupt alles immer nur bedingt, ohne irgendein unbedingtes und erstes Dasein anzuerkennen. Da also die Antithesis nirgend ein Erstes einraeumt, und keinen Anfang, der schlechthin zum Grunde des Baues dienen koennte, so ist ein vollstaendiges Gebaeude der Erkenntnis, bei dergleichen Voraussetzungen, gaenzlich unmoeglich. Daher fuehrt das architektonische Interesse der Vernunft (welches nicht empirische, sondern reine Vernunfteinheit a priori fordert,) eine natuerliche Empfehlung fuer die Behauptungen der Thesis bei sich. Koennte sich aber ein Mensch von allem Interesse lossagen, und die Behauptungen der Vernunft, gleichgueltig gegen alle Folgen, bloss nach dem Gehalte ihrer Gruende in Betrachtung ziehen: so wuerde ein solcher, gesetzt, dass er keinen Ausweg wuesste, anders aus dem Gedraenge zu kommen, als dass er sich zu einer oder anderen der strittigen Lehren bekennte, in einem unaufhoerlich schwankenden Zustande sein. Heute wuerde es ihm ueberzeugend vorkommen, der menschliche Wille sei frei; morgen, wenn er die unaufloesliche Naturkette in Betrachtung zoege, wuerde er dafuer halten, die Freiheit sei nichts als Selbsttaeuschung, und alles sei bloss Natur. Wenn es nun aber zum Tun und Handeln kaeme, so wuerde dieses Spiel der bloss spekulativen Vernunft, wie Schattenbilder eines Traums, verschwinden, und er wuerde seine Prinzipien bloss nach dem praktischen Interesse waehlen. Weil es aber doch einem nachdenkenden und forschenden Wesen anstaendig ist, gewisse Zeiten lediglich der Pruefung seiner eigenen Vernunft zu widmen, hierbei aber alle Parteilichkeit gaenzlich auszuziehen, und so seine Bemerkungen anderen zur Beurteilung oeffentlich mitzuteilen; so kann es niemanden verargt, noch weniger verwehrt werden, die Saetze und Gegensaetze, so wie sie sich, durch keine Drohung geschreckt, vor Geschworenen von seinem eigenen Stande (naemlich dem Stande schwacher Menschen) verteidigen koennen, auftreten zu lassen. Der Antinomie der reinen Vernunft Vierter Abschnitt Von den Transzendentalen Aufgaben der reinen Vernunft, insofern sie schlechterdings muessen aufgeloest werden koennen Alle Aufgaben aufloesen und alle Fragen beantworten zu wollen, wuerde eine unverschaemte Grosssprecherei und ein so ausschweifender Eigenduenkel sein, dass man dadurch sich sofort um alles Zutrauen bringen muesste. Gleichwohl gibt es Wissenschaften, deren Natur es so mit sich bringt, dass eine jede darin vorkommende Frage, aus dem, was man weiss, schlechthin beantwortlich sein muss, weil die Antwort aus denselben Quellen entspringen muss, daraus die Frage entspringt, und wo es keineswegs erlaubt ist, unvermeidliche Unwissenheit vorzuschuetzen, sondern die Aufloesung gefordert werden kann. Was in allen moeglichen Faellen Recht oder Unrecht sei, muss man der Regel nach wissen koennen, weil es unsere Verbindlichkeit betrifft, und wir zu dem, was wir nicht wissen koennen, auch keine Verbindlichkeit haben. In der Erklaerung der Erscheinungen der Natur muss uns indessen vieles ungewiss und manche Frage unaufloeslich bleiben, weil das, was wir von der Natur wissen, zu dem, was wir erklaeren sollen, bei weitem nicht in allen Faellen zureichend ist. Es fragt sich nun: ob in der Transzendentalphilosophie irgendeine Frage, die ein der Vernunft vorgelegtes Objekt betrifft, durch eben diese reine Vernunft unbeantwortlich sei, und ob man sich ihrer entscheidenden Beantwortung dadurch mit Recht entziehen koenne, dass man es als schlechthin ungewiss (aus allem dem, was wir erkennen koennen) demjenigen beizaehlt, wovon wir zwar so viel Begriff haben, um eine Frage aufzuwerfen, es uns aber gaenzlich an Mitteln oder am Vermoegen fehlt, sie jemals zu beantworten. Ich behaupte nun, dass die Transzendentalphilosophie unter allem spekulativen Erkenntnis dieses Eigentuemliche habe: dass gar keine Frage, welche einen der reinen Vernunft gegebenen Gegenstand betrifft, fuer eben dieselbe menschliche Vernunft unaufloeslich sei, und dass kein Vorschuetzen einer unvermeidlichen Unwissenheit und unergruendlichen Tiefe der Aufgabe von der Verbindlichkeit frei sprechen koenne, sie gruendlich und vollstaendig zu beantworten; weil eben derselbe Begriff, der uns in den Stand setzt zu fragen, durchaus uns auch tuechtig machen muss, auf diese Frage zu antworten, indem der Gegenstand ausser dem Begriffe gar nicht angetroffen wird (wie bei Recht und Unrecht). Es sind aber in der Transzendentalphilosophie keine anderen, als nur die kosmologischen Fragen, in Ansehung deren man mit Recht eine genugtuende Antwort, die die Beschaffenheit des Gegenstandes betrifft, fordern kann, ohne dass dem Philosophen erlaubt ist, sich derselben dadurch zu entziehen, dass er undurchdringliche Dunkelheit vorschuetzt, und diese Fragen koennen nur kosmologische Ideen betreffen. Denn der Gegenstand muss empirisch gegeben sein, und die Frage geht nur auf die Angemessenheit desselben mit einer Idee. Ist der Gegenstand transzendental und also selbst unbekannt, z.B. ob das Etwas, dessen Erscheinung (in uns selbst) das Denken ist, (Seele,) ein an sich einfaches Wesen sei, ob es eine Ursache aller Dinge insgesamt gebe, die schlechthin notwendig ist, usw., so sollen wir zu unserer Idee einen Gegenstand suchen, von welchem wir gestehen koennen, dass er uns unbekannt, aber deswegen doch nicht unmoeglich sei.* Die kosmologischen Ideen haben allein das Eigentuemliche an sich, dass sie ihren Gegenstand und die zu dessen Begriff erforderliche empirische Synthesis als gegeben voraussetzen koennen, und die Frage, die aus ihnen entspringt, betrifft nur den Fortgang dieser Synthesis, sofern er absolute Totalitaet enthalten soll, welche letztere nichts Empirisches mehr ist, indem sie in keiner Erfahrung gegeben werden kann. Da nun hier lediglich von einem Dinge als Gegenstande einer moeglichen Erfahrung und nicht als einer Sache an sich selbst die Rede ist, so kann die Beantwortung der transzendenten kosmologischen Frage, ausser der Idee sonst nirgend liegen, denn sie betrifft keinen Gegenstand an sich selbst; und in Ansehung der moeglichen Erfahrung wird nicht nach demjenigen gefragt, was in concreto in irgendeiner Erfahrung gegeben werden kann, sondern was in der Idee liegt, der sich die empirische Synthesis bloss naehern soll: also muss sie aus der Idee allein aufgeloest werden koennen; denn diese ist ein blosses Geschoepf der Vernunft, welche also die Verantwortung nicht von sich abweisen und auf den unbekannten Gegenstand schieben kann. * Man kann zwar auf die Frage, was ein transzendentaler Gegenstand fuer eine Beschaffenheit habe, keine Antwort geben, naemlich was er sei, aber wohl, dass die Frage selbst nichts sei, darum, weil kein Gegenstand derselben gegeben worden. Daher sind alle Fragen der transzendentalen Seelenlehre auch beantwortlich und wirklich beantwortet; denn sie betreffen das transz. Subjekt aller inneren Erscheinungen, welches selbst nicht Erscheinung ist und also nicht als Gegenstand gegeben ist, und worauf keine der Kategorien (auf welche doch eigentlich die Frage gestellt ist) Bedingungen ihrer Anwendung antreffen. Also ist hier der Fall, da der gemeine Ausdruck gilt, dass keine Antwort auch eine Antwort sei, naemlich dass eine Frage nach der Beschaffenheit desjenigen Etwas, was durch kein bestimmtes Praedikat gedacht werden kann, weil es gaenzlich ausser der Sphaere der Gegenstaende gesetzt wird, die uns gegeben werden koennen, gaenzlich nichtig und leer sei. Es ist nicht so ausserordentlich, als es anfangs scheint: dass eine Wissenschaft in Ansehung aller in ihren Inbegriff gehoerigen Fragen (quaestiones domesticae) lauter gewisse Aufloesungen fordern und erwarten koenne, ob sie gleich zur Zeit noch vielleicht nicht gefunden sind. Ausser der Transzendentalphilosophie gibt es noch zwei reine Vernunftwissenschaften, eine bloss spekulativen, die andere praktischen Inhalts: reine Mathematik, und reine Moral. Hat man wohl jemals gehoert: dass, gleichsam wegen einer notwendigen Unwissenheit der Bedingungen, es fuer ungewiss sei ausgegeben worden, welches Verhaeltnis der Durchmesser zum Kreise ganz genau in Rational- oder Irrationalzahlen habe? Da es durch erstere gar nicht kongruent gegeben werden kann, durch die zweite aber noch nicht gefunden ist, so urteilte man, dass wenigstens die Unmoeglichkeit solcher Aufloesung mit Gewissheit erkannt werden koenne, und Lambert gab einen Beweis davon. In den allgemeinen Prinzipien der Sitten kann nichts Ungewisses sein, weil die Saetze entweder ganz und gar nichtig und sinnleer sind, oder bloss aus unseren Vernunftbegriffen fliessen muessen. Dagegen gibt es in der Naturkunde eine Unendlichkeit von Vermutungen, in Ansehung deren niemals Gewissheit erwartet werden kann, weil die Naturerscheinungen Gegenstaende sind, die uns unabhaengig von unseren Begriffen gegeben werden, zu denen also der Schluessel nicht in uns und unserem reinen Denken, sondern ausser uns liegt, und eben darum in vielen Faellen nicht aufgefunden, mithin kein sicherer Aufschluss erwartet werden kann. Ich rechne die Fragen der transzendentalen Analytik, welche die Deduktion unserer reinen Erkenntnis betreffen, nicht hierher, weil wir jetzt nur von der Gewissheit der Urteile in Ansehung der Gegenstaende und nicht in Ansehung des Ursprungs unserer Begriffe selbst handeln. Wir werden also der Verbindlichkeit einer wenigstens kritischen Aufloesung der vorgelegten Vernunftfragen dadurch nicht ausweichen koennen, dass wir ueber die engen Schranken unserer Vernunft Klagen erheben, und mit dem Scheine einer demutsvollen Selbsterkenntnis bekennen, es sei ueber unsere Vernunft, auszumachen, ob die Welt von Ewigkeit her sei, oder einen Anfang habe; ob der Weltraum ins Unendliche mit Wesen erfuellt, oder innerhalb gewisser Grenzen eingeschlossen sei; ob irgend in der Welt etwas einfach sei, oder ob alles ins Unendliche geteilt werden muesse; ob es eine Erzeugung und Hervorbringung aus Freiheit gebe, oder ob alles an der Kette der Naturordnung haenge; endlich ob es irgendein gaenzlich unbedingt und an sich notwendiges Wesen gebe, oder ob alles seinem Dasein nach bedingt und mithin aeusserlich abhaengend und an sich zufaellig sei. Denn alle diese Fragen betreffen einen Gegenstand, der nirgend anders als in unseren Gedanken gegeben werden kann, naemlich die schlechthin unbedingte Totalitaet der Synthesis der Erscheinungen. Wenn wir darueber aus unseren eigenen Begriffen nichts Gewisses sagen und ausmachen koennen, so duerfen wir nicht die Schuld auf die Sache schieben, die sich uns verbirgt; denn es kann uns dergleichen Sache (weil sie ausser unserer Idee nirgends angetroffen wird) gar nicht gegeben werden, sondern wir muessen die Ursache in unserer Idee selbst suchen, welche ein Problem ist, das keine Aufloesung verstattet, und wovon wir doch hartnaeckig annehmen, als entspreche ihr ein wirklicher Gegenstand. Eine deutliche Darlegung der Dialektik, die in unserem Begriffe selbst liegt, wuerde uns bald zur voelligen Gewissheit bringen, von dem, was wir in Ansehung einer solchen Frage zu urteilen haben. Man kann euerem Vorwande der Ungewissheit in Ansehung dieser Probleme zuerst diese Frage entgegensetzen, die ihr wenigstens deutlich beantworten muesst: Woher kommen euch die Ideen, deren Aufloesung euch hier in solche Schwierigkeit verwickelt? Sind es etwa Erscheinungen, deren Erklaerung ihr beduerft, und wovon ihr, zufolge dieser Ideen, nur die Prinzipien, oder die Regel ihrer Exposition zu suchen habt? Nehmet an, die Natur sei ganz vor euch aufgedeckt; euren Sinnen, und dem Bewusstsein alles dessen, was eurer Anschauung vorgelegt ist, sei nichts verborgen: so werdet ihr doch durch keine einzige Erfahrung den Gegenstand eurer Ideen in concreto erkennen koennen, (denn es wird, ausser dieser vollstaendigen Anschauung, noch eine vollendete Synthesis und das Bewusstsein ihrer absoluten Totalitaet erfordert, welches durch gar kein empirisches Erkenntnis moeglich ist,) mithin kann eure Frage keineswegs zur Erklaerung von irgendeiner vorkommenden Erscheinung notwendig und also gleichsam durch den Gegenstand selbst aufgegeben sein. Denn der Gegenstand kann euch niemals vorkommen, weil er durch keine moegliche Erfahrung gegeben werden kann. Ihr bleibt mit allen moeglichen Wahrnehmungen immer unter Bedingungen, es sei im Raume, oder in der Zeit, befangen, und kommt an nichts Unbedingtes, um auszumachen, ob dieses Unbedingte in einem absoluten Anfange der Synthesis, oder einer absoluten Totalitaet der Reihe, ohne allen Anfang, zu setzen sei. Das All aber in empirischer Bedeutung ist jederzeit nur komparativ. Das absolute All der Groesse (das Weltall), der Teilung, der Abstammung, der Bedingung des Daseins ueberhaupt, mit allen Fragen, ob es durch endliche, oder ins Unendliche fortzusetzende Synthesis zustande zu bringen sei, geht keine moegliche Erfahrung etwas an. Ihr wuerdet z.B. die Erscheinungen eines Koerpers nicht im mindesten besser, oder auch nur anders erklaeren koennen, ob ihr annehmet, er bestehe aus einfachen, oder durchgehends immer aus zusammengesetzten Teilen; denn es kann euch keine einfache Erscheinung und ebensowenig auch eine unendliche Zusammensetzung jemals vorkommen. Die Erscheinungen verlangen nur erklaert zu werden, so weit ihre Erklaerungsbedingungen in der Wahrnehmung gegeben sind, alles aber, was jemals an ihnen gegeben werden mag, in einem absoluten Ganzen zusammengenommen, ist selbst eine Wahrnehmung. Dieses All aber ist es eigentlich, dessen Erklaerung in den transzendentalen Vernunftaufgaben gefordert wird. Da also selbst die Aufloesung dieser Aufgaben niemals in der Erfahrung vorkommen kann, so koennt ihr nicht sagen, dass es ungewiss sei, was hierueber dem Gegenstande beizulegen sei. Denn euer Gegenstand ist bloss in eurem Gehirne, und kann ausser demselben gar nicht gegeben werden; daher ihr nur dafuer zu sorgen habt, mit euch selbst einig zu werden, und die Amphibolie zu verhueten, die eure Idee zu einer vermeintlichen Vorstellung eines empirisch Gegebenen, und also auch nach Erfahrungsgesetzen zu erkennenden Objekts macht. Die dogmatische Aufloesung ist also nicht etwa ungewiss, sondern unmoeglich. Die kritische aber, welche voellig gewiss sein kann, betrachtet die Frage gar nicht objektiv, sondern nach dem Fundamente der Erkenntnis, worauf sie gegruendet ist. Der Antinomie der reinen Vernunft Fuenfter Abschnitt Skeptische Vorstellung der kosmologischen Fragen durch alle vier transzendentalen Ideen Wir wuerden von der Forderung gern abstehen, unsere Fragen dogmatisch beantwortet zu sehen, wenn wir schon zum voraus begriffen: die Antwort moechte ausfallen, wie sie wollte, so wuerde sie unsere Unwissenheit nur noch vermehren, und uns aus einer Unbegreiflichkeit in eine andere, aus einer Dunkelheit in eine noch groessere und vielleicht gar in Widersprueche stuerzen. Wenn unsere Frage bloss auf Bejahung oder Verneinung gestellt ist, so ist es klueglich gehandelt, die vermutlichen Gruende der Beantwortung vorderhand dahingestellt sein zu lassen, und zuvoerderst in Erwaegung zu ziehen, was man denn gewinnen wuerde, wenn die Antwort auf die eine, und was, wenn sie auf die Gegenseite ausfiele. Trifft es sich nun, dass in beiden Faellen lauter Sinnleeres (Nonsens) herauskommt, so haben wir eine gegruendete Aufforderung, unsere Frage selbst kritisch zu untersuchen, und zu sehen: ob sie nicht selbst auf einer grundlosen Voraussetzung beruhe, und mit einer Idee spiele, die ihre Falschheit besser in der Anwendung und durch ihre Folgen, als in der abgesonderten Vorstellung verraet. Das ist der grosse Nutzen, den die skeptische Art hat, die Fragen zu behandeln, welche reine Vernunft an reine Vernunft tut, und wodurch man eines grossen dogmatischen Wustes mit wenig Aufwand ueberhoben sein kann, um an dessen Statt eine nuechterne Kritik zu setzen, die, als ein wahres Katarktikon den Wahn, zusamt seinem Gefolge, der Vielwisserei, gluecklich abfuehren wird. Wenn ich demnach von einer kosmologischen Idee zum voraus einsehen koennte, dass, auf welche Seite des Unbedingten der regressiven Synthesis der Erscheinungen sie sich auch schluege, so wuerde sie doch fuer einen jeden Verstandesbegriff entweder zu gross oder zu klein sein; so wuerde ich begreifen, dass, da jene doch es nur mit einem Gegenstande der Erfahrung zu tun hat, welche einem moeglichen Verstandesbegriffe angemessen sein soll, sie ganz leer und ohne Bedeutung sein muesse, weil ihr der Gegenstand nicht anpasst, ich mag ihn derselben bequemen, wie ich will. Und dieses ist wirklich der Fall mit allen Weltbegriffen, welche auch eben um deswillen, die Vernunft, so lange sie ihnen anhaengt, in eine unvermeidliche Antinomie verwickeln. Denn nehmt Erstlich an: die Welt habe keinen Anfang, so ist sie fuer euren Begriff zu gross; denn dieser, welcher in einem sukzessiven Regressus besteht, kann die ganze verflossene Ewigkeit niemals erreichen. Setzet: sie habe einen Anfang, so ist sie wiederum fuer euren Verstandesbegriff in dem notwendigen empirischen Regressus zu klein. Denn, weil der Anfang noch immer eine Zeit, die vorhergeht, voraussetzt, so ist er noch nicht unbedingt, und das Gesetz des empirischen Gebrauchs des Verstandes legt es euch auf, noch nach einer hoeheren Zeitbedingung zu fragen, und die Welt ist also offenbar fuer dieses Gesetz zu klein. Ebenso ist es mit der doppelten Beantwortung der Frage, wegen der Weltgroesse, dem Raum nach, bewandt. Denn, ist sie unendlich und unbegrenzt, so ist sie fuer allen moeglichen empirischen Begriff zu gross. Ist sie endlich und begrenzt, so fragt ihr mit Recht noch: was bestimmt diese Grenze? Der leere Raum ist nicht ein fuer sich bestehendes Korrelatum der Dinge, und kann keine Bedingung sein, bei der ihr stehenbleiben koennt, noch viel weniger eine empirische Bedingung, die einen Teil einer moeglichen Erfahrung ausmachte. (Denn wer kann eine Erfahrung vom Schlechthinleeren haben?) Zur absoluten Totalitaet aber der empirischen Synthesis wird jederzeit erfordert, dass das Unbedingte ein Erfahrungsbegriff sei. Also ist eine begrenzte Welt fuer euren Begriff zu klein. Zweitens, besteht jede Erscheinung im Raume (Materie) aus unendlich viel Teilen, so ist der Regressus der Teilung fuer euren Begriff jederzeit zu gross; und soll die Teilung des Raumes irgend bei einem Gliede derselben (dem Einfachen) aufhoeren, so ist er fuer die Idee des Unbedingten zu klein. Denn dieses Glied laesst noch immer einen Regressus zu mehreren in ihm enthaltenen Teilen uebrig. Drittens, nehmt ihr an: in allem, was in der Welt geschieht, sei nichts, als Erfolg nach Gesetzen der Natur, so ist die Kausalitaet der Ursache immer wiederum etwas, das geschieht, und euren Regressus zu noch hoeherer Ursache, mithin die Verlaengerung der Reihe von Bedingungen a parte priori ohne Aufhoeren notwendig macht. Die blosse wirkende Natur ist also fuer allen euren Begriff, in der Synthesis der Weltbegebenheiten, zu gross. Waehlt ihr, hin und wieder, von selbst gewirkte Begebenheiten, mithin Erzeugung aus Freiheit: so verfolgt euch das Warum nach einem unvermeidlichen Naturgesetze, und noetigt euch, ueber diesen Punkt nach dem Kausalgesetze der Erfahrung hinauszugehen, und ihr findet, dass dergleichen Totalitaet der Verknuepfung fuer euren notwendigen empirischen Begriff zu klein ist. Viertens. Wenn ihr ein schlechthin notwendiges Wesen (es sei die Welt selbst, oder etwas in der Welt, oder die Weltursache) annehmt; so setzt ihr es in eine, von dem gegebenen Zeitpunkt unendlich entfernte Zeit; weil es sonst von einem anderen und aelteren Dasein abhaengend sein wuerde. Alsdann ist aber diese Existenz fuer euren empirischen Begriff unzugaenglich und zu gross, als dass ihr jemals durch irgendeinen fortgesetzten Regressus dazu gelangen koenntet. Ist aber, eurer Meinung nach, alles was zur Welt (es sei als Bedingt oder als Bedingung) gehoert, zufaellig: so ist jede euch gegebene Existenz fuer euren Begriff zu klein. Denn sie noetigt euch, euch noch immer nach einer anderen Existenz umzusehen, von der sie abhaengig ist. Wir haben in allen diesen Faellen gesagt, dass die Weltidee fuer den empirischen Regressus, mithin jeden moeglichen Verstandesbegriff, entweder zu gross, oder auch fuer denselben zu klein sei. Warum haben wir uns nicht umgekehrt ausgedrueckt, und gesagt: dass im ersteren Falle der empirische Begriff fuer die Idee jederzeit zu klein, im zweiten aber zu gross sei, und mithin gleichsam die Schuld auf dem empirischen Regressus hafte; anstatt, dass wir die kosmologische Idee anklagten, dass sie im Zuviel oder Zuwenig von ihrem Zwecke, naemlich der moeglichen Erfahrung, abwiche? Der Grund war dieser. Moegliche Erfahrung ist das, was unseren Begriffen allein Realitaet geben kann; ohne das ist aller Begriff nur Idee, ohne Wahrheit und Beziehung auf einen Gegenstand. Daher war der moegliche empirische Begriff das Richtmass, wonach die Idee beurteilt werden musste, ob sie blosse Idee und Gedankending sei, oder in der Welt ihren Gegenstand antreffe. Denn man sagt nur von demjenigen, dass es verhaeltnisweise auf etwas anderes zu gross oder zu klein sei, was nur um dieses letzteren willen angenommen wird, und darnach eingerichtet sein muss. Zu dem Spielwerke der alten dialektischen Schulen gehoerte auch diese Frage: wenn eine Kugel nicht durch ein Loch geht, was soll man sagen: Ist die Kugel zu gross, oder das Loch zu klein? In diesem Falle ist es gleichgueltig, wie ihr euch ausdruecken wollt; denn ihr wisst nicht, welches von beiden um des anderen willen da ist. Dagegen werdet ihr nicht sagen: der Mann ist fuer sein Kleid zu lang, sondern das Kleid ist fuer den Mann zu kurz. Wir sind also wenigstens auf den gegruendeten Verdacht gebracht. dass die kosmologischen Ideen, und mit ihnen alle untereinander in Streit gesetzten vernuenftelnden Behauptungen, vielleicht einen leeren und bloss eingebildeten Begriff, von der Art, wie uns der Gegenstand dieser Ideen gegeben wird, zum Grunde liegen haben, und dieser Verdacht kann uns schon auf die rechte Spur fuehren, das Blendwerk zu entdecken, was uns so lange irregefuehrt hat. Der Antinomie der reinen Vernunft Sechster Abschnitt Der transzendentale Idealism als der Schluessel zu Aufloesung der kosmologischen Dialektik Wir haben in der transzendentalen Aesthetik hinreichend bewiesen: dass alles, was im Raume oder der Zeit angeschaut wird, mithin alle Gegenstaende einer uns moeglichen Erfahrung, nichts als Erscheinungen, d.i. blosse Vorstellungen sind, die, so wie sie vorgestellt werden, als ausgedehnte Wesen, oder Reihen von Veraenderungen, ausser unseren Gedanken keine an sich gegruendete Existenz haben. Diesen Lehrbegriff nenne ich den transzendentalen Idealism.* Der Realist in transzendentaler Bedeutung macht aus diesen Modifikationen unserer Sinnlichkeit an sich subsistierende Dinge, und daher blosse Vorstellungen zu Sachen an sich selbst. * Ich habe ihn auch sonst bisweilen den formalen Idealism genannt, um ihn von dem materialen, d.i. dem gemeinen, der die Existenz aeusserer Dinge selbst bezweifelt oder leugnet, zu unterscheiden. In manchen Faellen scheint es ratsam zu sein, sich lieber dieser als der obgenannten Ausdruecke zu bedienen, um alle Missdeutung zu verhueten. Man wuerde uns Unrecht tun, wenn man uns den schon laengst so verschrienen empirischen Idealismus zumuten wollte, der, indem er die eigene Wirklichkeit des Raumes annimmt, das Dasein der ausgedehnten Wesen in denselben leugnet, wenigstens zweifelhaft findet, und zwischen Traum und Wahrheit in diesem Stuecke keinen genugsam erweislichen Unterschied einraeumt. Was die Erscheinungen des inneren Sinnes in der Zeit betrifft, an denen, als wirklichen Dingen, findet er keine Schwierigkeit; ja er behauptet sogar, dass diese innere Erfahrung das wirkliche Dasein ihres Objekts (an sich selbst), (mit aller dieser Zeitbestimmung,) einzig und allein hinreichend beweise. Unser transzendentaler Idealism erlaubt es dagegen: dass die Gegenstaende aeusserer Anschauung, ebenso wie sie im Raume angeschaut werden, auch wirklich sind, und in der Zeit alle Veraenderungen, so wie sie der innere Sinn vorstellt. Denn, da der Raum schon eine Form derjenigen Anschauung ist, die wir die aeussere nennen, und, ohne Gegenstaende in demselben, es gar keine empirische Vorstellung geben wuerde: so koennen und muessen wir darin ausgedehnte Wesen als wirklich annehmen, und ebenso ist es auch mit der Zeit. Jener Raum selber aber, samt dieser Zeit, und, zugleich mit beiden, alle Erscheinungen, sind doch an sich selbst keine Dinge, sondern nichts als Vorstellungen, und koennen gar nicht ausser unserem Gemuet existieren, und selbst ist die innere und sinnliche Anschauung unseres Gemuets, (als Gegenstandes des Bewusstseins,) dessen Bestimmung durch die Sukzession verschiedener Zustaende in der Zeit vorgestellt wird, auch nicht das eigentliche Selbst, so wie es an sich existiert, oder das transzendentale Subjekt, sondern nur eine Erscheinung, die der Sinnlichkeit dieses uns unbekannten Wesens gegeben worden. Das Dasein dieser inneren Erscheinung, als eines so an sich existierenden Dinges, kann nicht eingeraeumt werden, weil ihre Bedingung die Zeit ist, welche keine Bestimmung irgendeines Dinges an sich selbst sein kann. In dem Raume aber und der Zeit ist die empirische Wahrheit der Erscheinungen genugsam gesichert, und von der Verwandtschaft mit dem Traume hinreichend unterschieden, wenn beide nach empirischen Gesetzen in einer Erfahrung richtig und durchgaengig zusammenhaengen. Es sind demnach die Gegenstaende der Erfahrung niemals an sich selbst, sondern nur in der Erfahrung gegeben, und existieren ausser derselben gar nicht. Dass es Einwohner im Monde geben koenne, ob sie gleich kein Mensch jemals wahrgenommen hat, muss allerdings eingeraeumt werden, aber es bedeutet nur so viel: dass wir in dem moeglichen Fortschritt der Erfahrung auf sie treffen koennten; denn alles ist wirklich, was mit einer Wahrnehmung nach Gesetzen des empirischen Fortgangs in einem Kontext steht. Sie sind also alsdann wirklich, wenn sie mit meinem wirklichen Bewusstsein in einem empirischen Zusammenhange stehen, ob sie gleich darum nicht an sich, d.i. ausser diesem Fortschritt der Erfahrung, wirklich sind. Uns ist wirklich nichts gegeben, als die Wahrnehmung und der empirische Fortschritt von dieser zu anderen moeglichen Wahrnehmungen. Denn an sich selbst sind die Erscheinungen, als blosse Vorstellungen, nur in der Wahrnehmung wirklich, die in der Tat nichts anderes ist, als die Wirklichkeit einer empirischen Vorstellung, d.i. Erscheinung. Vor der Wahrnehmung eine Erscheinung ein wirkliches Ding nennen, bedeutet entweder, dass wir im Fortgange der Erfahrung auf eine solche Wahrnehmung treffen muessen, oder es hat gar keine Bedeutung. Denn, dass sie an sich selbst, ohne Beziehung auf unsere Sinne und moegliche Erfahrung existiere, koennte allerdings gesagt werden, wenn von einem Dinge an sich selbst die Rede waere. Es ist aber bloss von einer Erscheinung im Raume und der Zeit, die beides keine Bestimmungen der Dinge an sich selbst, sondern nur unserer Sinnlichkeit sind, die Rede; daher das, was in ihnen ist, (Erscheinungen) nicht an sich Etwas, sondern blosse Vorstellungen sind, die, wenn sie nicht in uns (in der Wahrnehmung) gegeben sind, ueberall nirgend angetroffen werden. Das sinnliche Anschauungsvermoegen ist eigentlich nur eine Rezeptivitaet, auf gewisse Weise mit Vorstellungen affiziert zu werden, deren Verhaeltnis zueinander eine reine Anschauung des Raumes und der Zeit ist, (lauter Formen unserer Sinnlichkeit,) und welche, sofern sie in diesem Verhaeltnisse (dem Raume und der Zeit) nach Gesetzen der Einheit der Erfahrung verknuepft und bestimmbar sind, Gegenstaende heissen. Die nichtsinnliche Ursache dieser Vorstellungen ist uns gaenzlich unbekannt, und diese koennen wir daher nicht als Objekt anschauen; denn dergleichen Gegenstand wuerde weder im Raume, noch der Zeit (als blossen Bedingungen der sinnlichen Vorstellung) vorgestellt werden muessen, ohne welche Bedingungen wir uns gar keine Anschauung denken koennen. Indessen koennen wir die bloss intelligible Ursache der Erscheinungen ueberhaupt, das transzendentale Objekt nennen, bloss, damit wir etwas haben, was der Sinnlichkeit als einer Rezeptivitaet korrespondiert. Diesem transzendentalen Objekt koennen wir allen Umfang und Zusammenhang unserer moeglichen Wahrnehmungen zuschreiben, und sagen: dass es vor aller Erfahrung an sich selbst gegeben sei. Die Erscheinungen aber sind, ihm gemaess, nicht an sich, sondern nur in dieser Erfahrung gegeben, weil sie blosse Vorstellungen sind, die nur als Wahrnehmungen einen wirklichen Gegenstand bedeuten, wenn naemlich diese Wahrnehmung mit allen anderen nach den Regeln der Erfahrungseinheit zusammenhaengt. So kann man sagen: die wirklichen Dinge der vergangenen Zeit sind in dem transzendentalen Gegenstande der Erfahrung gegeben; sie sind aber fuer mich nur Gegenstaende und in der vergangenen Zeit wirklich, sofern als ich mir vorstelle, dass eine regressive Reihe moeglicher Wahrnehmungen, (es sei am Leitfaden der Geschichte, oder an den Fusstapfen der Ursachen und Wirkungen,) nach empirischen Gesetzen, mit einem Worte, der Weltlauf auf eine verflossene Zeitreihe als Bedingung der gegenwaertigen Zeit fuehrt, welche alsdann doch nur in dem Zusammenhange einer moeglichen Erfahrung und nicht an sich selbst als wirklich vorgestellt wird, so, dass alle von undenklicher Zeit her vor meinem Dasein verflossenen Begebenheiten doch nichts anderes bedeuten, als die Moeglichkeit der Verlaengerung der Kette der Erfahrung, von der gegenwaertigen Wahrnehmung an, aufwaerts zu den Bedingungen, welche diese der Zeit nach bestimmen. Wenn ich mir demnach alle existierenden Gegenstaende der Sinne in aller Zeit und allen Raeumen insgesamt vorstelle: so setze ich solche nicht vor der Erfahrung in beide hinein, sondern diese Vorstellung ist nichts anderes, als der Gedanke von einer moeglichen Erfahrung, in ihrer absoluten Vollstaendigkeit. In ihr allein sind jene Gegenstaende (welche nichts als blosse Vorstellungen sind) gegeben. Dass man aber sagt, sie existieren vor aller meiner Erfahrung, bedeutet nur, dass sie in dem Teile der Erfahrung, zu welchem ich, von der Wahrnehmung anhebend, allererst fortschreiten muss, anzutreffen sind. Die Ursache der empirischen Bedingungen dieses Fortschritts, mithin auf welche Glieder, oder auch, wie weit ich auf dergleichen im Regressus treffen koenne, ist transzendental und mir daher notwendig unbekannt. Aber um diese ist es auch nicht zu tun, sondern nur um die Regel des Fortschritts der Erfahrung, in der mir die Gegenstaende, naemlich Erscheinungen, gegeben werden. Es ist auch im Ausgange ganz einerlei, ob ich sage, ich koenne im empirischen Fortgange im Raume auf Sterne treffen, die hundertmal weiter entfernt sind, als die aeussersten, die ich sehe: oder ob ich sage, es sind vielleicht deren im Weltraume anzutreffen, wenn sie gleich niemals ein Mensch wahrgenommen hat, oder wahrnehmen wird; denn, wenn sie gleich als Dinge an sich selbst, ohne Beziehung auf moegliche Erfahrung, ueberhaupt gegeben waeren, so sind sie doch fuer mich nichts, mithin keine Gegenstaende, als sofern sie in der Reihe des empirischen Regressus enthalten sind. Nur in anderweitiger Beziehung, wenn eben diese Erscheinungen zur kosmologischen Idee von einem absoluten Ganzen gebraucht werden sollen, und, wenn es also um eine Frage zu tun ist, die ueber die Grenzen moeglicher Erfahrung hinausgeht, ist die Unterscheidung derart, wie man die Wirklichkeit gedachter Gegenstaende der Sinne nimmt, von Erheblichkeit, um einem trueglichen Wahne vorzubeugen, welcher aus der Missdeutung unserer eigenen Erfahrungsbegriffe unvermeidlich entspringen muss. Der Antinomie der reinen Vernunft Siebenter Abschnitt Kritische Entscheidung des kosmologischen Streits der Vernunft mit sich selbst Die ganze Antinomie der reinen Vernunft beruht auf dem dialektischen Argumente: Wenn das Bedingte gegeben ist, so ist auch die ganze Reihe aller Bedingungen desselben gegeben: nun sind uns Gegenstaende der Sinne als bedingt gegeben, folglich usw. Durch diesen Vernunftschluss, dessen Obersatz so natuerlich und einleuchtend scheint, werden nun, nach Verschiedenheit der Bedingungen (in der Synthesis der Erscheinungen), sofern sie eine Reihe ausmachen, ebensoviel kosmologische Ideen eingefuehrt, welche die absolute Totalitaet dieser Reihen postulieren und eben dadurch die Vernunft unvermeidlich in Widerstreit mit sich selbst versetzen. Ehe wir aber das Truegliche dieses vernuenftelnden Arguments aufdecken, muessen wir uns durch Berichtigung und Bestimmung gewisser darin vorkommender Begriffe dazu instand setzen. Zuerst ist folgender Satz klar und ungezweifelt gewiss: dass, wenn das Bedingte gegeben ist, uns eben dadurch ein Regressus in der Reihe aller Bedingungen zu demselben aufgegeben sei; denn dieses bringt schon der Begriff des Bedingten so mit sich, dass dadurch etwas auf eine Bedingung, und, wenn diese wiederum bedingt ist, auf eine entferntere Bedingung, und so durch alle Glieder der Reihe bezogen wird. Dieser Satz ist also analytisch und erhebt sich ueber alle Furcht vor eine transzendentale Kritik. Er ist ein logisches Postulat der Vernunft: diejenige Verknuepfung eines Begriffs mit seinen Bedingungen durch den Verstand zu verfolgen und soweit als moeglich fortzusetzen, die schon dem Begriffe selbst anhaengt. Ferner: wenn das Bedingte sowohl, als seine Bedingung, Dinge an sich selbst sind, so ist, wenn das Erstere gegeben worden, nicht bloss der Regressus zu dem Zweiten aufgegeben, sondern dieses ist dadurch wirklich schon mit gegeben, und, weil dieses von allen Gliedern der Reihe gilt, so ist die vollstaendige Reihe der Bedingungen, mithin auch das Unbedingte dadurch zugleich gegeben, oder vielmehr vorausgesetzt, dass das Bedingte, welches nur durch jene Reihe moeglich war, gegeben ist. Hier ist die Synthesis des Bedingten mit seiner Bedingung eine Synthesis des blossen Verstandes, welcher die Dinge vorstellt, wie sie sind, ohne darauf zu achten, ob, und wie wir zur Kenntnis derselben gelangen koennen. Dagegen wenn ich es mit Erscheinungen zu tun habe, die, als blosse Vorstellungen, gar nicht gegeben sind, wenn ich nicht zu ihrer Kenntnis (d.i. zu ihnen selbst, denn sie sind nichts, als empirische Kenntnisse,) gelangen so kann ich nicht in eben der Bedeutung sagen: wenn das Bedingte gegeben ist, so sind auch alle Bedingungen (als Erscheinungen) zu demselben gegeben, und kann mithin auf die absolute Totalitaet der Reihe derselben keineswegs schliessen. Denn die Erscheinungen sind, in der Apprehension, selber nichts anderes, als eine empirische Synthesis (im Raume und der Zeit) und sind also nur in dieser gegeben. Nun folgt es gar nicht, dass, wenn das Bedingte (in der Erscheinung) gegeben ist, auch die Synthesis, die seine empirische Bedingung ausmacht, dadurch mitgegeben und vorausgesetzt sei, sondern diese findet allererst im Regressus, und niemals ohne denselben, statt. Aber das kann man wohl in einem solchen Falle sagen, dass ein Regressus zu den Bedingungen, d.i. eine fortgesetzte empirische Synthesis auf dieser Seite geboten oder aufgegeben sei, und dass es nicht an Bedingungen fehlen koenne, die durch diesen Regressus gegeben werden. Hieraus erhellt, dass der Obersatz des kosmologischen Vernunftschlusses das Bedingte in transzendentaler Bedeutung einer reinen Kategorie, der Untersatz aber in empirischer Bedeutung eines auf blosse Erscheinungen angewandten Verstandesbegriffs nehmen, folglich derjenige dialektische Betrug darin angetroffen werde, den man Sophisma figurae dictionis nennt. Dieser Betrug ist aber nicht erkuenstelt, sondern eine ganz natuerliche Taeuschung der gemeinen Vernunft. Denn durch dieselbe setzen wir (im Obersatze) die Bedingungen und ihre Reihe, gleichsam unbesehen, voraus, wenn etwas als bedingt gegeben ist, weil dieses nichts anderes, als die logische Forderung ist, vollstaendige Praemissen zu einem gegebenen Schlusssatze anzunehmen, und da ist in der Verknuepfung des Bedingten mit seiner Bedingung keine Zeitordnung anzutreffen; sie werden an sich, als zugleich gegeben, vorausgesetzt. Ferner ist es ebenso natuerlich (im Untersatze) Erscheinungen als Dinge an sich und ebensowohl dem blossen Verstande gegebene Gegenstaende anzusehen, wie es im Obersatze geschah, da ich von allen Bedingungen der Anschauung, unter denen allein Gegenstaende gegeben werden koennen, abstrahierte. Nun hatten wir aber hierbei einen merkwuerdigen Unterschied zwischen den Begriffen uebersehen. Die Synthesis des Bedingten mit seiner Bedingung und die ganze Reihe der letzteren (im Obersatze) fuehrte gar nichts von Einschraenkung durch die Zeit und keinen Begriff der Sukzession bei sich. Dagegen ist die empirische Synthesis und die Reihe der Bedingungen in der Erscheinung (die im Untersatze subsumiert wird,) notwendig sukzessiv und nur in der Zeit nacheinander gegeben; folglich konnte ich die absolute Totalitaet der Synthesis und der dadurch vorgestellten Reihe hier nicht ebensowohl, als dort voraussetzen, weil dort alle Glieder der Reihe an sich (ohne Zeitbedingung) gegeben sind, hier aber nur durch den sukzessiven Regressus moeglich sind, der nur dadurch gegeben ist, dass man ihn wirklich vollfuehrt. Nach der Ueberweisung eines solchen Fehltritts, des gemeinschaftlich zum Grunde (der kosmologischen Behauptungen) gelegten Arguments, koennen beide streitenden Teile mit Recht, als solche, die ihre Forderung auf keinen gruendlichen Titel gruenden, abgewiesen werden. Dadurch aber ist ihr Zwist noch nicht insofern geendigt, dass sie ueberfuehrt worden waeren, sie, oder einer von beiden, haette in der Sache selbst, die er behauptet, (im Schlusssatze) Unrecht, wenn er sie gleich nicht auf tuechtige Beweisgruende zu bauen wusste. Es scheint doch nichts klarer, als dass von zweien, deren der eine behauptet: die Welt hat einen Anfang, der andere: die Welt hat keinen Anfang, sondern sie ist von Ewigkeit her, doch einer Recht haben muesse. Ist aber dieses, so ist es, weil die Klarheit auf beiden Seiten gleich ist, doch unmoeglich, jemals auszumitteln, auf welcher Seite das Recht sei, und der Streit dauert nach wie vor, wenn die Parteien gleich bei dem Gerichtshofe der Vernunft zur Ruhe verwiesen worden. Es bleibt also kein Mittel uebrig, den Streit gruendlich und zur Zufriedenheit beider Teile zu endigen, als dass, da sie einander doch so schoen widerlegen koennen, sie endlich ueberfuehrt werden, dass sie um nichts streiten, und ein gewisser transzendentaler Schein ihnen da eine Wirklichkeit vorgemalt habe, wo keine anzutreffen ist. Diesen Weg der Beilegung eines nicht abzuurteilenden Streits wollen wir jetzt einschlagen. * * * Der eleatische Zeno, ein subtiler Dialektiker, ist schon vom Plato als ein mutwilliger Sophist darueber sehr getadelt worden, dass er, um seine Kunst zu zeigen, einerlei Satz durch scheinbare Argumente zu beweisen und bald darauf durch andere ebenso starke wieder umzustuerzen suchte. Er behauptete, Gott (vermutlich war es bei ihm nichts als die Welt) sei weder endlich, noch unendlich, er sei weder in Bewegung, noch in Ruhe, sei keinem anderen Dinge weder aehnlich, noch unaehnlich. Es schien denen, die ihn hierueber beurteilten, er habe zwei einander widersprechende Saetze gaenzlich ableugnen wollen, welches ungereimt ist. Allein ich finde nicht, dass ihm dieses mit Recht zur Last gelegt werden koenne. Den ersteren dieser Saetze werde ich bald naeher beleuchten. Was die uebrigen betrifft, wenn er unter dem Worte: Gott, das Universum verstand, so musste er allerdings sagen: dass dieses weder in seinem Orte beharrlich gegenwaertig (in Ruhe) sei, noch denselben veraendere (sich bewege), weil alle Oerter nur im Univers, dieses selbst also in keinem Orte ist. Wenn das Weltall alles, was existiert, in sich fasst, so ist es auch sofern keinem anderen Dinge, weder aehnlich noch unaehnlich, weil es ausser ihm kein anderes Ding gibt, mit dem es koennte verglichen werden. Wenn zwei einander entgegengesetzte Urteile eine unstatthafte Bedingung voraussetzen, so fallen sie, unerachtet ihres Widerstreits (der gleichwohl kein eigentlicher Widerspruch ist), alle beide weg, weil die Bedingung wegfaellt, unter der allein jeder dieser Saetze gelten sollte. Wenn jemand sagte, ein jeder Koerper riecht entweder gut, oder er riecht nicht gut, so findet ein Drittes statt, naemlich, dass er gar nicht rieche, (ausdufte) und so koennen beide widerstreitenden Saetze falsch sein. Sage ich, er ist entweder wohlriechend, oder er ist nicht wohlriechend: (vel suaveolens vel non suaveolens) so sind beide Urteile einander kontradiktorisch entgegengesetzt und nur der erste ist falsch, sein kontradiktorisches Gegenteil aber, naemlich einige Koerper sind nicht wohlriechend, befasst auch die Koerper in sich, die gar nicht riechen. In der vorigen Entgegenstellung (per disparata) blieb die zufaellige Bedingung des Begriffs der Koerper (der Geruch) noch bei dem widerstreitenden Urteile, und wurde durch dieses also nicht mit aufgehoben, daher war das letztere nicht das kontradiktorische Gegenteil des ersteren. Sage ich demnach: die Welt ist dem Raume nach entweder unendlich, oder sie ist nicht unendlich (non est infinitus), so muss, wenn der erstere Satz falsch ist, sein kontradiktorisches Gegenteil: die Welt ist nicht unendlich, wahr sein. Dadurch wuerde ich nur eine unendliche Welt aufheben, ohne eine andere, naemlich die endliche, zu setzen. Hiesse es aber: die Welt ist entweder unendlich, oder endlich (nichtunendlich,) so koennten beide falsch sein. Denn ich sehe alsdann die Welt, als an sich selbst, ihrer Groesse nach bestimmt an, indem ich in dem Gegensatz nicht bloss die Unendlichkeit aufhebe, und, mit ihr, vielleicht ihre ganze abgesonderte Existenz, sondern eine Bestimmung zur Welt, als einem an sich selbst wirklichen Dinge, hinzusetzen welches ebensowohl falsch sein kann, wenn naemlich die Welt gar nicht als ein Ding an sich, mithin auch nicht ihrer Groesse nach, weder als unendlich, noch als endlich gegeben sein sollte. Man erlaube mir, dass ich dergleichen Entgegensetzung die dialektische, die des Widerspruchs aber die analytische Opposition nennen darf. Also koennen von zwei dialektisch einander entgegengesetzten Urteilen alle beide falsch sein, darum, weil eines dem anderen nicht bloss widerspricht, sondern etwas mehr sagt, als zum Widerspruche erforderlich ist. Wenn man die zwei Saetze: die Welt ist der Groesse nach unendlich, die Welt ist ihrer Groesse nach endlich, als einander kontradiktorisch entgegengesetzte ansieht, so nimmt man an, dass die Welt (die ganze Reihe der Erscheinungen) ein Ding an sich selbst sei. Denn sie bleibt, ich mag den unendlichen oder endlichen Regressus in der Reihe ihrer Erscheinungen aufheben. Nehme ich aber diese Voraussetzung, oder diesen transzendentalen Schein weg, und leugne, dass sie ein Ding an sich selbst sei, so verwandelt sich der kontradiktorische Widerstreit beider Behauptungen in einen bloss dialektischen, und weil die Welt gar nicht an sich (unabhaengig von der regressiven Reihe meiner Vorstellungen) existiert, so existiert sie weder als ein an sich unendliches, noch als ein an sich endliches Ganzes. Sie ist nur im empirischen Regressus der Reihe der Erscheinungen und fuer sich selbst gar nicht anzutreffen. Daher, wenn diese jederzeit bedingt ist, so ist sie niemals ganz gegeben, und die Welt ist also kein unbedingtes Ganzes, existiert also auch nicht als ein solches, weder mit unendlicher, noch endlicher Groesse. Was hier von der ersten kosmologischen Idee, naemlich der absoluten Totalitaet der Groesse in der Erscheinung gesagt worden, gilt auch von allen uebrigen. Die Reihe der Bedingungen ist nur in der regressiven Synthesis selbst, nicht aber an sich in der Erscheinung, als einem eigenen, vor allem Regressus gegebenen Dinge, anzutreffen. Daher werde ich auch sagen muessen: die Menge der Teile in einer gegebenen Erscheinung ist an sich weder endlich, noch unendlich, weil Erscheinung nichts an sich selbst Existierendes ist, und die Teile allererst durch den Regressus der dekomponierenden Synthesis, und in demselben, gegeben werden, welcher Regressus niemals schlechthin ganz, weder als endlich, noch als unendlich gegeben ist. Eben das gilt von der Reihe der uebereinander geordneten Ursachen, oder der bedingten bis zur unbedingt notwendigen Existenz, welche niemals weder an sich ihrer Totalitaet nach als endlich, noch als unendlich angesehen werden kann, weil sie als Reihe subordinierter Vorstellungen nur im dynamischen Regressus besteht, vor demselben aber, und als fuer sich bestehende Reihe von Dingen, an sich selbst gar nicht existieren kann. So wird demnach die Antinomie der reinen Vernunft bei ihren kosmologischen Ideen gehoben, dadurch, dass gezeigt wird, sie sei bloss dialektisch und ein Widerstreit eines Scheins, der daher entspringt, dass man die Idee der absoluten Totalitaet, welche nur als eine Bedingung der Dinge an sich selbst gilt, auf Erscheinungen angewandt hat, die nur in der Vorstellung, und, wenn sie eine Reihe ausmachen, im sukzessiven Regressus, sonst aber gar nicht existieren. Man kann aber auch umgekehrt aus dieser Antinomie einen wahren, zwar nicht dogmatischen, aber doch so kritischen und doktrinalen Nutzen ziehen: naemlich die transzendentale Idealitaet der Erscheinungen dadurch indirekt zu beweisen, wenn jemand etwa an dem direkten Beweise in der transzendentalen Aesthetik nicht genug haette. Der Beweis wuerde in diesem Dilemma bestehen. Wenn die Welt ein an sich existierendes Ganzes ist: so ist sie entweder endlich, oder unendlich. Nun ist das erstere sowohl als das zweite falsch (laut der oben angefuehrten Beweise der Antithesis, einer-, und der Thesis andererseits). Also ist es auch falsch, dass die Welt (der Inbegriff aller Erscheinungen) ein an sich existierendes Ganzes sei. Woraus denn folgt, dass Erscheinungen ueberhaupt ausser unseren Vorstellungen nichts sind, welches wir eben durch die transzendentale Idealitaet derselben sagen wollten. Diese Anmerkung ist von Wichtigkeit. Man sieht daraus, dass die obigen Beweise der vierfachen Antinomie nicht Blendwerke, sondern gruendlich waren, unter der Voraussetzung naemlich, dass Erscheinungen oder eine Sinnenwelt, die sie insgesamt in sich begreift, Dinge an sich selbst waeren. Der Widerstreit der daraus gezogenen Saetze entdeckt aber, dass in der Voraussetzung eine Falschheit liege, und bringt uns dadurch zu einer Entdeckung der wahren Beschaffenheit der Dinge, als Gegenstaende der Sinne. Die transzendentale Dialektik tut also keineswegs dem Skeptizism einigen Vorschub, wohl aber der skeptischen Methode, welche an ihr ein Beispiel ihres grossen Nutzens aufweisen kann, wenn man die Argumente der Vernunft in ihrer groessten Freiheit gegeneinander auftreten laesst, die, ob sie gleich zuletzt nicht dasjenige, was man suchte, dennoch jederzeit etwas Nuetzliches und zur Berichtigung unserer Urteile Dienliches, liefern werden. Der Antinomie der reinen Vernunft Achter Abschnitt Regulatives Prinzip der reinen Vernunft in Ansehung der kosmologischen Ideen Da durch den kosmologischen Grundsatz der Totalitaet kein Maximum der Reihe von Bedingungen in einer Sinnenwelt, als einem Dinge an sich selbst, gegeben wird, sondern bloss im Regressus derselben aufgegeben werden kann, so behaelt der gedachte Grundsatz der reinen Vernunft, in seiner dergestalt berichtigten Bedeutung, annoch seine gute Gueltigkeit, zwar nicht als Axiom, die Totalitaet im Objekt als wirklich zu denken, sondern als ein Problem fuer den Verstand, also fuer das Subjekt, um, der Vollstaendigkeit in der Idee gemaess, den Regressus in der Reihe der Bedingungen zu einem gegebenen Bedingten anzustellen und fortzusetzen. Denn in der Sinnlichkeit, d.i. im Raume und der Zeit, ist jede Bedingung, zu der wir in der Exposition gegebener Erscheinungen gelangen koennen, wiederum bedingt; weil diese keine Gegenstaende an sich selbst sind, an denen allenfalls das Schlechthinunbedingte stattfinden koennte, sondern bloss empirische Vorstellungen, die jederzeit in der Anschauung ihre Bedingung finden muessen, welche sie dem Raume oder der Zeit nach bestimmt. Der Grundsatz der Vernunft also ist eigentlich nur eine Regel, welche in der Reihe der Bedingungen gegebener Erscheinungen einen Regressus gebietet, dem es niemals erlaubt ist, bei einem Schlechthinunbedingten stehen zu bleiben. Er ist also kein Prinzipium der Moeglichkeit der Erfahrung und der empirischen Erkenntnis der Gegenstaende der Sinne, mithin kein Grundsatz des Verstandes; denn jede Erfahrung ist in ihren Grenzen (der gegebenen Anschauung gemaess) eingeschlossen, auch kein konstitutives Prinzip der Vernunft, den Begriff der Sinnenwelt ueber alle moegliche Erfahrung zu erweitern, sondern ein Grundsatz der groesstmoeglichen Fortsetzung und Erweiterung der Erfahrung, nach welchem keine empirische Grenze fuer absolute Grenze gelten muss, also ein Prinzipium der Vernunft, welches, als Regel, postuliert, was von uns im Regressus geschehen soll, und nicht antizipiert, was im Objekte vor allem Regressus an sich gegeben ist. Daher nenne ich es ein regulatives Prinzip der Vernunft, da hingegen der Grundsatz der absoluten Totalitaet der Reihe der Bedingungen, als im Objekte (den Erscheinungen) an sich selbst gegeben, ein konstitutives kosmologisches Prinzip sein wuerde, dessen Nichtigkeit ich eben durch diese Unterscheidung habe anzeigen und dadurch verhindern wollen, dass man nicht, wie sonst unvermeidlich geschieht, (durch transzendentale Subreption,) einer Idee, welche bloss zur Regel dient, objektive Realitaet beimesse. Um nun den Sinn dieser Regel der reinen Vernunft gehoerig zu bestimmen, so ist zuvoerderst zu bemerken, dass sie nicht sagen koenne, was das Objekt sei, sondern wie der empirische Regressus anzustellen sei, um zu dem vollstaendigen Begriffe des Objekts zu gelangen. Denn, faende das erstere statt, so wuerde sie ein konstitutives Prinzipium sein, dergleichen aus reiner Vernunft niemals moeglich ist. Man kann also damit keineswegs die Absicht haben, zu sagen, die Reihe der Bedingungen zu einem gegebenen Bedingten sei an sich endlich, oder unendlich; denn dadurch wuerde eine blosse Idee der absoluten Totalitaet, die lediglich in ihr selbst geschaffen ist, einen Gegenstand denken, der in keiner Erfahrung gegeben werden kann, indem einer Reihe von Erscheinungen eine von der empirischen Synthesis unabhaengige objektive Realitaet erteilt wuerde. Die Vernunftidee wird also nur der regressiven Synthesis in der Reihe der Bedingungen eine Regel vorschreiben, nach welcher sie vom Bedingten, vermittelst aller einander untergeordneten Bedingungen, zum Unbedingten fortgeht, obgleich dieses niemals erreicht wird. Denn das Schlechthinunbedingte wird in der Erfahrung gar nicht angetroffen. Zu diesem Ende ist nun erstlich die Synthesis einer Reihe, sofern sie niemals vollstaendig ist, genau zu bestimmen. Man bedient sich in dieser Absicht gewoehnlich zweier Ausdruecke, die darin etwas unterscheiden sollen, ohne dass man doch den Grund dieser Unterscheidung recht anzugeben weiss. Die Mathematiker sprechen lediglich von einem progressus in infinitum. Die Forscher der Begriffe (Philosophen) wollen an dessen Statt nur den Ausdruck von einem progressus in indefinitum gelten lassen. Ohne mich bei der Pruefung der Bedenklichkeit, die diesen eine solche Unterscheidung angeraten hat, und dem guten oder fruchtlosen Gebrauch derselben aufzuhalten, will ich diese Begriffe in Beziehung auf meine Absicht genau zu bestimmen suchen. Von einer geraden Linie kann man mit Recht sagen, sie koenne ins Unendliche verlaengert werden, und hier wuerde die Unterscheidung des Unendlichen und des unbestimmbar weiten Fortgangs (progressus in indefinitum) eine leere Subtilitaet sein. Denn, obgleich, wenn es heisst: ziehet eine Linie fort, es freilich richtiger lautet, wenn man hinzusetzt, in indefinitum, als wenn es heisst, in infinitum; weil das erstere nicht mehr bedeutet, als: verlaengert sie, so weit ihr wollt, das zweite aber: ihr sollt niemals aufhoeren sie zu verlaengern, (welches hierbei eben nicht die Absicht ist,) so ist doch, wenn nur vom koennen die Rede ist, der erstere Ausdruck ganz richtig; denn ihr koennt sie ins Unendliche immer groesser machen. Und so verhaelt es sich auch in allen Faellen, wo man nur vom Progressus, d.i. dem Fortgange von der Bedingung zum Bedingten, spricht; dieser moegliche Fortgang geht in der Reihe der Erscheinungen ins Unendliche. Von einem Elternpaar koennt ihr in absteigender Linie der Zeugung ohne Ende fortgehen und euch auch ganz wohl denken, dass sie wirklich in der Welt so fortgehe. Denn hier bedarf die Vernunft niemals absolute Totalitaet der Reihe, weil sie solche nicht als Bedingung und wie gegeben (datum) vorausgesetzt, sondern nur als was Bedingtes, das nur angeblich (dabile) ist, und ohne Ende hinzugesetzt wird. Ganz anders ist es mit der Aufgabe bewandt: wie weit sich der Regressus, der von dem gegebenen Bedingten zu den Bedingungen in einer Reihe aufsteigt, erstrecke, ob ich sagen koenne: es sei ein Rueckgang ins Unendliche, oder nur ein unbestimmbar weit (in indefinitum) sich erstreckender Rueckgang, und ob ich also von den jetztlebenden Menschen, in der Reihe ihrer Voreltern, ins Unendliche aufwaerts steigen koenne, oder ob nur gesagt werden koenne: dass, so weit ich auch zurueckgegangen bin, niemals ein empirischer Grund angetroffen werde, die Reihe irgendwo fuer begrenzt zu halten, so dass ich berechtigt und zugleich verbunden bin, zu jedem der Urvaeter noch fernerhin seinen Vorfahren aufzusuchen, obgleich eben nicht vorauszusetzen. Ich sage demnach: wenn das Ganze in der empirischen Anschauung gegeben worden, so geht der Regressus in der Reihe seiner inneren Bedingungen ins Unendliche. Ist aber nur ein Glied der Reihe gegeben, von welchem der Regressus zur absoluten Totalitaet allererst fortgehen soll: so findet nur ein Rueckgang in unbestimmte Weise (in indefinitum) statt. So muss von der Teilung einer zwischen ihren Grenzen gegebenen Materie (eines Koerpers) gesagt werden: sie gehe ins Unendliche. Denn diese Materie ist ganz, folglich mit allen ihren moeglichen Teilen, in der empirischen Anschauung gegeben. Da nun die Bedingung dieses Ganzen sein Teil, und die Bedingung dieses Teils der Teil vom Teile usw. ist, und in diesem Regressus der Dekomposition niemals ein unbedingtes (unteilbares) Glied dieser Reihe von Bedingungen angetroffen wird, so ist nicht allein nirgend ein empirischer Grund, in der Teilung aufzuhoeren, sondern die ferneren Glieder der fortzusetzenden Teilung sind selbst vor dieser weitergehenden Teilung empirisch gegeben, d.i. die Teilung geht ins Unendliche. Dagegen ist die Reihe der Voreltern zu einem gegebenen Menschen in keiner moeglichen Erfahrung, in ihrer absoluten Totalitaet, gegeben, der Regressus aber geht doch von jedem Gliede dieser Zeugung zu einem hoeheren, so, dass keine empirische Grenze anzutreffen ist, die ein Glied, als schlechthin unbedingt, darstellte. Da aber gleichwohl auch die Glieder, die hierzu die Bedingung abgeben koennten, nicht in der empirischen Anschauung des Ganzen schon vor dem Regressus liegen: so geht dieser nicht ins Unendliche (der Teilung des Gegebenen), sondern in unbestimmbare Weite, der Aufsuchung mehrerer Glieder zu den gegebenen, die wiederum jederzeit nur bedingt gegeben sind. In keinem von beiden Faellen, sowohl dem regressus in infinitum, als dem in indefinitum, wird die Reihe der Bedingungen als unendlich im Objekt gegeben angesehen. Es sind nicht Dinge, die an sich selbst, sondern nur Erscheinungen, die, als Bedingungen voneinander, nur im Regressus selbst gegeben werden. Also ist die Frage nicht mehr: wie gross diese Reihe der Bedingungen an sich selbst sei, ob endlich oder unendlich, denn sie ist nichts an sich selbst, sondern: wie wir den empirischen Regressus anstellen, und wie weit wir ihn fortsetzen sollen. Und da ist denn ein namhafter Unterschied in Ansehung der Regel dieses Fortschritts. Wenn das Ganze empirisch gegeben worden, so ist es moeglich, ins Unendliche in der Reihe seiner inneren Bedingungen zurueckzugehen. Ist jenes aber nicht gegeben, sondern soll durch empirischen Regressus allererst gegeben werden, so kann ich nur sagen: es ist ins Unendliche moeglich, zu noch hoeheren Bedingungen der Reihe fortzugehen. Im ersteren Falle konnte ich sagen: es sind immer mehr Glieder da, und empirisch gegeben, als ich durch den Regressus (der Dekomposition) erreiche; im zweiten aber: ich kann im Regressus noch immer weiter gehen, weil kein Glied als schlechthin unbedingt empirisch gegeben ist, und also noch immer ein hoeheres Glied als moeglich und mithin die Nachfrage nach demselben als notwendig zulaesst. Dort war es notwendig, mehr Glieder der Reihe anzutreffen, hier aber ist es immer notwendig, nach mehreren zu fragen, weil keine Erfahrung absolut begrenzt. Denn ihr habt entweder keine Wahrnehmung, die euren empirischen Regressus schlechthin begrenzt, und dann muesst ihr euren Regressus nicht fuer vollendet halten, oder habt eine solche eure Reihe begrenzende Wahrnehmung, so kann diese nicht ein Teil eurer zurueckgelegten Reihe sein, (weil das, was begrenzt, von dem, was dadurch begrenzt wird, unterschieden sein muss,) und ihr muesst also euren Regressus auch zu dieser Bedingung weiter fortsetzen, und so fortan. Der folgende Abschnitt wird diese Bemerkungen durch ihre Anwendung in ihr gehoeriges Licht setzen. Der Antinomie der reinen Vernunft Neunter Abschnitt Von dem empirischen Gebrauche des regulativen Prinzips der Vernunft, in Ansehung aller kosmologischen Ideen Da es, wie wir mehrmalen gezeigt haben, keinen transzendentalen Gebrauch so wenig von reinen Verstandes- als Vernunftbegriffen gibt, da die absolute Totalitaet der Reihen der Bedingungen in der Sinnenwelt sich lediglich auf einen transzendentalen Gebrauch der Vernunft fusst, welche diese unbedingte Vollstaendigkeit von demjenigen fordert, was sie als Ding an sich selbst voraussetzt; da die Sinnenwelt aber dergleichen nicht enthaelt, so kann die Rede niemals mehr von der absoluten Groesse der Reihen in derselben sein, ob sie begrenzt, oder an sich unbegrenzt sein moegen, sondern nur, wie weit wir im empirischen Regressus, bei Zurueckfuehrung der Erfahrung auf ihre Bedingungen, zurueckgehen sollen, um nach der Regel der Vernunft bei keiner anderen, als dem Gegenstande angemessenen Beantwortung der Fragen derselben stehenzubleiben. Es ist also nur die Gueltigkeit des Vernunftprinzips, als einer Regel der Fortsetzung und Groesse einer moeglichen Erfahrung, die uns allein uebrig bleibt, nachdem seine Ungueltigkeit, als eines konstitutiven Grundsatzes der Erscheinungen an sich selbst, hinlaenglich dargetan worden. Auch wird, wenn wir jene ungezweifelt vor Augen legen koennen, der Streit der Vernunft mit sich selbst voellig geendigt, indem nicht allein durch kritische Aufloesung der Schein, der sie mit sich entzweite, aufgehoben worden, sondern an dessen Statt der Sinn, in welchem sie mit sich selbst zusammenstimmt und dessen Missdeutung allein den Streit veranlasste, aufgeschlossen, und ein sonst dialektischer Grundsatz in einen doktrinalen verwandelt wird. In der Tat, wenn dieser, seiner subjektiven Bedeutung nach, den groesstmoeglichen Verstandesgebrauch in der Erfahrung den Gegenstaenden derselben angemessen zu bestimmen, bewaehrt werden kann: so ist es gerade ebensoviel, als ob er wie ein Axiom (welches aus reiner Vernunft unmoeglich ist) die Gegenstaende an sich selbst a priori bestimmte; denn auch dieses koennte in Ansehung der Objekte der Erfahrung keinen groesseren Einfluss auf die Erweiterung und Berichtigung unserer Erkenntnis haben, als dass es sich in dem ausgebreitetsten Erfahrungsgebrauche unseres Verstandes taetig bewiese. I. Aufloesung der kosmologischen Idee von der Totalitaet der Zusammensetzung der Erscheinungen von einem Weltganzen Sowohl hier, als bei den uebrigen kosmologischen Fragen, ist der Grund des regulativen Prinzips der Vernunft der Satz: dass im empirischen Regressus keine Erfahrung von einer absoluten Grenze, mithin von keiner Bedingung, als einer solchen, die empirisch schlechthin unbedingt sei, angetroffen werden koenne. Der Grund davon aber ist: dass eine dergleichen Erfahrung eine Begrenzung der Erscheinungen durch Nichts, oder das Leere, darauf der fortgefuehrte Regressus vermittelst einer Wahrnehmung stossen koennte, in sich enthalten muesste, welches unmoeglich ist. Dieser Satz nun, der ebensoviel sagt, als: dass ich im empirischen Regressus jederzeit nur zu einer Bedingung gelange, die selbst wiederum als empirisch bedingt angesehen werden muss, enthaelt die Regel in terminis: dass, so weit ich auch damit in der aufsteigenden Reihe gekommen sein moege, ich jederzeit nach einem hoeheren Gliede der Reihe fragen muesse, es mag mir dieses nun durch Erfahrung bekannt werden, oder nicht. Nun ist zur Aufloesung der ersten kosmologischen Aufgabe nichts weiter noetig, als noch auszumachen: ob in dem Regressus zu der unbedingten Groesse des Weltganzen (der Zeit und dem Raume nach) dieses niemals begrenzte Aufsteigen ein Rueckgang ins Unendliche heissen koenne, oder nur ein unbestimmbar fortgesetzter Regressus (in indefinitum). Die blosse allgemeine Vorstellung der Reihe aller vergangenen Weltzustaende, imgleichen der Dinge, welche im Weltraume zugleich sind, ist selbst nichts anderes, als ein moeglicher empirischer Regressus, den ich mir, obzwar noch unbestimmt, denke, und wodurch der Begriff einer solchen Reihe von Bedingungen zu der gegebenen Wahrnehmung allein entstehen kann*. Nun habe ich das Weltganze jederzeit nur im Begriffe, keineswegs aber (als Ganzes) in der Anschauung. Also kann ich nicht von seiner Groesse auf die Groesse des Regressus schliessen, und diese jener gemaess bestimmen, sondern ich muss mir allererst einen Begriff von der Weltgroesse durch die Groesse des empirischen Regressus machen. Von diesem aber weiss ich niemals etwas mehr, als dass ich von jedem gegebenen Gliede der Reihe von Bedingungen immer noch zu einem hoeheren (entfernteren) Gliede empirisch fortgehen muesse. Also ist dadurch die Groesse des Ganzen der Erscheinungen gar nicht schlechthin bestimmt, mithin kann man auch nicht sagen, dass dieser Regressus ins Unendliche gehe, weil dieses die Glieder, dahin der Regressus noch nicht gelangt ist, antizipieren und ihre Menge so gross vorstellen wuerde, dass keine empirische Synthesis dazu gelangen kann, folglich die Weltgroesse vor dem Regressus (wenn gleich nur negativ) bestimmen wuerde, welches unmoeglich ist. Denn diese ist mir durch keine Anschauung (ihrer Totalitaet nach) mithin auch ihre Groesse vor dem Regressus gar nicht gegeben. Demnach koennen wir von der Weltgroesse an sich gar nichts sagen, auch nicht einmal, dass in ihr ein regressus in infinitum stattfinde, sondern muessen nur nach der Regel, die den empirischen Regressus in ihr bestimmt, den Begriff von ihrer Groesse suchen. Diese Regel aber sagt nichts mehr, als dass, so weit wir auch in der Reihe der empirischen Bedingungen gekommen sein moegen, wir nirgend eine absolute Grenze annehmen sollen, sondern jede Erscheinung, als bedingt, einer anderen, als ihrer Bedingung, unterordnen, zu dieser also ferner fortschreiten muessen, welches der regressus in indefinitum ist, der, weil er keine Groesse im Objekt bestimmt, von dem in infinitum deutlich genug zu unterscheiden ist. * Diese Weltreihe kann also auch weder groesser, noch kleiner sein, als der moegliche empirische Regressus, auf dem allein ihr Begriff beruht. Und da dieser kein bestimmtes Unendliches, ebensowenig aber auch ein bestimmtendliches (schlechthin Begrenztes) geben kann: so ist daraus klar, dass wir die Weltgroesse weder als endlich, noch unendlich annehmen koennen, weil der Regressus (dadurch jene vorgestellt wird) keines von beiden zulaesst. Ich kann demnach nicht sagen: die Welt ist der vergangenen Zeit, oder dem Raume nach unendlich. Denn dergleichen Begriff von Groesse, als einer gegebenen Unendlichkeit, ist empirisch, mithin auch in Ansehung der Welt, als eines Gegenstandes der Sinne, schlechterdings unmoeglich. Ich werde auch nicht sagen: der Regressus von einer gegebenen Wahrnehmung an, zu allen dem, was diese im Raume sowohl, als der vergangenen Zeit, in einer Reihe begrenzt, geht ins Unendliche; denn dieses setzt die unendliche Weltgroesse voraus; auch nicht: sie ist endlich; denn die absolute Grenze ist gleichfalls empirisch unmoeglich. Demnach werde ich nichts von dem ganzen Gegenstande der Erfahrung (der Sinnenwelt), sondern nur von der Regel, nach welcher Erfahrung ihrem Gegenstande angemessen, angestellt und fortgesetzt werden soll, sagen koennen. Auf die kosmologische Frage also, wegen der Weltgroesse, ist die erste und negative Antwort: die Welt hat keinen ersten Anfang der Zeit und keine aeusserste Grenze dem Raume nach. Denn im entgegengesetzten Falle wuerde sie durch die leere Zeit einer-, und durch den leeren Raum andererseits begrenzt sein. Da sie nun, als Erscheinung, keines von beiden an sich selbst sein kann, denn Erscheinung ist kein Ding an sich selbst, so muesste eine Wahrnehmung der Begrenzung durch schlechthin leere Zeit, oder leeren Raum, moeglich sein, durch welche diese Weltenden in einer moeglichen Erfahrung gegeben waeren. Eine solche Erfahrung aber, als voellig leer an Inhalt, ist unmoeglich. Also ist eine absolute Weltgrenze empirisch, mithin auch schlechterdings unmoeglich*. * Man wird bemerken: dass der Beweis hier auf ganz andere Art gefuehrt worden, als der dogmatische, oben in der Antithesis der ersten Antinomie. Daselbst hatten wir die Sinnenwelt, nach der gemeinen und dogmatischen Vorstellungsart, fuer ein Ding, was an sich selbst, vor allem Regressus, seiner Totalitaet nach gegeben war, gelten lassen, und hatten ihr, wenn sie nicht alle Zeit und alle Raeume einnaehme, ueberhaupt irgendeine bestimmte Stelle in beiden abgesprochen. Daher war die Folgerung auch anders, als hier, naemlich es wurde auf die wirkliche Unendlichkeit derselben geschlossen. Hieraus folgt denn zugleich die bejahende Antwort: der Regressus in der Reihe der Welterscheinungen, als eine Bestimmung der Weltgroesse, geht in indefinitum, welches ebenso viel sagt, als: die Sinnenwelt hat keine absolute Groesse, sondern der empirische Regressus (wodurch sie auf der Seite ihrer Bedingungen allein gegeben werden kann) hat seine Regel, naemlich von einem jeden Gliede der Reihe, als einem Bedingten, jederzeit zu einem noch entfernteren (es sei durch eigene Erfahrung, oder den Leitfaden der Geschichte, oder die Kette der Wirkungen und ihrer Ursachen,) fortzuschreiten, und sich der Erweiterung des moeglichen empirischen Gebrauchs seines Verstandes nirgend zu ueberheben, welches denn auch das eigentliche und einzige Geschaeft der Vernunft bei ihren Prinzipien ist. Ein bestimmter empirischer Regressus, der in einer gewissen Art von Erscheinungen ohne Aufhoeren fortginge, wird hierdurch nicht vorgeschrieben, z.B. dass man von einem lebenden Menschen immer in einer Reihe von Voreltern aufwaerts steigen muesse, ohne ein erstes Paar zu erwarten, oder in der Reihe der Weltkoerper, ohne eine aeusserste Sonne zuzulassen; sondern es wird nur der Fortschritt von Erscheinungen zu Erscheinungen geboten, sollten diese auch keine wirkliche Wahrnehmung (wenn sie dem Grade nach fuer unser Bewusstsein zu schwach ist, um Erfahrung zu werden) abgeben, weil sie dem ungeachtet doch zur moeglichen Erfahrung gehoeren. Aller Anfang ist in der Zeit, und alle Grenze des Ausgedehnten im Raume. Raum und Zeit aber sind nur in der Sinnenwelt. Mithin sind nur Erscheinungen in der Welt bedingterweise, die Welt aber selbst weder bedingt, noch auf unbedingte Art begrenzt. Eben um deswillen, und da die Welt niemals ganz, und selbst die Reihe der Bedingungen zu einem gegebenen Bedingten nicht, als Weltreihe, ganz gegeben werden kann, ist der Begriff von der Weltgroesse nur durch den Regressus, und nicht vor demselben in einer kollektiven Anschauung, gegeben. Jener besteht aber immer nur im Bestimmen der Groesse, und gibt also keinen bestimmten Begriff, als auch keinen Begriff von einer Groesse, die in Ansehung eines gewissen Masses unendlich waere, geht also nicht ins Unendliche (gleichsam gegebene), sondern in unbestimmte Weite, um eine Groesse (der Erfahrung) zu geben, die allererst durch diesen Regressus wirklich wird. II. Aufloesung der kosmologischen Idee von der Totalitaet der Teilung eines gegebenen Ganzen in der Anschauung Wenn ich ein Ganzes, das in der Anschauung gegeben ist, teile, so gehe ich von einem Bedingten zu den Bedingungen seiner Moeglichkeit. Die Teilung der Teile (subdivisio oder decompositio) ist ein Regressus in der Reihe dieser Bedingungen. Die absolute Totalitaet dieser Reihe wuerde nur alsdann gegeben sein, wenn der Regressus bis zu einfachen Teilen gelangen koennte. Sind aber alle Teile in einer kontinuierlich fortgehenden Dekomposition immer wiederum teilbar, so geht die Teilung, d.i. der Regressus, von dem Bedingten zu seinen Bedingungen in infinitum; weil die Bedingungen (die Teile) in dem Bedingten selbst enthalten sind, und, da dieses in einer zwischen seinen Grenzen eingeschlossenen Anschauung ganz gegeben ist, insgesamt auch mit gegeben sind. Der Regressus darf also nicht bloss ein Rueckgang in indefinitum genannt werden, wie es die vorige kosmologische Idee allein erlaubte, da ich vom Bedingten zu seinen Bedingungen, die, ausser demselben, mithin nicht dadurch zugleich mit so gegeben waren, sondern die im empirischen Regressus allererst hinzukamen, fortgehen sollte. Diesem ungeachtet ist es doch keineswegs erlaubt, von einem solchen Ganzen, das ins Unendliche teilbar ist, zu sagen: es bestehe aus unendlich viel Teilen. Denn obgleich alle Teile in der Anschauung des Ganzen enthalten sind, so ist doch darin nicht die ganze Teilung enthalten, welche nur in der fortgehenden Dekomposition, oder dem Regressus selbst besteht, der die Reihe allererst wirklich macht. Da dieser Regressus nun unendlich ist, so sind zwar alle Glieder (Teile), zu denen er gelangt, in dem gegebenen Ganzen als Aggregate enthalten, aber nicht die ganze Reihe der Teilung, welche sukzessivunendlich und niemals ganz ist, folglich keine unendliche Menge, und keine Zusammennehmung derselben in einem Ganzen darstellen kann. Diese allgemeine Erinnerung laesst sich zuerst sehr leicht auf den Raum anwenden. Ein jeder in seinen Grenzen angeschauter Raum ist ein solches Ganzes, dessen Teile bei aller Dekomposition immer wiederum Raeume sind, und ist daher ins Unendliche teilbar. Hieraus folgt auch ganz natuerlich die weite Anwendung, auf eine in ihren Grenzen eingeschlossene aeussere Erscheinung (Koerper). Die Teilbarkeit desselben gruendet sich auf die Teilbarkeit des Raumes, der die Moeglichkeit des Koerpers, als eines ausgedehnten Ganzen, ausmacht. Dieser ist also ins Unendliche teilbar, ohne doch darum aus unendlich viel Teilen zu bestehen. Es scheint zwar: dass, da ein Koerper als Substanz im Raume vorgestellt werden muss, er, was das Gesetz der Teilbarkeit des Raumes betrifft, hierin von diesem unterschieden sein werde: denn man kann es allenfalls wohl zugeben: dass die Dekomposition im letzteren niemals alle Zusammensetzung wegschaffen koenne, indem alsdann sogar aller Raum, der sonst nichts Selbststaendiges hat, aufhoeren wuerde (welches unmoeglich ist); allein dass, wenn alle Zusammensetzung der Materie in Gedanken aufgehoben wuerde, gar nichts uebrigbleiben solle, scheint sich nicht mit dem Begriffe einer Substanz vereinigen zu lassen, die eigentlich das Subjekt aller Zusammensetzung sein sollte, und in ihren Elementen uebrigbleiben muesste, wenngleich die Verknuepfung derselben im Raume, dadurch sie einen Koerper ausmachen, aufgehoben waere. Allein mit dem, was in der Erscheinung Substanz heisst, ist es nicht so bewandt, als man es wohl von einem Dinge an sich selbst durch reinen Verstandesbegriff denken wuerde. Jenes ist nicht absolutes Subjekt, sondern beharrliches Bild der Sinnlichkeit und nichts als Anschauung, in der ueberall nichts Unbedingtes angetroffen wird. Ob nun aber gleich diese Regel des Fortschritts ins Unendliche bei der Subdivision einer Erscheinung, als einer blossen Erfuellung des Raumes, ohne allen Zweifel stattfindet: so kann sie doch nicht gelten, wenn wir sie auch auf die Menge der auf gewisse Weise in dem gegebenen Ganzen schon abgesonderten Teile, dadurch diese ein quantum discretum ausmachen, erstrecken wollen. Annehmen, dass in jedem gegliederten (organisierten) Ganzen ein jeder Teil wiederum gegliedert sei, und dass man auf solche Art, bei Zerlegung der Teile ins Unendliche, immer neue Kunstteile antreffe, mit einem Worte, dass das Ganze ins Unendliche gegliedert sei, will sich gar nicht denken lassen, obzwar wohl, dass die Teile der Materie, bei ihrer Dekomposition ins Unendliche, gegliedert werden koennten. Denn die Unendlichkeit der Teilung einer gegebenen Erscheinung im Raume gruendet sich allein darauf, dass durch diese bloss die Teilbarkeit, d.i. eine an sich schlechthin unbestimmte Menge von Teilen gegeben ist, die Teile selbst aber nur durch die Subdivision gegeben und bestimmt werden, kurz, dass das Ganze nicht an sich selbst schon eingeteilt ist. Daher die Teilung eine Menge in demselben bestimmen kann, die so weit geht, als man im Regressus der Teilung fortschreiten will. Dagegen wird bei einem ins Unendliche gegliederten organischen Koerper das Ganze eben durch diesen Begriff schon als eingeteilt vorgestellt, und eine an sich selbst bestimmte, aber unendliche Menge der Teile, vor allem Regressus der Teilung, in ihm angetroffen, wodurch man sich selbst widerspricht; indem diese unendliche Entwicklung als eine niemals zu vollendende Reihe (unendlich), und gleichwohl doch in einer Zusammennehmung als vollendet, angesehen wird. Die unendliche Teilung bezeichnet nur die Erscheinung als quantum continuum und ist von der Erfuellung des Raumes unzertrennlich; weil eben in derselben der Grund der unendlichen Teilbarkeit liegt. Sobald aber etwas als quantum discretum angenommen wird: so ist die Menge der Einheiten darin bestimmt; daher auch jederzeit einer Zahl gleich. Wie weit also die Organisierung in einem gegliederten Koerper gehen moege, kann nur die Erfahrung ausmachen, und wenn sie gleich mit Gewissheit zu keinem unorganischen Teile gelangte, so muessen solche doch wenigstens in der moeglichen Erfahrung liegen. Aber wie weit sich die transzendentale Teilung einer Erscheinung ueberhaupt erstrecke, ist gar keine Sache der Erfahrung, sondern ein Prinzipium der Vernunft, den empirischen Regressus, in der Dekomposition des Ausgedehnten, der Natur dieser Erscheinung gemaess, niemals fuer schlechthin vollendet zu halten. Schlussanmerkung zur Aufloesung der mathematisch-transzendentalen, und Vorerinnerung zur Aufloesung der dynamisch-transzendentalen Ideen Als wir die Antinomie der reinen Vernunft durch alle transzendentalen Ideen in einer Tafel vorstellten, da wir den Grund dieses Widerstreits und das einzige Mittel, ihn zu heben, anzeigten, welches darin bestand, dass beide entgegengesetzte Behauptungen fuer falsch erklaert wurden: so haben wir allenthalben die Bedingungen, als zu ihrem Bedingten nach Verhaeltnissen des Raumes und der Zeit gehoerig, vorgestellt, welches die gewoehnliche Voraussetzung des gemeinen Menschenverstandes ist, worauf denn auch jener Widerstreit gaenzlich beruhte. In dieser Ruecksicht waren auch alle dialektischen Vorstellungen der Totalitaet, in der Reihe der Bedingungen zu einem gegebenen Bedingten, durch und durch von gleicher Art. Es war immer eine Reihe, in welcher die Bedingung mit dem Bedingten, als Glieder derselben, verknuepft und dadurch gleichartig waren, da denn der Regressus niemals vollendet gedacht, oder, wenn dieses geschehen sollte, ein an sich bedingtes Glied faelschlich als ein erstes, mithin als unbedingt angenommen werden muesste. Es wuerde also zwar nicht allerwaerts das Objekt, d.i. das Bedingte, aber doch die Reihe der Bedingungen zu demselben, bloss ihrer Groesse nach erwogen, und da bestand die Schwierigkeit, die durch keinen Vergleich, sondern durch gaenzliche Abschneidung des Knotens allein gehoben werden konnte, darin, dass die Vernunft es dem Verstande entweder zu lang oder zu kurz machte, so, dass dieser ihrer Idee niemals gleich kommen konnte. Wir haben aber hierbei einen wesentlichen Unterschied uebersehen, der unter den Objekten d.i. den Verstandesbegriffen herrscht, welche die Vernunft zu Ideen zu erheben trachtet, da naemlich, nach unserer obigen Tafel der Kategorien, zwei derselben mathematische, die zwei uebrigen aber eine dynamische Synthesis der Erscheinungen bedeuten. Bis hierher konnte dieses auch gar wohl geschehen, indem, so wie wir in der allgemeinen Vorstellung aller transzendentalen Ideen immer nur unter Bedingungen in der Erscheinung blieben, eben so auch in den zwei mathematischtranszendentalen keinen anderen Gegenstand, als den in der Erscheinung hatten. Jetzt aber, da wir zu dynamischen Begriffen des Verstandes, sofern sie der Vernunftidee anpassen sollen, fortgehen, wird jene Unterscheidung wichtig, und eroeffnet uns eine ganz neue Aussicht in Ansehung des Streithandels, darin die Vernunft verflochten ist, und welcher, da er vorher, als auf beiderseitige falsche Voraussetzungen gebaut, abgewiesen worden, jetzt, da vielleicht in der dynamischen Antinomie eine solche Voraussetzung stattfindet, die mit der Praetension der Vernunft zusammen bestehen kann, aus diesem Gesichtspunkte, und, da der Richter den Mangel der Rechtsgruende, die man beiderseits verkannt hatte, ergaenzt, zu beider Teile Genugtuung verglichen werden kann, welches sich bei dem Streite in der mathematischen Antinomie nicht tun liess. Die Reihen der Bedingungen sind freilich insofern alle gleichartig, als man lediglich auf die Erstreckung derselben sieht: ob sie der Idee angemessen sind, oder ob diese fuer jene zu gross, oder zu klein seien. Allein der Verstandesbegriff, der diesen Ideen zum Grunde liegt, enthaelt entweder lediglich eine Synthesis des Gleichartigen, (welches bei jeder Groesse, in der Zusammensetzung sowohl als Teilung derselben, vorausgesetzt wird,) oder auch des Ungleichartigen, welches in der dynamischen Synthesis, der Kausalverbindung sowohl, als der des Notwendigen mit dem Zufaelligen, wenigstens zugelassen werden kann. Daher kommt es, dass in der mathematischen Verknuepfung der Reihen der Erscheinungen keine andere als sinnliche Bedingung hineinkommen kann, d.i. eine solche, die selbst ein Teil der Reihe ist; da hingegen die dynamische Reihe sinnlicher Bedingungen doch noch eine ungleichartige Bedingung zulaesst, die nicht ein Teil der Reihe ist, sondern, als bloss intelligibel, ausser der Reihe liegt, wodurch denn der Vernunft ein Genuege getan und das Unbedingte den Erscheinungen vorgesetzt wird, ohne die Reihe der letzteren, als jederzeit bedingt, dadurch zu verwirren und, den Verstandesgrundsaetzen zuwider, abzubrechen. Dadurch nun, dass die dynamischen Ideen eine Bedingung der Erscheinungen ausser der Reihe derselben, d.i. eine solche, die selbst nicht Erscheinung ist, zulassen, geschieht etwas, was von dem Erfolg der Antinomie gaenzlich unterschieden ist. Diese naemlich verursachte, dass beide dialektischen Gegenbehauptungen fuer falsch erklaert werden mussten. Dagegen das Durchgaengigbedingte der dynamischen Reihen, welches von ihnen als Erscheinungen unzertrennlich ist, mit der zwar empirischunbedingten, aber auch nichtsinnlichen Bedingung verknuepft, dem Verstande einerseits und der Vernunft andererseits* Genuege leisten, und, indem die dialektischen Argumente, welche unbedingte Totalitaet in blossen Erscheinungen auf eine oder andere Art suchten, wegfallen, dagegen die Vernunftsaetze, in der auf solche Weise berichtigten Bedeutung, alle beide wahr sein koennen; welches bei den kosmologischen Ideen, die bloss mathematischunbedingte Einheit betreffen, niemals stattfinden kann, weil bei ihnen keine Bedingung der Reihe der Erscheinungen angetroffen wird, als die auch selbst Erscheinung ist und als solche mit ein Glied der Reihe ausmacht. * Denn der Verstand erlaubt unter Erscheinungen keine Bedingung, die selbst empirisch unbedingt waere. Liesse sich aber eine intelligible Bedingung, die also nicht in die Reihe der Erscheinungen, als ein Glied, mit gehoerte, zu einem Bedingten (in der Erscheinung) gedenken, ohne doch dadurch die Reihe empirischer Bedingungen im mindesten zu unterbrechen: so koennte eine solche als empirisch unbedingt zugelassen werden, so dass dadurch dem empirischen kontinuierlichen Regressus nirgend Abbruch geschaehe. III. Aufloesung der kosmologischen Ideen von der Totalitaet der Ableitung der Weltbegebenheiten aus ihren Ursachen Man kann sich nur zweierlei Kausalitaet in Ansehung dessen, was geschieht, denken, entweder nach der Natur, oder aus Freiheit. Die erste ist die Verknuepfung eines Zustandes mit einem vorigen in der Sinnenwelt, worauf jener nach einer Regel folgt. Da nun die Kausalitaet der Erscheinungen auf Zeitbedingungen beruht, und der vorige Zustand, wenn er jederzeit gewesen waere, auch keine Wirkung, die allererst in der Zeit entspringt, hervorgebracht haette: so ist die Kausalitaet der Ursache dessen, was geschieht, oder entsteht, auch entstanden, und bedarf nach dem Verstandesgrundsatze selbst wiederum eine Ursache. Dagegen verstehe ich unter Freiheit, im kosmologischen Verstande, das Vermoegen, einen Zustand von selbst anzufangen, deren Kausalitaet also nicht nach dem Naturgesetze wiederum unter einer anderen Ursache steht, welche sie der Zeit nach bestimmte. Die Freiheit ist in dieser Bedeutung eine reine transzendentale Idee, die erstlich nichts von der Erfahrung Entlehntes enthaelt, zweitens deren Gegenstand auch in keiner Erfahrung bestimmt gegeben werden kann, weil es ein allgemeines Gesetz, selbst der Moeglichkeit aller Erfahrung, ist, dass alles, was geschieht, eine Ursache, mithin auch die Kausalitaet der Ursache, die selbst geschehen, oder entstanden, wiederum eine Ursache haben muesse; wodurch denn das ganze Feld der Erfahrung, so weit es sich erstrecken mag, in einen Inbegriff blosser Natur verwandelt wird. Da aber auf solche Weise keine absolute Totalitaet der Bedingungen im Kausalverhaeltnisse herauszubekommen ist, so schafft sich die Vernunft die Idee von einer Spontaneitaet, die von selbst anheben koenne zu handeln, ohne dass eine andere Ursache vorangeschickt werden duerfe, sie wiederum nach dem Gesetze der Kausalverknuepfung zur Handlung zu bestimmen. Es ist ueberaus merkwuerdig, dass auf diese transzendentale Idee der Freiheit sich der praktische Begriff derselben gruende, und jene in dieser das eigentliche Moment der Schwierigkeiten ausmache, welche die Frage ueber ihre Moeglichkeit von jeher umgeben haben. Die Freiheit im praktischen Verstande ist die Unabhaengigkeit der Willkuer von der Noetigung durch Antriebe der Sinnlichkeit. Denn eine Willkuer ist sinnlich, sofern sie pathologisch (durch Bewegursachen der Sinnlichkeit) affiziert ist; sie heisst tierisch (arbitrium brutum), wenn sie pathologisch necessitiert werden kann. Die menschliche Willkuer ist zwar ein arbitrium sensitivum, aber nicht brutum, sondern liberum, weil Sinnlichkeit ihre Handlung nicht notwendig macht, sondern dem Menschen ein Vermoegen beiwohnt, sich, unabhaengig von der Noetigung durch sinnliche Antriebe, von selbst zu bestimmen. Man sieht leicht, dass, wenn alle Kausalitaet in der Sinnenwelt bloss Natur waere, so wuerde jede Begebenheit durch eine andere in der Zeit nach notwendigen Gesetzen bestimmt sein, und mithin, da die Erscheinungen, sofern sie die Willkuer bestimmen, jede Handlung als ihren natuerlichen Erfolg notwendig machen muessten, so wuerde die Aufhebung der transzendentalen Freiheit zugleich alle praktische Freiheit vertilgen. Denn diese setzt voraus, dass, obgleich etwas nicht geschehen ist, es doch habe geschehen sollen, und seine Ursache in der Erscheinung also nicht so bestimmend war, dass nicht in unserer Willkuer eine Kausalitaet liege, unabhaengig von jenen Naturursachen und selbst wider ihre Gewalt und Einfluss etwas hervorzubringen, was in der Zeitordnung nach empirischen Gesetzen bestimmt ist, mithin eine Reihe von Begebenheiten ganz von selbst anzufangen. Es geschieht also hier, was ueberhaupt indem Widerstreit einer sich ueber die Grenzen moeglicher Erfahrung hinauswagenden Vernunft angetroffen wird, dass die Aufgabe eigentlich nicht physiologisch, sondern transzendental ist. Daher die Frage von der Moeglichkeit der Freiheit die Psychologie zwar anficht, aber, da sie auf dialektischen Argumenten der bloss reinen Vernunft beruht, samt ihrer Aufloesung lediglich die Transzendentalphilosophie beschaeftigen muss. Um nun diese, welche eine befriedigende Antwort hierueber nicht ablehnen kann, dazu in Stand zu setzen, muss ich zuvoerderst ihr Verfahren bei dieser Aufgabe durch eine Bemerkung naeher zu bestimmen suchen. Wenn Erscheinungen Dinge an sich selbst waeren, mithin Raum und Zeit Formen des Daseins der Dinge an sich selbst: so wuerden die Bedingungen mit dem Bedingten jederzeit als Glieder zu einer und derselben Reihe gehoeren, und daraus auch in gegenwaertigem Falle die Antinomie entspringen, die allen transzendentalen Ideen gemein ist, dass diese Reihe unvermeidlich fuer den Verstand zu gross, oder zu klein ausfallen muesste. Die dynamischen Vernunftbegriffe aber, mit denen wir uns in dieser und der folgenden Nummer beschaeftigen, haben dieses besondere: dass, da sie es nicht mit einem Gegenstande, als Groesse betrachtet, sondern nur mit seinem Dasein zu tun haben, man auch von der Groesse der Reihe der Bedingungen abstrahieren kann, und es bei ihnen bloss auf das dynamische Verhaeltnis der Bedingung zum Bedingten ankommt, so, dass wir in der Frage ueber Natur und Freiheit schon die Schwierigkeit antreffen, ob Freiheit ueberall nur moeglich sei, und ob, wenn sie es ist, sie mit der Allgemeinheit des Naturgesetzes der Kausalitaet zusammen bestehen koenne; mithin ob es ein richtigdisjunktiver Satz sei, dass eine jede Wirkung in der Welt entweder aus Natur, oder aus Freiheit entspringen muesse, oder ob nicht vielmehr beides in verschiedener Beziehung bei einer und derselben Begebenheit zugleich stattfinden koenne. Die Richtigkeit jenes Grundsatzes, von dem durchgaengigen Zusammenhange aller Begebenheiten der Sinnenwelt, nach unwandelbaren Naturgesetzen, steht schon als ein Grundsatz der transzendentalen Analytik fest und leidet keinen Abbruch. Es ist also nur die Frage: ob demungeachtet in Ansehung eben derselben Wirkung, die nach der Natur bestimmt ist, auch Freiheit stattfinden koenne, oder diese durch jene unverletzliche Regel voellig ausgeschlossen sei. Und hier zeigt die zwar gemeine, aber betruegliche Voraussetzung der absoluten Realitaet der Erscheinungen, sogleich ihren nachteiligen Einfluss, die Vernunft zu verwirren. Denn, sind Erscheinungen Dinge an sich selbst, so ist Freiheit nicht zu retten. Alsdann ist Natur die vollstaendige und an sich hinreichend bestimmende Ursache jeder Begebenheit, und die Bedingung derselben ist jederzeit nur in der Reihe der Erscheinungen enthalten, die, samt ihrer Wirkung, unter jedem Naturgesetze notwendig sind. Wenn dagegen Erscheinungen fuer nichts mehr gelten, als sie in der Tat sind, naemlich nicht fuer Dinge an sich, sondern blosse Vorstellungen, die nach empirischen Gesetzen zusammenhaengen, so muessen sie selbst noch Gruende haben, die nicht Erscheinungen sind. Eine solche intelligible Ursache aber wird in Ansehung ihrer Kausalitaet nicht durch Erscheinungen bestimmt, obzwar ihre Wirkungen erscheinen, und so durch andere Erscheinungen bestimmt werden koennen. Sie ist also samt ihrer Kausalitaet ausser der Reihe; dagegen ihre Wirkungen in der Reihe der empirischen Bedingungen angetroffen werden. Die Wirkung kann also in Ansehung ihrer intelligiblen Ursache als frei, und doch zugleich in Ansehung der Erscheinungen als Erfolg aus denselben nach der Notwendigkeit der Natur, angesehen werden; eine Unterscheidung, die, wenn sie im Allgemeinen und ganz abstrakt vorgetragen wird, aeusserst subtil und dunkel erscheinen muss, die sich aber in der Anwendung aufklaeren wird. Hier habe ich nur die Anmerkung machen wollen: dass, da der durchgaengige Zusammenhang aller Erscheinungen, in einem Kontext der Natur, ein unnachlassliches Gesetz ist, dieses alle Freiheit notwendig umstuerzen muesste, wenn man der Realitaet der Erscheinungen hartnaeckig anhaengen wollte. Daher auch diejenigen, welche hierin der gemeinen Meinung folgen, niemals dahin haben gelangen koennen, Natur und Freiheit miteinander zu vereinigen. Moeglichkeit der Kausalitaet durch Freiheit, in Vereinigung mit dem allgemeinen Gesetze der Naturnotwendigkeit Ich nenne dasjenige an einem Gegenstande der Sinne, was selbst nicht Erscheinung ist, intelligibel. Wenn demnach dasjenige, was in der Sinnenwelt als Erscheinung angesehen werden muss, an sich selbst auch ein Vermoegen hat, welches kein Gegenstand der sinnlichen Anschauung ist, wodurch es aber doch die Ursache von Erscheinungen sein kann: so kann man die Kausalitaet dieses Wesens auf zwei Seiten betrachten, als intelligibel nach ihrer Handlung, als eines Dinges an sich selbst, und als sensibel, nach den Wirkungen derselben, als einer Erscheinung in der Sinnenwelt. Wir wuerden uns demnach von dem Vermoegen eines solchen Subjekts einen empirischen, imgleichen auch einen intellektuellen Begriff seiner Kausalitaet machen, welche bei einer und derselben Wirkung zusammen stattfinden. Eine solche doppelte Seite, das Vermoegen eines Gegenstandes der Sinne sich zu denken, widerspricht keinem von den Begriffen, die wir uns von Erscheinungen und von einer moeglichen Erfahrung zu machen haben. Denn, da diesen, weil sie an sich keine Dinge sind, ein transzendentaler Gegenstand zum Grunde liegen muss, der sie als blosse Vorstellungen bestimmt, so hindert nichts, dass wir diesem transzendentalen Gegenstande, ausser der Eigenschaft, dadurch er erscheint, nicht auch eine Kausalitaet beilegen sollten, die nicht Erscheinung ist, obgleich ihre Wirkung dennoch in der Erscheinung angetroffen wird. Es muss aber eine jede wirkende Ursache einen Charakter haben, d.i. ein Gesetz ihrer Kausalitaet, ohne welches sie gar nicht Ursache sein wuerde. Und da wuerden wir an einem Subjekte der Sinnenwelt erstlich einen empirischen Charakter haben, wodurch seine Handlungen, als Erscheinungen, durch und durch mit anderen Erscheinungen nach bestaendigen Naturgesetzen im Zusammenhange staenden, und von ihnen, als ihren Bedingungen, abgeleitet werden koennten, und also, mit diesen in Verbindung, Glieder einer einzigen Reihe der Naturordnung ausmachten. Zweitens wuerde man ihm noch einen intelligiblen Charakter einraeumen muessen, dadurch es zwar die Ursache jener Handlungen als Erscheinungen ist, der aber selbst unter keinen Bedingungen der Sinnlichkeit steht, und selbst nicht Erscheinung ist. Man koennte auch den ersteren den Charakter eines solchen Dinges in der Erscheinung, den zweiten den Charakter des Dinges an sich selbst nennen. Dieses handelnde Subjekt wuerde nun, nach seinem intelligiblen Charakter, unter keinen Zeitbedingungen stehen, denn die Zeit ist nur die Bedingung der Erscheinungen, nicht aber der Dinge an sich selbst. In ihm wuerde keine Handlung entstehen, oder vergehen, mithin wuerde es auch nicht dem Gesetze aller Zeitbestimmung, alles Veraenderlichen, unterworfen sein: dass alles, was geschieht, in den Erscheinungen (des vorigen Zustandes) seine Ursache antreffe. Mit einem Worte, die Kausalitaet desselben, sofern sie intellektuell ist, staende gar nicht in der Reihe empirischer Bedingungen, welche die Begebenheit in der Sinnenwelt notwendig machen. Dieser intelligible Charakter koennte zwar niemals unmittelbar gekannt werden, weil wir nichts wahrnehmen koennen, als sofern es erscheint, aber er wuerde doch den empirischen Charakter gemaess gedacht werden muessen, so wie wir ueberhaupt einen transzendentalen Gegenstand den Erscheinungen in Gedanken zum Grunde legen muessen, ob wir zwar von ihm, was er an sich selbst sei, nichts wissen. Nach seinem empirischen Charakter wuerde also dieses Subjekt, als Erscheinung, allen Gesetzen der Bestimmung nach, der Kausalverbindung unterworfen sein, und es waere sofern nichts, als ein Teil der Sinnenwelt, dessen Wirkungen, so wie jede andere Erscheinung, aus der Natur unausbleiblich abflossen. So wie aeussere Erscheinungen in dasselbe einfloessen, wie sein empirischer Charakter, d.i. das Gesetz seiner Kausalitaet, durch Erfahrung erkannt waere, muessten sich alle seine Handlungen nach Naturgesetzen erklaeren lassen, und alle Requisite zu einer vollkommenen und notwendigen Bestimmung derselben muessten in einer moeglichen Erfahrung angetroffen werden. Nach dem intelligiblen Charakter desselben aber (ob wir zwar davon nichts als bloss den allgemeinen Begriff desselben haben koennen) wuerde dasselbe Subjekt dennoch von allem Einflusse der Sinnlichkeit und Bestimmung durch Erscheinungen freigesprochen werden muessen, und, da in ihm, sofern es Noumenon ist, nichts geschieht, keine Veraenderung, welche dynamische Zeitbestimmung erheischt, mithin keine Verknuepfung mit Erscheinungen als Ursachen angetroffen wird, so wuerde dieses taetige Wesen, so fern in seinen Handlungen von aller Naturnotwendigkeit, als die lediglich in der Sinnenwelt angetroffen wird, unabhaengig und frei sein. Man wuerde von ihm ganz richtig sagen, dass es seine Wirkungen in der Sinnenwelt von selbst anfange, ohne dass die Handlung in ihm selbst anfaengt; und dieses wuerde gueltig sein, ohne dass die Wirkungen in der Sinnenwelt darum von selbst anfangen duerfen, weil sie in derselben jederzeit durch empirische Bedingungen in der vorigen Zeit, aber doch nur vermittelst des empirischen Charakters (der bloss die Erscheinung des intelligiblen ist), vorher bestimmt, und nur als eine Fortsetzung der Reihe der Naturursachen moeglich sind. So wuerde denn Freiheit und Natur, jedes in seiner vollstaendigen Bedeutung, bei eben denselben Handlungen, nachdem man sie mit ihrer intelligiblen oder sensiblen Ursache vergleicht, zugleich und ohne allen Widerstreit angetroffen werden. Erlaeuterung der kosmologischen Idee einer Freiheit in Verbindung mit der allgemeinen Naturnotwendigkeit Ich habe gut gefunden, zuerst den Schattenriss der Aufloesung unseres transzendentalen Problems zu entwerfen, damit man den Gang der Vernunft in Aufloesung desselben dadurch besser uebersehen moege. Jetzt wollen wir die Momente ihrer Entscheidung, auf die es eigentlich ankommt, auseinander setzen, und jedes besonders in Erwaegung ziehen. Das Naturgesetz, dass alles, was geschieht, eine Ursache habe, dass die Kausalitaet dieser Ursache, d.i. die Handlung, da sie in der Zeit vorhergeht und in Betracht einer Wirkung, die da entstanden, selbst nicht immer gewesen sein kann, sondern geschehen sein muss, auch ihre Ursache unter den Erscheinungen habe, dadurch sie bestimmt wird, und dass folglich alle Begebenheiten in einer Naturordnung empirisch bestimmt sind; dieses Gesetz, durch welches Erscheinungen allererst eine Natur ausmachen und Gegenstaende einer Erfahrung abgeben koennen, ist ein Verstandesgesetz, von welchem es unter keinem Vorwande erlaubt ist abzugehen, oder irgend eine Erscheinung davon auszunehmen; weil man sie sonst ausserhalb aller moeglichen Erfahrung setzen, dadurch aber von allen Gegenstaenden moeglicher Erfahrung unterscheiden und sie zum blossen Gedankendinge und einem Hirngespinst machen wuerde. Ob es aber gleich hierbei lediglich nach einer Kette von Ursachen aussieht, die im Regressus zu ihren Bedingungen gar keine absolute Totalitaet verstattet, so haelt uns diese Bedenklichkeit doch gar nicht auf; denn sie ist schon in der allgemeinen Beurteilung der Antinomie der Vernunft, wenn sie in der Reihe der Erscheinungen aufs Unbedingte ausgeht, gehoben worden. Wenn wir der Taeuschung des transzendentalen Realismus nachgeben wollen: so bleibt weder Natur, noch Freiheit uebrig. Hier ist nur die Frage: ob, wenn man in der ganzen Reihe aller Begebenheiten lauter Naturnotwendigkeit anerkennt, es doch moeglich sei, eben dieselbe, die einerseits blosse Naturwirkung ist, doch andererseits als Wirkung aus Freiheit anzusehen, oder ob zwischen diesen zwei Arten von Kausalitaet ein gerader Widerspruch angetroffen werde. Unter den Ursachen in der Erscheinung kann sicherlich nichts sein, welches eine Reihe schlechthin und von selbst anfangen koennte. Jede Handlung, als Erscheinung, sofern sie eine Begebenheit hervorbringt, ist selbst Begebenheit, oder Ereignis, welche einen anderen Zustand voraussetzt, darin die Ursache angetroffen werde, und so ist alles, was geschieht, nur eine Fortsetzung der Reihe, und kein Anfang, der sich von selbst zutruege, in derselben moeglich. Also sind alle Handlungen der Naturursachen in der Zeitfolge selbst wiederum Wirkungen, die ihre Ursachen ebensowohl in der Zeitreihe voraussetzen. Eine urspruengliche Handlung, wodurch etwas geschieht, was vorher nicht war, ist von der Kausalverknuepfung der Erscheinungen nicht zu erwarten. Ist es denn aber auch notwendig, dass, wenn die Wirkungen Erscheinungen sind, die Kausalitaet ihrer Ursache, die (naemlich Ursache) selbst auch Erscheinung ist, lediglich empirisch sein muesse? und ist es nicht vielmehr moeglich, dass, obgleich zu jeder Wirkung in der Erscheinung eine Verknuepfung mit ihrer Ursache, nach Gesetzen der empirischen Kausalitaet, allerdings erfordert wird, dennoch diese empirische Kausalitaet selbst, ohne ihren Zusammenhang mit den Naturursachen im mindestens zu unterbrechen, doch eine Wirkung einer nichtempirischen, sondern intelligiblen Kausalitaet sein koenne? d.i. einer, in Ansehung der Erscheinungen, urspruenglichen Handlung einer Ursache, die also insofern nicht Erscheinung, sondern diesem Vermoegen nach intelligibel ist, ob sie gleich uebrigens gaenzlich, als ein Glied der Naturkette, mit zu der Sinnenwelt gezaehlt werden muss. Wir beduerfen des Satzes der Kausalitaet der Erscheinungen untereinander, um von Naturbegebenheiten Naturbedingungen, d.i. Ursachen in der Erscheinung, zu suchen und angeben zu koennen. Wenn dieses eingeraeumt und durch keine Ausnahme geschwaecht wird, so hat der Verstand, der bei seinem empirischen Gebrauche in allen Ereignissen nichts als Natur sieht, und dazu auch berechtigt ist, alles, was er fordern kann, und die physischen Erklaerungen gehen ihren ungehinderten Gang fort. Nun tut ihm das nicht den mindesten Abbruch, gesetzt dass es uebrigens auch bloss erdichtet sein sollte, wenn man annimmt, dass unter den Naturursachen es auch welche gebe, die ein Vermoegen haben, welches nur intelligibel ist, indem die Bestimmung desselben zur Handlung niemals auf empirischen Bedingungen, sondern auf blossen Gruenden des Verstandes beruht, so doch, dass die Handlung in der Erscheinung von dieser Ursache allen Gesetzen der empirischen Kausalitaet gemaess sei. Denn auf diese Art wuerde das handelnde Subjekt, als causa phaenomenon, mit der Natur in unzertrennter Abhaengigkeit aller ihrer Handlungen verkettet sein, und nur das phaenomenon, dieses Subjekts (mit aller Kausalitaet desselben in der Erscheinung) wuerde gewisse Bedingungen enthalten, die, wenn man von dem empirischen Gegenstande zu dem transzendentalen aufsteigen will, als bloss intelligibel muessten angesehen werden. Denn wenn wir nur in dem, was unter den Erscheinungen die Ursache sein mag, der Naturregel folgen: so koennen wir darueber unbekuemmert sein, was in dem transzendentalen Subjekt, welches uns empirisch unbekannt ist, fuer ein Grund von diesen Erscheinungen und deren Zusammenhange gedacht werde. Dieser intelligible Grund ficht gar nicht die empirischen Fragen an, sondern betrifft etwa bloss das Denken im reinen Verstande und, obgleich die Wirkungen dieses Denkens und Handelns des reinen Verstandes in den Erscheinungen angetroffen werden, so muessen diese doch nichts desto minder aus ihrer Ursache in der Erscheinung nach Naturgesetzen vollkommen erklaert werden koennen, indem man den bloss empirischen Charakter derselben, als den obersten Erklaerungsgrund, befolgt, und den intelligiblen Charakter, der die transzendentale Ursache von jenem ist, gaenzlich als unbekannt vorbeigeht, ausser sofern er nur durch den empirischen als das sinnliche Zeichen desselben angegeben wird. Lasst uns dieses auf Erfahrung anwenden. Der Mensch ist eine von den Erscheinungen der Sinnenwelt, und insofern auch eine der Naturursachen, deren Kausalitaet unter empirischen Gesetzen stehen muss. Als eine solche muss er demnach auch einen empirischen Charakter haben, so wie alle anderen Naturdinge. Wir bemerken denselben durch Kraefte und Vermoegen, die es in seinen Wirkungen aeussert. Bei der leblosen, oder bloss tierischbelebten Natur, finden wir keinen Grund, irgendein Vermoegen uns anders als bloss sinnlich bedingt zu denken. Allein der Mensch, der die ganze Natur sonst lediglich nur durch Sinne kennt, erkennt sich selbst auch durch blosse Apperzeption, und zwar in Handlungen und inneren Bestimmungen, die er gar nicht zum Eindrucke der Sinne zaehlen kann, und ist sich selbst freilich einesteils Phaenomen, anderenteils aber, naemlich in Ansehung gewisser Vermoegen, ein bloss intelligibler Gegenstand, weil die Handlung desselben gar nicht zur Rezeptivitaet der Sinnlichkeit gezaehlt werden kann. Wir nennen diese Vermoegen Verstand und Vernunft, vornehmlich wird die letztere ganz eigentlich und vorzueglicherweise von allen empirischbedingten Kraeften unterschieden, da sie ihre Gegenstaende bloss nach Ideen erwaegt und den Verstand darnach bestimmt, der dann von seinen (zwar auch reinen) Begriffen einen empirischen Gebrauch macht. Dass diese Vernunft nun Kausalitaet habe, wenigstens wir uns eine dergleichen an ihr vorstellen, ist aus den Imperativen klar, welche wir in allem Praktischen den ausuebenden Kraeften als Regeln aufgeben. Das Sollen drueckt eine Art von Notwendigkeit und Verknuepfung mit Gruenden aus, die in der ganzen Natur sonst nicht vorkommt. Der Verstand kann von dieser nur erkennen, was da ist, oder gewesen ist, oder sein wird. Es ist unmoeglich, dass etwas darin anders sein soll, als es in allen diesen Zeitverhaeltnissen in der Tat ist, ja das Sollen, wenn man bloss den Lauf der Natur vor Augen hat, hat ganz und gar keine Bedeutung. Wir koennen gar nicht fragen: was in der Natur geschehen soll; ebensowenig, als: was fuer Eigenschaften ein Zirkel haben soll, sondern, was darin geschieht, oder welche Eigenschaften der letztere hat. Dieses Sollen nun drueckt eine moegliche Handlung aus, davon der Grund nichts anderes, als ein blosser Begriff ist; da hingegen von einer blossen Naturhandlung der Grund jederzeit eine Erscheinung sein muss. Nun muss die Handlung allerdings unter Naturbedingungen moeglich sein, wenn auf sie das Sollen gerichtet ist; aber diese Naturbedingungen betreffen nicht die Bestimmung der Willkuer selbst, sondern nur die Wirkung und den Erfolg derselben in der Erscheinung. Es moegen noch so viel Naturgruende sein, die mich zum Wollen antreiben, noch so viel sinnliche Anreize, so koennen sie nicht das Sollen hervorbringen, sondern nur ein noch lange nicht notwendiges, sondern jederzeit bedingtes Wollen, dem dagegen das Sollen, das die Vernunft ausspricht, Mass und Ziel, ja Verbot und Ansehen entgegen setzt. Es mag ein Gegenstand der blossen Sinnlichkeit (das Angenehme) oder auch der reinen Vernunft (das Gute) sein: so gibt die Vernunft nicht demjenigen Grunde, der empirisch gegeben ist, nach, und folgt nicht der Ordnung der Dinge, so wie sie sich in der Erscheinung darstellen, sondern macht sich mit voelliger Spontaneitaet eine eigene Ordnung nach Ideen, in die sie die empirischen Bedingungen hinein passt, und nach denen sie sogar Handlungen fuer notwendig erklaert, die doch nicht geschehen sind und vielleicht nicht geschehen werden, von allen aber gleichwohl voraussetzt, dass die Vernunft in Beziehung auf sie Kausalitaet haben koenne; denn, ohne das, wuerde sie nicht von ihren Ideen Wirkungen in der Erfahrung erwarten. Nun lasst uns hierbei stehenbleiben und es wenigstens als moeglich annehmen: die Vernunft habe wirklich Kausalitaet in Ansehung der Erscheinungen: so muss sie, so sehr sie auch Vernunft ist, dennoch einen empirischen Charakter von sich zeigen, weil jede Ursache eine Regel voraussetzt, darnach gewisse Erscheinungen als Wirkungen folgen, und jede Regel eine Gleichfoermigkeit der Wirkungen erfordert, die den Begriff der Ursache (als eines Vermoegens) gruendet, welchen wir, sofern er aus blossen Erscheinungen erhellen muss, seinen empirischen Charakter heissen koennen, der bestaendig ist, indessen die Wirkungen, nach Verschiedenheit der begleitenden und zum Teil einschraenkenden Bedingungen, in veraenderlichen Gestalten erscheinen. So hat denn jeder Mensch einen empirischen Charakter seiner Willkuer, welcher nichts anderes ist, als eine gewisse Kausalitaet seiner Vernunft, sofern diese an ihren Wirkungen in der Erscheinung eine Regel zeigt, darnach man die Vernunftgruende und die Handlungen derselben nach ihrer Art und ihren Graden abnehmen, und die subjektiven Prinzipien seiner Willkuer beurteilen kann. Weil dieser empirische Charakter selbst aus den Erscheinungen als Wirkung und aus der Regel derselben, welche Erfahrung an die Hand gibt, gezogen werden muss: so sind alle Handlungen des Menschen in der Erscheinung aus seinem empirischen Charakter und den mitwirkenden anderen Ursachen nach der Ordnung der Natur bestimmt, und wenn wir alle Erscheinungen seiner Willkuer bis auf den Grund erforschen koennten, so wuerde es keine einzige menschliche Handlung geben, die wir nicht mit Gewissheit vorhersagen und aus ihren vorhergehenden Bedingungen als notwendig erkennen koennten. In Ansehung dieses empirischen Charakters gibt es also keine Freiheit, und nach diesem koennen wir doch allein den Menschen betrachten, wenn wir lediglich beobachten, und, wie es in der Anthropologie geschieht, von seinen Handlungen die bewegenden Ursachen physiologisch erforschen wollen. Wenn wir aber eben dieselben Handlungen in Beziehung auf die Vernunft erwaegen, und zwar nicht die spekulative, um jene ihrem Ursprunge nach zu erklaeren, sondern ganz allein, sofern Vernunft die Ursache ist, sie selbst zu erzeugen; mit einem Worte, vergleichen wir sie mit dieser in praktischer Absicht, so finden wir eine ganz andere Regel und Ordnung, als die Naturordnung ist. Denn da sollte vielleicht alles das nicht geschehen sein, was doch nach dem Naturlaufe geschehen ist, und nach seinen empirischen Gruenden unausbleiblich geschehen musste. Bisweilen aber finden wir, oder glauben wenigstens zu finden, dass die Ideen der Vernunft wirklich Kausalitaet in Ansehung der Handlungen des Menschen, als Erscheinungen, bewiesen haben, und dass sie darum geschehen sind, nicht weil sie durch empirische Ursachen, nein, sondern weil sie durch Gruende der Vernunft bestimmt waren. Gesetzt nun, man koennte sagen: die Vernunft habe Kausalitaet in Ansehung der Erscheinung; koennte da wohl die Handlung derselben frei heissen, da sie im empirischen Charakter derselben (der Sinnesart) ganz genau bestimmt und notwendig ist? Dieser ist wiederum im intelligiblen Charakter (der Denkungsart) bestimmt. Die letztere kennen wir aber nicht, sondern bezeichnen sie durch Erscheinungen, welche eigentlich nur die Sinnesart (empirischen Charakter) unmittelbar zu erkennen geben*. Die Handlung nun, sofern sie der Denkungsart, als ihrer Ursache, beizumessen ist, erfolgt dennoch daraus gar nicht nach empirischen Gesetzen, d.i. so, dass die Bedingungen der reinen Vernunft, sondern nur so, dass deren Wirkungen in der Erscheinung des inneren Sinnes vorhergehen. Die reine Vernunft, als ein bloss intelligibles Vermoegen, ist der Zeitform, und mithin auch den Bedingungen der Zeitfolge, nicht unterworfen. Die Kausalitaet der Vernunft im intelligiblen Charakter entsteht nicht, oder hebt nicht etwa zu einer gewissen Zeit an, um eine Wirkung hervorzubringen. Denn sonst wuerde sie selbst dem Naturgesetz der Erscheinungen, sofern es Kausalreihen der Zeit nach bestimmt, unterworfen sein, und die Kausalitaet waere alsdann Natur, und nicht Freiheit. Also werden wir sagen koennen: wenn Vernunft Kausalitaet in Ansehung der Erscheinungen haben kann; so ist sie ein Vermoegen, durch welches die sinnliche Bedingung einer empirischen Reihe von Wirkungen zuerst anfaengt. Denn die Bedingung, die in der Vernunft liegt, ist nicht sinnlich, und faengt also selbst nicht an. Demnach findet alsdann dasjenige statt, was wir in allen empirischen Reihen vermissten: dass die Bedingung einer sukzessiven Reihe von Begebenheiten selbst empirischunbedingt sein konnte. Denn hier ist die Bedingung ausser der Reihe der Erscheinungen (im Intelligiblen) und mithin keiner sinnlichen Bedingung und keiner Zeitbestimmung durch vorbeigehende Ursache unterworfen. * Die eigentliche Moralitaet der Handlungen (Verdienst und Schuld) bleibt uns daher, selbst die unseres eigenen Verhaltens, gaenzlich verborgen. Unsere Zurechnungen koennen nur auf den empirischen Charakter bezogen werden. Wie viel aber davon reine Wirkung der Freiheit, wie viel der blossen Natur und dem unverschuldeten Fehler des Temperaments, oder dessen gluecklicher Beschaffenheit (merito fortunae) zuzuschreiben sei, kann niemand ergruenden, und daher auch nicht nach voelliger Gerechtigkeit richten. Gleichwohl gehoert doch eben dieselbe Ursache in einer anderen Beziehung auch zur Reihe der Erscheinungen. Der Mensch ist selbst Erscheinung. Seine Willkuer hat einen empirischen Charakter, der die (empirische) Ursache aller seiner Handlungen ist. Es ist keine der Bedingungen, die den Menschen diesem Charakter gemaess bestimmen, welche nicht in der Reihe der Naturwirkungen enthalten waere und dem Gesetze derselben gehorchte, nach welchem gar keine empirischunbedingte Kausalitaet von dem, was in der Zeit geschieht, angetroffen wird. Daher kann keine gegebene Handlung (weil sie nur als Erscheinung wahrgenommen werden kann) schlechthin von selbst anfangen. Aber von der Vernunft kann man nicht sagen, dass vor demjenigen Zustande, darin sie die Willkuer bestimmt, ein anderer vorhergehe, darin dieser Zustand selbst bestimmt wird. Denn da Vernunft selbst keine Erscheinung und gar keinen Bedingungen der Sinnlichkeit unterworfen ist, so findet in ihr, selbst in Betreff ihrer Kausalitaet, keine Zeitfolge statt, und auf sie kann also das dynamische Gesetz der Natur, was die Zeitfolge nach Regeln bestimmt, nicht angewandt werden. Die Vernunft ist also die beharrliche Bedingung aller willkuerlichen Handlungen, unter denen der Mensch erscheint. Jede derselben ist im empirischen Charakter des Menschen vorher bestimmt, ehe noch als sie geschieht. In Ansehung des intelligiblen Charakters, wovon jener nur das sinnliche Schema ist, gilt kein Vorher, oder Nachher, und jede Handlung, unangesehen des Zeitverhaeltnisses, darin sie mit anderen Erscheinungen steht, ist die unmittelbare Wirkung des intelligiblen Charakters der reinen Vernunft, welche mithin frei handelt, ohne in der Kette der Naturursachen, durch aeussere oder innere, aber der Zeit nach vorhergehende Gruende, dynamisch bestimmt zu sein, und diese ihre Freiheit kann man nicht allein negativ als Unabhaengigkeit von empirischen Bedingungen ansehen, (denn dadurch wuerde das Vernunftvermoegen aufhoeren, eine Ursache der Erscheinungen zu sein,) sondern auch positiv durch ein Vermoegen bezeichnen, eine Reihe von Begebenheiten von selbst anzufangen, so, dass in ihr selbst nichts anfaengt, sondern sie, als unbedingte Bedingung jeder willkuerlichen Handlung, ueber sich keine der Zeit nach vorhergehende Bedingungen verstattet, indessen dass doch ihre Wirkung in der Reihe der Erscheinungen anfaengt, aber darin niemals einen schlechthin ersten Anfang ausmachen kann. Um das regulative Prinzip der Vernunft durch ein Beispiel aus dem empirischen Gebrauche desselben zu erlaeutern, nicht um es zu bestaetigen (denn dergleichen Beweise sind zu transzendentalen Behauptungen untauglich), so nehme man eine willkuerliche Handlung, z. E. eine boshafte Luege, durch die ein Mensch eine gewisse Verwirrung in die Gesellschaft gebracht hat, und die man zuerst ihren Bewegursachen nach, woraus sie entstanden, untersucht, und darauf beurteilt, wie sie samt ihren Folgen ihm zugerechnet werden koenne. In der ersten Absicht geht man seinen empirischen Charakter bis zu den Quellen desselben durch, die man in der schlechten Erziehung, uebler Gesellschaft, zum Teil auch in der Boesartigkeit eines fuer Beschaemung unempfindlichen Naturells, aufsucht, zum Teil auf den Leichtsinn und Unbesonnenheit schiebt; wobei man denn die veranlassenden Gelegenheitsursachen nicht aus der Acht laesst. In allem diesem verfaehrt man, wie ueberhaupt in Untersuchung der Reihe bestimmender Ursachen zu einer gegebenen Naturwirkung. Ob man nun gleich die Handlung dadurch bestimmt zu sein glaubt: so tadelt man nichtsdestoweniger den Taeter, und zwar nicht wegen seines ungluecklichen Naturells, nicht wegen der auf ihn einfliessenden Umstaende, ja sogar nicht wegen seines vorher gefuehrten Lebenswandels, denn man setzt voraus, man koenne es gaenzlich beiseite setzen, wie dieser beschaffen gewesen, und die verflossene Reihe von Bedingungen als ungeschehen, diese Tat aber als gaenzlich unbedingt in Ansehung des vorigen Zustandes ansehen, als ob der Taeter damit eine Reihe von Folgen ganz von selbst anhebe. Dieser Tadel gruendet sich auf ein Gesetz der Vernunft, wobei man diese als eine Ursache ansieht, welche das Verhalten des Menschen, unangesehen aller genannten empirischen Bedingungen, anders habe bestimmen koennen und sollen. Und zwar sieht man die Kausalitaet der Vernunft nicht etwa bloss wie Konkurrenz, sondern an sich selbst als vollstaendig an, wenngleich die sinnlichen Triebfedern gar nicht dafuer, sondern wohl gar dawider waeren; die Handlung wird seinem intelligiblen Charakter beigemessen, er hat jetzt, in dem Augenblicke, da er luegt, gaenzlich Schuld; mithin war die Vernunft, unerachtet aller empirischen Bedingungen der Tat, voellig frei, und ihrer Unterlassung ist diese gaenzlich beizumessen. Man sieht diesem zurechnenden Urteil es leicht an, dass man dabei in Gedanken habe, die Vernunft werde durch alle jene Sinnlichkeit gar nicht affiziert, sie veraendere sich nicht (wenngleich ihre Erscheinungen, naemlich die Art, wie sie sich in ihren Wirkungen zeigt, veraendern,) in ihr gehe kein Zustand vorher, der den folgenden bestimme, mithin gehoere sie gar nicht in die Reihe der sinnlichen Bedingungen, welche die Erscheinungen nach Naturgesetzen notwendig machen. Sie, die Vernunft, ist allen Handlungen des Menschen in allen Zeitumstaenden gegenwaertig und einerlei, selbst aber ist sie nicht in der Zeit, und geraet etwa in einen neuen Zustand, darin sie vorher nicht war; sie ist bestimmend, aber nicht bestimmbar in Ansehung desselben. Daher kann man nicht fragen: warum hat sich nicht die Vernunft anders bestimmt? sondern nur: warum hat sie die Erscheinungen durch ihre Kausalitaet nicht anders bestimmt? Darauf aber ist keine Antwort moeglich. Denn ein anderer intelligibler Charakter wuerde einen anderen empirischen gegeben haben, und wenn wir sagen, dass unerachtet seines ganzen, bis dahin gefuehrten, Lebenswandels, der Taeter die Luege doch haette unterlassen koennen, so bedeutet dieses nur, dass sie unmittelbar unter der Macht der Vernunft stehe, und die Vernunft in ihrer Kausalitaet keinen Bedingungen der Erscheinung und des Zeitlaufs unterworfen ist, der Unterschied der Zeit auch, zwar einen Hauptunterschied der Erscheinungen respektive gegeneinander, da diese aber keine Sachen, mithin auch nicht Ursachen an sich selbst sind, keinen Unterschied der Handlung in Beziehung auf die Vernunft machen koenne. Wir koennen also mit der Beurteilung freier Handlungen, in Ansehung ihrer Kausalitaet, nur bis an die intelligible Ursache, aber nicht ueber dieselbe hinaus kommen; wir koennen erkennen, dass sie frei, d.i. von der Sinnlichkeit unabhaengig bestimmt, und, auf solche Art, die sinnlichunbedingte Bedingung der Erscheinungen sein koenne. Warum aber der intelligible Charakter gerade diese Erscheinungen und diesen empirischen Charakter unter vorliegenden Umstaenden gebe, das ueberschreitet so weit alles Vermoegen unserer Vernunft es zu beantworten, ja alle Befugnis derselben nur zu fragen, als ob man fruege: woher der transzendentale Gegenstand unserer aeusseren sinnlichen Anschauung gerade nur Anschauung im Raume und nicht irgendeine andere gebe. Allein die Aufgabe, die wir aufzuloesen hatten, verbindet uns hierzu gar nicht, denn sie war nur diese: ob Freiheit der Naturnotwendigkeit in einer und derselben Handlung widerstreite, und dieses haben wir hinreichend beantwortet, da wir zeigten, dass, da bei jener eine Beziehung auf eine ganz andere Art von Bedingungen moeglich ist, als bei dieser, das Gesetz der letzteren die erstere nicht affiziere, mithin beide voneinander unabhaengig und durcheinander ungestoert stattfinden koennen. * * * Man muss wohl bemerken: dass wir hierdurch nicht die Wirklichkeit der Freiheit, als eines der Vermoegen, welche die Ursache von den Erscheinungen unserer Sinnenwelt enthalten, haben dartun wollen Denn, ausser dass dieses gar keine transzendentale Betrachtung, die bloss mit Begriffen zu tun hat, gewesen sein wuerde, so koennte es auch nicht gelingen, indem wir aus der Erfahrung niemals auf etwas, was gar nicht nach Erfahrungsgesetzen gedacht werden muss, schliessen koennen. Ferner haben wir auch gar nicht einmal die Moeglichkeit der Freiheit beweisen wollen; denn dieses waere auch nicht gelungen, weil wir ueberhaupt von keinem Realgrunde und keiner Kausalitaet, aus blossen Begriffen a priori, die Moeglichkeit erkennen koennen. Die Freiheit wird hier nur als transzendentale Idee behandelt, wodurch die Vernunft die Reihe der Bedingungen in der Erscheinung durch das Sinnlichunbedingte schlechthin anzuheben denkt, dabei sich aber in eine Antinomie mit ihren eigenen Gesetzen, welche sie dem empirischen Gebrauche des Verstandes vorschreibt, verwickelt. Dass nun diese Antinomie auf einem blossen Scheine beruhe, und, dass Natur der Kausalitaet aus Freiheit wenigstens nicht widerstreite, das war das einzige, was wir leisten konnten, und woran es uns auch einzig und allein gelegen war. IV. Aufloesung der kosmologischen Idee von der Totalitaet der Abhaengigkeit der Erscheinungen, ihrem Dasein nach ueberhaupt In der vorigen Nummer betrachteten wir die Veraenderungen der Sinnenwelt in ihrer dynamischen Reihe, da eine jede unter einer anderen, als ihrer Ursache, steht. Jetzt dient uns diese Reihe der Zustaende nur zur Leitung, um zu einem Dasein zu gelangen, das die hoechste Bedingung alles Veraenderlichen sein koenne, naemlich dem notwendigen Wesen. Es ist hier nicht um die unbedingte Kausalitaet, sondern die unbedingte Existenz der Substanz selbst zu tun. Also ist die Reihe, welche wir vor uns haben, eigentlich nur die von Begriffen, und nicht von Anschauungen, insofern die eine die Bedingung der anderen ist. Man sieht aber leicht: dass, da alles in dem Inbegriffe der Erscheinungen veraenderlich, mithin im Dasein bedingt ist, es ueberall in der Reihe des abhaengigen Daseins kein unbedingtes Glied geben koenne, dessen Existenz schlechthin notwendig waere, und dass also, wenn Erscheinungen Dinge an sich selbst waeren, eben darum aber ihre Bedingung mit dem Bedingten jederzeit zu einer und derselben Reihe der Anschauungen gehoerte, ein notwendiges Wesen, als Bedingung des Daseins der Erscheinungen der Sinnenwelt, niemals stattfinden koennte. Es hat aber der dynamische Regressus dieses Eigentuemliche und Unterscheidende von dem mathematischen an sich: dass, da dieser es eigentlich nur mit der Zusammensetzung der Teile zu einem Ganzen, oder der Zerfaellung eines Ganzen in seine Teile, zu tun hat, die Bedingungen dieser Reihe immer als Teile derselben, mithin als gleichartig, folglich als Erscheinungen angesehen werden muessen, anstatt dass in jenem Regressus, da es nicht um die Moeglichkeit eines unbedingten Ganzen aus gegebenen Teilen, oder eines unbedingten Teils zu einem gegebenen Ganzen, sondern um die Ableitung eines Zustandes von seiner Ursache, oder des zufaelligen Daseins der Substanz selbst von der notwendigen zu tun ist, die Bedingung nicht eben notwendig mit dem Bedingten eine empirische Reihe ausmachen duerfe. Also bleibt uns, bei der vor uns liegenden scheinbaren Antinomie, noch ein Ausweg offen, da naemlich alle beide einander widerstreitenden Saetze in verschiedener Beziehung zugleich wahr sein koennen, so, dass alle Dinge der Sinnenwelt durchaus zufaellig sind, mithin auch immer nur empirischbedingte Existenz haben, gleichwohl von der ganzen Reihe, auch eine nichtempirische Bedingung, d.i. ein unbedingtnotwendiges Wesen stattfinde. Denn dieses wuerde, als intelligible Bedingung, gar nicht zur Reihe als ein Glied derselben (nicht einmal als das oberste Glied) gehoeren, und auch kein Glied der Reihe empirischunbedingt machen, sondern die ganze Sinnenwelt in ihrem durch alle Glieder gehenden empirischbedingten Dasein lassen. Darin wuerde sich also diese Art, ein unbedingtes Dasein den Erscheinungen zum Grunde zu legen, von der empirischunbedingten Kausalitaet (der Freiheit), im vorigen Artikel, unterscheiden, dass bei der Freiheit das Ding selbst, als Ursache (Substantia phaenomenon), dennoch in die Reihe der Bedingungen gehoerte, und nur seine Kausalitaet als intelligibel gedacht wurde, hier aber das notwendige Wesen ganz ausser der Reihe der Sinnenwelt (als ens extramundanum) und bloss intelligibel gedacht werden muesste, wodurch allein es verhuetet werden kann, dass es nicht selbst dem Gesetze der Zufaelligkeit und Abhaengigkeit aller Erscheinungen unterworfen werde. Das regulative Prinzip der Vernunft ist also in Ansehung dieser unserer Aufgabe: dass alles in der Sinnenwelt empirischbedingte Existenz habe, und dass es ueberall in ihr in Ansehung keiner Eigenschaft eine unbedingte Notwendigkeit gebe: dass kein Glied der Reihe von Bedingungen sei, davon man nicht immer die empirische Bedingung in einer moeglichen Erfahrung erwarten, und, soweit man kann, suchen muesse, und nichts uns berechtige, irgendein Dasein von einer Bedingung ausserhalb der empirischen Reihe abzuleiten, oder auch es als in der Reihe selbst fuer schlechterdings unabhaengig und selbstaendig zu halten, gleichwohl aber dadurch gar nicht in Abrede zu ziehen, dass nicht die ganze Reihe in irgendeinem intelligiblen Wesen (welches darum von aller empirischen Bedingung frei ist, und vielmehr den Grund der Moeglichkeit aller dieser Erscheinungen enthaelt,) gegruendet sein koenne. Es ist aber hierbei gar nicht die Meinung, das unbedingtnotwendige Dasein eines Wesens zu beweisen, oder auch nur die Moeglichkeit einer bloss intelligiblen Bedingung der Existenz der Erscheinungen der Sinnenwelt hierauf zu gruenden, sondern nur eben so, wie wir die Vernunft einschraenken, dass sie nicht den Faden der empirischen Bedingungen verlasse, und sich in transzendente und keiner Darstellung in concreto faehige Erklaerungsgruende verlaufe, also auch, andererseits, das Gesetz des bloss empirischen Verstandesgebrauchs dahin einzuschraenken, dass es nicht ueber die Moeglichkeit der Dinge ueberhaupt entscheide, und das Intelligible, ob es gleich von uns zur Erklaerung der Erscheinungen nicht zu gebrauchen ist, darum nicht fuer unmoeglich erklaere. Es wird also dadurch nur gezeigt, dass die durchgaengige Zufaelligkeit aller Naturdinge und aller ihrer (empirischen) Bedingungen, ganz wohl mit der willkuerlichen Voraussetzung einer notwendigen, obzwar bloss intelligiblen Bedingung zusammen bestehen koenne, also kein wahrer Widerspruch zwischen diesen Behauptungen anzutreffen sei, mithin sie beiderseits wahr sein koennen. Es mag immer ein solches schlechthinnotwendiges Verstandeswesen an sich unmoeglich sein, so kann dieses doch aus der allgemeinen Zufaelligkeit und Abhaengigkeit alles dessen, was zur Sinnenwelt gehoert, imgleichen aus dem Prinzip, bei keinem einzigen Gliede derselben, sofern es zufaellig ist, aufzuhoeren und sich auf eine Ursache ausser der Welt zu berufen, keineswegs geschlossen werden. Die Vernunft geht ihren Gang im empirischen und ihren besonderen Gang im transzendentalen Gebrauche. Die Sinnenwelt enthaelt nichts als Erscheinungen, diese aber sind blosse Vorstellungen, die immer wiederum sinnlich bedingt sind, und, da wir hier niemals Dinge an sich selbst zu unseren Gegenstaenden haben, so ist nicht zu verwundern, dass wir niemals berechtigt sind, von einem Gliede der empirischen Reihen, welches es auch sei, einen Sprung ausser dem Zusammenhange der Sinnlichkeit zu tun, gleich als wenn es Dinge an sich selbst waeren, die ausser ihrem transzendentalen Grunde existierten, und die man verlassen koennte, um die Ursache ihres Daseins ausser ihnen zu suchen; welches bei zufaelligen Dingen allerdings endlich geschehen muesste, aber nicht bei blossen Vorstellungen von Dingen, deren Zufaelligkeit selbst nur Phaenomen ist, und auf keinen anderen Regressus, als denjenigen, der die Phaenomena bestimmt, d.i. der empirisch ist, fuehren kann. Sich aber einen intelligiblen Grund der Erscheinungen, d.i. der Sinnenwelt, und denselben befreit von der Zufaelligkeit der letzteren, denken, ist weder dem uneingeschraenkten empirischen Regressus in der Reihe der Erscheinungen, noch der durchgaengigen Zufaelligkeit derselben entgegen. Das ist aber auch das Einzige, was wir zur Hebung der scheinbaren Antinomie zu leisten hatten, und was sich nur auf diese Weise tun liess. Denn, ist die jedesmalige Bedingung zu jedem Bedingten (dem Dasein nach) sinnlich, und eben darum zur Reihe gehoerig, so ist sie selbst wiederum bedingt (wie die Antithesis der vierten Antinomie es aufweist). Es musste also entweder ein Widerstreit mit der Vernunft, die das Unbedingte fordert, bleiben, oder dieses ausser der Reihe in dem Intelligiblen gesetzt werden, dessen Notwendigkeit keine empirische Bedingung erfordert, noch verstattet, und also, respektive auf Erscheinungen, unbedingt notwendig ist. Der empirische Gebrauch der Vernunft (in Ansehung der Bedingungen des Daseins in der Sinnenwelt) wird durch die Einraeumung eines bloss intelligiblen Wesens nicht affiziert, sondern geht nach dem Prinzip der durchgaengigen Zufaelligkeit, von empirischen Bedingungen zu hoeheren, die immer ebensowohl empirisch sind. Ebensowenig schliesst aber auch dieser regulative Grundsatz die Annehmung einer intelligiblen Ursache, die nicht in der Reihe ist, aus, wenn es um den reinen Gebrauch der Vernunft (in Ansehung der Zwecke) zu tun ist. Denn da bedeutet jene nur den fuer uns bloss transzendentalen und unbekannten Grund der Moeglichkeit der sinnlichen Reihe ueberhaupt, dessen, von allen Bedingungen der letzteren unabhaengiges und in Ansehung dieser unbedingtnotwendiges, Dasein der unbegrenzten Zufaelligkeit der ersteren, und darum auch dem nirgend geendigten Regressus in der Reihe empirischer Bedingungen, gar nicht entgegen ist. Schlussanmerkung zur ganzen Antinomie der reinen Vernunft Solange wir mit unseren Vernunftbegriffen bloss die Totalitaet der Bedingungen in der Sinnenwelt, und was in Ansehung ihrer der Vernunft zu Diensten geschehen kann, zum Gegenstande haben: so sind unsere Ideen zwar transzendental, aber doch kosmologisch. Sobald wir aber das Unbedingte (um das es doch eigentlich zu tun ist) in demjenigen setzen, was ganz ausserhalb der Sinnenwelt, mithin ausser aller moeglichen Erfahrung ist, so werden die Ideen transzendent; sie dienen nicht bloss zur Vollendung des empirischen Vernunftgebrauchs (der immer eine nie auszufuehrende, aber dennoch zu befolgende Idee bleibt), sondern sie trennen sich davon gaenzlich, und machen sich selbst Gegenstaende, deren Stoff nicht aus Erfahrung genommen, deren objektive Realitaet auch nicht auf der Vollendung der empirischen Reihe, sondern auf reinen Begriffen a priori beruht. Dergleichen transzendente Ideen haben einen bloss intelligiblen Gegenstand, welchen als ein transzendentales Objekt, von dem man uebrigens nichts weiss, zuzulassen, allerdings erlaubt ist, wozu aber, um es als ein durch seine unterscheidenden und inneren Praedikate bestimmbares Ding zu denken, wir weder Gruende der Moeglichkeit (als unabhaengig von allen Erfahrungsbegriffen), noch die mindeste Rechtfertigung, einen solchen Gegenstand anzunehmen, auf unserer Seite haben, und welches daher ein blosses Gedankending ist. Gleichwohl dringt uns, unter allen kosmologischen Ideen, diejenige, so die vierte Antinomie veranlasste, diesen Schritt zu wagen. Denn das in sich selbst ganz und gar nicht gegruendete, sondern stets bedingte, Dasein der Erscheinungen fordert uns auf: uns nach etwas von allen Erscheinungen unterschiedenem, mithin einem intelligiblen Gegenstande umzusehen, bei welchem diese Zufaelligkeit aufhoere. Weil aber, wenn wir uns einmal die Erlaubnis genommen haben, ausser dem Feld der gesamten Sinnlichkeit eine fuer sich bestehende Wirklichkeit anzunehmen, Erscheinungen nur als zufaellige Vorstellungsarten intelligibler Gegenstaende, von solchen Wesen, die selbst Intelligenzen sind, anzusehen: so bleibt uns nichts anderes uebrig als die Analogie, nach der wir die Erfahrungsbegriffe nutzen, um uns von intelligiblen Dingen, von denen wir an sich nicht die mindeste Kenntnis haben, doch irgend einigen Begriff zu machen. Weil wir das Zufaellige nicht anders als durch Erfahrung kennenlernen, hier aber von Dingen, die gar nicht Gegenstaende der Erfahrung sein sollen, die Rede ist, so werden wir ihre Kenntnis aus dem, was an sich notwendig ist, aus reinen Begriffen von Dingen ueberhaupt, ableiten muessen. Daher noetigt uns der erste Schritt, den wir ausser der Sinnenwelt tun, unsere neuen Kenntnisse von der Untersuchung des schlechthinnotwendigen Wesens anzufangen, und von den Begriffen desselben die Begriffe von allen Dingen, sofern sie bloss intelligibel sind, abzuleiten, und diesen Versuch wollen wir in dem folgenden Hauptstuecke anstellen. Des zweiten Buchs der transzendentalen Dialektik Drittes Hauptstueck Das Ideal der reinen Vernunft Erster Abschnitt Von dem Ideal ueberhaupt Wir haben oben gesehen, dass durch reine Verstandesbegriffe, ohne alle Bedingungen der Sinnlichkeit, gar keine Gegenstaende koennen vorgestellt werden, weil die Bedingungen der objektiven Realitaet derselben fehlen, und nichts, als die blosse Form des Denkens, in ihnen angetroffen wird. Gleichwohl koennen sie in concreto dargestellt werden, wenn man sie auf Erscheinungen anwendet; denn an ihnen haben sie eigentlich den Stoff zum Erfahrungsbegriffe, der nichts als ein Verstandesbegriff in concreto ist. Ideen aber sind noch weiter von der objektiven Realitaet entfernt, als Kategorien; denn es kann keine Erscheinung gefunden werden, an der sie sich in concreto vorstellen liessen. Sie enthalten eine gewisse Vollstaendigkeit, zu welcher keine moegliche empirische Erkenntnis zulangt, und die Vernunft hat dabei nur eine systematische Einheit im Sinne, welcher sie die empirische moegliche Einheit zu naehern sucht, ohne sie jemals voellig zu erreichen. Aber noch weiter, als die Idee, scheint dasjenige von der objektiven Realitaet entfernt zu sein, was ich das Ideal nenne, und worunter ich die Idee, nicht bloss in concreto, sondern in individuo, d.i. als ein einzelnes, durch die Idee allein bestimmbares, oder gar bestimmtes Ding, verstehe. Die Menschheit in ihrer ganzen Vollkommenheit, enthaelt nicht allein die Erweiterung aller zu dieser Natur gehoerigen wesentlichen Eigenschaften, welche unseren Begriff von derselben ausmachen, bis zur vollstaendigen Kongruenz mit ihren Zwecken, welches unsere Idee der vollkommenen Menschheit sein wuerde, sondern auch alles, was ausser diesem Begriffe zu der durchgaengigen Bestimmung der Idee gehoert; denn von allen entgegengesetzten Praedikaten kann sich doch nur ein einziges zu der Idee des vollkommensten Menschen schicken. Was uns ein Ideal ist, war dem Plato eine Idee des goettlichen Verstandes, ein einzelner Gegenstand in der reinen Anschauung desselben, das Vollkommenste einer jeden Art moeglicher Wesen und der Urgrund aller Nachbilder in der Erscheinung. Ohne uns aber so weit zu versteigen, muessen wir gestehen, dass die menschliche Vernunft nicht allein Ideen, sondern auch Ideale enthalte, die zwar nicht, wie die platonischen, schoepferische, aber doch praktische Kraft (als regulative Prinzipien) haben, und der Moeglichkeit der Vollkommenheit gewisser Handlungen zum Grunde liegen. Moralische Begriffe sind nicht gaenzlich reine Vernunftbegriffe, weil ihnen etwas Empirisches (Lust oder Unlust) zum Grunde liegt. Gleichwohl koennen sie in Ansehung des Prinzips, wodurch die Vernunft der an sich gesetzlosen Freiheit Schranken setzt, (also wenn man bloss auf ihre Form acht hat,) gar wohl zum Beispiele reiner Vernunftbegriffe dienen. Tugend, und, mit ihr, menschliche Weisheit in ihrer ganzen Reinigkeit, sind Ideen. Aber der Weise (des Stoikers) ist ein Ideal, d.i. ein Mensch, der bloss in Gedanken existiert, der aber mit der Idee der Weisheit voellig kongruiert. So wie die Idee die Regel gibt, so dient das Ideal in solchem Falle zum Urbilde, der durchgaengigen Bestimmung des Nachbildes, und wir haben kein anderes Richtmass unserer Handlungen, als das Verhalten dieses goettlichen Menschen in uns, womit wir uns vergleichen, beurteilen, und dadurch uns bessern, obgleich es niemals erreichen koennen. Diese Ideale, ob man ihnen gleich nicht objektive Realitaet (Existenz) zugestehen moechte, sind doch um deswillen nicht fuer Hirngespinste anzusehen, sondern geben ein unentbehrliches Richtmass der Vernunft ab, die des Begriffs von dem, was in seiner Art ganz vollstaendig ist, bedarf, um danach den Grad und die Maengel des Unvollstaendigen zu schaetzen und abzumessen. Das Ideal aber in einem Beispiele, d.i. in der Erscheinung, realisieren wollen, wie etwa den Weisen in einem Roman, ist untunlich, und hat ueberdem etwas Widersinnisches und wenig Erbauliches an sich, indem die natuerlichen Schranken, welche der Vollstaendigkeit in der Idee kontinuierlich Abbruch tun, alle Illusion in solchem Versuche unmoeglich und dadurch das Gute, das in der Idee liegt, selbst verdaechtig und einer blossen Erdichtung aehnlich machen. So ist es mit dem Ideale der Vernunft bewandt, welches jederzeit auf bestimmten Begriffen beruhen und zur Regel und Urbilde, es sei der Befolgung, oder Beurteilung, dienen muss. Ganz anders verhaelt es sich mit denen Geschoepfen der Einbildungskraft, darueber sich niemand erklaeren und einen verstaendlichen Begriff geben kann, gleichsam Monogrammen, die nur einzelne, obzwar nach keiner angeblichen Regel bestimmte Zuege sind, welche mehr eine im Mittel verschiedener Erfahrungen gleichsam schwebende Zeichnung, als ein bestimmtes Bild ausmachen, dergleichen Maler und Physiognomen in ihrem Kopfe zu haben vorgeben, und die ein nicht mitzuteilendes Schattenbild ihrer Produkte oder auch Beurteilungen sein sollen. Sie koennen, obzwar nur uneigentlich, Ideale der Sinnlichkeit genannt werden, weil sie das nicht erreichbare Muster moeglicher empirischer Anschauungen sein sollen, und gleichwohl keine der Erklaerung und Pruefung faehige Regel abgeben. Die Absicht der Vernunft mit ihrem Ideale ist dagegen die durchgaengige Bestimmung nach Regeln a priori; daher sie sich einen Gegenstand denkt, der nach Prinzipien durchgaengig bestimmbar sein soll, obgleich dazu die hinreichenden Bedingungen in der Erfahrung mangeln und der Begriff selbst also transzendent ist. Des dritten Hauptstuecks Zweiter Abschnitt Von dem transzendentalen Ideal (Prototypon transzendentale) Ein jeder Begriff ist in Ansehung dessen, was in ihm selbst nicht enthalten ist, unbestimmt, und steht unter dem Grundsatze der Bestimmbarkeit; dass nur eines, von jeden zween einander kontradiktorischentgegengesetzten Praedikaten, ihm zukommen koenne, welcher auf dem Satze des Widerspruchs beruht, und daher ein bloss logisches Prinzip ist, das von allem Inhalte der Erkenntnis abstrahiert, und nichts, als die logische Form derselben vor Augen hat. Ein jedes Ding aber, seiner Moeglichkeit nach, steht noch unter dem Grundsatze der durchgaengigen Bestimmung, nach welchem ihm von allen moeglichen Praedikaten der Dinge, sofern sie mit ihren Gegenteilen verglichen werden, eines zukommen muss. Dieses beruht nicht bloss auf dem Satze des Widerspruchs; denn es betrachtet, ausser dem Verhaeltnis zweier einander widerstreitenden Praedikate, jedes Ding noch im Verhaeltnis auf die gesamte Moeglichkeit, als den Inbegriff aller Praedikate der Dinge ueberhaupt, und, indem es solche als Bedingung a priori voraussetzt, so stellt es ein jedes Ding so vor, wie es von dem Anteil, den es an jener gesamten Moeglichkeit hat, seine eigene Moeglichkeit ableite.* Das Prinzipium der durchgaengigen Bestimmung betrifft also den Inhalt, und nicht bloss die logische Form. Es ist der Grundsatz der Synthesis aller Praedikate, die den vollstaendigen Begriff von einem Dinge machen sollen, und nicht bloss der analytischen Vorstellung, durch eines zweier entgegengesetzten Praedikate, und enthaelt eine transzendentale Voraussetzung, naemlich die der Materie zu aller Moeglichkeit, welche a priori die Data zur besonderen Moeglichkeit jedes Dinges enthalten soll. * Es wird also durch diesen Grundsatz jedes Ding auf ein gemeinschaftliches Korrelatum, naemlich die gesamte Moeglichkeit, bezogen, welche, wenn sie (d.i. der Stoff zu allen moeglichen Praedikaten) in der Idee eines einzigen Dinges angetroffen wuerde, eine Affinitaet alles Moeglichen durch die Identitaet des Grundes der durchgaengigen Bestimmung desselben beweisen wuerde. Die Bestimmbarkeit eines jeden Begriffs ist der Allgemeinheit (Universalitas) des Grundsatzes der Ausschliessung eines Mittleren zwischen zwei entgegengesetzten Praedikaten, die Bestimmung aber eines Dinges der Allheit (Universitas) oder dem Inbegriffe aller moeglichen Praedikate untergeordnet. Der Satz: alles Existierende ist durchgaengig bestimmt, bedeutet nicht allein, dass von jedem Paare einander entgegengesetzter gegebenen, sondern auch von allen moeglichen Praedikaten ihm immer eines zukomme; es werden durch diesen Satz nicht bloss Praedikate untereinander logisch, sondern das Ding selbst, mit dem Inbegriff aller moeglichen Praedikate, transzendental verglichen. Er will so viel sagen, als: um ein Ding vollstaendig zu erkennen, muss man alles Moegliche erkennen, und es dadurch, es sei bejahend oder verneinend, bestimmen. Die durchgaengige Bestimmung ist folglich ein Begriff, den wir niemals in concreto seiner Totalitaet nach darstellen koennen, und gruendet sich also auf einer Idee, welche lediglich in der Vernunft ihren Sitz hat, die dem Verstande die Regel seines vollstaendigen Gebrauchs vorschreibt. Ob nun zwar diese Idee von dem Inbegriffe aller Moeglichkeit, sofern er als Bedingung der durchgaengigen Bestimmung eines jeden Dinges zum Grunde liegt, in Ansehung der Praedikate, die denselben ausmachen moegen, selbst noch unbestimmt ist, und wir dadurch nichts weiter als einen Inbegriff aller moeglichen Praedikate ueberhaupt denken, so finden wir doch bei naeherer Untersuchung, dass diese Idee, als Urbegriff, eine Menge von Praedikaten ausstosse, die als abgeleitet durch andere schon gegeben sind, oder nebeneinander nicht stehen koennen, und dass sie sich bis zu einem durchgaengig a priori bestimmten Begriffe laeutere, und dadurch der Begriff von einem einzelnen Gegenstande werde, der durch die blosse Idee durchgaengig bestimmt ist, mithin ein Ideal der reinen Vernunft genannt werden muss. Wenn wir alle moeglichen Praedikate nicht bloss logisch, sondern transzendental, d.i. nach ihrem Inhalte, der an ihnen a priori gedacht werden kann, erwaegen, so finden wir, dass durch einige derselben ein Sein, durch andere ein blosses Nichtsein vorgestellt wird. Die logische Verneinung, die lediglich durch das Woertchen: Nicht, angezeigt wird, haengt eigentlich niemals einem Begriffe, sondern nur dem Verhaeltnisse desselben zu einem anderen im Urteile an, und kann also dazu bei weitem nicht hinreichend sein, einen Begriff in Ansehung seines Inhaltes zu bezeichnen. Der Ausdruck: Nichtsterblich, kann gar nicht zu erkennen geben, dass dadurch ein blosses Nichtsein am Gegenstande vorgestellt werde, sondern laesst allen Inhalt unberuehrt. Eine transzendentale Verneinung bedeutet dagegen das Nichtsein an sich selbst, dem die transzendentale Bejahung entgegengesetzt wird, welche ein Etwas ist, dessen Begriff an sich selbst schon ein Sein ausdrueckt, und daher Realitaet (Sachheit) genannt wird, weil durch sie allein, und so weit sie reicht, Gegenstaende Etwas (Dinge) sind, die entgegenstehende Negation hingegen einen blossen Mangel bedeutet, und, wo diese allein gedacht wird, die Aufhebung alles Dinges vorgestellt wird. Nun kann sich niemand eine Verneinung bestimmt denken, ohne dass er die entgegengesetzte Bejahung zum Grunde liegen habe. Der Blindgeborene kann sich nicht die mindeste Vorstellung von Finsternis machen, weil er keine vom Lichte hat; der Wilde nicht von der Armut, weil er den Wohlstand nicht kennt.* Der Unwissende hat keinen Begriff von seiner Unwissenheit, weil er keinen von der Wissenschaft hat, usw. Es sind also auch alle Begriffe der Negationen abgeleitet, und die Realitaeten enthalten die Data und sozusagen die Materie, oder den transzendentalen Inhalt, zu der Moeglichkeit und durchgaengigen Bestimmung aller Dinge. * Die Beobachtungen und Berechnungen der Sternkundigen haben uns viel Bewunderungswuerdiges gelehrt, aber das Wichtigste ist wohl, dass sie uns den Abgrund der Unwissenheit aufgedeckt haben, den die menschliche Vernunft, ohne diese Kenntnisse, sich niemals so gross haette vorstellen koennen, und worueber das Nachdenken eine grosse Veraenderung in der Bestimmung der Endabsichten unseres Vernunftgebrauchs hervorbringen muss. Wenn also der durchgaengigen Bestimmung in unserer Vernunft ein transzendentales Substratum zum Grunde gelegt wird, welches gleichsam den ganzen Vorrat des Stoffes, daher alle moeglichen Praedikate der Dinge genommen werden koennen, enthaelt, so ist dieses Substratum nichts anderes, als die Idee von einem All der Realitaet (omnitudo realitatis). Alle wahren Verneinungen sind alsdann nichts als Schranken, welches sie nicht genannt werden koennten, wenn nicht das Unbeschraenkte (das All) zum Grunde laege. Es ist aber auch durch diesen Allbesitz der Realitaet der Begriff eines Dinges an sich selbst, als durchgaengig bestimmt, vorgestellt, und der Begriff eines entis realissimi ist der Begriff eines einzelnen Wesens, weil von allen moeglichen entgegengesetzten Praedikaten eines, naemlich das, was zum Sein schlechthin gehoert, in seiner Bestimmung angetroffen wird. Also ist es ein transzendentales Ideal, welches der durchgaengigen Bestimmung, die notwendig bei allem, was existiert, angetroffen wird, zum Grunde liegt, und die oberste und vollstaendige materiale Bedingung seiner Moeglichkeit ausmacht, auf welcher alles Denken der Gegenstaende ueberhaupt ihrem Inhalte nach zurueckgefuehrt werden muss. Es ist aber auch das einzige eigentliche Ideal, dessen die menschliche Vernunft faehig ist; weil nur in diesem einzigen Falle ein an sich allgemeiner Begriff von einem Dinge durch sich selbst durchgaengig bestimmt, und als die Vorstellung von einem Individuum erkannt wird. Die logische Bestimmung eines Begriffs durch die Vernunft beruht auf einem disjunktiven Vernunftschlusse, in welchem der Obersatz eine logische Einteilung (die Teilung der Sphaere eines allgemeinen Begriffs) enthaelt, der Untersatz diese Sphaere bis auf einen Teil einschraenkt und der Schlusssatz den Begriff durch diesen bestimmt. Der allgemeine Begriff einer Realitaet ueberhaupt kann a priori nicht eingeteilt werden, weil man ohne Erfahrung keine bestimmten Arten von Realitaet kennt, die unter jener Gattung enthalten waeren. Also ist der transzendentale Obersatz der durchgaengigen Bestimmung aller Dinge nichts anderes, als die Vorstellung des Inbegriffs aller Realitaet, nicht bloss ein Begriff, der alle Praedikate ihrem transzendentalen Inhalte nach unter sich, sondern der sie in sich begreift, und die durchgaengige Bestimmung eines jeden Dinges beruht auf der Einschraenkung dieses All der Realitaet, indem Einiges derselben dem Dinge beigelegt, das uebrige aber ausgeschlossen wird, welches mit dem Entweder und Oder des disjunktiven Obersatzes und der Bestimmung des Gegenstandes, durch eins der Glieder dieser Teilung im Untersatze, uebereinkommt. Demnach ist der Gebrauch der Vernunft, durch den sie das transzendentale Ideal zum Grunde ihrer Bestimmung aller moeglichen Dinge legt, demjenigen analogisch, nach welchem sie in disjunktiven Vernunftschluessen verfaehrt; welches der Satz war, den ich oben zum Grunde der systematischen Einteilung aller transzendentalen Ideen legte, nach welchem sie den drei Arten von Vernunftschluessen parallel und korrespondierend erzeugt werden. Es versteht sich von selbst, dass die Vernunft zu dieser ihrer Absicht, naemlich sich lediglich die notwendige durchgaengige Bestimmung der Dinge vorzustellen, nicht die Existenz eines solchen Wesens, das dem Ideale gemaess ist, sondern nur die Idee desselben voraussetze, um von einer unbedingten Totalitaet der durchgaengigen Bestimmung die bedingte, d.i. die des Eingeschraenkten abzuleiten. Das Ideal ist ihr also das Urbild (Prototypon) aller Dinge, welche insgesamt, als mangelhafte Kopien (ectypa), den Stoff zu ihrer Moeglichkeit daher nehmen, und indem sie demselben mehr oder weniger nahekommen, dennoch jederzeit unendlich weit daran fehlen, es zu erreichen. So wird denn alle Moeglichkeit der Dinge (der Synthesis des Mannigfaltigen ihrem Inhalte nach) als abgeleitet, und nur allein die desjenigen, was alle Realitaet in sich schliesst, als urspruenglich angesehen. Denn alle Verneinungen (welche doch die einzigen Praedikate sind, wodurch sich alles andere vom realsten Wesen unterscheiden laesst,) sind blosse Einschraenkungen einer groesseren und endlich der hoechsten Realitaet, mithin setzen sie diese voraus, und sind dem Inhalte nach von ihr bloss abgeleitet. Alle Mannigfaltigkeit der Dinge ist nur eine eben so vielfaeltige Art, den Begriff der hoechsten Realitaet, der ihr gemeinschaftliches Substratum ist, einzuschraenken, so wie alle Figuren nur als verschiedene Arten, den unendlichen Raum einzuschraenken, moeglich sind. Daher wird der bloss in der Vernunft befindliche Gegenstand ihres Ideals auch das Urwesen (ens originarium), sofern es keines ueber sich hat, das hoechste Wesen (ens summum), und, sofern alles, als bedingt, unter ihm steht, das Wesen aller Wesen (ens entium) genannt. Alles dieses aber bedeutet nicht das objektive Verhaeltnis eines wirklichen Gegenstandes zu anderen Dingen, sondern der Idee zu Begriffen, und laesst uns wegen der Existenz eines Wesens von so ausnehmendem Vorzuge in voelliger Unwissenheit. Weil man auch nicht sagen kann, dass ein Urwesen aus viel abgeleiteten Wesen bestehe, indem ein jedes derselben jenes voraussetzt, mithin es nicht ausmachen kann, so wird das Ideal des Urwesens auch als einfach gedacht werden muessen. Die Ableitung aller anderen Moeglichkeit von diesem Urwesen wird daher, genau zu reden, auch nicht als eine Einschraenkung seiner hoechsten Realitaet und gleichsam als eine Teilung derselben angesehen werden koennen; denn alsdann wuerde das Urwesen als ein blosses Aggregat von abgeleiteten Wesen angesehen werden, welches nach dem vorigen unmoeglich ist, ob wir es gleich anfaenglich im ersten rohen Schattenrisse so vorstellten. Vielmehr wuerde der Moeglichkeit aller Dinge die hoechste Realitaet als ein Grund und nichts als Inbegriff zum Grunde liegen, und die Mannigfaltigkeit der ersteren nicht auf der Einschraenkung des Urwesens selbst, sondern seiner vollstaendigen Folge beruhen, zu welcher denn auch unsere ganze Sinnlichkeit, samt aller Realitaet in der Erscheinung, gehoeren wuerde, die zu der Idee des hoechsten Wesens, als ein Ingredienz, nicht gehoeren kann. Wenn wir nun dieser unserer Idee, indem wir sie hypostasieren, so ferner nachgehen, so werden wir das Urwesen durch den blossen Begriff der hoechsten Realitaet als ein einiges, einfaches, allgenugsames, ewiges usw., mit einem Worte, es in seiner unbedingten Vollstaendigkeit durch alle Praedikamente bestimmen koennen. Der Begriff eines solchen Wesens ist der von Gott, in transzendentalem Verstande gedacht, und so ist das Ideal der reinen Vernunft der Gegenstand einer transzendentalen Theologie, so wie ich es auch oben angefuehrt habe. Indessen wuerde dieser Gebrauch der transzendentalen Idee doch schon die Grenzen ihrer Bestimmung und Zulaessigkeit ueberschreiten. Denn die Vernunft legte sie nur, als den Begriff von aller Realitaet, der durchgaengigen Bestimmung der Dinge ueberhaupt zum Grunde, ohne zu verlangen, dass alle diese Realitaet objektiv gegeben sei und selbst ein Ding ausmache. Dieses letztere ist eine blosse Erdichtung, durch welche wir das Mannigfaltige unserer Idee in einem Ideale, als einem besonderen Wesen, zusammenfassen und realisieren, wozu wir keine Befugnis haben, sogar nicht einmal die Moeglichkeit einer solchen Hypothese geradezu anzunehmen, wie denn auch alle Folgerungen, die aus einem solchen Ideale abfliessen, die durchgaengige Bestimmung der Dinge ueberhaupt, als zu deren Behuf die Idee allein noetig war, nichts angehen, und darauf nicht den mindesten Einfluss haben. Es ist nicht genug, das Verfahren unserer Vernunft und ihre Dialektik zu beschreiben, man muss auch die Quellen derselben zu entdecken suchen, um diesen Schein selbst, wie ein Phaenomen des Verstandes, erklaeren zu koennen; denn das Ideal, wovon wir reden, ist auf einer natuerlichen und nicht bloss willkuerlichen Idee gegruendet. Daher frage ich: wie kommt die Vernunft dazu, alle Moeglichkeit der Dinge als abgeleitet von einer einzigen, die zum Grunde liegt, naemlich der der hoechsten Realitaet, anzusehen, und diese sodann, als in einem besonderen Urwesen enthalten vorauszusetzen? Die Antwort bietet sich aus den Verhandlungen der transzendentalen Analytik von selbst dar. Die Moeglichkeit der Gegenstaende der Sinne ist ein Verhaeltnis derselben zu unserem Denken, worin etwas (naemlich die empirische Form) a priori gedacht werden kann, dasjenige aber, was die Materie ausmacht, die Realitaet in der Erscheinung, (was der Empfindung entspricht) gegeben sein muss, ohne welches es auch gar nicht gedacht und mithin seine Moeglichkeit nicht vorgestellt werden koennte. Nun kann ein Gegenstand der Sinne nur durchgaengig bestimmt werden, wenn er mit allen Praedikaten der Erscheinung verglichen und durch dieselbe bejahend oder verneinend vorgestellt wird. Weil aber darin dasjenige, was das Ding selbst (in der Erscheinung) ausmacht, naemlich das Reale, gegeben sein muss, ohne welches es auch gar nicht gedacht werden koennte; dasjenige aber, worin das Reale aller Erscheinungen gegeben ist, die einige allbefassende Erfahrung ist: so muss die Materie zur Moeglichkeit aller Gegenstaende der Sinne, als in einem Inbegriffe gegeben, vorausgesetzt werden, auf dessen Einschraenkung allein alle Moeglichkeit empirischer Gegenstaende, ihr Unterschied voneinander und ihre durchgaengige Bestimmung, beruhen kann. Nun koennen uns in der Tat keine anderen Gegenstaende, als die der Sinne, und nirgends als in dem Kontext einer moeglichen Erfahrung gegeben werden, folglich ist nichts fuer uns ein Gegenstand, wenn es nicht den Inbegriff aller empirischen Realitaet als Bedingung seiner Moeglichkeit voraussetzt. Nach einer natuerlichen Illusion sehen wir nun das fuer einen Grundsatz an, der von allen Dingen ueberhaupt gelten muesse, welcher eigentlich nur von denen gilt, die als Gegenstaende unserer Sinne gegeben werden. Folglich werden wir das empirische Prinzip unserer Begriffe der Moeglichkeit der Dinge, als Erscheinungen, durch Weglassung dieser Einschraenkung, fuer ein transzendentales Prinzip der Moeglichkeit der Dinge ueberhaupt halten. Dass wir aber hernach diese Idee vom Inbegriffe aller Realitaet hypostasieren, kommt daher: weil wir die distributive Einheit des Erfahrungsgebrauchs des Verstandes in die kollektive Einheit eines Erfahrungsganzen dialektisch verwandeln, und an diesem Ganzen der Erscheinung uns ein einzelnes Ding denken, was alle empirische Realitaet in sich enthaelt, welches dann, vermittelst der schon gedachten transzendentalen Subreption, mit dem Begriffe eines Dinges verwechselt wird, was an der Spitze der Moeglichkeit aller Dinge steht, zu deren durchgaengiger Bestimmung es die realen Bedingungen hergibt.* * Dieses Ideal des allerrealsten Wesens wird also, ob es zwar eine blosse Vorstellung ist, zuerst realisiert, d.i. zum Objekt gemacht, darauf hypostasiert, endlich, durch einen natuerlichen Fortschritt der Vernunft zur Vollendung der Einheit, sogar personifiziert, wie wir bald anfuehren werden; weil die regulative Einheit der Erfahrung nicht auf den Erscheinungen selbst (der Sinnlichkeit allein), sondern auf der Verknuepfung ihres Mannigfaltigen durch den Verstand (in einer Apperzeption) beruht, mithin die Einheit der hoechsten Realitaet und die durchgaengige Bestimmbarkeit (Moeglichkeit) aller Dinge in einem hoechsten Verstande, mithin in einer Intelligenz zu liegen scheint. Des dritten Hauptstuecks Dritter Abschnitt Von den Beweisgruenden der spekulativen Vernunft, auf das Dasein eines hoechsten Wesens zu schliessen Ungeachtet dieser dringenden Beduerfnis der Vernunft, etwas vorauszusetzen, was dem Verstande zu der durchgaengigen Bestimmung seiner Begriffe vollstaendig zum Grunde liegen koenne, so bemerkt sie doch das Idealische und bloss Gedichtete einer solchen Voraussetzung viel zu leicht, als dass sie dadurch allein ueberredet werden sollte, ein blosses Selbstgeschoepf ihres Denkens sofort fuer ein wirkliches Wesen anzunehmen, wenn sie nicht wodurch anders gedrungen wuerde, irgendwo ihren Ruhestand, in dem Regressus vom Bedingten, das gegeben ist, zum Unbedingten, zu suchen, das zwar an sich und seinem blossen Begriff nach nicht als wirklich gegeben ist, welches aber allein die Reihe der zu ihren Gruenden hinausgefuehrten Bedingungen vollenden kann. Dieses ist nun der natuerliche Gang, den jede menschliche Vernunft, selbst die gemeinste, nimmt, obgleich nicht eine jede in demselben aushaelt. Sie faengt nicht von Begriffen, sondern von der gemeinen Erfahrung an, und legt also etwas Existierendes zum Grunde. Dieser Boden aber sinkt, wenn er nicht auf dem unbeweglichen Felsen des Absolutnotwendigen ruht. Dieser selber aber schwebt ohne Stuetze, wenn noch ausser und unter ihm leerer Raum ist, und er nicht selbst alles erfuellt und dadurch keinen Platz zum Warum mehr uebrig laesst, d.i. der Realitaet nach unendlich ist. Wenn etwas, was es auch sei, existiert, so muss auch eingeraeumt werden, dass irgend etwas notwendigerweise existiere. Denn das Zufaellige existiert nur unter der Bedingung eines anderen, als seiner Ursache, und von dieser gilt der Schluss fernerhin, bis zu einer Ursache, die nicht zufaellig und eben darum ohne Bedingung notwendigerweise da ist. Das ist das Argument, worauf die Vernunft ihren Fortschritt zum Urwesen gruendet. Nun sieht sich die Vernunft nach dem Begriffe eines Wesens um, das sich zu einem solchen Vorzuge der Existenz, als die unbedingte Notwendigkeit, schicke, nicht sowohl, um alsdann von dem Begriffe desselben a priori auf sein Dasein zu schliessen, (denn, getraute sie sich dieses, so duerfte sie ueberhaupt nur unter blossen Begriffen forschen, und haette nicht noetig, ein gegebenes Dasein zum Grunde zu legen,) sondern nur um unter allen Begriffen moeglicher Dinge denjenigen zu finden, der nichts der absoluten Notwendigkeit Widerstreitendes in sich hat. Denn, dass doch irgend etwas schlechthin notwendig existieren muesse, haelt sie nach dem ersteren Schlusse schon fuer ausgemacht. Wenn sie nun alles wegschaffen kann, was sich mit dieser Notwendigkeit nicht vertraegt, ausser einem; so ist dieses das schlechthin notwendige Wesen, man mag nun die Notwendigkeit desselben begreifen, d.i. aus seinem Begriffe allein ableiten koennen, oder nicht. Nun scheint dasjenige, dessen Begriff zu allem Warum das Darum in sich enthaelt, das in keinem Stuecke und in keiner Absicht defekt ist, welches allerwaerts als Bedingung hinreicht, eben darum das zur absoluten Notwendigkeit schickliche Wesen zu sein, weil es, bei dem Selbstbesitz aller Bedingungen zu allem Moeglichen, selbst keiner Bedingung bedarf, ja derselben nicht einmal faehig ist, folglich, wenigstens in einem Stuecke, dem Begriffe der unbedingten Notwendigkeit ein Genuege tut, darin es kein anderer Begriff ihm gleichtun kann, der, weil er mangelhaft und der Ergaenzung beduerftig ist, kein solches Merkmal der Unabhaengigkeit von allen ferneren Bedingungen an sich zeigt. Es ist wahr, dass hieraus noch nicht sicher gefolgert werden koenne, dass, was nicht die hoechste und in aller Absicht vollstaendige Bedingung in sich enthaelt, darum selbst seiner Existenz nach bedingt sein muesse; aber es hat denn doch das einzige Merkzeichen des unbedingten Daseins nicht an sich, dessen die Vernunft maechtig ist, um durch einen Begriff a priori irgendein Wesen als unbedingt zu erkennen. Der Begriff eines Wesens von der hoechsten Realitaet wuerde sich also unter allen Begriffen moeglicher Dinge zu dem Begriffe eines unbedingt notwendigen Wesens am besten schicken, und, wenn er diesem auch nicht voellig genugtut, so haben wir doch keine Wahl, sondern sehen uns genoetigt, uns an ihn zu halten, weil wir die Existenz eines notwendigen Wesens nicht in den Wind schlagen duerfen; geben wir sie aber zu, doch in dem ganzen Felde der Moeglichkeit nichts finden koennen, was auf einen solchen Vorzug im Dasein einen gegruendeteren Anspruch machen koennte. So ist also der natuerliche Gang der menschlichen Vernunft beschaffen. Zuerst ueberzeugt sie sich vom Dasein irgendeines notwendigen Wesens. In diesem erkennt sie eine unbedingte Existenz. Nun sucht sie den Begriff des Unabhaengigen von aller Bedingung, und findet ihn in dem, was selbst die zureichende Bedingung zu allem anderen ist, d.i. in demjenigen, was alle Realitaet enthaelt. Das All aber ohne Schranken ist absolute Einheit, und fuehrt den Begriff eines einigen, naemlich des hoechsten Wesens bei sich, und so schliesst sie, dass das hoechste Wesen, als Urgrund aller Dinge, schlechthin notwendigerweise da sei. Diesem Begriffe kann eine gewisse Gruendlichkeit nicht gestritten werden, wenn von Entschliessungen die Rede ist, naemlich, wenn einmal das Dasein irgendeines notwendigen Wesens zugegeben wird und man darin uebereinkommt, dass man seine Partei ergreifen muesse, worin man dasselbe setzen wolle; denn alsdann kann man nicht schicklicher waehlen, oder man hat vielmehr keine Wahl, sondern ist genoetigt, der absoluten Einheit der vollstaendigen Realitaet, als dem Urquelle der Moeglichkeit, seine Stimme zu geben. Wenn uns aber nichts treibt, uns zu entschliessen, und wir lieber diese ganze Sache dahingestellt sein liessen, bis wir durch das volle Gewicht der Beweisgruende zum Beifalle gezwungen wuerden, d.i. wenn es bloss um Beurteilung zu tun ist, wie viel wir von dieser Aufgabe wissen, und was wir uns nur zu wissen schmeicheln; dann erscheint obiger Schluss bei weitem nicht in so vorteilhafter Gestalt, und bedarf Gunst, um den Mangel seiner Rechtsansprueche zu ersetzen. Denn, wenn wir alles so gut sein lassen, wie es hier vor uns liegt, dass naemlich erstlich von irgendeiner gegebenen Existenz (allenfalls auch bloss meiner eigenen) ein richtiger Schluss auf die Existenz eines unbedingt notwendigen Wesens stattfinde, zweitens, dass ich ein Wesen, welches alle Realitaet, mithin auch alle Bedingung enthaelt, als schlechthin unbedingt ansehen muesse, folglich der Begriff des Dinges, welches sich zur absoluten Notwendigkeit schickt, hierdurch gefunden sei: so kann daraus doch gar nicht geschlossen werden, dass der Begriff eines eingeschraenkten Wesens, das nicht die hoechste Realitaet hat, darum der absoluten Notwendigkeit widerspreche. Denn, ob ich gleich in seinem Begriffe nicht das Unbedingte antreffe, was das All der Bedingungen schon bei sich fuehrt, so kann daraus doch gar nicht gefolgert werden, dass sein Dasein eben darum bedingt sein muesse; so wie ich in einem hypothetischen Vernunftschlusse nicht sagen kann: wo eine gewisse Bedingung (naemlich hier der Vollstaendigkeit nach Begriffen) nicht ist, da ist auch das Bedingte nicht. Es wird uns vielmehr unbenommen bleiben, alle uebrigen eingeschraenkten Wesen ebensowohl fuer unbedingt notwendig gelten zu lassen, ob wir gleich ihre Notwendigkeit aus dem allgemeinen Begriffe, den wir von ihnen haben, nicht schliessen koennen. Auf diese Weise aber haette dieses Argument uns nicht den mindesten Begriff von Eigenschaften eines notwendigen Wesens verschafft, und ueberall gar nichts geleistet. Gleichwohl bleibt diesem Argumente eine gewisse Wichtigkeit, und ein Ansehen, das ihm, wegen dieser objektiven Unzulaenglichkeit, noch nicht sofort genommen werden kann. Denn setzet, es gebe Verbindlichkeiten, die in der Idee der Vernunft ganz richtig, aber ohne alle Realitaet in Anwendung auf uns selbst, d.i. ohne Triebfedern sein wuerden, wo nicht ein hoechstes Wesen vorausgesetzt wuerde, das den praktischen Gesetzen Wirkung und Nachdruck geben koennte: so wuerden wir auch eine Verbindlichkeit haben, den Begriffen zu folgen, die, wenn sie gleich nicht objektiv zulaenglich sein moechten, doch nach dem Masse unserer Vernunft ueberwiegend sind, und in Vergleichung mit denen wir doch nichts Besseres und Ueberfuehrenderes erkennen. Die Pflicht zu waehlen, wuerde hier die Unschliessigkeit der Spekulation durch einen praktischen Zusatz aus dem Gleichgewichte bringen, ja die Vernunft wuerde bei ihr selbst, als dem nachsehendsten Richter, keine Rechtfertigung finden, wenn sie unter dringenden Bewegursachen, obzwar nur mangelhafter Einsicht, diesen Gruenden ihres Urteils, ueber die wir doch wenigstens keine besseren kennen, nicht gefolgt waere. Dieses Argument, ob es gleich in der Tat transzendental ist, indem es auf der inneren Unzulaenglichkeit des Zufaelligen beruht, ist doch so einfaeltig und natuerlich, dass es dem gemeinsten Menschensinne angemessen ist, sobald dieser nur einmal darauf gefuehrt wird. Man sieht Dinge sich veraendern, entstehen und vergehen; sie muessen also, oder wenigstens ihr Zustand, eine Ursache haben. Von jeder Ursache aber, die jemals in der Erfahrung gegeben werden mag, laesst sich eben dieses wiederum fragen. Wohin sollen wir nun die oberste Kausalitaet billiger verlegen, als dahin, wo auch die hoechste Kausalitaet ist, d.i. in dasjenige Wesen, was zu der moeglichen Wirkung die Zulaenglichkeit in sich selbst urspruenglich enthaelt, dessen Begriff auch durch den einzigen Zug einer allbefassenden Vollkommenheit sehr leicht zustande kommt. Diese hoechste Ursache halten wir dann fuer schlechthin notwendig, weil wir es schlechterdings notwendig finden, bis zu ihr hinaufzusteigen, und keinen Grund, ueber sie noch weiter hinauszugehen. Daher sehen wir bei allen Voelkern durch ihre blindeste Vielgoetterei doch einige Funken des Monotheismus durchschimmern, wozu nicht Nachdenken und tiefe Spekulation, sondern nur ein nach und nach verstaendlich gewordener natuerlicher Gang des gemeinen Verstandes gefuehrt hat. Es sind nur drei Beweisarten vom Dasein Gottes aus spekulativer Vernunft moeglich. Alle Wege, die man in dieser Absicht einschlagen mag, fangen entweder von der bestimmten Erfahrung und der dadurch erkannten besonderen Beschaffenheit unserer Sinnenwelt an, und steigen von ihr nach Gesetzen der Kausalitaet bis zur hoechsten Ursache ausser der Welt hinauf: oder sie legen nur unbestimmte Erfahrung, d.i. irgendein Dasein, empirisch zum Grunde, oder sie abstrahieren endlich von aller Erfahrung, und schliessen gaenzlich a priori aus blossen Begriffen auf das Dasein einer hoechsten Ursache. Der erste Beweis ist der physikotheologische, der zweite der kosmologische, der dritte der ontologische Beweis. Mehr gibt es ihrer nicht, und mehr kann es auch nicht geben. Ich werde dartun: dass die Vernunft, auf dem einen Wege (dem empirischen) so wenig, als auf dem anderen (dem transzendentalen), etwas ausrichte, und dass sie vergeblich ihre Fluegel ausspanne, um ueber die Sinnenwelt durch die blosse Macht der Spekulation hinaus zu kommen. Was aber die Ordnung betrifft, in welcher diese Beweisarten der Pruefung vorgelegt werden muessen, so wird sie gerade die umgekehrte von derjenigen sein, welche die sich nach und nach erweiternde Vernunft nimmt, und in der wir sie auch zuerst gestellt haben. Denn es wird sich zeigen: dass, obgleich Erfahrung den ersten Anlass dazu gibt, dennoch bloss der transzendentale Begriff die Vernunft in dieser ihrer Bestrebung leite und in allen solchen Versuchen das Ziel ausstecke, das sie sich vorgesetzt hat. Ich werde also von der Pruefung des transzendentalen Beweises anfangen, und nachher sehen, was der Zusatz des Empirischen zur Vergroesserung seiner Beweiskraft tun koenne. Des dritten Hauptstuecks Vierter Abschnitt Von der Unmoeglichkeit eines ontologischen Beweises vom Dasein Gottes Man sieht aus dem bisherigen leicht: dass der Begriff eines absolut notwendigen Wesens ein reiner Vernunftbegriff, d.i. eine blosse Idee sei, deren objektive Realitaet dadurch, dass die Vernunft ihrer bedarf, noch lange nicht bewiesen ist, welche auch nur auf eine gewisse obzwar unerreichbare Vollstaendigkeit Anweisung gibt, und eigentlich mehr dazu dient, den Verstand zu begrenzen, als ihn auf neue Gegenstaende zu erweitern. Es findet sich hier nun das Befremdliche und Widersinnische, dass der Schluss von einem gegebenen Dasein ueberhaupt auf irgendein schlechthin notwendiges Dasein, dringend und richtig zu sein scheint, und wir gleichwohl alle Bedingungen des Verstandes, sich einen Begriff von einer solchen Notwendigkeit zu machen, gaenzlich wider uns haben. Man hat zu aller Zeit von dem absolut notwendigen Wesen geredet, und sich nicht sowohl Muehe gegeben, zu verstehen, ob und wie man sich ein Ding von dieser Art auch nur denken koenne, als vielmehr dessen Dasein zu beweisen. Nun ist zwar eine Namenerklaerung von diesem Begriffe ganz leicht, dass es naemlich so etwas sei, dessen Nichtsein unmoeglich ist; aber man wird hierdurch um nichts klueger, in Ansehung der Bedingungen, die es unmoeglich machen, das Nichtsein eines Dinges als schlechterdings undenklich anzusehen, und die eigentlich dasjenige sind, was man wissen will, naemlich, ob wir uns durch diesen Begriff ueberall etwas denken, oder nicht. Denn alle Bedingungen, die der Verstand jederzeit bedarf, um etwas als notwendig anzusehen, vermittelst des Worts: Unbedingt, wegwerfen, macht mir noch lange nicht verstaendlich, ob ich alsdann durch einen Begriff eines Unbedingtnotwendigen noch etwas, oder vielleicht gar nichts denke. Noch mehr: diesen auf das blosse Geratewohl gewagten und endlich ganz gelaeufig gewordenen Begriff hat man noch dazu durch eine Menge Beispiele zu erklaeren geglaubt, so, dass alle weitere Nachfrage wegen seiner Verstaendlichkeit ganz unnoetig erschienen. Ein jeder Satz der Geometrie, z.B. dass ein Triangel drei Winkel habe, ist schlechthin notwendig, und so redete man von einem Gegenstande, der ganz ausserhalb der Sphaere unseres Verstandes liegt, als ob man ganz wohl verstaende, was man mit dem Begriffe von ihm sagen wolle. Alle vorgegebenen Beispiele sind ohne Ausnahme nur von Urteilen, aber nicht von Dingen und deren Dasein hergenommen. Die unbedingte Notwendigkeit der Urteile aber ist nicht eine absolute Notwendigkeit der Sachen. Denn die absolute Notwendigkeit des Urteils ist nur eine bedingte Notwendigkeit der Sache, oder des Praedikats im Urteile. Der vorige Satz sagte nicht, dass drei Winkel schlechterdings notwendig sind, sondern, unter der Bedingung, dass ein Triangel da ist, (gegeben ist) sind auch drei Winkel (in ihm) notwendigerweise da. Gleichwohl hat diese logische Notwendigkeit eine so grosse Macht ihrer Illusion bewiesen, dass, indem man sich einen Begriff a priori von einem Dinge gemacht hatte, der so gestellt war, dass man seiner Meinung nach das Dasein mit in seinen Umfang begriff, man daraus glaubte sicher schliessen zu koennen, dass, weil dem Objekt dieses Begriffs das Dasein notwendig zukommt, d.i. unter der Bedingung, dass ich dieses Ding als gegeben (existierend) setze, auch sein Dasein notwendig (nach der Regel der Identitaet) gesetzt werde, und dieses Wesen daher selbst schlechterdings notwendig sei, weil sein Dasein in einem nach Belieben angenommenen Begriffe und unter der Bedingung, dass ich den Gegenstand desselben setze, mitgedacht wird. Wenn ich das Praedikat in einem identischen Urteile aufhebe und behalte das Subjekt, so entspringt ein Widerspruch, und daher sage ich: jenes kommt diesem notwendigerweise zu. Hebe ich aber das Subjekt zusamt dem Praedikate auf, so entspringt kein Widerspruch; denn es ist nichts mehr, welchem widersprochen werden koennte. Einen Triangel setzen und doch die drei Winkel desselben aufheben, ist widersprechend; aber den Triangel samt seinen drei Winkeln aufheben, ist kein Widerspruch. Gerade ebenso ist es mit dem Begriffe eines absolut notwendigen Wesens bewandt. Wenn ihr das Dasein desselben aufhebt, so hebt ihr das Ding selbst mit allen seinen Praedikaten auf; wo soll alsdann der Widerspruch herkommen? Aeusserlich ist nichts, dem widersprochen wuerde, denn das Ding soll nicht aeusserlich notwendig sein; innerlich auch nichts, denn ihr habt, durch Aufhebung des Dinges selbst, alles Innere zugleich aufgehoben. Gott ist allmaechtig; das ist ein notwendiges Urteil. Die Allmacht kann nicht aufgehoben werden, wenn ihr eine Gottheit, d.i. ein unendliches Wesen, setzt, mit dessen Begriff jener identisch ist. Wenn ihr aber sagt: Gott ist nicht, so ist weder die Allmacht, noch irgendein anderes seiner Praedikate gegeben; denn sie sind alle zusamt dem Subjekte aufgehoben, und es zeigt sich in diesem Gedanken nicht der mindeste Widerspruch. Ihr habt also gesehen, dass, wenn ich das Praedikat eines Urteils zusamt dem Subjekte aufhebe, niemals ein innerer Widerspruch entspringen koenne, das Praedikat mag auch sein, welches es wolle. Nun bleibt euch keine Ausflucht uebrig, als, ihr muesst sagen: es gibt Subjekte, die gar nicht aufgehoben werden koennen, die also bleiben muessen. Das wuerde aber ebensoviel sagen, als: es gibt schlechterdings notwendige Subjekte; eine Voraussetzung, an deren Richtigkeit ich eben gezweifelt habe, und deren Moeglichkeit ihr mir zeigen wolltet. Denn ich kann mir nicht den geringsten Begriff von einem Dinge machen, welches, wenn es mit allen seinen Praedikaten aufgehoben wuerde, einen Widerspruch zurueck liesse, und ohne den Widerspruch habe ich, durch blosse reine Begriffe a priori, kein Merkmal der Unmoeglichkeit. Wider alle diese allgemeinen Schluesse (deren sich kein Mensch weigern kann) fordert ihr mich durch einen Fall auf, den ihr, als einen Beweis durch die Tat, aufstellt: dass es doch einen und zwar nur diesen Einen Begriff gebe, da das Nichtsein oder das Aufheben seines Gegenstandes in sich selbst widersprechend sei, und dieses ist der Begriff des allerrealsten Wesens. Es hat, sagt ihr, alle Realitaet, und ihr seid berechtigt, ein solches Wesen als moeglich anzunehmen, (welches ich vorjetzt einwillige, obgleich der sich nicht widersprechende Begriff noch lange nicht die Moeglichkeit des Gegenstandes beweist)*. Nun ist unter aller Realitaet auch das Dasein mitbegriffen: Also liegt das Dasein in dem Begriffe von einem Moeglichen. Wird dieses Ding nun aufgehoben, so wird die innere Moeglichkeit des Dinges aufgehoben, welches widersprechend ist. * Der Begriff ist allemal moeglich, wenn er sich nicht widerspricht. Das ist das logische Merkmal der Moeglichkeit, und dadurch wird sein Gegenstand vom nihil negativum unterschieden. Allein er kann nichtsdestoweniger ein leerer Begriff sein, wenn die objektive Realitaet der Synthesis, dadurch der Begriff erzeugt wird, nicht besonders dargetan wird; welches aber jederzeit, wie oben gezeigt worden, auf Prinzipien moeglicher Erfahrung und nicht auf dem Grundsatze der Analysis (dem Satze des Widerspruchs) beruht. Das ist eine Warnung, von der Moeglichkeit der Begriffe (logische) nicht sofort auf die Moeglichkeit der Dinge (reale) zu schliessen. Ich antworte: Ihr habt schon einen Widerspruch begangen, wenn ihr in den Begriff eines Dinges, welches ihr lediglich seiner Moeglichkeit nach denken wolltet, es sei unter welchem versteckten Namen, schon den Begriff seiner Existenz hinein brachtet. Raeumt man euch dieses ein, so habt ihr dem Scheine nach gewonnen Spiel, in der Tat aber nichts gesagt; denn ihr habt eine blosse Tautologie begangen. Ich frage euch, ist der Satz: dieses oder jenes Ding (welches ich euch als moeglich einraeume, es mag sein, welches es wolle,) existiert, ist, sage ich, dieser Satz ein analytischer oder synthetischer Satz? Wenn er das erstere ist, so tut ihr durch das Dasein des Dinges zu euerem Gedanken von dem Dinge nichts hinzu, aber alsdann muesste entweder der Gedanke, der in euch ist, das Ding selber sein, oder ihr habt ein Dasein, als zur Moeglichkeit gehoerig, vorausgesetzt, und alsdann das Dasein dem Vorgeben nach aus der inneren Moeglichkeit geschlossen, welches nichts als eine elende Tautologie ist. Das Wort: Realitaet, welches im Begriffe des Dinges anders klingt, als Existenz im Begriffe des Praedikats, macht es nicht aus. Denn, wenn ihr auch alles Setzen (unbestimmt was ihr setzt) Realitaet nennt, so habt ihr das Ding schon mit allen seinen Praedikaten im Begriffe des Subjekts gesetzt und als wirklich angenommen, und im Praedikate wiederholt ihr es nur. Gesteht ihr dagegen, wie es billigermassen jeder Vernuenftige gestehen muss, dass ein jeder Existenzialsatz synthetisch sei, wie wollt ihr dann behaupten, dass das Praedikat der Existenz sich ohne Widerspruch nicht aufheben lasse? da dieser Vorzug nur den analytischen, als deren Charakter eben darauf beruht, eigentuemlich zukommt. Ich wuerde zwar hoffen, diese grueblerische Argutation, ohne allen Umschweif, durch eine genaue Bestimmung des Begriffs der Existenz zunichte zu machen, wenn ich nicht gefunden haette, dass die Illusion, in Verwechslung eines logischen Praedikats mit einem realen, (d.i. der Bestimmung eines Dinges,) beinahe alle Belehrung ausschlage. Zum logischen Praedikate kann alles dienen, was man will, sogar das Subjekt kann von sich selbst praediziert werden; denn die Logik abstrahiert von allem Inhalte. Aber die Bestimmung ist ein Praedikat, welches ueber den Begriff des Subjekts hinzukommt und ihn vergroessert. Sie muss also nicht in ihm schon enthalten sein. Sein ist offenbar kein reales Praedikat, d.i. ein Begriff von irgend etwas, was zu dem Begriffe eines Dinges hinzukommen koenne. Es ist bloss die Position eines Dinges, oder gewisser Bestimmungen an sich selbst. Im logischen Gebrauche ist es lediglich die Copula eines Urteils. Der Satz: Gott ist allmaechtig, enthaelt zwei Begriffe, die ihre Objekte haben: Gott und Allmacht; das Woertchen: ist, ist nicht noch ein Praedikat obenein, sondern nur das, was das Praedikat beziehungsweise aufs Subjekt setzt. Nehme ich nun das Subjekt (Gott) mit allen seinen Praedikaten (worunter auch die Allmacht gehoert) zusammen, und sage: Gott ist, oder es ist ein Gott, so setze ich kein neues Praedikat zum Begriffe von Gott, sondern nur das Subjekt an sich selbst mit allen seinen Praedikaten, und zwar den Gegenstand in Beziehung auf meinen Begriff. Beide muessen genau einerlei enthalten, und es kann daher zu dem Begriffe, der bloss die Moeglichkeit ausdrueckt, darum, dass ich dessen Gegenstand als schlechthin gegeben (durch den Ausdruck: er ist) denke, nichts weiter hinzukommen. Und so enthaelt das Wirkliche nichts mehr als das bloss Moegliche. Hundert wirkliche Taler enthalten nicht das mindeste mehr, als hundert moegliche. Denn, da diese den Begriff, jene aber den Gegenstand und dessen Position an sich selbst bedeuten, so wuerde, im Fall dieser mehr enthielte als jener, mein Begriff nicht den ganzen Gegenstand ausdruecken, und also auch nicht der angemessene Begriff von ihm sein. Aber in meinem Vermoegenszustande ist mehr bei hundert wirklichen Talern, als bei dem blossen Begriffe derselben, (d.i. ihrer Moeglichkeit). Denn der Gegenstand ist bei der Wirklichkeit nicht bloss in meinem Begriffe analytisch enthalten, sondern kommt zu meinem Begriffe (der eine Bestimmung meines Zustandes ist) synthetisch hinzu, ohne dass durch dieses Sein ausserhalb meinem Begriffe diese gedachten hundert Taler selbst im mindesten vermehrt werden. Wenn ich also ein Ding, durch welche und wie viel Praedikate ich will, (selbst in der durchgaengigen Bestimmung) denke, so kommt dadurch, dass ich noch hinzusetze, dieses Ding ist, nicht das mindeste zu dem Dinge hinzu. Denn sonst wuerde nicht eben dasselbe, sondern mehr existieren, als ich im Begriffe gedacht hatte, und ich koennte nicht sagen, dass gerade der Gegenstand meines Begriffs existiere. Denke ich mir auch sogar in einem Dinge alle Realitaet ausser einer, so kommt dadurch, dass ich sage, ein solches mangelhaftes Ding existiert, die fehlende Realitaet nicht hinzu, sondern es existiert gerade mit demselben Mangel behaftet, als ich es gedacht habe, sonst wuerde etwas anderes, als ich dachte, existieren. Denke ich mir nun ein Wesen als die hoechste Realitaet (ohne Mangel), so bleibt noch immer die Frage, ob es existiere, oder nicht. Denn, obgleich an meinem Begriffe, von dem moeglichen realen Inhalte eines Dinges ueberhaupt, nichts fehlt, so fehlt doch noch etwas an dem Verhaeltnisse zu meinem ganzen Zustande des Denkens, naemlich dass die Erkenntnis jenes Objekts auch a posteriori moeglich sei. Und hier zeigt sich auch die Ursache der hierbei obwaltenden Schwierigkeit. Waere von einem Gegenstande der Sinne die Rede, so wuerde ich die Existenz des Dinges mit dem blossen Begriffe des Dinges nicht verwechseln koennen. Denn durch den Begriff wird der Gegenstand nur mit den allgemeinen Bedingungen einer moeglichen empirischen Erkenntnis ueberhaupt als einstimmig, durch die Existenz aber als in dem Kontext der gesamten Erfahrung enthalten gedacht; da denn durch die Verknuepfung mit dem Inhalte der gesamten Erfahrung der Begriff vom Gegenstande nicht im mindesten vermehrt wird, unser Denken aber durch denselben eine moegliche Wahrnehmung mehr bekommt. Wollen wir dagegen die Existenz durch die reine Kategorie allein denken, so ist kein Wunder, dass wir kein Merkmal angeben koennen, sie von der blossen Moeglichkeit zu unterscheiden. Unser Begriff von einem Gegenstande mag also enthalten, was und wie viel er wolle, so muessen wir doch aus ihm herausgehen, um diesem die Existenz zu erteilen. Bei Gegenstaenden der Sinne geschieht dieses durch den Zusammenhang mit irgendeiner meiner Wahrnehmungen nach empirischen Gesetzen; aber fuer Objekte des reinen Denkens ist ganz und gar kein Mittel, ihr Dasein zu erkennen, weil es gaenzlich a priori erkannt werden muesste, unser Bewusstsein aller Existenz aber (es sei durch Wahrnehmung unmittelbar, oder durch Schluesse, die etwas mit der Wahrnehmung verknuepfen,) gehoert ganz und gar zur Einheit der Erfahrung, und eine Existenz ausser diesem Felde kann zwar nicht schlechterdings fuer unmoeglich erklaert werden, sie ist aber eine Voraussetzung, die wir durch nichts rechtfertigen koennen. Der Begriff eines hoechsten Wesens ist eine in mancher Absicht sehr nuetzliche Idee; sie ist aber eben darum, weil sie bloss Idee ist, ganz unfaehig, um vermittelst ihrer allein unsere Erkenntnis in Ansehung dessen, was existiert, zu erweitern. Sie vermag nicht einmal so viel, dass sie uns in Ansehung der Moeglichkeit eines Mehreren belehrte. Das analytische Merkmal der Moeglichkeit, das darin besteht, dass blosse Positionen (Realitaeten) keinen Widerspruch erzeugen, kann ihm zwar nicht gestritten werden; da aber die Verknuepfung aller realen Eigenschaften in einem Dinge eine Synthesis ist, ueber deren Moeglichkeit wir a priori nicht urteilen koennen, weil uns die Realitaeten spezifisch nicht gegeben sind, und, wenn dieses auch geschaehe, ueberall gar kein Urteil darin stattfindet, weil das Merkmal der Moeglichkeit synthetischer Erkenntnisse immer nur in der Erfahrung gesucht werden muss, zu welcher aber der Gegenstand einer Idee nicht gehoeren kann; so hat der beruehmte Leibniz bei weitem das nicht geleistet, wessen er sich schmeichelte, naemlich eines so erhabenen idealischen Wesens Moeglichkeit a priori einsehen zu wollen. Es ist also an dem so beruehmten ontologischen (Cartesianischen) Beweise, vom Dasein eines hoechsten Wesens, aus Begriffen, alle Muehe und Arbeit verloren, und ein Mensch moechte wohl ebensowenig aus blossen Ideen an Einsichten reicher werden, als ein Kaufmann an Vermoegen, wenn er, um seinen Zustand zu verbessern, seinem Kassenbestande einige Nullen anhaengen wollte. Des dritten Hauptstuecks Fuenfter Abschnitt Von der Unmoeglichkeit eines kosmologischen Beweises vom Dasein Gottes Es war etwas ganz Unnatuerliches und eine blosse Neuerung des Schulwitzes, aus einer ganz willkuerlich entworfenen Idee das Dasein des ihr entsprechenden Gegenstandes selbst ausklauben zu wollen. In der Tat wuerde man es nie auf diesem Wege versucht haben, waere nicht die Beduerfnis unserer Vernunft, zur Existenz ueberhaupt irgend etwas Notwendiges (bei dem man im Aufsteigen stehenbleiben koenne) anzunehmen, vorhergegangen, und waere nicht die Vernunft, da diese Notwendigkeit unbedingt und a priori gewiss sein muss, gezwungen worden, einen Begriff zu suchen, der, wo moeglich, einer solchen Forderung ein Genuege taete, und ein Dasein voellig a priori zu erkennen gebe. Diesen glaubte man nun in der Idee eines allerrealsten Wesens zu finden und so wurde diese nur zur bestimmteren Kenntnis desjenigen, wovon man schon anderweitig ueberzeugt oder ueberredet war, es muesse existieren, naemlich des notwendigen Wesens, gebraucht. Indes verhehlte man diesen natuerlichen Gang der Vernunft, und, anstatt bei diesem Begriffe zu endigen, versuchte man von ihm anzufangen, um die Notwendigkeit des Daseins aus ihm abzuleiten, die er doch nur zu ergaenzen bestimmt war. Hieraus entsprang nun der verunglueckte ontologische Beweis, der weder fuer den natuerlichen und gesunden Verstand, noch fuer die schulgerechte Pruefung etwas Genugtuendes bei sich fuehrt. Der kosmologische Beweis, den wir jetzt untersuchen wollen, behaelt die Verknuepfung der absoluten Notwendigkeit mit der hoechsten Realitaet bei, aber anstatt, wie der vorige, von der hoechsten Realitaet auf die Notwendigkeit im Dasein zu schliessen, schliesst er vielmehr von der zum voraus gegebenen unbedingten Notwendigkeit irgendeines Wesens, auf dessen unbegrenzte Realitaet, und bringt sofern alles wenigstens in das Geleis einer, ich weiss nicht ob vernuenftigen, oder vernuenftelnden, wenigstens natuerlichen Schlussart, welche nicht allein fuer den gemeinen, sondern auch den spekulativen Verstand die meiste Ueberredung bei sich fuehrt; wie sie denn auch sichtbarlich zu allen Beweisen der natuerlichen Theologie die ersten Grundlinien zieht, denen man jederzeit nachgegangen ist und ferner nachgehen wird, man mag sie nun durch noch so viel Laubwerk und Schnoerkel verzieren und verstecken, als man immer will. Diesen Beweis, den Leibniz auch den a contingentia mundi nannte, wollen wir jetzt vor Augen stellen und der Pruefung unterwerfen. Er lautet also: Wenn etwas existiert, so muss auch ein schlechterdings notwendiges Wesen existieren. Nun existiere, zum mindesten, ich selbst: also existiert ein absolut notwendiges Wesen. Der Untersatz enthaelt eine Erfahrung, der Obersatz die Schlussfolge aus einer Erfahrung ueberhaupt auf das Dasein des Notwendigen.* Also hebt der Beweis eigentlich von der Erfahrung an, mithin ist er nicht gaenzlich a priori gefuehrt, oder ontologisch, und weil der Gegenstand aller moeglichen Erfahrung Welt heisst, so wird er darum der kosmologische Beweis genannt. Da er auch von aller besonderen Eigenschaft der Gegenstaende der Erfahrung, dadurch sich diese Welt von jeder moeglichen unterscheiden mag, abstrahiert: so wird er schon in seiner Benennung auch vom physikotheologischen Beweise unterschieden, welcher Beobachtungen der besonderen Beschaffenheit dieser unserer Sinnenwelt zu Beweisgruenden braucht. * Diese Schlussfolge ist zu bekannt, als das es noetig waere, sie hier weitlaeufig vorzutragen. Sie beruht auf dem vermeintlich transzendentalen Naturgesetz der Kausalitaet: dass alles Zufaellige seine Ursache habe, die, wenn sie wiederum zufaellig ist, ebensowohl eine Ursache haben muss, bis die Reihe der einander untergeordneten Ursachen sich bei einer schlechthin notwendigen Ursache endigen muss, ohne welche sie keine Vollstaendigkeit haben wuerde. Nun schliesst der Beweis weiter: das notwendige Wesen kann nur auf eine einzige Art, d.i. in Ansehung aller moeglichen entgegengesetzten Praedikate nur durch eines derselben, bestimmt werden, folglich muss es durch seinen Begriff durchgaengig bestimmt sein. Nun ist nur ein einziger Begriff von einem Dinge moeglich, der dasselbe a priori durchgaengig bestimmt, naemlich der des entis realissimi: Also ist der Begriff des allerrealsten Wesens der einzige, dadurch ein notwendiges Wesen gedacht werden kann, d.i. es existiert ein hoechstes Wesen notwendigerweise. In diesem kosmologischen Argumente kommen so viel vernuenftelnde Grundsaetze zusammen, dass die spekulative Vernunft hier alle ihre dialektische Kunst aufgeboten zu haben scheint, um den groesstmoeglichen transzendentalen Schein zustande zu bringen. Wir wollen ihre Pruefung indessen eine Weile beiseite setzen, um nur eine List derselben offenbar zu machen, mit welcher sie ein altes Argument in verkleideter Gestalt fuer ein neues aufstellt und sich auf zweier Zeugen Einstimmung beruft, naemlich einen reinen Vernunftzeugen und einen anderen von empirischer Beglaubigung, da es doch nur der erstere allein ist, welcher bloss seinen Anzug und Stimme veraendert, um fuer einen zweiten gehalten zu werden. Um seinen Grund recht sicher zu legen, fusst sich dieser Beweis auf Erfahrung und gibt sich dadurch das Ansehen, als sei er vom ontologischen Beweise unterschieden, der auf lauter reine Begriffe a priori sein ganzes Vertrauen setzt. Dieser Erfahrung aber bedient sich der kosmologische Beweis nur, um einen einzigen Schritt zu tun, naemlich zum Dasein eines notwendigen Wesens ueberhaupt. Was dieses fuer Eigenschaften habe, kann der empirische Beweisgrund nicht lehren, sondern da nimmt die Vernunft gaenzlich von ihm Abschied und forscht hinter lauter Begriffen: was naemlich ein absolut notwendiges Wesen ueberhaupt fuer Eigenschaften haben muesse, (d.i. welches unter allen moeglichen Dingen die erforderlichen Bedingungen (requisita) zu einer absoluten Notwendigkeit in sich enthalte. Nun glaubt sie im Begriffe eines allerrealsten Wesens einzig und allein diese Requisite anzutreffen, und schliesst sodann: das ist das schlechterdings notwendige Wesen. Es ist aber klar, dass man hierbei voraussetzt, der Begriff eines Wesens von der hoechsten Realitaet tue dem Begriffe der absoluten Notwendigkeit im Dasein voellig genug, d.i. es lasse sich aus jener auf diese schliessen; ein Satz, den das ontologische Argument behauptete, welches man also im kosmologischen Beweise annimmt und zum Grunde legt, da man es doch hatte vermeiden wollen. Denn die absolute Notwendigkeit ist ein Dasein aus blossen Begriffen. Sage ich nun: der Begriff des entis realissimi ist ein solcher Begriff, und zwar der einzige, der zu dem notwendigen Dasein passend und ihm adaequat ist; so muss ich auch einraeumen, dass aus ihm das letztere geschlossen werden koenne. Es ist also eigentlich nur der ontologische Beweis aus lauter Begriffen, der in dem sogenannten kosmologischen alle Beweiskraft enthaelt, und die angebliche Erfahrung ist ganz muessig, vielleicht, um uns nur auf den Begriff der absoluten Notwendigkeit zu fuehren, nicht aber um diese an irgendeinem bestimmten Dinge darzutun. Denn sobald wir dieses zur Absicht haben, muessen wir sofort alle Erfahrung verlassen, und unter reinen Begriffen suchen, welcher von ihnen wohl die Bedingungen der Moeglichkeit eines absolut notwendigen Wesens enthalte. Ist aber auf solche Weise nur die Moeglichkeit eines solchen Wesens eingesehen, so ist auch sein Dasein dargetan; denn es heisst so viel, als: unter allem Moeglichen ist Eines, das absolute Notwendigkeit bei sich fuehrt, d.i. dieses Wesen existiert schlechterdings notwendig. Alle Blendwerke im Schliessen entdecken sich am leichtesten, wenn man sie auf schulgerechte Art vor Augen stellt. Hier ist eine solche Darstellung. Wenn der Satz richtig ist: ein jedes schlechthin notwendiges Wesen ist zugleich das allerrealste Wesen; (als welches der nervus probandi des kosmologischen Beweises ist;) so muss er sich, wie alle bejahenden Urteile, wenigstens per accidens umkehren lassen; also: einige allerrealste Wesen sind zugleich schlechthin notwendige Wesen. Nun ist aber ein ens realissimum von einem anderen in keinem Stuecke unterschieden, und, was also von einigen unter diesem Begriffe enthaltenen gilt, das gilt auch von allen. Mithin werde ich's (in diesem Falle) auch schlechthin umkehren koennen, d.i. ein jedes allerrealstes Wesen ist ein notwendiges Wesen. Weil nun dieser Satz bloss aus seinen Begriffen a priori bestimmt ist: so muss der blosse Begriff des realsten Wesens auch die absolute Notwendigkeit desselben bei sich fuehren; welches eben der ontologische Beweis behauptete, und der kosmologische nicht anerkennen wollte, gleichwohl aber seinen Schluessen, obzwar versteckter Weise, unterlegte. So ist denn der zweite Weg, den die spekulative Vernunft nimmt, um das Dasein des hoechsten Wesens zu beweisen, nicht allein mit dem ersten gleich trueglich, sondern hat noch dieses Tadelhafte an sich, dass er eine ignoratio elenchi begeht, indem er uns verheisst, einen neuen Fusssteig zu fuehren, aber, nach einem kleinen Umschweif, uns wiederum auf den alten zurueckbringt, den wir seinetwegen verlassen hatten. Ich habe kurz vorher gesagt, dass in diesem kosmologischen Argumente sich ein ganzes Nest von dialektischen Anmassungen verborgen halte, welches die transzendentale Kritik leicht entdecken und zerstoeren kann. Ich will sie jetzt nur anfuehren und es dem schon geuebten Leser ueberlassen, den trueglichen Grundsaetzen weiter nachzuforschen und sie aufzuheben. Da befindet sich denn z.B. 1. der transzendentale Grundsatz, vom Zufaelligen auf eine Ursache zu schliessen, welcher nur in der Sinnenwelt von Bedeutung ist, ausserhalb derselben aber auch nicht einmal einen Sinn hat. Denn der bloss intellektuelle Begriff des Zufaelligen kann gar keinen synthetischen Satz, wie den der Kausalitaet, hervorbringen, und der Grundsatz der letzteren hat gar keine Bedeutung und kein Merkmal seines Gebrauchs, als nur in der Sinnenwelt; hier aber sollte er gerade dazu dienen, um ueber die Sinnenwelt hinaus zu kommen. 2. Der Schluss, von der Unmoeglichkeit einer unendlichen Reihe uebereinander gegebener Ursachen in der Sinnenwelt auf eine erste Ursache zu schliessen, wozu uns die Prinzipien des Vernunftgebrauchs selbst in der Erfahrung nicht berechtigen, vielweniger diesen Grundsatz ueber dieselbe (wohin diese Kette gar nicht verlaengert werden kann) ausdehnen koennen. 3. Die falsche Selbstbefriedigung der Vernunft, in Ansehung der Vollendung dieser Reihe, dadurch, dass man endlich alle Bedingung, ohne welche doch kein Begriff einer Notwendigkeit stattfinden kann, wegschafft, und, da man alsdann nichts weiter begreifen kann, dieses fuer eine Vollendung seines Begriffs annimmt. 4. Die Verwechslung der logischen Moeglichkeit eines Begriffs von aller vereinigten Realitaet (ohne inneren Widerspruch) mit der transzendentalen, welche ein Prinzipium der Tunlichkeit einer solchen Synthesis bedarf, das aber wiederum nur auf das Feld moeglicher Erfahrungen gehen kann, usw. Das Kunststueck des kosmologischen Beweises zielt bloss darauf ab, um dem Beweise des Daseins eines notwendigen Wesens a priori durch blosse Begriffe auszuweichen, der ontologisch gefuehrt werden muesste, wozu wir uns aber gaenzlich unvermoegend fuehlen. In dieser Absicht schliessen wir aus einem zum Grunde gelegten wirklichen Dasein (einer Erfahrung ueberhaupt), so gut es sich will tun lassen, auf irgendeine schlechterdings notwendige Bedingung desselben. Wir haben alsdann dieser ihre Moeglichkeit nicht noetig zu erklaeren. Denn, wenn bewiesen ist, dass sie da sei, so ist die Frage wegen ihrer Moeglichkeit ganz unnoetig. Wollen wir nun dieses notwendige Wesen nach seiner Beschaffenheit naeher bestimmen, so suchen wir nicht dasjenige, was hinreichend ist, aus seinem Begriffe die Notwendigkeit des Daseins zu begreifen; denn, koennten wir dieses, so haetten wir keine empirische Voraussetzung noetig; nein, wir suchen nur die negative Bedingung, (conditio sine qua non,) ohne welche ein Wesen nicht absolut notwendig sein wuerde. Nun wuerde das in aller anderen Art von Schluessen, aus einer gegebenen Folge auf ihren Grund, wohl angehen; es trifft sich aber hier ungluecklicherweise, dass die Bedingung, die man zur absoluten Notwendigkeit fordert, nur in einem einzigen Wesen angetroffen werden kann, welches daher in seinem Begriffe alles, was zur absoluten Notwendigkeit erforderlich ist, enthalten muesste, und also einen Schluss a priori auf dieselbe moeglich macht; d.i. ich muesste auch umgekehrt schliessen koennen: welchem Dinge dieser Begriff (der hoechsten Realitaet) zukommt, das ist schlechterdings notwendig, und, kann ich so nicht schliessen, (wie ich denn dieses gestehen muss, wenn ich den ontologischen Beweis vermeiden will,) so bin ich auch auf meinem neuen Wege verunglueckt und befinde mich wiederum da, von wo ich ausging. Der Begriff des hoechsten Wesens tut wohl allen Fragen a priori ein Genuege, die wegen der inneren Bestimmungen eines Dinges koennen aufgeworfen werden, und ist darum auch ein Ideal ohne Gleiches, weil der allgemeine Begriff dasselbe zugleich als ein Individuum unter allen moeglichen Dingen auszeichnet. Er tut aber der Frage wegen seines eigenen Daseins gar kein Genuege, als warum es doch eigentlich nur zu tun war, und man konnte auf die Erkundigung dessen, der das Dasein eines notwendigen Wesens annahm, und nur wissen wollte, welches denn unter allen Dingen dafuer angesehen werden muesse, nicht antworten: Dies hier ist das notwendige Wesen. Es mag wohl erlaubt sein, das Dasein eines Wesens von der hoechsten Zulaenglichkeit, als Ursache zu allen moeglichen Wirkungen, anzunehmen, um der Vernunft die Einheit der Erklaerungsgruende, welche sie sucht, zu erleichtern. Allein, sich so viel herauszunehmen, dass man sogar sage: ein solches Wesen existiert notwendig, ist nicht mehr die bescheidene Aeusserung einer erlaubten Hypothese, sondern die dreiste Anmassung einer apodiktischen Gewissheit; denn, was man als schlechthin notwendig zu erkennen vorgibt, davon muss auch die Erkenntnis absolute Notwendigkeit bei sich fuehren. Die ganze Aufgabe des transzendentalen Ideals kommt darauf an: entweder zu der absoluten Notwendigkeit einen Begriff, oder zu dem Begriffe von irgendeinem Dinge die absolute Notwendigkeit desselben zu finden. Kann man das eine, so muss man auch das andere koennen; denn als schlechthin notwendig erkennt die Vernunft nur dasjenige, was aus seinem Begriffe notwendig ist. Aber beides uebersteigt gaenzlich alle aeussersten Bestrebungen, unseren Verstand ueber diesen Punkt zu befriedigen, aber auch alle Versuche, ihn wegen dieses seines Unvermoegens zu beruhigen. Die unbedingte Notwendigkeit, die wir, als den letzten Traeger aller Dinge, so unentbehrlich beduerfen, ist der wahre Abgrund fuer die menschliche Vernunft. Selbst die Ewigkeit, so schauderhaft erhaben sie auch ein Haller schildern mag, macht lange den schwindligen Eindruck nicht auf das Gemuet; denn sie misst nur die Dauer der Dinge, aber traegt sie nicht. Man kann sich des Gedanken nicht erwehren, man kann ihn aber auch nicht ertragen: dass ein Wesen, welches wir uns auch als das hoechste unter allen moeglichen vorstellen, gleichsam zu sich selbst sage: Ich bin von Ewigkeit zu Ewigkeit, ausser mir ist nichts, ohne das, was bloss durch meinen Willen etwas ist; aber woher bin ich denn? Hier sinkt alles unter uns, und die groesste Vollkommenheit, wie die kleinste, schwebt ohne Haltung bloss vor der spekulativen Vernunft, der es nichts kostet, die eine so wie die andere ohne die mindeste Hindernis verschwinden zu lassen. Viele Kraefte der Natur, die ihr Dasein durch gewisse Wirkungen aeussern, bleiben fuer uns unerforschlich; denn wir koennen ihnen durch Beobachtung nicht weit genug nachspueren. Das den Erscheinungen zum Grunde liegende transzendentale Objekt, und mit demselben der Grund, warum unsere Sinnlichkeit diese vielmehr als andere oberste Bedingungen habe, sind und bleiben fuer uns unerforschlich, obzwar die Sache selbst uebrigens gegeben, aber nur nicht eingesehen ist. Ein Ideal der reinen Vernunft kann aber nicht unerforschlich heissen, weil es weiter keine Beglaubigung seiner Realitaet aufzuweisen hat, als die Beduerfnis der Vernunft, vermittelst desselben alle synthetische Einheit zu vollenden. Da es also nicht einmal als denkbarer Gegenstand gegeben ist, so ist es auch nicht als ein solcher unerforschlich; vielmehr muss er, als blosse Idee, in der Natur der Vernunft seinen Sitz und seine Aufloesung finden, und also erforscht werden koennen; denn eben darin besteht Vernunft, dass wir von allen unseren Begriffen, Meinungen und Behauptungen, es sei aus objektiven, oder, wenn sie ein blosser Schein sind, aus subjektiven Gruenden Rechenschaft geben koennen. Entdeckung und Erklaerung des dialektischen Scheins in allen transzendentalen Beweisen vom Dasein eines notwendigen Wesens. Beide bisher gefuehrten Beweise waren transzendental, d.i. unabhaengig von empirischen Prinzipien versucht. Denn, obgleich der kosmologische eine Erfahrung ueberhaupt zum Grunde legt, so ist er doch nicht aus irgendeiner besonderen Beschaffenheit derselben, sondern aus reinen Vernunftprinzipien, in Beziehung auf eine durchs empirische Bewusstsein ueberhaupt gegebene Existenz, gefuehrt und verlaesst sogar diese Anleitung, um sich auf lauter reine Begriffe zu stuetzen. Was ist nun in diesen transzendentalen Beweisen die Ursache des dialektischen, aber natuerlichen Scheins, welcher die Begriffe der Notwendigkeit und hoechsten Realitaet verknuepft, und dasjenige, was doch nur Idee sein kann, realisiert und hypostasiert? Was ist die Ursache der Unvermeidlichkeit, etwas als an sich notwendig unter den existierenden Dingen anzunehmen, und doch zugleich vor dem Dasein eines solchen Wesens als einem Abgrunde zurueckzubeben, und wie faengt man es an, dass sich die Vernunft hierueber selbst verstehe, und aus dem schwankenden Zustande eines schuechternen, und immer wiederum zurueckgenommenen Beifalls, zur ruhigen Einsicht gelange? Es ist etwas ueberaus Merkwuerdiges, dass, wenn man voraussetzt, etwas existiere, man der Folgerung nicht Umgang haben kann, dass auch irgend etwas notwendigerweise existiere. Auf diesem ganz natuerlichen (obzwar darum noch nicht sicheren) Schlusse beruhte das kosmologische Argument. Dagegen mag ich einen Begriff von einem Dinge annehmen, welchen ich will, so finde ich, dass sein Dasein niemals von mir als schlechterdings notwendig vorgestellt werden koenne, und dass mich nichts hindere, es mag existieren was da wolle, das Nichtsein desselben zu denken, mithin ich zwar zu dem Existierenden ueberhaupt etwas Notwendiges annehmen muesse, kein einziges Ding aber selbst als an sich notwendig denken koenne. Das heisst: ich kann das Zurueckgehen zu den Bedingungen des Existierens niemals vollenden, ohne ein notwendiges Wesen anzunehmen, ich kann aber von demselben niemals anfangen. Wenn ich zu existierenden Dingen ueberhaupt etwas Notwendiges denken muss, kein Ding aber an sich selbst als notwendig zu denken befugt bin, so folgt daraus unvermeidlich, dass Notwendigkeit und Zufaelligkeit nicht die Dinge selbst angehen und treffen muesse, weil sonst ein Widerspruch vorgehen wuerde; mithin keiner dieser beiden Grundsaetze objektiv sei, sondern sie allenfalls nur subjektive Prinzipien der Vernunft sein koennen, naemlich einerseits zu allem, was als existierend gegeben ist, etwas zu suchen, das notwendig ist, d.i. niemals anderswo als bei einer a priori vollendeten Erklaerung aufzuhoeren, andererseits aber auch diese Vollendung niemals zu hoffen, d.i. nichts Empirisches als unbedingt anzunehmen, und sich dadurch fernerer Ableitung zu ueberheben. In solcher Bedeutung koennen beide Grundsaetze als bloss heuristisch und regulativ, die nichts als das formale Interesse der Vernunft besorgen, ganz wohl beieinander bestehen. Denn der eine sagt, ihr sollt so ueber die Natur philosophieren, als ob es zu allem, was zur Existenz gehoert, einen notwendigen ersten Grund gebe, lediglich um systematische Einheit in eure Erkenntnis zu bringen, indem ihr einer solchen Idee, naemlich einem eingebildeten obersten Grunde, nachgeht: der andere aber warnt euch, keine einzige Bestimmung, die die Existenz der Dinge betrifft, fuer einen solchen obersten Grund, d.i. als absolut notwendig anzunehmen, sondern euch noch immer den Weg zur ferneren Ableitung offen zu erhalten, und sie daher jederzeit noch als bedingt zu behandeln. Wenn aber von uns alles, was an den Dingen wahrgenommen wird, als bedingt notwendig betrachtet werden muss: so kann auch kein Ding (das empirisch gegeben sein mag) als absolut notwendig angesehen werden. Es folgt aber hieraus, dass ihr das absolut Notwendige ausserhalb der Welt annehmen muesst; weil es nur zu einem Prinzip der groesstmoeglichen Einheit der Erscheinungen, als deren oberster Grund, dienen soll, und ihr in der Welt niemals dahin gelangen koennt, weil die zweite Regel euch gebietet, alle empirischen Ursachen der Einheit jederzeit als abgeleitet anzusehen. Die Philosophen des Altertums sehen alle Form der Natur als zufaellig, die Materie aber, nach dem Urteile der gemeinen Vernunft, als urspruenglich und notwendig an. Wuerden sie aber die Materie nicht als Substratum der Erscheinungen respektive sondern an sich selbst ihrem Dasein nach betrachtet haben, so waere die Idee der absoluten Notwendigkeit sogleich verschwunden. Denn es ist nichts, was die Vernunft an dieses Dasein schlechthin bindet, sondern sie kann solches, jederzeit und ohne Widerstreit, in Gedanken aufheben; in Gedanken aber lag auch allein die absolute Notwendigkeit. Es musste also bei dieser Ueberredung ein gewisses regulatives Prinzip zum Grunde liegen. In der Tat ist auch Ausdehnung und Undurchdringlichkeit (die zusammen den Begriff von Materie ausmachen) das oberste empirische Prinzipium der Einheit der Erscheinungen, und hat, sofern als es empirisch unbedingt ist, eine Eigenschaft des regulativen Prinzips an sich. Gleichwohl, da jede Bestimmung der Materie, welche das Reale derselben ausmacht, mithin auch die Undurchdringlichkeit, eine Wirkung (Handlung) ist, die ihre Ursache haben muss, und daher immer noch abgeleitet ist, so schickt sich die Materie doch nicht zur Idee eines notwendigen Wesens, als eines Prinzips aller abgeleiteten Einheit; weil jede ihrer realen Eigenschaften, als abgeleitet, nur bedingt notwendig ist, und also an sich aufgehoben werden kann, hiermit aber das ganze Dasein der Materie aufgehoben werden wuerde, wenn dieses aber nicht geschaehe, wir den hoechsten Grund der Einheit empirisch erreicht haben wuerden, welches durch das zweite regulative Prinzip verboten wird, so folgt: dass die Materie, und ueberhaupt, was zur Welt gehoerig ist, zu der Idee eines notwendigen Urwesens, als eines blossen Prinzips der groessten empirischen Einheit, nicht schicklich sei, sondern dass es ausserhalb der Welt gesetzt werden muesse, da wir denn die Erscheinungen der Welt und ihr Dasein immer getrost von anderen ableiten koennen, als ob es kein notwendiges Wesen gaebe, und dennoch zu der Vollstaendigkeit der Ableitung unaufhoerlich streben koennen, als ob ein solches, als ein oberster Grund, vorausgesetzt waere. Das Ideal des hoechsten Wesens ist nach diesen Betrachtungen nichts anderes, als ein regulatives Prinzip der Vernunft, alle Verbindung in der Welt so anzusehen, als ob sie aus einer allgenugsamen notwendigen Ursache entspraenge, um darauf die Regel einer systematischen und nach allgemeinen Gesetzen notwendigen Einheit in der Erklaerung derselben zu gruenden, und ist nicht eine Behauptung einer an sich notwendigen Existenz. Es ist aber zugleich unvermeidlich, sich, vermittelst einer transzendentalen Subreption, dieses formale Prinzip als konstitutiv vorzustellen, und sich diese Einheit hypostatisch zu denken. Denn, so wie der Raum, weil er alle Gestalten, die lediglich verschiedene Einschraenkungen desselben sind, urspruenglich moeglich macht, ob er gleich nur ein Prinzipium der Sinnlichkeit, ist dennoch eben darum fuer ein schlechterdings notwendiges fuer sich bestehendes Etwas und einen a priori an sich selbst gegebenen Gegenstand gehalten wird, so geht es auch ganz natuerlich zu, dass, da die systematische Einheit der Natur auf keinerlei Weise zum Prinzip des empirischen Gebrauchs unserer Vernunft aufgestellt werden kann, als sofern wir die Idee eines allerrealsten Wesens, als der obersten Ursache, zum Grunde legen, diese Idee dadurch als ein wirklicher Gegenstand, und dieser wiederum, weil er die oberste Bedingung ist, als notwendig vorgestellt, mithin ein regulatives Prinzip in ein konstitutives verwandelt werde; welche Unterschiebung sich dadurch offenbart, dass, wenn ich nun dieses oberste Wesen, welches respektiv auf die Welt schlechthin (unbedingt) notwendig war, als Ding fuer sich betrachte, diese Notwendigkeit keines Begriffs faehig ist, und also nur als formale Bedingung des Denkens, nicht aber als materiale und hypostatische Bedingung des Daseins, in meiner Vernunft anzutreffen gewesen sein muesse. Des dritten Hauptstuecks Sechster Abschnitt Von der Unmoeglichkeit des physikotheologischen Beweises Wenn denn weder der Begriff von Dingen ueberhaupt, noch die Erfahrung von irgendeinem Dasein ueberhaupt, das, was gefordert wird, leisten kann, so bleibt noch ein Mittel uebrig, zu versuchen, ob nicht eine bestimmte Erfahrung, mithin die der Dinge der gegenwaertigen Welt, ihre Beschaffenheit und Anordnung, einen Beweisgrund abgebe, der uns sicher zur Ueberzeugung von dem Dasein eines hoechsten Wesens verhelfen koenne. Einen solchen Beweis wuerden wir den physikotheologischen nennen. Sollte dieser auch unmoeglich sein: so ist ueberall kein genugtuender Beweis aus bloss spekulativer Vernunft fuer das Dasein eines Wesens, welches unserer transzendentalen Idee entspraeche, moeglich. Man wird nach allen obigen Bemerkungen bald einsehen, dass der Bescheid auf diese Nachfrage ganz leicht und buendig erwartet werden koenne. Denn, wie kann jemals Erfahrung gegeben werden, die einer Idee angemessen sein sollte? Darin besteht eben das Eigentuemliche der letzteren, dass ihr niemals irgendeine Erfahrung kongruieren koenne. Die transzendentale Idee von einem notwendigen allgenugsamen Urwesen ist so ueberschwenglich gross, so hoch ueber alles Empirische, das jederzeit bedingt ist, erhaben, dass man teils niemals Stoff genug in der Erfahrung auftreiben kann, um einen solchen Begriff zu fuellen, teils immer unter dem Bedingten herumtappt, und stets vergeblich nach dem Unbedingten, wovon uns kein Gesetz irgendeiner empirischen Synthesis ein Beispiel oder dazu die mindeste Leitung gibt, suchen wird. Wuerde das hoechste Wesen in dieser Kette der Bedingungen stehen, so wuerde es selbst ein Glied der Reihe derselben sein, und, ebenso, wie die niederen Glieder, denen es vorgesetzt ist, noch fernere Untersuchung wegen seines noch hoeheren Grundes erfordern. Will man es dagegen von dieser Kette trennen, und, als ein bloss intelligibles Wesen, nicht in der Reihe der Naturursachen mitbegreifen: welche Bruecke kann die Vernunft alsdann wohl schlagen, um zu demselben zu gelangen? Da alle Gesetze des Ueberganges von Wirkungen zu Ursachen, ja alle Synthesis und Erweiterung unserer Erkenntnis ueberhaupt auf nichts anderes, als moegliche Erfahrung, mithin bloss auf Gegenstaende der Sinnenwelt gestellt sind und nur in Ansehung ihrer eine Bedeutung haben koennen. Die gegenwaertige Weit eroeffnet uns einen so unermesslichen Schauplatz von Mannigfaltigkeit, Ordnung, Zweckmaessigkeit und Schoenheit, man mag diese nun in der Unendlichkeit des Raumes, oder in der unbegrenzten Teilung desselben verfolgen, dass selbst nach den Kenntnissen, welche unser schwacher Verstand davon hat erwerben koennen, alle Sprache, ueber so viele und unabsehlich grosse Wunder, ihren Nachdruck, alle Zahlen ihre Kraft zu messen, und Selbst unsere Gedanken alle Begrenzung vermissen, so, dass sich unser Urteil vom Ganzen in ein sprachloses, aber desto beredteres Erstaunen aufloesen muss. Allerwaerts sehen wir eine Kette von Wirkungen und Ursachen, von Zwecken und den Mitteln, Regelmaessigkeit im Entstehen oder Vergehen, und, indem nichts von selbst in den Zustand getreten ist, darin es sich befindet, so weist er immer weiter hin nach einem anderen Dinge, als seiner Ursache, welche gerade eben dieselbe weitere Nachfrage notwendig macht, so, dass auf solche Weise das ganze All im Abgrunde des Nichts versinken muesste, naehme man nicht etwas an, das ausserhalb diesem unendlichen Zufaelligen, fuer sich selbst urspruenglich und unabhaengig bestehend, dasselbe hielte, und als die Ursache seines Ursprungs ihm zugleich seine Fortdauer sicherte. Diese hoechste Ursache (in Ansehung aller Dinge der Welt) wie gross soll man sie sich denken? Die Welt kennen wir nicht ihrem ganzen Inhalte nach, noch weniger wissen wir ihre Groesse durch die Vergleichung mit allem, was moeglich ist, zu schaetzen. Was hindert uns aber, dass, da wir einmal in Absicht auf Kausalitaet ein aeusserstes und oberstes Wesen beduerfen, wir es nicht zugleich dem Grade der Vollkommenheit nach ueber alles andere Moegliche setzen sollten? welches wir leicht, obzwar freilich nur durch den zarten Umriss eines abstrakten Begriffs, bewerkstelligen koennen, wenn wir uns in ihm, als einer einigen Substanz, alle moegliche Vollkommenheit vereinigt vorstellen; welcher Begriff der Forderung unserer Vernunft in der Ersparung der Prinzipien guenstig, in sich selbst keinen Widerspruechen unterworfen und selbst der Erweiterung des Vernunftgebrauchs mitten in der Erfahrung, durch die Leitung, welche eine solche Idee auf Ordnung und Zweckmaessigkeit gibt, zutraeglich, nirgend aber einer Erfahrung auf entschiedene Art zuwider ist. Dieser Beweis verdient jederzeit mit Achtung genannt zu werden. Er ist der aelteste, klarste und der gemeinen Menschenvernunft am meisten angemessene. Er belebt das Studium der Natur, so wie er selbst von diesem sein Dasein hat und dadurch immer neue Kraft bekommt. Er bringt Zwecke und Absichten dahin, wo sie unsere Beobachtung nicht von selbst entdeckt haette, und erweitert unsere Naturkenntnisse durch den Leitfaden einer besonderen Einheit, deren Prinzip ausser der Natur ist. Diese Kenntnisse wirken aber wieder auf ihre Ursache, naemlich die veranlassende Idee, zurueck, und vermehren den Glauben an einen hoechsten Urheber bis zu einer unwiderstehlichen Ueberzeugung. Es wuerde daher nicht allein trostlos, sondern auch ganz umsonst sein, dem Ansehen dieses Beweises etwas entziehen zu wollen. Die Vernunft, die durch so maechtige und unter ihren Haenden immer wachsende, obzwar nur empirische Beweisgruende, unablaessig gehoben wird, kann durch keine Zweifel subtiler abgezogener Spekulation so niedergedrueckt werden, dass sie nicht aus jeder grueblerischen Unentschlossenheit, gleich als aus einem Traume, durch einen Blick, den sie auf die Wunder der Natur und der Majestaet des Weltbaues wirft, gerissen werden sollte, um sich von Groesse zu Groesse bis zur allerhoechsten, vom Bedingten zur Bedingung, bis zum obersten und unbedingten Urheber zu erheben. Ob wir aber gleich wider die Vernunftmaessigkeit und Nuetzlichkeit dieses Verfahrens nichts einzuwenden, sondern es vielmehr zu empfehlen und aufzumuntern haben, so koennen wir darum doch die Ansprueche nicht billigen, welche diese Beweisart auf apodiktische Gewissheit und auf einen gar keiner Gunst oder fremden Unterstuetzung beduerftigen Beifall machen moechte, und es kann der guten Sache keineswegs schaden, die dogmatische Sprache eines hohnsprechenden Vernuenftlers auf den Ton der Maessigung und Bescheidenheit, eines zur Beruhigung hinreichenden, obgleich eben nicht unbedingte Unterwerfung gebietenden Glaubens, herabzustimmen. Ich behaupte demnach, dass der physikotheologische Beweis das Dasein eines hoechsten Wesens niemals allein dartun koenne, sondern es jederzeit dem ontologischen (welchem er nur zur Introduktion dient) ueberlassen muesse, diesen Mangel zu ergaenzen, mithin dieser immer noch den einzig moeglichen Beweisgrund (wofern ueberall nur ein spekulativer Beweis stattfindet) enthalte, den keine menschliche Vernunft vorbeigehen kann. Die Hauptmomente des gedachten physischtheologischen Beweises sind folgende: 1. In der Welt finden sich allerwaerts deutliche Zeichen einer Anordnung nach bestimmter Absicht, mit grosser Weisheit ausgefuehrt, und in einem Ganzen von unbeschreiblicher Mannigfaltigkeit des Inhalts sowohl, als auch unbegrenzter Groesse des Umfangs. 2. Den Dingen der Welt ist diese zweckmaessige Anordnung ganz fremd, und haengt ihnen nur zufaellig an, d.i. die Natur verschiedener Dinge konnte von selbst, durch so vielerlei sich vereinigende Mittel, zu bestimmten Endabsichten nicht zusammenstimmen, waeren sie nicht durch ein anordnendes vernuenftiges Prinzip, nach zum Grunde liegenden Ideen, dazu ganz eigentlich gewaehlt und angelegt worden. 3. Es existiert also eine erhabene und weise Ursache (oder mehrere), die nicht bloss, als blindwirkende allvermoegende Natur, durch Fruchtbarkeit, sondern, als Intelligenz, durch Freiheit die Ursache der Welt sein muss. 4. Die Einheit derselben laesst sich aus der Einheit der wechselseitigen Beziehung der Teile der Welt, als Glieder von einem kuenstlichen Bauwerk, an demjenigen, wohin unsere Beobachtung reicht, mit Gewissheit, weiterhin aber, nach allen Grundsaetzen der Analogie, mit Wahrscheinlichkeit schliessen. Ohne hier mit der natuerlichen Vernunft ueber ihren Schluss zu schikanieren, da sie aus der Analogie einiger Naturprodukte mit demjenigen, was menschliche Kunst hervorbringt, wenn sie der Natur Gewalt tut, und sie noetigt, nicht nach ihren Zwecken zu verfahren, sondern sich in die unsrigen zu schmiegen, (der Aehnlichkeit derselben mit Haeusern, Schiffen, Uhren,) schliesst, es werde eben eine solche Kausalitaet, naemlich Verstand und Wille, bei ihr zum Grunde liegen, wenn sie die innere Moeglichkeit der freiwirkenden Natur (die alle Kunst und vielleicht selbst sogar die Vernunft zuerst moeglich macht), noch von einer anderen, obgleich uebermenschlichen Kunst ableitet, welche Schlussart vielleicht die schaerfste transz. Kritik nicht aushalten duerfte; muss man doch gestehen, dass, wenn wir einmal eine Ursache nennen sollen, wir hier nicht sicherer, als nach der Analogie mit dergleichen zweckmaessigen Erzeugungen, die die einzigen sind, wovon uns die Ursachen und Wirkungsart voellig bekannt sind, verfahren koennen. Die Vernunft wuerde es bei sich selbst nicht verantworten koennen, wenn sie von der Kausalitaet, die sie kennt, zu dunkeln und unerweislichen Erklaerungsgruenden, die sie nicht kennt, uebergehen wollte. Nach diesem Schlusse muesste die Zweckmaessigkeit und Wohlgereimtheit so vieler Naturanstalten bloss die Zufaelligkeit der Form, aber nicht der Materie, d.i. der Substanz in der Welt beweisen; denn zu dem letzteren wuerde noch erfordert werden, dass bewiesen werden koennte, die Dinge der Welt waeren an sich selbst zu dergleichen Ordnung und Einstimmung, nach allgemeinen Gesetzen, untauglich, wenn sie nicht, selbst ihrer Substanz nach, das Produkt einer hoechsten Weisheit waeren; wozu aber ganz andere Beweisgruende, als die von der Analogie mit menschlicher Kunst, erfordert werden wuerden. Der Beweis koennte also hoechstens einen Weltbaumeister, der durch die Tauglichkeit des Stoffs, den er bearbeitet, immer sehr eingeschraenkt waere, aber nicht einen Weltschoepfer, dessen Idee alles unterworfen ist, dartun, welches zu der grossen Absicht, die man vor Augen hat, naemlich ein allgenugsames Urwesen zu beweisen, bei weitem nicht hinreichend ist. Wollten wir die Zufaelligkeit der Materie selbst beweisen, so muessten wir zu einem transzendentalen Argumente unsere Zuflucht nehmen, welches aber hier eben hat vermieden werden sollen. Der Schluss geht also von der in der Welt so durchgaengig zu beobachtenden Ordnung und Zweckmaessigkeit, als einer durchaus zufaelligen Einrichtung, auf das Dasein einer ihr proportionierten Ursache. Der Begriff dieser Ursache aber muss uns etwas ganz Bestimmtes von ihr zu erkennen geben, und er kann also kein anderer sein, als der von einem Wesen, das alle Macht, Weisheit usw., mit einem Worte alle Vollkommenheit, als ein allgenugsames Wesen, besitzt. Denn die Praedikate von sehr grosser, von erstaunlicher, von unermesslicher Macht und Trefflichkeit geben gar keinen bestimmten Begriff, und sagen eigentlich nicht, was das Ding an sich selbst sei, sondern sind nur Verhaeltnisvorstellungen von der Groesse des Gegenstandes, den der Beobachter (der Welt) mit sich selbst und seiner Fassungskraft vergleicht, und die gleich hochpreisend ausfallen, man mag den Gegenstand vergroessern, oder das beobachtende Subjekt in Verhaeltnis auf ihn kleiner machen. Wo es auf Groesse (der Vollkommenheit) eines Dinges ueberhaupt ankommt, da gibt es keinen bestimmten Begriff als den, so die ganze moegliche Vollkommenheit begreift, und nur das All (omnitudo) der Realitaet ist im Begriffe durchgaengig bestimmt. Nun will ich nicht hoffen, dass sich jemand unterwinden sollte, das Verhaeltnis der von ihm beobachteten Weltgroesse (nach Umfang sowohl als Inhalt) zur Allmacht, der Weltordnung zur hoechsten Weisheit, der Welteinheit zur absoluten Einheit des Urhebers usw. einzusehen. Also kann die Physikotheologie keinen bestimmten Begriff von der obersten Weltursache geben, und daher zu einem Prinzip der Theologie, welche wiederum die Grundlage der Religion ausmachen soll nicht hinreichend sein. Der Schritt zu der absoluten Totalitaet ist durch den empirischen Weg ganz und gar unmoeglich. Nun tut man ihn doch aber im physischtheologischen Beweise. Welches Mittels bedient man sich also wohl, ueber eine so weite Kluft zu kommen? Nachdem man bis zur Bewunderung der Groesse der Weisheit, der Macht usw. des Welturhebers gelangt ist, und nicht weiter kommen kann, so verlaesst man auf einmal dieses durch empirische Beweisgruende gefuehrte Argument, und geht zu der gleich anfangs aus der Ordnung und Zweckmaessigkeit der Welt geschlossenen Zufaelligkeit derselben. Von dieser Zufaelligkeit allein geht man nun, lediglich durch transzendentale Begriffe, zum Dasein eines schlechthin Notwendigen, und von dem Begriffe der absoluten Notwendigkeit der ersten Ursache auf den durchgaengig bestimmten oder bestimmenden Begriff desselben, naemlich einer allbefassenden Realitaet. Also blieb der physischtheologische Beweis in seiner Unternehmung stecken, sprang in dieser Verlegenheit ploetzlich zu dem kosmologischen Beweise ueber, und da dieser nur ein versteckter ontologischer Beweis ist, so vollfuehrte er seine Absicht wirklich bloss durch reine Vernunft, ob er gleich anfaenglich alle Verwandtschaft mit dieser abgeleugnet und alles auf einleuchtende Beweise aus Erfahrung ausgesetzt hatte. Die Physikotheologen haben also gar nicht Ursache, gegen die transzendentale Beweisart so sproede zu tun, und auf sie mit dem Eigenduenkel hellsehender Naturkenner, als auf das Spinnengewebe finsterer Gruebler, herabzusehen. Denn, wenn sie sich nur selbst pruefen wollten, so wuerden sie finden, dass, nachdem sie eine gute Strecke auf dem Boden der Natur und Erfahrung fortgegangen sind, und sich gleichwohl immer noch eben so weit von dem Gegenstande sehen, der ihrer Vernunft entgegen scheint, sie ploetzlich diesen Boden verlassen, und ins Reich blosser Moeglichkeiten uebergehen, wo sie auf den Fluegeln der Ideen demjenigen nahe zu kommen hoffen, was sich aller ihrer empirischen Nachsuchung entzogen hatte. Nachdem sie endlich durch einen so maechtigen Sprung festen Fuss gefasst zu haben vermeinen, so verbreiten sie den nunmehr bestimmten Begriff (in dessen Besitz sie, ohne zu wissen wie, gekommen sind,) ueber das ganze Feld der Schoepfung, und erlaeutern das Ideal, welches lediglich ein Produkt der reinen Vernunft war, obzwar kuemmerlich genug, und weit unter der Wuerde seines Gegenstandes, durch Erfahrung, ohne doch gestehen zu wollen, dass sie zu dieser Kenntnis oder Voraussetzung durch einen anderen Fusssteig, als den der Erfahrung, gelangt sind. So liegt demnach dem physikotheologischen Beweise der kosmologische, diesem aber der ontologische Beweis, vom Dasein eines einigen Urwesens als hoechsten Wesens, zum Grunde, und da ausser diesen dreien Wegen keiner mehr der spekulativen Vernunft offen ist, so ist der ontologische Beweis, aus lauter reinen Vernunftbegriffen, der einzige moegliche, wenn ueberall nur ein Beweis von einem so weit ueber allen empirischen Verstandesgebrauch erhabenen Satze moeglich ist. Des dritten Hauptstuecks Siebenter Abschnitt Kritik aller Theologie aus spekulativen Prinzipien der Vernunft Wenn ich unter Theologie die Erkenntnis des Urwesens verstehe, so ist sie entweder die aus blosser Vernunft (theologia rationalis) oder aus Offenbarung (revelata). Die erstere denkt sich nun ihren Gegenstand entweder bloss durch reine Vernunft, vermittelst lauter transzendentaler Begriffe, (ens originarium, realissimum, ens entium,) und heisst die transzendentale Theologie, oder durch einen Begriff, den sie aus der Natur (unserer Seele) entlehnt, als die hoechste Intelligenz, und muesste die natuerliche Theologie heissen. Der, so allein eine transzendentale Theologie einraeumt, wird Deist, der, so auch eine natuerliche Theologie annimmt, Theist genannt. Der erstere gibt zu, dass wir allenfalls das Dasein eines Urwesens durch blosse Vernunft erkennen koennen, wovon aber unser Begriff bloss transzendental sei, naemlich nur als von einem Wesen, das alle Realitaet hat, die man aber nicht naeher bestimmen kann. Der zweite behauptet, die Vernunft sei imstande, den Gegenstand nach der Analogie mit der Natur naeher zu bestimmen, naemlich als ein Wesen, das durch Verstand und Freiheit den Urgrund aller anderen Dinge in sich enthalte. Jener stellt sich also unter demselben bloss eine Weltursache, (ob durch die Notwendigkeit seiner Natur, oder durch Freiheit, bleibt unentschieden,) dieser einen Welturheber vor. Die transzendentale Theologie ist entweder diejenige, welche das Dasein des Urwesens von einer Erfahrung ueberhaupt (ohne ueber die Welt, wozu sie gehoert, etwas naeher zu bestimmen,) abzuleiten gedenkt, und heisst Kosmotheologie, oder glaubt durch blosse Begriffe, ohne Beihilfe der mindesten Erfahrung, sein Dasein zu erkennen, und wird Ontotheologie genannt. Die natuerliche Theologie schliesst auf die Eigenschaften und das Dasein eines Welturhebers, aus der Beschaffenheit, der Ordnung und Einheit, die in dieser Welt angetroffen wird, in welcher zweierlei Kausalitaet und deren Regel angenommen werden muss, naemlich Natur und Freiheit. Daher steigt sie von dieser Welt zur hoechsten Intelligenz auf, entweder als dem Prinzip aller natuerlichen, oder aller sittlichen Ordnung und Vollkommenheit. Im ersteren Falle heisst sie Physikotheologie, im letzten Moraltheologie.* * Nicht theologische Moral; denn die enthaelt sittliche Gesetze, welche das Dasein eines hoechsten Weltregierers voraussetzen, da hingegen die Moraltheologie eine Ueberzeugung vom Dasein eines hoechsten Wesens ist, welche sich auf sittliche Gesetze gruendet. Da man unter dem Begriffe von Gott nicht etwa bloss eine blindwirkende ewige Natur, als die Wurzel der Dinge, sondern ein hoechstes Wesen, das durch Verstand und Freiheit der Urheber der Dinge sein soll, zu verstehen gewohnt ist, und auch dieser Begriff allein uns interessiert, so koennte man, nach der Strenge, dem Deisten allen Glauben an Gott absprechen, und ihm lediglich die Behauptung eines Urwesens, oder obersten Ursache, uebrig lassen. Indessen, da niemand darum, weil er etwas sich nicht zu behaupten getraut, beschuldigt werden darf, er wolle es gar leugnen, so ist es gelinder und billiger, zu sagen: der Deist glaube einen Gott, der Theist aber einen lebendigen Gott (summam intelligentiam). Jetzt wollen wir die Moeglichen Quellen aller dieser Versuche der Vernunft aufsuchen. Ich begnuege mich hier, die theoretische Erkenntnis durch eine solche zu erklaeren, wodurch ich erkenne, was da ist, die praktische aber, dadurch ich mir vorstelle, was da sein soll. Diesem nach ist der theoretische Gebrauch der Vernunft derjenige, durch den ich a priori (als notwendig) erkenne, dass etwas sei; der praktische aber, durch den a priori erkannt wird, was geschehen solle. Wenn nun entweder, dass etwas sei, oder geschehen solle, ungezweifelt gewiss, aber doch nur bedingt ist: so kann doch entweder eine gewisse bestimmte Bedingung dazu schlechthin notwendig sein, oder sie kann nur als beliebig und zufaellig vorausgesetzt werden. Im ersteren Falle wird die Bedingung postuliert (per thesin), im zweiten supponiert (per hypothesin). Da es praktische Gesetze gibt, die schlechthin notwendig sind (die moralischen), so muss, wenn diese irgendein Dasein, als die Bedingung der Moeglichkeit ihrer verbindenden Kraft, notwendig voraussetzen, dieses Dasein postuliert werden, darum, weil das Bedingte, von welchem der Schluss auf diese bestimmte Bedingung geht, selbst a priori als schlechterdings notwendig erkannt wird. Wir werden kuenftig von den moralischen Gesetzen zeigen, dass sie das Dasein eines hoechsten Wesens nicht bloss voraussetzen, sondern auch, da sie in anderweitiger Betrachtung schlechterdings notwendig sind, es mit Recht, aber freilich nur praktisch, postulieren; jetzt setzen wir diese Schlussart noch beiseite. Da, wenn bloss von dem, was da ist, (nicht, was sein soll,) die Rede ist, das Bedingte, welches uns in der Erfahrung gegeben wird, jederzeit auch als zufaellig gedacht wird, so kann die zu ihm gehoerige Bedingung daraus nicht als schlechthin notwendig erkannt werden, sondern dient nur als eine respektiv notwendige, oder vielmehr noetige, an sich selbst aber und a priori willkuerliche Voraussetzung zum Vernunfterkenntnis des Bedingten. Soll also die absolute Notwendigkeit eines Dinges im theoretischen Erkenntnis erkannt werden, so koennte dieses allein aus Begriffen a priori geschehen, niemals aber als einer Ursache, in Beziehung auf ein Dasein, das durch Erfahrung gegeben ist. Eine theoretische Erkenntnis ist spekulativ, wenn sie auf einen Gegenstand, oder solche Begriffe von einem Gegenstande, geht, wozu man in keiner Erfahrung gelangen kann. Sie wird der Naturerkenntnis entgegengesetzt, welche auf keine anderen Gegenstaende oder Praedikate derselben geht, als die in einer moeglichen Erfahrung gegeben werden koennen. Der Grundsatz, von dem, was geschieht, (dem empirisch Zufaelligen,) als Wirkung, auf eine Ursache zu schliessen, ist ein Prinzip der Naturerkenntnis, aber nicht der spekulativen. Denn, wenn man von ihm, als einem Grundsatze, der die Bedingung moeglicher Erfahrung ueberhaupt enthaelt, abstrahiert, und, indem man alles Empirische weglaesst, ihn vom Zufaelligen ueberhaupt aussagen will, so bleibt nicht die mindeste Rechtfertigung eines solchen synthetischen Satzes uebrig, um daraus zu ersehen, wie ich von etwas, was da ist, zu etwas davon ganz Verschiedenem (genannt Ursache) uebergehen koenne; ja der Begriff einer Ursache verliert ebenso, wie des Zufaelligen, in solchem bloss spekulativen Gebrauche, alle Bedeutung, deren objektive Realitaet sich in concreto begreiflich machen lasse. Wenn man nun vom Dasein der Dinge in der Welt auf ihre Ursache schliesst, so gehoert dieses nicht zum natuerlichen, sondern zum spekulativen Vernunftgebrauch; weil jener nicht die Dinge selbst (Substanzen), sondern nur das, was geschieht, also ihre Zustaende, als empirisch zufaellig, auf irgendeine Ursache bezieht; dass die Substanz selbst (die Materie) dem Dasein nach zufaellig sei, wuerde ein bloss spekulatives Vernunfterkenntnis sein muessen. Wenn aber auch nur von der Form der Welt, der Art ihrer Verbindung und dem Wechsel derselben die Rede waere, ich wollte aber daraus auf eine Ursache schliessen, die von der Welt gaenzlich unterschieden ist; so wuerde dieses wiederum ein Urteil der bloss spekulativen Vernunft sein, weil der Gegenstand hier gar kein Objekt einer moeglichen Erfahrung ist. Aber alsdann wuerde der Grundsatz der Kausalitaet, der nur innerhalb dem Felde der Erfahrungen gilt, und ausser demselben ohne Gebrauch, ja selbst ohne Bedeutung ist, von seiner Bestimmung gaenzlich abgebracht. Ich behaupte nun, dass alle Versuche eines bloss spekulativen Gebrauchs der Vernunft in Ansehung der Theologie gaenzlich fruchtlos und ihrer inneren Beschaffenheit nach null und nichtig sind; dass aber die Prinzipien ihres Naturgebrauchs ganz und gar auf keine Theologie fuehren, folglich, wenn man nicht moralische Gesetze zum Grunde legt, oder zum Leitfaden braucht, es ueberall keine Theologie der Vernunft geben koenne. Denn alle synthetischen Grundsaetze des Verstandes sind von immanentem Gebrauch; zu der Erkenntnis eines hoechsten Wesens aber wird ein transzendenter Gebrauch derselben erfordert, wozu unser Verstand gar nicht ausgeruestet ist. Soll das empirisch gueltige Gesetz der Kausalitaet zu dem Urwesen fuehren, so muesste dieses in die Kette der Gegenstaende der Erfahrung mitgehoeren; alsdann waere es aber, wie alle Erscheinungen, selbst wiederum bedingt. Erlaubte man aber auch den Sprung ueber die Grenze der Erfahrung hinaus, vermittelst des dynamischen Gesetzes der Beziehung der Wirkungen auf ihre Ursachen; welchen Begriff kann uns dieses Verfahren verschaffen? Bei weitem keinen Begriff von einem hoechsten Wesen, weil uns Erfahrung niemals die groesste aller moeglichen Wirkungen (als welche das Zeugnis von ihrer Ursache ablegen soll) darreicht. Soll es uns erlaubt sein, bloss, um in unserer Vernunft nichts Leeres uebrigzulassen, diesen Mangel der voelligen Bestimmung durch eine blosse Idee der hoechsten Vollkommenheit und urspruenglichen Notwendigkeit auszufuellen: so kann dieses zwar aus Gunst eingeraeumt, aber nicht aus dem Rechte eines unwiderstehlichen Beweises gefordert werden. Der physischtheologische Beweis koennte also vielleicht wohl anderen Beweisen (wenn solche zu haben sind) Nachdruck geben, indem er Spekulation mit Anschauung verknuepft: fuer sich selbst aber bereitet er mehr den Verstand zur theologischen Erkenntnis vor, und gibt ihm dazu eine gerade und natuerliche Richtung, als dass er allein das Geschaeft vollenden koennte. Man sieht also hieraus wohl, dass transzendentale Fragen nur transzendentale Antworten, d.i. aus lauter Begriffen a priori ohne die mindeste empirische Beimischung, erlauben. Die Frage ist hier aber offenbar synthetisch und verlangt eine Erweiterung unserer Erkenntnis ueber alle Grenzen der Erfahrung hinaus, naemlich zu dem Dasein eines Wesens, das unserer blossen Idee entsprechen soll, der niemals irgendeine Erfahrung gleichkommen kann. Nun ist, nach unseren obigen Beweisen, alle synthetische Erkenntnis a priori nur dadurch moeglich, dass sie die formalen Bedingungen einer moeglichen Erfahrung ausdrueckt, und alle Grundsaetze sind also nur von immanenter Gueltigkeit, d.i. sie beziehen sich lediglich auf Gegenstaende empirischer Erkenntnis, oder Erscheinungen. Also wird auch durch transzendentales Verfahren in Absicht auf die Theologie einer bloss spekulativen Vernunft nichts ausgerichtet. Wollte man aber lieber alle obigen Beweise der Analytik in Zweifel ziehen, als sich die Ueberredung von dem Gewichte der so lange gebrauchten Beweisgruende rauben lassen; so kann man sich doch nicht weigern, der Aufforderung ein Genuege zu tun, wenn ich verlange, man solle sich wenigstens darueber rechtfertigen, wie und vermittelst welcher Erleuchtung man sich denn getraue, alle moegliche Erfahrung durch die Macht blosser Ideen zu ueberfliegen. Mit neuen Beweisen, oder ausgebesserter Arbeit alter Beweise, wuerde ich bitten mich zu verschonen. Denn, ob man zwar hierin eben nicht viel zu waehlen hat, indem endlich doch alle bloss spekulativen Beweise auf einen einzigen, naemlich den ontologischen, hinauslaufen, und ich also eben nicht fuerchten darf, sonderlich durch die Fruchtbarkeit der dogmatischen Verfechter jener sinnenfreien Vernunft belaestigt zu werden; obgleich ich ueberdem auch, ohne mich darum sehr streitbar zu duenken, die Ausforderung nicht ausschlagen will, in jedem Versuche dieser Art den Fehlschluss aufzudecken, und dadurch seine Anmassung zu vereiteln: so wird daher doch die Hoffnung besseren Gluecks bei denen, welche einmal dogmatischer Ueberredungen gewohnt sind, niemals voellig aufgehoben, und ich halte mich daher an der einzigen billigen Forderung, dass man sich allgemein und aus der Natur des menschlichen Verstandes, samt allen uebrigen Erkenntnisquellen, darueber rechtfertige, wie man es anfangen wolle, sein Erkenntnis ganz und gar a priori zu erweitern, und bis dahin zu erstrecken, wo keine moegliche Erfahrung und mithin kein Mittel hinreicht, irgendeinem von uns selbst ausgedachten Begriffe seine objektive Realitaet zu versichern. Wie der Verstand auch zu diesem Begriffe gelangt sein mag, so kann doch das Dasein des Gegenstandes desselben nicht analytisch in demselben gefunden werden, weil eben darin die Erkenntnis der Existenz des Objekts besteht, dass dieses ausser dem Gedanken an sich selbst gesetzt ist. Es ist aber gaenzlich unmoeglich, aus einem Begriffe von selbst hinauszugehen, und, ohne dass man der empirischen Verknuepfung folgt, (wodurch aber jederzeit nur Erscheinungen gegeben werden,) zu Entdeckung neuer Gegenstaende und ueberschwenglicher Wesen zu gelangen. Ob aber gleich die Vernunft in ihrem bloss spekulativen Gebrauche zu dieser so grossen Absicht bei weitem nicht zulaenglich ist, naemlich zum Dasein eines obersten Wesens zu gelangen; so hat sie doch darin sehr grossen Nutzen, die Erkenntnis desselben, im Fall sie anders woher geschoepft werden koennte, zu berichtigen, mit sich selbst und jeder intelligiblen Absicht einstimmig zu machen, und von allem, was dem Begriffe eines Urwesens zuwider sein moechte, und aller Beimischung empirischer Einschraenkungen zu reinigen. Die transzendentale Theologie bleibt demnach, aller ihrer Unzulaenglichkeit ungeachtet, dennoch von wichtigem negativen Gebrauche, und ist eine bestaendige Zensur unserer Vernunft, wenn sie bloss mit reinen Ideen zu tun hat, die eben darum kein anderes, als transzendentales Richtmass zulassen. Denn, wenn einmal, in anderweitiger, vielleicht praktischer Beziehung, die Voraussetzung eines hoechsten und allgenugsamen Wesens, als oberster Intelligenz, ihre Gueltigkeit ohne Widerrede behauptete: so waere es von der groessten Wichtigkeit, diesen Begriff auf seiner transzendentalen Seite, als den Begriff eines notwendigen und allerrealsten Wesens, genau zu bestimmen, und, was der hoechsten Realitaet zuwider ist, was zur blossen Erscheinung (dem Anthropomorphismus im weiteren Verstande) gehoert, wegzuschaffen, und zugleich alle entgegengesetzten Behauptungen, sie moegen nun atheistisch, oder deistisch, oder anthropomorphistisch sein, aus dem Wege zu raeumen; welches in einer solchen kritischen Behandlung sehr leicht ist, indem dieselben Gruende, durch welche das Unvermoegen der menschlichen Vernunft, in Ansehung der Behauptung des Daseins eines dergleichen Wesens, vor Augen gelegt wird, notwendig auch zureichen, um die Untauglichkeit einer jeden Gegenbehauptung zu beweisen. Denn, wo will jemand durch reine Spekulation der Vernunft die Einsicht hernehmen, dass es kein hoechstes Wesen, als Urgrund von Allem, gebe, oder dass ihm keine von den Eigenschaften zukomme, welche wir, ihren Folgen nach, als analogisch mit den dynamischen Realitaeten eines denkenden Wesens, uns vorstellen, oder dass sie, in dem letzteren Falle, auch allen Einschraenkungen unterworfen sein muessten, welche die Sinnlichkeit den Intelligenzen, die wir durch Erfahrung kennen, unvermeidlich auferlegt. Das hoechste Wesen bleibt also fuer den bloss spekulativen Gebrauch der Vernunft ein blosses, aber doch fehlerfreies Ideal, ein Begriff, welcher die ganze menschliche Erkenntnis schliesst und kroent, dessen objektive Realitaet auf diesem Wege zwar nicht bewiesen, aber auch nicht widerlegt werden kann, und, wenn es eine Moraltheologie geben sollte, die diesen Mangel ergaenzen kann, so beweist alsdann die vorher nur problematische transzendentale Theologie ihre Unentbehrlichkeit, durch Bestimmung ihres Begriffs und unaufhoerliche Zensur einer durch Sinnlichkeit oft genug getaeuschten und mit ihren eigenen Ideen nicht immer einstimmigen Vernunft. Die Notwendigkeit, die Unendlichkeit, die Einheit, das Dasein ausser der Welt (nicht als Weltseele), die Ewigkeit, ohne Bedingungen der Zeit, die Allgegenwart, ohne Bedingungen des Raumes, die Allmacht usw. sind lauter transzendentale Praedikate, und daher kann der gereinigte Begriff derselben, den eine jede Theologie so sehr noetig hat, bloss aus der transzendentalen gezogen werden. Anhang zur transzendentalen Dialektik Von dem regulativen Gebrauch der Ideen der reinen Vernunft Der Ausgang aller dialektischen Versuche der reinen Vernunft bestaetigt nicht allein, was wir schon in der transzendentalen Analytik bewiesen, naemlich dass alle unsere Schluesse, die uns ueber das Feld moeglicher Erfahrung hinausfuehren wollen, trueglich und grundlos seien; sondern er lehrt uns zugleich dieses Besondere: dass die menschliche Vernunft dabei einen natuerlichen Hang habe, diese Grenze zu ueberschreiten, dass transzendentale Ideen ihr ebenso natuerlich seien, als dem Verstande die Kategorien, obgleich mit dem Unterschiede, dass, so wie die letzteren zur Wahrheit, d.i. der Uebereinstimmung unserer Begriffe mit dem Objekte fuehren, die ersteren einen blossen, aber unwiderstehlichen Schein bewirken, dessen Taeuschung man kaum durch die schaerfste Kritik abhalten kann. Alles, was in der Natur unserer Kraefte gegruendet ist, muss zweckmaessig und mit dem richtigen Gebrauche derselben einstimmig sein, wenn wir nur einen gewissen Missverstand verhueten und die eigentliche Richtung derselben ausfindig machen koennen. Also werden die transzendentalen Ideen allem Vermuten nach ihren guten und folglich immanenten Gebrauch haben, obgleich, wenn ihre Bedeutung verkannt und sie fuer Begriffe von wirklichen Dingen genommen werden, sie transzendent in der Anwendung und eben darum trueglich sein koennen. Denn nicht die Idee an sich selbst, sondern bloss ihr Gebrauch kann, entweder in Ansehung der gesamten moeglichen Erfahrung ueberfliegend (transzendent), oder einheimisch (immanent) sein, nachdem man sie entweder geradezu auf einen ihr vermeintlich entsprechenden Gegenstand, oder nur auf den Verstandesgebrauch ueberhaupt, in Ansehung der Gegenstaende, mit welchen er zu tun hat, richtet, und alle Fehler der Subreption sind jederzeit einem Mangel der Urteilskraft, niemals aber dem Verstande oder der Vernunft zuzuschreiben. Die Vernunft bezieht sich niemals geradezu auf einen Gegenstand, sondern lediglich auf den Verstand, und vermittelst desselben auf ihren eigenen empirischen Gebrauch, schafft also keine Begriffe (von Objekten), sondern ordnet sie nur, und gibt ihnen diejenige Einheit, welche sie in ihrer groesstmoeglichen Ausbreitung haben koennen, d.i. in Beziehung auf die Totalitaet der Reihen, als auf welche der Verstand gar nicht sieht, sondern nur auf diejenige Verknuepfung, dadurch allerwaerts Reihen der Bedingungen nach Begriffen zustande kommen. Die Vernunft hat also eigentlich nur den Verstand und dessen zweckmaessige Anstellung zum Gegenstande, und, wie dieser das Mannigfaltige im Objekt durch Begriffe vereinigt, so vereinigt jene ihrerseits das Mannigfaltige der Begriffe durch Ideen, indem sie eine gewisse kollektive Einheit zum Ziele der Verstandeshandlungen setzt, welche sonst nur mit der distributiven Einheit beschaeftigt sind. Ich behaupte demnach: die transzendentalen Ideen sind niemals von konstitutivem Gebrauche, so, dass dadurch Begriffe gewisser Gegenstaende gegeben wuerden, und in dem Falle, dass man sie so versteht, sind es bloss vernuenftelnde (dialektische) Begriffe. Dagegen aber haben sie einen vortrefflichen und unentbehrlich notwendigen regulativen Gebrauch, naemlich den Verstand zu einem gewissen Ziele zu richten, in Aussicht auf welches die Richtungslinien aller seiner Regeln in einen Punkt zusammenlaufen, der, ob er zwar nur eine Idee (focus imaginarius), d.i. ein Punkt ist, aus welchem die Verstandesbegriffe wirklich nicht ausgehen, indem er ganz ausserhalb den Grenzen moeglicher Erfahrung liegt, dennoch dazu dient, ihnen die groesste Einheit neben der groessten Ausbreitung zu verschaffen. Nun entspringt uns zwar hieraus die Taeuschung, als wenn diese Richtungslinien von einem Gegenstande selbst, der ausser dem Felde empirisch moeglicher Erkenntnis laege, ausgeschlossen waeren (so wie die Objekte hinter der Spiegelflaeche gesehen werden), allein diese Illusion (welche man doch hindern kann, dass sie nicht betruegt,) ist gleichwohl unentbehrlich notwendig, wenn wir ausser den Gegenstaenden, die uns vor Augen sind, auch diejenigen zugleich sehen wollen, die weit davon uns im Ruecken liegen, d.i. wenn wir, in unserem Falle, den Verstand ueber jede gegebene Erfahrung (dem Teile der gesamten moeglichen Erfahrung) hinaus, mithin auch zur groesstmoeglichen und aeussersten Erweiterung abrichten wollen. Uebersehen wir unsere Verstandeserkenntnisse in ihrem ganzen Umfange, so finden wir, dass dasjenige, was Vernunft ganz eigentuemlich darueber verfuegt und zustande zu bringen sucht, das Systematische der Erkenntnis sei, d.i. der Zusammenhang derselben aus einem Prinzip. Diese Vernunfteinheit setzt jederzeit eine Idee voraus, naemlich die von der Form eines Ganzen der Erkenntnis, welches vor der bestimmten Erkenntnis der Teile vorhergeht und die Bedingungen enthaelt, jedem Teile seine Stelle und Verhaeltnis zu den uebrigen a priori zu bestimmen. Diese Idee postuliert demnach vollstaendige Einheit der Verstandeserkenntnis, wodurch diese nicht bloss ein zufaelliges Aggregat, sondern ein nach notwendigen Gesetzen zusammenhaengendes System wird. Man kann eigentlich nicht sagen, dass diese Idee ein Begriff vom Objekte sei, sondern von der durchgaengigen Einheit dieser Begriffe, sofern dieselbe dem Verstande zur Regel dient. Dergleichen Vernunftbegriffe werden nicht aus der Natur geschoepft, vielmehr befragen wir die Natur nach diesen Ideen, und halten unsere Erkenntnis fuer mangelhaft, solange sie denselben nicht adaequat ist. Man gesteht: dass sich schwerlich reine Erde, reines Wasser, reine Luft usw. finde. Gleichwohl hat man die Begriffe davon doch noetig (die also, was die voellige Reinigkeit betrifft, nur in der Vernunft ihren Ursprung haben), um den Anteil, den jede dieser Naturursachen an der Erscheinung hat, gehoerig zu bestimmen, und so bringt man alle Materien auf die Erden (gleichsam die blosse Last), Salze und brennliche Wesen (als die Kraft), endlich auf Wasser und Luft als Vehikeln (gleichsam Maschinen, vermittelst deren die vorigen wirken), um nach der Idee eines Mechanismus die chemischen Wirkungen der Materien untereinander zu erklaeren. Denn, wiewohl man sich nicht wirklich so ausdrueckt, so ist doch ein solcher Einfluss der Vernunft auf die Einteilungen der Naturforscher sehr leicht zu entdecken. Wenn die Vernunft ein Vermoegen ist, das Besondere aus dem Allgemeinen abzuleiten, so ist entweder das Allgemeine schon an sich gewiss und gegeben, und alsdann erfordert es nur Urteilskraft zur Subsumtion, und das Besondere wird dadurch notwendig bestimmt. Dieses will ich den apodiktischen Gebrauch der Vernunft nennen. Oder das Allgemeine wird nur problematisch angenommen, und ist eine blosse Idee, das Besondere ist gewiss, aber die Allgemeinheit der Regel zu dieser Folge ist noch ein Problem; so werden mehrere besondere Faelle, die insgesamt gewiss sind, an der Regel versucht, ob sie daraus fliessen, und in diesem Falle, wenn es den Anschein hat, dass alle anzugebenden besonderen Faelle daraus abfolgen, wird auf die Allgemeinheit der Regel, aus dieser aber nachher auf alle Faelle, die auch an sich nicht gegeben sind, geschlossen. Diesen will ich den hypothetischen Gebrauch der Vernunft nennen. Der hypothetische Gebrauch der Vernunft aus zum Grunde gelegten Ideen, als problematischer Begriffe, ist eigentlich nicht konstitutiv, naemlich nicht so beschaffen, dass dadurch, wenn man nach aller Strenge urteilen will, die Wahrheit der allgemeinen Regel, die als Hypothese angenommen worden, folge; denn wie will man alle moeglichen Folgen wissen, die, indem sie aus demselben angenommenen Grundsatze folgen, seine Allgemeinheit beweisen? Sondern er ist nur regulativ, um dadurch, soweit als es moeglich ist, Einheit in die besonderen Erkenntnisse zu bringen, und die Regel dadurch der Allgemeinheit zu naehern. Der hypothetische Vernunftgebrauch geht also auf die systematische Einheit der Verstandeserkenntnisse, diese aber ist der Probierstein der Wahrheit der Regeln. Umgekehrt ist die systematische Einheit (als blosse Idee) lediglich nur projektierte Einheit, die man an sich nicht als gegeben, sondern nur als Problem ansehen muss; welche aber dazu dient, zu dem Mannigfaltigen und besonderen Verstandesgebrauche ein Prinzipium zu finden, und diesen dadurch auch ueber die Faelle, die nicht gegeben sind, zu leiten und zusammenhaengend zu machen. Man sieht aber hieraus nur, dass die systematische oder Vernunfteinheit der mannigfaltigen Verstandeserkenntnis ein logisches Prinzip sei, um, da wo der Verstand allein nicht zu Regeln hinlangt, ihm durch Ideen fortzuhelfen, und zugleich der Verschiedenheit seiner Regeln Einhelligkeit unter einem Prinzip (systematische) und dadurch Zusammenhang zu verschaffen, soweit als es sich tun laesst. Ob aber die Beschaffenheit der Gegenstaende, oder die Natur des Verstandes, der sie als solche erkennt, an sich zur systematischen Einheit bestimmt sei, und ob man diese a priori, auch ohne Ruecksicht auf ein solches Interesse der Vernunft in gewisser Maasse postulieren, und also sagen koenne: alle moeglichen Verstandeserkenntnisse (darunter die empirischen) haben Vernunfteinheit, und stehen unter gemeinschaftlichen Prinzipien, woraus sie, unerachtet ihrer Verschiedenheit, abgeleitet werden koennen; das wuerde ein transzendentaler Grundsatz der Vernunft sein, welcher die systematische Einheit nicht bloss subjektiv- und logisch-, als Methode, sondern objektiv notwendig machen wuerde. Wir wollen dieses durch einen Fall des Vernunftgebrauchs erlaeutern. Unter die verschiedenen Arten von Einheit nach Begriffen des Verstandes gehoert auch die der Kausalitaet einer Substanz, welche Kraft genannt wird. Die verschiedenen Erscheinungen eben derselben Substanz zeigen beim ersten Anblicke soviel Ungleichartigkeit, dass man daher anfaenglich beinahe so vielerlei Kraefte derselben annehmen muss, als Wirkungen sich hervortun, wie in dem menschlichen Gemuete die Empfindung, Bewusstsein, Einbildung, Erinnerung, Witz, Unterscheidungskraft, Lust, Begierde usw. Anfaenglich gebietet eine logische Maxime, diese anscheinende Verschiedenheit soviel als moeglich dadurch zu verringern, dass man durch Vergleichung die versteckte Identitaet entdecke, und nachsehe, ob nicht Einbildung, mit Bewusstsein verbunden, Erinnerung, Witz, Unterscheidungskraft, vielleicht gar Verstand und Vernunft sei. Die Idee einer Grundkraft, von welcher aber die Logik gar nicht ausmittelt, ob es dergleichen gebe, ist wenigstens das Problem einer systematischen Vorstellung der Mannigfaltigkeit von Kraeften. Das logische Vernunftprinzip erfordert diese Einheit soweit als moeglich zustande zu bringen, und je mehr die Erscheinungen der einen und anderen Kraft unter sich identisch gefunden werden, desto wahrscheinlicher wird es, dass sie nichts, als verschiedene Aeusserungen einer und derselben Kraft seien, welche (komparativ) ihre Grundkraft heissen kann. Ebenso verfaehrt man mit den uebrigen. Die komparativen Grundkraefte muessen wiederum untereinander verglichen werden, um sie dadurch, dass man ihre Einhelligkeit entdeckt, einer einzigen radikalen, d.i. absoluten Grundkraft nahe zu bringen. Diese Vernunfteinheit aber ist bloss hypothetisch. Man behauptet nicht, dass eine solche in der Tat angetroffen werden muesse, sondern, dass man sie zugunsten der Vernunft, naemlich zu Errichtung gewisser Prinzipien, fuer die mancherlei Regeln, die die Erfahrung an die Hand geben mag, suchen, und, wo es sich tun laesst, auf solche Weise systematische Einheit ins Erkenntnis bringen muesse. Es zeigt sich aber, wenn man auf den transzendentalen Gebrauch des Verstandes achthat, dass diese Idee einer Grundkraft ueberhaupt, nicht bloss als Problem zum hypothetischen Gebrauche bestimmt sei, sondern objektive Realitaet vorgebe, dadurch die systematische Einheit der mancherlei Kraefte einer Substanz postuliert und ein apodiktisches Vernunftprinzip errichtet wird. Denn, ohne dass wir einmal die Einhelligkeit der mancherlei Kraefte versucht haben, ja selbst wenn es uns nach allen Versuchen misslingt, sie zu entdecken, setzen wir doch voraus: es werde eine solche anzutreffen sein, und dieses nicht allein, wie in dem angefuehrten Falle, wegen der Einheit der Substanz, sondern, wo so gar viele, obzwar in gewissem Grade gleichartige, angetroffen werden, wie an der Materie ueberhaupt, setzt die Vernunft systematische Einheit mannigfaltiger Kraefte voraus, da besondere Naturgesetze unter allgemeineren stehen, und die Ersparung der Prinzipien nicht bloss ein oekonomischer Grundsatz der Vernunft, sondern inneres Gesetz der Natur wird. In der Tat ist auch nicht abzusehen, wie ein logisches Prinzip der Vernunfteinheit der Regeln stattfinden koenne, wenn nicht ein transzendentales vorausgesetzt wuerde, durch welches eine solche systematische Einheit, als den Objekten selbst anhaengend, a priori als notwendig angenommen wird. Denn mit welcher Befugnis kann die Vernunft im logischen Gebrauche verlangen, die Mannigfaltigkeit der Kraefte, welche uns die Natur zu erkennen gibt, als eine bloss versteckte Einheit zu behandeln, und sie aus irgendeiner Grundkraft, soviel an ihr ist, abzuleiten, wenn es ihr freistaende zuzugeben, dass es ebensowohl moeglich sei, alle Kraefte waeren ungleichartig, und die systematische Einheit ihrer Ableitung der Natur nicht gemaess? denn alsdann wuerde sie gerade wider ihre Bestimmung verfahren, indem sie sich eine Idee zum Ziele setzte, die der Natureinrichtung ganz widerspraeche. Auch kann man nicht sagen, sie habe zuvor von der zufaelligen Beschaffenheit der Natur diese Einheit nach Prinzipien der Vernunft abgenommen. Denn das Gesetz der Vernunft, sie zu suchen, ist notwendig, weil wir ohne dasselbe gar keine Vernunft, ohne diese aber keinen zusammenhaengenden Verstandesgebrauch, und in dessen Ermanglung kein zureichendes Merkmal empirischer Wahrheit haben wuerden, und wir also in Ansehung des letzteren die systematische Einheit der Natur durchaus als objektiv gueltig und notwendig voraussetzen muessen. Wir finden diese transzendentale Voraussetzung auch auf eine bewundernswuerdige Weise in den Grundsaetzen der Philosophen versteckt, wiewohl sie solche darin nicht immer erkannt, oder sich selbst gestanden haben. Dass alle Mannigfaltigkeiten einzelner Dinge die Identitaet der Art nicht ausschliessen; dass die mancherlei Arten nur als verschiedentliche Bestimmungen von wenigen Gattungen, diese aber von noch hoeheren Geschlechtern usw. behandelt werden muessen; dass also eine gewisse systematische Einheit aller moeglichen empirischen Begriffe, sofern sie von hoeheren und allgemeineren abgeleitet werden koennen, gesucht werden muesse; ist eine Schulregel oder logisches Prinzip, ohne welches kein Gebrauch der Vernunft stattfaende, weil wir nur sofern vom Allgemeinen aufs Besondere schliessen koennen, als allgemeine Eigenschaften der Dinge zum Grunde gelegt werden, unter denen die besonderen stehen. Dass aber auch in der Natur eine solche Einhelligkeit angetroffen werde, setzen die Philosophen in der bekannten Schulregel voraus: dass man die Anfaenge (Prinzipien) nicht ohne Not vervielfaeltigen muesse (entia praeter necessitatem non esse multiplicanda). Dadurch wird gesagt: dass die Natur der Dinge selbst zur Vernunfteinheit Stoff darbiete, und die anscheinende unendliche Verschiedenheit duerfe uns nicht abhalten, hinter ihr Einheit der Grundeigenschaften zu vermuten, von welchen die Mannigfaltigkeit nur durch mehrere Bestimmung abgeleitet werden kann. Dieser Einheit, ob sie gleich eine blosse Idee ist, ist man zu allen Zeiten so eifrig nachgegangen, dass man eher Ursache gefunden, die Begierde nach ihr zu maessigen, als sie aufzumuntern. Es war schon viel, dass die Scheidekuenstler alle Salze auf zwei Hauptgattungen, saure und laugenhafte, zurueckfuehren konnten, sie versuchen sogar auch diesen Unterschied bloss als eine Varietaet oder verschiedene Aeusserung eines und desselben Grundstoffs anzusehen. Die mancherlei Arten von Erden (den Stoff der Steine und sogar der Metalle) hat man nach und nach auf drei, endlich auf zwei, zu bringen gesucht; allein damit noch nicht zufrieden, koennen sie sich des Gedankens nicht entschlagen, hinter diesen Varietaeten dennoch eine einzige Gattung, ja wohl gar zu diesen und den Salzen ein gemeinschaftliches Prinzip zu vermuten. Man moechte vielleicht glauben, dieses sei ein bloss oekonomischer Handgriff der Vernunft, um sich soviel als moeglich Muehe zu ersparen, und ein hypothetischer Versuch, der, wenn er gelingt, dem vorausgesetzten Erklaerungsgrunde eben durch diese Einheit Wahrscheinlichkeit gibt. Allein eine solche selbstsuechtige Absicht ist sehr leicht von der Idee zu unterscheiden, nach welcher jedermann voraussetzt, diese Vernunfteinheit sei der Natur selbst angemessen, und dass die Vernunft hier nicht bettle, sondern gebiete, obgleich ohne die Grenzen dieser Einheit bestimmen zu koennen. Waere unter den Erscheinungen, die sich uns darbieten, eine so grosse Verschiedenheit, ich will nicht sagen der Form (denn darin moegen sie einander aehnlich sein), sondern dem Inhalte, d.i. der Mannigfaltigkeit existierender Wesen nach, dass auch der allerschaerfste menschliche Verstand durch Vergleichung der einen mit der anderen nicht die mindeste Aehnlichkeit ausfindig machen koennte (ein Fall, der sich wohl denken laesst), so wuerde das logische Gesetz der Gattungen ganz und gar nicht stattfinden, und es wuerde selbst kein Begriff von Gattung, oder irgendein allgemeiner Begriff, ja sogar kein Verstand stattfinden, als der es lediglich mit solchen zu tun hat. Das logische Prinzip der Gattungen setzt also ein transzendentales voraus, wenn es auf Natur (darunter ich hier nur Gegenstaende, die uns gegeben werden, verstehe,) angewandt werden soll. Nach demselben wird in dem Mannigfaltigen einer moeglichen Erfahrung notwendig Gleichartigkeit vorausgesetzt (ob wir gleich ihren Grad a priori nicht bestimmen koennen), weil ohne dieselbe keine empirischen Begriffe, mithin keine Erfahrung moeglich waere. Dem logischen Prinzip der Gattungen, welches Identitaet postuliert, steht ein anderes, naemlich das der Arten entgegen, welches Mannigfaltigkeit und Verschiedenheiten der Dinge, unerachtet ihrer Uebereinstimmung unter derselben Gattung, bedarf, und es dem Verstande zur Vorschrift macht, auf diese nicht weniger als auf jene aufmerksam zu sein. Dieser Grundsatz (der Scharfsinnigkeit, oder des Unterscheidungsvermoegens) schraenkt den Leichtsinn des ersteren (des Witzes) sehr ein, und die Vernunft zeigt hier ein doppeltes, einander widerstreitendes Interesse, einerseits das Interesse des Umfanges (der Allgemeinheit) in Ansehung der Gattungen, andererseits des Inhalts (der Bestimmtheit), in Absicht auf die Mannigfaltigkeit der Arten, weil der Verstand im ersteren Falle zwar viel unter seinen Begriffen, im zweiten aber desto mehr in denselben denkt. Auch aeussert sich dieses an der sehr verschiedenen Denkungsart der Naturforscher, deren einige (die vorzueglich spekulativ sind), der Ungleichartigkeit gleichsam feind, immer auf die Einheit der Gattung hinaussehen, die anderen (vorzueglich empirische Koepfe) die Natur unaufhoerlich in so viel Mannigfaltigkeit zu spalten suchen, dass man beinahe die Hoffnung aufgeben muesste, ihre Erscheinungen nach allgemeinen Prinzipien zu beurteilen. Dieser letzteren Denkungsart liegt offenbar auch ein logisches Prinzip zum Grunde, welches die systematische Vollstaendigkeit aller Erkenntnisse zur Absicht hat, wenn ich, von der Gattung anhebend, zu dem Mannigfaltigen, das darunter enthalten sein mag, herabsteige, und auf solche Weise dem System Ausbreitung, wie im ersteren Falle, da ich zur Gattung aufsteige, Einfalt zu verschaffen suche. Denn aus der Sphaere des Begriffs, der eine Gattung bezeichnet, ist ebensowenig, wie aus dem Raume, den Materie einnehmen kann, zu ersehen, wie weit die Teilung derselben gehen koenne. Daher jede Gattung verschiedene Arten, diese aber verschiedene Unterarten erfordert, und, da keine der letzteren stattfindet, die nicht immer wiederum eine Sphaere (Umfang als conceptus communis) haette, so verlangt die Vernunft in ihrer ganzen Erweiterung, dass keine Art als die unterste an sich selbst angesehen werde, weil, da sie doch immer ein Begriff ist, der nur das, was verschiedenen Dingen gemein ist, in sich enthaelt, dieser nicht durchgaengig bestimmt, mithin auch nicht zunaechst auf ein Individuum bezogen sein koenne, folglich jederzeit andere Begriffe, d.i. Unterarten, unter sich enthalten muesse. Dieses Gesetz der Spezifikation koennte so ausgedrueckt werden: entium varietates non temere esse minuendas. Man sieht aber leicht, dass auch dieses logische Gesetz ohne Sinn und Anwendung sein wuerde, laege nicht ein transzendentales Gesetz der Spezifikation zum Grunde, welches zwar freilich nicht von den Dingen, die unsere Gegenstaende werden koennen, eine wirkliche Unendlichkeit in Ansehung der Verschiedenheiten fordert; denn dazu gibt das logische Prinzip, als welches lediglich die Unbestimmtheit der logischen Sphaere in Ansehung der moeglichen Einteilung behauptet, keinen Anlass; aber dennoch dem Verstande auferlegt, unter jeder Art, die uns vorkommt, Unterarten, und zu jeder Verschiedenheit kleinere Verschiedenheiten zu suchen. Denn, wuerde es keine niederen Begriffe geben, so gaebe es auch keine hoeheren. Nun erkennt der Verstand alles nur durch Begriffe: folglich, soweit er in der Einteilung reicht, niemals durch blosse Anschauung, sondern immer wiederum durch niedere Begriffe. Die Erkenntnis der Erscheinungen in ihrer durchgaengigen Bestimmung (welche nur durch Verstand moeglich ist) fordert eine unaufhoerlich fortzusetzende Spezifikation seiner Begriffe, und einen Fortgang zu immer noch bleibenden Verschiedenheiten, wovon in dem Begriffe der Art, und noch mehr dem der Gattung, abstrahiert worden. Auch kann dieses Gesetz der Spezifikation nicht von der Erfahrung entlehnt sein; denn diese kann keine so weitgehende Eroeffnungen geben. Die empirische Spezifikation bleibt in der Unterscheidung des Mannigfaltigen bald stehen, wenn sie nicht durch das schon vorhergehende transzendentale Gesetz der Spezifikation, als ein Prinzip der Vernunft, geleitet worden, solche zu suchen, und sie noch immer zu vermuten, wenn sie sich gleich nicht den Sinnen offenbart. Dass absorbierende Erden nach verschiedener Art (Kalk- und muriatische Erden) sind, bedurfte zur Entdeckung eine zuvorkommende Regel der Vernunft, welche dem Verstande es zur Aufgabe machte, die Verschiedenheit zu suchen, indem sie die Natur so reichhaltig voraussetzte, sie zu vermuten. Denn wir haben ebensowohl nur unter Voraussetzung der Verschiedenheiten in der Natur Verstand, als unter der Bedingung, dass ihre Objekte Gleichartigkeit an sich haben, weil eben die Mannigfaltigkeit desjenigen, was unter einem Begriffe zusammengefasst werden kann, den Gebrauch dieses Begriffs, und die Beschaeftigung des Verstandes ausmacht. Die Vernunft bereitet also dem Verstande sein Feld, 1. durch ein Prinzip der Gleichartigkeit des Mannigfaltigen unter hoeheren Gattungen, 2. durch einen Grundsatz der Varietaet des Gleichartigen unter niederen Arten; und um die systematische Einheit zu vollenden, fuegt sie 3. noch ein Gesetz der Affinitaet aller Begriffe hinzu, welches einen kontinuierlichen Uebergang von einer jeden Art zu jeder anderen durch stufenartiges Wachstum der Verschiedenheit gebietet. Wir koennen sie die Prinzipien der Homogenitaet, der Spezifikation und der Kontinuitaet der Formen nennen. Das letztere entspringt dadurch, dass man die zwei ersteren vereinigt, nachdem man, sowohl im Aufsteigen zu hoeheren Gattungen, als im Herabsteigen zu niederen Arten, den systematischen Zusammenhang in der Idee vollendet hat; denn alsdann sind alle Mannigfaltigkeiten untereinander verwandt, weil sie insgesamt durch alle Grade der erweiterten Bestimmung von einer einzigen obersten Gattung abstammen. Man kann sich die systematische Einheit unter den drei logischen Prinzipien auf folgende Art sinnlich machen. Man kann einen jeden Begriff als einen Punkt ansehen, der, als der Standpunkt eines Zuschauers, seinen Horizont hat, d.i. eine Menge von Dingen, die aus demselben koennen vorgestellt und gleichsam ueberschaut werden. Innerhalb diesem Horizonte muss eine Menge von Punkten ins Unendliche angegeben werden koennen, deren jeder wiederum seinen engeren Gesichtskreis hat; d.i. jede Art enthaelt Unterarten, nach dem Prinzip der Spezifikation, und der logische Horizont besteht nur aus kleineren Horizonten (Unterarten), nicht aber aus Punkten, die keinen Umfang haben (Individuen). Aber zu verschiedenen Horizonten, d.i. Gattungen, die aus ebensoviel Begriffen bestimmt werden, laesst sich ein gemeinschaftlicher Horizont, daraus man sie insgesamt als aus einem Mittelpunkte ueberschaut, gezogen denken, welcher die hoehere Gattung ist, bis endlich die hoechste Gattung der allgemeine und wahre Horizont ist, der aus dem Standpunkte des hoechsten Begriffs bestimmt wird, und alle Mannigfaltigkeit, als Gattungen, Arten und Unterarten, unter sich befasst. Zu diesem hoechsten Standpunkte fuehrt mich das Gesetz der Homogenitaet, zu allen niedrigen und deren groessten Varietaet das Gesetz der Spezifikation. Da aber auf solche Weise in dem ganzen Umfange aller moeglichen Begriffe nichts Leeres ist, und ausser demselben nichts angetroffen werden kann, so entspringt aus der Voraussetzung jenes allgemeinen Gesichtskreises und der durchgaengigen Einteilung desselben der Grundsatz: non datur vacuum formarum, d.i. es gibt nicht verschiedene urspruengliche und erste Gattungen, die gleichsam isoliert und voneinander (durch einen leeren Zwischenraum) getrennt waeren, sondern alle mannigfaltigen Gattungen sind nur Abteilungen einer einzigen obersten und allgemeinen Gattung; und aus diesem Grundsatze dessen unmittelbare Folge: datur continuum formarum, d.i. alle Verschiedenheiten der Arten grenzen aneinander und erlauben keinen Uebergang zueinander durch einen Sprung, sondern nur durch alle kleineren Grade des Unterschiedes, dadurch man von einer zu der anderen gelangen kann; mit einem Worte, es gibt keine Arten oder Unterarten, die einander (im Begriffe der Vernunft) die naechsten waeren, sondern es sind noch immer Zwischenarten moeglich, deren Unterschied von der ersten und zweiten kleiner ist, als dieser ihr Unterschied voneinander. Das erste Gesetz also verhuetet die Ausschweifung in die Mannigfaltigkeit verschiedener urspruenglichen Gattungen, und empfiehlt die Gleichartigkeit; das zweite schraenkt dagegen diese Neigung zur Einhelligkeit wiederum ein, und gebietet Unterscheidung der Unterarten, bevor man sich mit seinem allgemeinen Begriffe zu den Individuen wende. Das dritte vereinigt jene beiden, indem sie bei der hoechsten Mannigfaltigkeit dennoch die Gleichartigkeit durch den stufenartigen Uebergang von einer Spezies zur anderen vorschreibt, welches eine Art von Verwandtschaft der verschiedenen Zweige anzeigt, insofern sie insgesamt aus einem Stamme entsprossen sind. Dieses logische Gesetz des continui specierum (formarum logicarum) setzt aber ein transzendentales voraus (lex continui in natura), ohne welches der Gebrauch des Verstandes durch jene Vorschrift nur irre geleitet werden wuerde, indem sie vielleicht einen der Natur gerade entgegengesetzten Weg nehmen wuerde. Es muss also dieses Gesetz auf reinen transzendentalen und nicht empirischen Gruenden beruhen. Denn in dem letzteren Falle wuerde es spaeter kommen als die Systeme; es hat aber eigentlich das Systematische der Naturerkenntnis zuerst hervorgebracht. Es sind hinter diesen Gesetzen auch nicht etwa Absichten auf eine mit ihnen, als blossen Versuchen, anzustellende Probe verborgen, obwohl freilich dieser Zusammenhang, wo er zutrifft, einen maechtigen Grund abgibt, die hypothetisch ausgedachte Einheit fuer gegruendet zu halten, und sie also auch in dieser Absicht ihren Nutzen haben, sondern man sieht es ihnen deutlich an, dass sie die Sparsamkeit der Grundursachen, die Mannigfaltigkeit der Wirkungen, und eine daherruehrende Verwandtschaft der Glieder der Natur an sich selbst fuer vernunftmaessig und der Natur angemessen urteilen, und diese Grundsaetze also direkt und nicht bloss als Handgriffe der Methode ihre Empfehlung bei sich fuehren. Man sieht aber leicht, dass diese Kontinuitaet der Formen eine blosse Idee sei, der ein kongruierender Gegenstand in der Erfahrung gar nicht aufgewiesen werden kann, nicht allein um deswillen, weil die Spezies in der Natur wirklich abgeteilt sind, und daher an sich ein quantum discretum ausmachen muessen, und, wenn der stufenartige Fortgang in der Verwandtschaft derselben kontinuierlich waere, sie auch eine wahre Unendlichkeit der Zwischenglieder, die innerhalb zweier gegebener Arten laegen, enthalten muesste, welches unmoeglich ist: sondern auch, weil wir von diesem Gesetz gar keinen bestimmten empirischen Gebrauch machen koennen, indem dadurch nicht das geringste Merkmal der Affinitaet angezeigt wird, nach welchem und wie weit wir die Gradfolge ihrer Verschiedenheit zu suchen, sondern nichts weiter, als eine allgemeine Anzeige, dass wir sie zu suchen haben. Wenn wir die jetzt angefuehrten Prinzipien ihrer Ordnung nach versetzen, um sie dem Erfahrungsgebrauch gemaess zu stellen, so wuerden die Prinzipien der systematischen Einheit etwa so stehen: Mannigfaltigkeit, Verwandtschaft und Einheit, jede derselben aber als Ideen im hoechsten Grade ihrer Vollstaendigkeit genommen. Die Vernunft setzt die Verstandeserkenntnisse voraus, die zunaechst auf Erfahrung angewandt werden, und sucht ihre Einheit nach Ideen, die viel weiter geht, als Erfahrung reichen kann. Die Verwandtschaft des Mannigfaltigen, unbeschadet seiner Verschiedenheit, unter einem Prinzip der Einheit, betrifft nicht bloss die Dinge, sondern weit mehr noch die blossen Eigenschaften und Kraefte der Dinge. Daher, wenn uns z.B. durch eine (noch nicht voellig berichtigte) Erfahrung der Lauf der Planeten als kreisfoermig gegeben ist, und wir finden Verschiedenheiten, so vermuten wir sie in demjenigen, was den Zirkel nach einem bestaendigen Gesetze durch alle unendlichen Zwischengrade, zu einer dieser abweichenden Umlaeufe abaendern kann, d.i. die Bewegungen der Planeten, die nicht Zirkel sind, werden etwa dessen Eigenschaften mehr oder weniger nahe kommen, und fallen auf die Ellipse. Die Kometen zeigen eine noch groessere Verschiedenheit ihrer Bahnen, da sie (soweit Beobachtung reicht) nicht einmal im Kreise zurueckkehren; allein wir raten auf einen parabolischen Lauf, der doch mit der Ellipsis verwandt ist, und, wenn die lange Achse der letzteren sehr weit gestreckt ist, in allen unseren Beobachtungen von ihr nicht unterschieden werden kann. So kommen wir, nach Anleitung jener Prinzipien, auf Einheit der Gattungen dieser Bahnen in ihrer Gestalt, dadurch aber weiter auf Einheit der Ursache aller Gesetze ihrer Bewegung (die Gravitation), von da wir nachher unsere Eroberungen ausdehnen, und auch alle Varietaeten und scheinbare Abweichungen von jenen Regeln aus demselben Prinzip zu erklaeren suchen, endlich gar mehr hinzufuegen, als Erfahrung jemals bestaetigen kann, naemlich, uns nach den Regeln der Verwandtschaft selbst hyperbolische Kometenbahnen zu denken, in welchen diese Koerper ganz und gar unsere Sonnenwelt verlassen, und, indem sie von Sonne zu Sonne gehen, die entfernteren Teile eines fuer uns unbegrenzten Weltsystems, das durch eine und dieselbe bewegende Kraft zusammenhaengt, in ihrem Laufe vereinigen. Was bei diesen Prinzipien merkwuerdig ist, und uns auch allein beschaeftigt, ist dieses: dass sie transzendental zu sein scheinen, und, ob sie gleich blosse Ideen zur Befolgung des empirischen Gebrauchs der Vernunft enthalten, denen der letztere nur gleichsam asymptotisch, d.i. bloss annaehernd folgen kann, ohne sie jemals zu erreichen, sie gleichwohl, als synthetische Saetze a priori, objektive, aber unbestimmte Gueltigkeit haben, und zur Regel moeglicher Erfahrung dienen, auch wirklich in Bearbeitung derselben, als heuristische Grundsaetze, mit gutem Gluecke gebraucht werden, ohne dass man doch eine transzendentale Deduktion derselben zustande bringen kann, welches, wie oben bewiesen worden, in Ansehung der Ideen jederzeit unmoeglich ist. Wir haben in der transzendentalen Analytik unter den Grundsaetzen des Verstandes die dynamischen, als bloss regulativen Prinzipien der Anschauung, von den mathematischen, die in Ansehung der letzteren konstitutiv sind, unterschieden. Diesem ungeachtet sind gedachte dynamische Gesetze allerdings konstitutiv in Ansehung der Erfahrung, indem sie die Begriffe, ohne welche keine Erfahrung stattfindet, a priori moeglich machen. Prinzipien der reinen Vernunft koennen dagegen nicht einmal in Ansehung der empirischen Begriffe konstitutiv sein, weil ihnen kein korrespondierendes Schema der Sinnlichkeit gegeben werden kann, und sie also keinen Gegenstand in konkreto haben koennen. Wenn ich nun von einem solchen empirischen Gebrauch derselben, als konstitutiver Grundsaetze, abgehe, wie will ich ihnen dennoch einen regulativen Gebrauch, und mit demselben einige objektive Gueltigkeit sichern, und was kann derselbe fuer Bedeutung haben? Der Verstand macht fuer die Vernunft ebenso einen so Gegenstand aus, als die Sinnlichkeit fuer den Verstand. Die Einheit aller moeglichen empirischen Verstandeshandlungen systematisch zu machen, ist ein Geschaeft der Vernunft, sowie der Verstand das Mannigfaltige der Erscheinungen durch Begriffe verknuepft und unter empirische Gesetze bringt. Die Verstandeshandlungen aber, ohne Schemate der Sinnlichkeit, sind unbestimmt: ebenso ist die Vernunfteinheit auch in Ansehung der Bedingungen, unter denen, und des Grades, wie weit, der Verstand seine Begriffe systematisch verbinden soll, an sich selbst unbestimmt. Allein, obgleich fuer die durchgaengige systematische Einheit aller Verstandesbegriffe kein Schema in der Anschauung ausfindig gemacht werden kann, so kann und muss doch ein Analogon eines solchen Schema gegeben werden, welches die Idee des Maximum der Abteilung und der Vereinigung der Verstandeserkenntnis in einem Prinzip ist. Denn das Groesseste und absolut Vollstaendige laesst sich bestimmt gedenken, weil alle restringierenden Bedingungen, welche unbestimmte Mannigfaltigkeit geben, weggelassen werden. Also ist die Idee der Vernunft ein Analogon von einem Schema der Sinnlichkeit, aber mit dem Unterschiede, dass die Anwendung der Verstandesbegriffe auf das Schema der Vernunft nicht ebenso eine Erkenntnis des Gegenstandes selbst ist (wie bei der Anwendung der Kategorien auf ihre sinnlichen Schemate), sondern nur eine Regel oder Prinzip der systematischen Einheit alles Verstandesgebrauchs. Da nun jeder Grundsatz, der dem Verstande durchgaengige Einheit seines Gebrauchs a priori festsetzt, auch, obzwar nur indirekt, von dem Gegenstande der Erfahrung gilt: so werden die Grundsaetze der reinen Vernunft auch in Ansehung dieses letzteren objektive Realitaet haben, allein nicht um etwas an ihnen zu bestimmen, sondern nur um das Verfahren anzuzeigen, nach welchem der empirische und bestimmte Erfahrungsgebrauch des Verstandes mit sich selbst durchgaengig zusammenstimmend werden kann, dadurch, dass er mit dem Prinzip der durchgaengigen Einheit, soviel als moeglich, in Zusammenhang gebracht, und davon abgeleitet wird. Ich nenne alle subjektiven Grundsaetze, die nicht von der Beschaffenheit des Objekts, sondern dem Interesse der Vernunft, in Ansehung einer gewissen moeglichen Vollkommenheit der Erkenntnis dieses Objekts, hergenommen sind, Maximen der Vernunft. So gibt es Maximen der spekulativen Vernunft, die lediglich auf dem spekulativen Interesse derselben beruhen, ob es zwar scheinen mag, sie waeren objektive Prinzipien. Wenn bloss regulative Grundsaetze als konstitutiv betrachtet werden, so koennen sie als objektive Prinzipien widerstreitend sein; betrachtet man sie aber bloss als Maximen, so ist kein wahrer Widerstreit, sondern bloss ein verschiedenes Interesse der Vernunft, welches die Trennung der Denkungsart verursacht. In der Tat hat die Vernunft nur ein einiges Interesse und der Streit ihrer Maximen ist nur eine Verschiedenheit und wechselseitige Einschraenkung der Methoden, diesem Interesse ein Genuege zu tun. Auf solche Weise vermag bei diesem Vernuenftler mehr das Interesse der Mannigfaltigkeit (nach dem Prinzip der Spezifikation), bei jenem aber das Interesse der Einheit (nach dem Prinzip der Aggregation). Ein jeder derselben glaubt sein Urteil aus der Einsicht des Objekts zu haben, und gruendet es doch lediglich auf der groesseren oder kleineren Anhaenglichkeit an einen von beiden Grundsaetzen, deren keine auf objektiven Gruenden beruht, sondern nur auf dem Vernunftinteresse, und die daher besser Maximen als Prinzipien genannt werden koennten. Wenn ich einsehende Maenner miteinander wegen der Charakteristik der Menschen, der Tiere oder Pflanzen, ja selbst der Koerper des Mineralreichs im Streite sehe, da die einen z.B. besondere und in der Abstammung gegruendete Volkscharaktere, oder auch entschiedene und erbliche Unterschiede der Familien, Rassen usw. annehmen, andere dagegen ihren Sinn darauf setzen, dass die Natur in diesem Stuecke ganz und gar einerlei Anlagen gemacht habe, und aller Unterschied nur auf aeusseren Zufaelligkeiten beruhe, so darf ich nur die Beschaffenheit des Gegenstandes in Betrachtung ziehen, um zu begreifen, dass er fuer beide viel zu tief verborgen liege, als dass sie aus Einsicht in die Natur des Objekts sprechen koennten. Es ist nichts anderes, als das zwiefache Interesse der Vernunft, davon dieser Teil das eine, jener das andere zu Herzen nimmt, oder auch affektiert, mithin die Verschiedenheit der Maximen der Naturmannigfaltigkeit, oder der Natureinheit, welche sich gar wohl vereinigen lassen, aber solange sie fuer objektive Einsichten gehalten werden, nicht allein Streit, sondern auch Hindernisse veranlassen, welche die Wahrheit lange aufhalten, bis ein Mittel gefunden wird, das streitige Interesse zu vereinigen, und die Vernunft hierueber zufrieden zu stellen. Ebenso ist es mit der Behauptung oder Anfechtung des so berufenen, von Leibniz in Gang gebrachten und durch Bonnet trefflich aufgestutzten Gesetzes der kontinuierlichen Stufenleiter der Geschoepfe bewandt, welche nichts als eine Befolgung des auf dem Interesse der Vernunft beruhenden Grundsatzes der Affinitaet ist; denn Beobachtung und Einsicht in die Einrichtung der Natur konnte es gar nicht als objektive Behauptung an die Hand geben. Die Sprossen einer solchen Leiter, so wie sie uns Erfahrung angeben kann, stehen viel zu weit auseinander, und unsere vermeintlich kleinen Unterschiede sind gemeiniglich in der Natur selbst so weite Kluefte, dass auf solche Beobachtungen (vornehmlich bei einer grossen Mannigfaltigkeit von Dingen, da es immer leicht sein muss, gewisse Aehnlichkeiten und Annaeherungen zu finden,) als Absichten der Natur gar nichts zu rechnen ist. Dagegen ist die Methode, nach einem solchen Prinzip Ordnung in der Natur aufzusuchen, und die Maxime, eine solche, obzwar unbestimmt, wo, oder wie weit, in einer Natur ueberhaupt als gegruendet anzusehen, allerdings ein rechtmaessiges und treffliches regulatives Prinzip der Vernunft; welches aber, als ein solches, viel weiter geht, als dass Erfahrung oder Beobachtung ihr gleichkommen koennte, doch ohne etwas zu bestimmen, sondern ihr nur zur systematischen Einheit den Weg vorzuzeichnen. Von der Endabsicht der natuerlichen Dialektik der menschlichen Vernunft Die Ideen der reinen Vernunft koennen nimmermehr an sich selbst dialektisch sein, sondern ihr blosser Missbrauch muss es allein machen, dass uns von ihnen ein trueglicher Schein entspringt; denn sie sind uns durch die Natur unserer Vernunft aufgegeben, und dieser oberste Gerichtshof aller Rechte und Ansprueche unserer Spekulation kann unmoeglich selbst urspruengliche Taeuschungen und Blendwerke enthalten. Vermutlich werden sie also ihre gute und zweckmaessige Bestimmung in der Naturanlage unserer Vernunft haben. Der Poebel der Vernuenftler schreit aber, wie gewoehnlich, ueber Ungereimtheit und Widersprueche, und schmaeht auf die Regierung, in deren innerste Plaene er nicht zu dringen vermag, deren wohltaetigen Einfluessen er auch selbst seine Erhaltung und sogar die Kultur verdanken sollte, die ihn in den Stand setzt, sie zu tadeln und zu verurteilen. Man kann sich eines Begriffs a priori mit keiner Sicherheit bedienen, ohne seine transzendentale Deduktion zustande gebracht zu haben. Die Ideen der reinen Vernunft verstatten zwar keine Deduktion von der Art, als die Kategorien; sollen sie aber im mindesten einige, wenn auch nur unbestimmte, objektive Gueltigkeit haben, und nicht bloss leere Gedankendinge (entia rationis ratiocinantis) vorstellen, so muss durchaus eine Deduktion derselben moeglich sein, gesetzt, dass sie auch von derjenigen weit abwichen die man mit den Kategorien vornehmen kann. Das ist die Vollendung des kritischen Geschaeftes der reinen Vernunft, und dieses wollen wir jetzt uebernehmen. Es ist ein grosser Unterschied, ob etwas meiner Vernunft als ein Gegenstand schlechthin, oder nur als ein Gegenstand in der Idee gegeben wird. In dem ersteren Falle gehen meine Begriffe dahin, den Gegenstand zu bestimmen; im zweiten ist es wirklich nur ein Schema, dem direkt kein Gegenstand, auch nicht einmal hypothetisch zugegeben wird, sondern welches nur dazu dient, um andere Gegenstaende, vermittelst der Beziehung auf diese Idee, nach ihrer systematischen Einheit, mithin indirekt uns vorzustellen. So sage ich, der Begriff einer hoechsten Intelligenz ist eine blosse Idee, d.i. seine objektive Realitaet soll nicht darin bestehen, dass er sich geradezu auf einen Gegenstand bezieht (denn in solcher Bedeutung wuerden wir seine objektive Gueltigkeit nicht rechtfertigen koennen), sondern er ist nur ein nach Bedingungen der groessten Vernunfteinheit geordnetes Schema, von dem Begriffe eines Dinges ueberhaupt, welches nur dazu dient, um die groesste systematische Einheit im empirischen Gebrauche unserer Vernunft zu erhalten, indem man den Gegenstand der Erfahrung gleichsam von dem eingebildeten Gegenstande dieser Idee, als seinem Grunde, oder Ursache, ableitet. Alsdann heisst es z.B. die Dinge der Welt muessen so betrachtet werden, als ob sie von einer hoechsten Intelligenz ihr Dasein haetten. Auf solche Weise ist die Idee eigentlich nur ein heuristischer und nicht ostensiver Begriff, und zeigt an, nicht wie ein Gegenstand beschaffen ist, sondern wie wir, unter der Leitung desselben, die Beschaffenheit und Verknuepfung der Gegenstaende der Erfahrung ueberhaupt suchen sollen. Wenn man nun zeigen kann, dass, obgleich die dreierlei transzendentalen Ideen (psychologische, kosmologische, und theologische) direkt auf keinen ihnen korrespondierenden Gegenstand und dessen Bestimmung bezogen werden, dennoch alle Regeln des empirischen Gebrauchs der Vernunft unter Voraussetzung eines solchen Gegenstandes in der Idee auf systematische Einheit fuehren und die Erfahrungserkenntnis jederzeit erweitern, niemals aber derselben zuwider sein koennen: so ist es eine notwendige Maxime der Vernunft, nach dergleichen Ideen zu verfahren. Und dieses ist die transzendentale Deduktion aller Ideen der spekulativen Vernunft, nicht als konstitutiver Prinzipien der Erweiterung unserer Erkenntnis ueber mehr Gegenstaende, als Erfahrung geben kann, sondern als regulativer Prinzipien der systematischen Einheit des Mannigfaltigen der empirischen Erkenntnis ueberhaupt, welche dadurch in ihren eigenen Grenzen mehr angebaut und berichtigt wird, als es ohne solche Ideen durch den blossen Gebrauch der Verstandesgrundsaetze geschehen koennte. Ich will dieses deutlicher machen. Wir wollen den genannten Ideen als Prinzipien zufolge erstlich (in der Psychologie) alle Erscheinungen, Handlungen und Empfaenglichkeit unseres Gemuets an dem Leitfaden der inneren Erfahrung so verknuepfen, als ob dasselbe eine einfache Substanz waere, die, mit persoenlicher Identitaet, beharrlich (wenigstens im Leben) existiert, indessen dass ihre Zustaende, zu welcher die des Koerpers nur als aeussere Bedingungen gehoeren, kontinuierlich wechseln. Wir muessen zweitens (in der Kosmologie) die Bedingungen, der inneren sowohl als der aeusseren Naturerscheinungen, in einer solchen nirgend zu vollendenden Untersuchung verfolgen, als ob dieselbe an sich unendlich und ohne ein erstes oder oberstes Glied sei, obgleich wir darum, ausserhalb aller Erscheinungen, die bloss intelligiblen ersten Gruende derselben nicht leugnen, aber sie doch niemals in den Zusammenhang der Naturerklaerungen bringen duerfen, weil wir sie gar nicht kennen. Endlich und drittens muessen wir (in Ansehung der Theologie) alles, was nur immer in den Zusammenhang der moeglichen Erfahrung gehoeren mag, so betrachten, als ob diese eine absolute, aber durch und durch abhaengige und immer noch innerhalb der Sinnenwelt bedingte Einheit ausmache, doch aber zugleich, als ob der Inbegriff aller Erscheinungen (die Sinnenwelt selbst) einen einzigen obersten und allgenugsamen Grund ausser ihrem Umfange habe, naemlich eine gleichsam selbststaendige, urspruengliche und schoepferische Vernunft, in Beziehung auf welche wir allen empirischen Gebrauch unserer Vernunft in seiner groessten Erweiterung so richten, als ob die Gegenstaende selbst aus jenem Urbilde aller Vernunft entsprungen waeren, das heisst: nicht von einer einfachen denkenden Substanz die inneren Erscheinungen der Seele, sondern nach der Idee eines einfachen Wesens jene voneinander ableiten; nicht von einer hoechsten Intelligenz die Weltordnung und systematische Einheit derselben ableiten, sondern von der Idee einer hoechstweisen Ursache die Regel hernehmen, nach welcher die Vernunft bei der Verknuepfung der Ursachen und Wirkungen in der Welt zu ihrer eigenen Befriedigung am besten zu brauchen sei. Nun ist nicht das mindeste, was uns hindert, diese Ideen auch als objektiv und hypostatisch anzunehmen, ausser allein die kosmologische, wo die Vernunft auf eine Antinomie stoesst, wenn sie solche zustande bringen will (die psychologische und theologische enthalten dergleichen gar nicht). Denn ein Widerspruch ist in ihnen nicht, wie sollte uns daher jemand ihre objektive Realitaet streiten koennen, da er von ihrer Moeglichkeit ebensowenig weiss, um sie zu verneinen, als wir, um sie zu bejahen. Gleichwohl ist's, um etwas anzunehmen, noch nicht genug, dass kein positives Hindernis dawider ist, und es kann uns nicht erlaubt sein, Gedankenwesen, welche alle unsere Begriffe uebersteigen, obgleich keinem widersprechen, auf den blossen Kredit der ihr Geschaeft gern vollendenden spekulativen Vernunft, als wirkliche und bestimmte Gegenstaende einzufuehren. Also sollen sie an sich selbst nicht angenommen werden, sondern nur ihre Realitaet, als eines Schema des regulativen Prinzips der systematischen Einheit aller Naturerkenntnis, gelten, mithin sollen sie nur als Analoga von wirklichen Dingen, aber nicht als solche an sich selbst zum Grunde gelegt werden. Wir heben von dem Gegenstande der Idee die Bedingungen auf, welche unseren Verstandesbegriff einschraenken, die aber es auch allein moeglich machen, dass wir von irgendeinem Dinge einen bestimmten Begriff haben koennen. Und nun denken wir uns ein Etwas, wovon wir, was es an sich selbst sei, gar keinen Begriff haben, aber wovon wir uns doch ein Verhaeltnis zu dem Inbegriffe der Erscheinungen denken, das demjenigen analogisch ist, welches die Erscheinungen untereinander haben. Wenn wir demnach solche idealische Wesen annehmen, so erweitern wir eigentlich nicht unsere Erkenntnis ueber die Objekte moeglicher Erfahrung, sondern nur die empirische Einheit der letzteren, durch die systematische Einheit, wozu uns die Idee das Schema gibt, welche mithin nicht als konstitutives, sondern bloss als regulatives Prinzip gilt. Denn, dass wir ein der Idee korrespondierendes Ding, ein Etwas, oder wirkliches Wesen setzen, dadurch ist nicht gesagt, wir wollten unsere Erkenntnis der Dinge mit transzendenten Begriffen erweitern; denn dieses Wesen wird nur in der Idee und nicht an sich selbst zum Grunde gelegt, mithin nur um die systematische Einheit auszudruecken, die uns zur Richtschnur des empirischen Gebrauchs der Vernunft dienen soll, ohne doch etwas darueber auszumachen, was der Grund dieser Einheit, oder die innere Eigenschaft eines solchen Wesens sei, auf welchem, als Ursache, sie beruhe. So ist der transzendentale und einzige bestimmte Begriff, den uns die bloss spekulative Vernunft von Gott gibt, im genauesten Verstande deistisch, d.i. die Vernunft gibt nicht einmal die objektive Gueltigkeit eines solchen Begriffs, sondern nur die Idee von Etwas an die Hand, worauf alle empirische Realitaet ihre hoechste und notwendige Einheit gruendet, und welches wir uns nicht anders, als nach der Analogie einer wirklichen Substanz, welche nach Vernunftgesetzen die Ursache aller Dinge sei, denken koennen, wofern wir es ja unternehmen, es ueberall als einen besonderen Gegenstand zu denken, und nicht lieber, mit der blossen Idee des regulativen Prinzips der Vernunft zufrieden, die Vollendung aller Bedingungen des Denkens, als ueberschwenglich fuer den menschlichen Verstand, beiseite setzen wollen, welches aber mit der Absicht einer vollkommenen systematischen Einheit in unserem Erkenntnis, der wenigstens die Vernunft keine Schranken setzt, nicht zusammen bestehen kann. Daher geschieht's nun, dass, wenn ich ein goettliches Wesen annehme, ich zwar weder von der inneren Moeglichkeit seiner hoechsten Vollkommenheit, noch der Notwendigkeit seines Daseins, den mindesten Begriff habe, aber alsdann doch allen anderen Fragen, die das Zufaellige betreffen, ein Genuege tun kann, und der Vernunft die vollkommenste Befriedigung in Ansehung der nachzuforschenden groessten Einheit in ihrem empirischen Gebrauche, aber nicht in Ansehung dieser Voraussetzung selbst, verschaffen kann; welches beweist, dass ihr spekulatives Interesse und nicht ihre Einsicht sie berechtige, von einem Punkte, der so weit ueber ihrer Sphaere liegt, auszugehen, um daraus ihre Gegenstaende in einem vollstaendigen Ganzen zu betrachten. Hier zeigt sich nun ein Unterschied der Denkungsart, bei einer und derselben Voraussetzung, der ziemlich subtil, aber gleichwohl in der Transzendentalphilosophie von grosser Wichtigkeit ist. Ich kann genugsamen Grund haben, etwas relativ anzunehmen (suppositio relativa), ohne doch befugt zu sein, es schlechthin anzunehmen (suppositio absoluta). Diese Unterscheidung trifft zu, wenn es bloss um ein regulatives Prinzip zu tun ist, wovon wir zwar die Notwendigkeit an sich selbst, aber nicht den Quell derselben erkennen, und dazu wir einen obersten Grund bloss in der Absicht annehmen, um desto bestimmter die Allgemeinheit des Prinzips zu denken, als z.B. wenn ich mir ein Wesen als existierend denke, das einer blossen und zwar transzendentalen Idee korrespondiert. Denn, da kann ich das Dasein dieses Dinges niemals an sich selbst annehmen, weil keine Begriffe, dadurch ich mir irgend einen Gegenstand bestimmt denken kann, dazu gelangen, und die Bedingungen der objektiven Gueltigkeit meiner Begriffe durch die Idee selbst ausgeschlossen sind. Die Begriffe der Realitaet, der Substanz, der Kausalitaet, selbst die der Notwendigkeit im Dasein, haben, ausser dem Gebrauche, da sie die empirische Erkenntnis eines Gegenstandes moeglich machen, gar keine Bedeutung, die irgendein Objekt bestimmte. Sie koennen also zwar zu Erklaerung der Moeglichkeit der Dinge in der Sinnenwelt, aber nicht der Moeglichkeit eines Weltganzen selbst gebraucht werden, weil dieser Erklaerungsgrund ausserhalb der Welt und mithin kein Gegenstand einer moeglichen Erfahrung sein muesste. Nun kann ich gleichwohl ein solches unbegreifliches Wesen, den Gegenstand einer blossen Idee, relativ auf die Sinnenwelt, obgleich nicht an sich selbst, annehmen. Denn, wenn dem groesstmoeglichen empirischen Gebrauche meiner Vernunft eine Idee (der systematisch vollstaendigen Einheit, von der ich bald bestimmter reden werde) zum Grunde liegt, die an sich selbst niemals adaequat in der Erfahrung kann dargestellt werden, ob sie gleich, um die empirische Einheit dem hoechstmoeglichen Grade zu naehern, unumgaenglich notwendig ist, so werde ich nicht allein befugt, sondern auch genoetigt sein, diese Idee zu realisieren, d.i. ihr einen wirklichen Gegenstand zu setzen, aber nur als ein Etwas ueberhaupt, das ich an sich selbst gar nicht kenne, und dem ich nur, als einem Grunde jener systematischen Einheit, in Beziehung auf diese letztere solche Eigenschaft gebe, als den Verstandesbegriffen im empirischen Gebrauche analogisch sind. Ich werde mir also nach der Analogie der Realitaeten in der Welt der Substanzen, der Kausalitaet und der Notwendigkeit, ein Wesen denken, das alles dieses in der hoechsten Vollkommenheit besitzt, und, indem diese Idee bloss auf meiner Vernunft beruht, dieses Wesen als selbststaendige Vernunft, was durch Ideen der groessten Harmonie und Einheit, Ursache vom Weltganzen ist, denken koennen, so dass ich alle, die Idee einschraenkenden, Bedingungen weglasse, lediglich um, unter dem Schutze eines solchen Urgrundes, systematische Einheit des Mannigfaltigen im Weltganzen, und, vermittelst derselben, den groesstmoeglichen empirischen Vernunftgebrauch moeglich zu machen, indem ich alle Verbindungen so ansehe, als ob sie Anordnungen einer hoechsten Vernunft waeren, von der die unsrige ein schwaches Nachbild ist. Ich denke mir alsdann dieses hoechste Wesen durch lauter Begriffe, die eigentlich nur in der Sinnenwelt ihre Anwendung haben; da ich aber auch jene transzendentale Voraussetzung zu keinem anderen als relativen Gebrauch habe, naemlich, dass sie das Substratum der groesstmoeglichen Erfahrungseinheit abgeben solle, so darf ich ein Wesen, das ich von der Welt unterscheide, ganz wohl durch Eigenschaften denken, die lediglich zur Sinnenwelt gehoeren. Denn ich verlange keineswegs, und bin auch nicht befugt es zu verlangen, diesen Gegenstand meiner Idee, nach dem, was er an sich sein mag, zu erkennen; denn dazu habe ich keine Begriffe, und selbst die Begriffe von Realitaet, Substanz, Kausalitaet, ja sogar der Notwendigkeit im Dasein, verlieren alle Bedeutung, und sind leere Titel zu Begriffen, ohne allen Inhalt, wenn ich mich ausser dem Felde der Sinne damit hinauswage. Ich denke mir nur die Relation eines mir an sich ganz unbekannten Wesens zur groessten systematischen Einheit des Weltganzen, lediglich um es zum Schema des regulativen Prinzips des groesstmoeglichen empirischen Gebrauchs meiner Vernunft zu machen. Werfen wir unseren Blick nun auf den transzendentalen Gegenstand unserer Idee, so sehen wir, dass wir seine Wirklichkeit nach den Begriffen von Realitaet, Substanz, Kausalitaet usw. an sich selbst nicht voraussetzen koennen, weil diese Begriffe auf etwas, das von der Sinnenwelt ganz unterschieden ist, nicht die mindeste Anwendung haben. Also ist die Supposition der Vernunft von einem hoechsten Wesen, als oberster Ursache, bloss relativ, zum Behuf der systematischen Einheit der Sinnenwelt gedacht, und ein blosses Etwas in der Idee, wovon wir, was es an sich sei, keinen Begriff haben. Hierdurch erklaert sich auch, woher wir zwar in Beziehung auf das, was existierend den Sinnen gegeben ist, der Idee eines an sich notwendigen Urwesens beduerfen, niemals aber von diesem und seiner absoluten Notwendigkeit den mindesten Begriff haben koennen. Nunmehr koennen wir das Resultat der ganzen transzendentalen Dialektik deutlich vor Augen stellen, und die Endabsicht der Ideen der reinen Vernunft, die nur durch Missverstand und Unbehutsamkeit dialektisch werden, genau bestimmen. Die reine Vernunft ist in der Tat mit nichts als sich selbst beschaeftigt, und kann auch kein anderes Geschaeft haben, weil ihr nicht die Gegenstaende zur Einheit des Erfahrungsbegriffs, sondern die Verstandeserkenntnisse zur Einheit des Vernunftbegriffs, d.i. des Zusammenhanges in einem Prinzip gegeben werden. Die Vernunfteinheit ist die Einheit des Systems, und diese systematische Einheit dient der Vernunft nicht objektiv zu einem Grundsatze, um sie ueber die Gegenstaende, sondern subjektiv als Maxime, um sie ueber alles moegliche empirische Erkenntnis der Gegenstaende zu verbreiten. Gleichwohl befoerdert der systematische Zusammenhang, den die Vernunft dem empirischen Verstandesgebrauche geben kann, nicht allein dessen Ausbreitung, sondern bewaehrt auch zugleich die Richtigkeit desselben, und das Prinzipium einer solchen systematischen Einheit ist auch objektiv, aber auf unbestimmte Art (principium vagum), nicht als konstitutives Prinzip, um etwas in Ansehung seines direkten Gegenstandes zu bestimmen, sondern um, als bloss regulativer Grundsatz und Maxime, den empirischen Gebrauch der Vernunft durch Eroeffnung neuer Wege, die der Verstand nicht kennt, ins Unendliche (Unbestimmte) zu befoerdern und zu befestigen, ohne dabei jemals den Gesetzen des empirischen Gebrauchs im mindesten zuwider zu sein. Die Vernunft kann aber diese systematische Einheit nicht anders denken, als dass sie ihrer Idee zugleich einen Gegenstand gibt, der aber durch keine Erfahrung gegeben werden kann; denn Erfahrung gibt niemals ein Beispiel vollkommener systematischer Einheit. Dieses Vernunftwesen (ens rationis ratiocinatae) ist nun zwar eine blosse Idee, und wird also nicht schlechthin und an sich selbst als etwas Wirkliches angenommen, sondern nur problematisch zum Grunde gelegt (weil wir es durch keine Verstandesbegriffe erreichen koennen), um alle Verknuepfung der Dinge der Sinnenwelt so anzusehen, als ob sie in diesem Vernunftwesen ihren Grund haetten, lediglich aber in der Absicht, um darauf die systematische Einheit zu gruenden, die der Vernunft unentbehrlich, der empirischen Verstandeserkenntnis aber auf alle Weise befoerderlich und ihr gleichwohl niemals hinderlich sein kann. Man verkennt sogleich die Bedeutung dieser Idee, wenn man sie fuer die Behauptung, oder auch nur die Voraussetzung einer wirklichen Sache haelt, welcher man den Grund der systematischen Weltverfassung zuzuschreiben gedaechte; vielmehr laesst man es gaenzlich unausgemacht, was der unseren Begriffen sich entziehende Grund derselben an sich fuer Beschaffenheit habe, und setzt sich nur eine Idee zum Gesichtspunkte, aus welchem einzig und allein man jene, der Vernunft so wesentliche und dem Verstande so heilsame, Einheit verbreiten kann; mit einem Worte: dieses transzendentale Ding ist bloss das Schema jenes regulativen Prinzips, wodurch die Vernunft, so viel an ihr ist, systematische Einheit ueber alle Erfahrung verbreitet. Das erste Objekt einer solchen Idee bin ich selbst, bloss als denkende Natur (Seele) betrachtet. Will ich die Eigenschaften, mit denen ein denkendes Wesen an sich existiert, aufsuchen, so muss ich die Erfahrung befragen, und selbst von allen Kategorien kann ich keine auf diesen Gegenstand anwenden, als insofern das Schema derselben in der sinnlichen Anschauung gegeben ist. Hiermit gelange ich aber niemals zu einer systematischen Einheit aller Erscheinungen des inneren Sinnes. Statt des Erfahrungsbegriffs also (von dem, was die Seele wirklich ist), der uns nicht weit fuehren kann, nimmt die Vernunft den Begriff der empirischen Einheit alles Denkens, und macht dadurch, dass sie diese Einheit unbedingt und urspruenglich denkt, aus demselben einen Vernunftbegriff (Idee) von einer einfachen Substanz, die an sich selbst unwandelbar (persoenlich identisch), mit anderen wirklichen Dingen ausser ihr in Gemeinschaft stehe; mit einem Worte: von einer einfachen selbstaendigen Intelligenz. Hierbei aber hat sie nichts anderes vor Augen, als Prinzipien der systematischen Einheit in Erklaerung der Erscheinungen der Seele, naemlich: alle Bestimmungen, als in einem einigen Subjekte, alle Kraefte, so viel moeglich, als abgeleitet von einer einigen Grundkraft, allen Wechsel, als gehoerig zu den Zustaenden eines und desselben beharrlichen Wesens zu betrachten, und alle Erscheinungen im Raume, als von den Handlungen des Denkens ganz unterschieden vorzustellen. Jene Einfachheit der Substanz usw. sollte nur das Schema zu diesem regulativen Prinzip sein, und wird nicht vorausgesetzt, als sei sie der wirkliche Grund der Seeleneigenschaften. Denn diese koennen auch auf ganz anderen Gruenden beruhen, die wir gar nicht kennen, wie wir denn die Seele auch durch diese angenommenen Praedikate eigentlich nicht an sich selbst erkennen koennten, wenn wir sie gleich von ihr schlechthin wollten gelten lassen, indem sie eine blosse Idee ausmachen, die in concreto gar nicht vorgestellt werden kann. Aus einer solchen psychologischen Idee kann nun nichts anderes als Vorteil entspringen, wenn man sich nur huetet, sie fuer etwas mehr als blosse Idee, d.i. bloss relativisch auf den systematischen Vernunftsgebrauch in Ansehung der Erscheinungen unserer Seele, gelten zu lassen. Denn da mengen sich keine empirischen Gesetze koerperlicher Erscheinungen, die ganz von anderer Art sind, in die Erklaerungen dessen, was bloss fuer den inneren Sinn gehoert; da werden keine windigen Hypothesen, von Erzeugung, Zerstoerung und Palingenesie der Seelen usw. zugelassen; also wird die Betrachtung dieses Gegenstandes des inneren Sinnes ganz rein und unvermengt mit ungleichartigen Eigenschaften angestellt, ueberdem die Vernunftuntersuchung darauf gerichtet, die Erklaerungsgruende in diesem Subjekte, so weit es moeglich ist, auf ein einziges Prinzip hinaus zu fuehren, welches alles durch ein solches Schema, als ob es ein wirkliches Wesen waere, am besten, ja sogar einzig und allein, bewirkt wird. Die psychologische Idee kann auch nichts anderes als das Schema eines regulativen Begriffs bedeuten. Denn, wollte ich auch nur fragen, ob die Seele nicht an sich geistiger Natur sei, so haette diese Frage gar keinen Sinn. Denn durch einen solchen Begriff nehme ich nicht bloss die koerperliche Natur, sondern ueberhaupt alle Natur weg, d.i. alle Praedikate irgendeiner moeglichen Erfahrung, mithin alle Bedingungen, zu einem solchen Begriffe einen Gegenstand zu denken, als welches doch einzig und allein es macht, dass man sagt, er habe einen Sinn. Die zweite regulative Idee der bloss spekulativen Vernunft ist der Weltbegriff ueberhaupt. Denn Natur ist eigentlich nur das einzige gegebene Objekt, in Ansehung dessen die Vernunft regulative Prinzipien bedarf. Diese Natur ist zwiefach, entweder die denkende, oder die koerperliche Natur. Allein zu der letzteren, um sie ihrer inneren Moeglichkeit nach zu denken, d.i. die Anwendung der Kategorien auf dieselbe zu bestimmen, beduerfen wir keiner Idee, d.i. einer die Erfahrung uebersteigenden Vorstellung; es ist auch keine in Ansehung derselben moeglich, weil wir darin bloss durch sinnliche Anschauung geleitet werden, und nicht wie in dem psychologischen Grundbegriffe (Ich), welcher eine gewisse Form des Denkens, naemlich die Einheit desselben, a priori enthaelt. Also bleibt uns fuer die reine Vernunft nichts uebrig, als Natur ueberhaupt, und die Vollstaendigkeit der Bedingungen in derselben nach irgendeinem Prinzip. Die absolute Totalitaet der Reihen dieser Bedingungen, in der Ableitung ihrer Glieder, ist eine Idee, die zwar im empirischen Gebrauche der Vernunft niemals voellig zustande kommen kann, aber doch zur Regel dient, wie wir in Ansehung derselben verfahren sollen, naemlich in der Erklaerung gegebener Erscheinungen (im Zurueckgehen oder Aufsteigen) so, als ob die Reihe an sich unendlich waere, d.i. in indefinitum, aber wo die Vernunft selbst als bestimmende Ursache betrachtet wird (in der Freiheit), also bei praktischen Prinzipien, als ob wir nicht ein Objekt der Sinne, sondern des reinen Verstandes vor uns haetten, wo die Bedingungen nicht mehr in der Reihe der Erscheinungen, sondern ausser derselben gesetzt werden koennen, und die Reihe der Zustaende angesehen werden kann, als ob sie schlechthin (durch eine intelligible Ursache) angefangen wuerde; welches alles beweist, dass die kosmologischen Ideen nichts als regulative Prinzipien, und weit davon entfernt sind, gleichsam konstitutiv, eine wirkliche Totalitaet solcher Reihen zu setzen. Das uebrige kann man an seinem Orte unter der Antinomie der reinen Vernunft suchen. Die dritte Idee der reinen Vernunft, welche eine bloss relative Supposition eines Wesens enthaelt, als der einigen und allgenugsamen Ursache aller kosmologischen Reihen, ist der Vernunftbegriff von Gott. Den Gegenstand dieser Idee, haben wir nicht den mindesten Grund, schlechthin anzunehmen (an sich zu supponieren); denn was kann uns wohl dazu vermoegen, oder auch nur berechtigen, ein Wesen von der hoechsten Vollkommenheit, und als seiner Natur nach schlechthin notwendig, aus dessen blossem Begriffe an sich selbst zu glauben, oder zu behaupten, waere es nicht die Welt, in Beziehung auf welche diese Supposition allein notwendig sein kann; und da zeigt es sich klar, dass die Idee desselben, so wie alle spekulativen Ideen, nichts weiter sagen wolle, als dass die Vernunft gebiete, alle Verknuepfung der Welt nach Prinzipien einer systematischen Einheit zu betrachten, mithin als ob sie insgesamt aus einem einzigen allbefassenden Wesen, als oberster und allgenugsamer Ursache, entsprungen waeren. Hieraus ist klar, dass die Vernunft hierbei nichts als ihre eigene formale Regel in Erweiterung ihres empirischen Gebrauchs zur Absicht haben koenne, niemals aber eine Erweiterung ueber alle Grenzen des empirischen Gebrauchs, folglich unter dieser Idee kein konstitutives Prinzip ihres auf moegliche Erfahrung gerichteten Gebrauchs verborgen liege. Diese hoechste formale Einheit, welche allein auf Vernunftbegriffen beruht, ist die zweckmaessige Einheit der Dinge, und das spekulative Interesse der Vernunft macht es notwendig, alle Anordnung in der Welt so anzusehen, als ob sie aus der Absicht einer allerhoechsten Vernunft entsprossen waere. Ein solches Prinzip eroeffnet naemlich unserer auf das Feld der Erfahrungen angewandten Vernunft ganz neue Aussichten, nach teleologischen Gesetzen die Dinge der Welt zu verknuepfen, und dadurch zu der groessten systematischen Einheit derselben zu gelangen. Die Voraussetzung einer obersten Intelligenz, als der alleinigen Ursache des Weltganzen, aber freilich bloss in der Idee, kann also jederzeit der Vernunft nutzen und dabei doch niemals schaden. Denn, wenn wir in Ansehung der Figur der Erde (der runden, doch etwas abgeplatteten)*, der Gebirge und Meere usw. lauter weise Absichten eines Urhebers zum voraus annehmen, so koennen wir auf diesem Wege eine Menge von Entdeckungen machen. Bleiben wir nur bei dieser Voraussetzung, als einem bloss regulativen Prinzip, so kann selbst der Irrtum uns nicht schaden. Denn es kann allenfalls daraus nichts weiter folgen, als dass, wo wir einen teleologischen Zusammenhang (nexus finalis) erwarteten, ein bloss mechanischer oder physischer (nexus effectivus) angetroffen werde, wodurch wir, in einem solchen Falle, nur eine Einheit mehr vermissen, aber nicht die Vernunfteinheit in ihrem empirischen Gebrauche verderben. Aber sogar dieser Querstrich kann das Gesetz selbst in allgemeiner und teleologischer Absicht ueberhaupt nicht treffen. Denn, obzwar ein Zergliederer eines Irrtums ueberfuehrt werden kann, wenn er irgend ein Gliedmass eines tierischen Koerpers auf einen Zweck bezieht, von welchem man deutlich zeigen kann, dass er daraus nicht erfolge: so ist es doch gaenzlich unmoeglich, in einem Falle zu beweisen, dass eine Natureinrichtung, es mag sein welche es wolle, ganz und gar keinen Zweck habe. Daher erweitert auch die Physiologie (der Aerzte) ihre sehr eingeschraenkte empirische Kenntnis von den Zwecken des Gliederbaues eines organischen Koerpers durch einen Grundsatz, welchen bloss reine Vernunft eingab, so weit, dass man darin ganz dreist und zugleich mit aller Verstaendigen Einstimmung annimmt, es habe alles an dem Tiere seinen Nutzen und gute Absicht; welche Voraussetzung, wenn sie konstitutiv sein sollte, viel weiter geht, als uns bisherige Beobachtung berechtigen kann; woraus denn zu ersehen ist, dass sie nichts als ein regulatives Prinzip der Vernunft sei, um zur hoechsten systematischen Einheit, vermittelst der Idee der zweckmaessigen Kausalitaet der obersten Weltursache, und, als ob diese, als hoechste Intelligenz, nach der weisesten Absicht die Ursache von allem sei, zu gelangen. * Der Vorteil, den eine kugelichte Erdgestalt schafft, ist bekannt genug; aber wenige wissen, dass ihre Abplattung, als eines Sphaeroids, es allein verhindert, dass nicht die Hervorragungen des festen Landes, oder auch kleinerer, vielleicht durch Erdbeben aufgeworfener Berge, die Achse der Erde kontinuierlich und in nicht eben langer Zeit ansehnlich verruecken, waere nicht die Aufschwellung der Erde unter der Linie ein so gewaltiger Berg, den der Schwung jedes anderen Berges niemals merklich aus seiner Lage in Ansehung der Achse bringen kann. Und doch erklaert man diese weise Anstalt ohne Bedenken aus dem Gleichgewicht der ehemals fluessigen Erdmasse. Gehen wir aber von dieser Restriktion der Idee auf den bloss regulativen Gebrauch ab, so wird die Vernunft auf so mancherlei Weise irregefuehrt, indem sie alsdann den Boden der Erfahrung, der doch die Merkzeichen ihres Ganges enthalten muss, verlaesst, und sich ueber denselben zu dem Unbegreiflichen und Unerforschlichen hinwagt, ueber dessen Hoehe sie notwendig schwindlicht wird, weil sie sich aus dem Standpunkte desselben von allem mit der Erfahrung stimmigen Gebrauch gaenzlich abgeschnitten sieht. Der erste Fehler, der daraus entspringt, dass man die Idee eines hoechsten Wesens nicht bloss regulativ, sondern (welches der Natur einer Idee zuwider ist) konstitutiv braucht, ist die faule Vernunft (ignava ratio)*. Man kann jeden Grundsatz so nennen, welcher macht, dass man seine Naturuntersuchung, wo es auch sei, fuer schlechthin vollendet ansieht, und die Vernunft sich also zur Ruhe begibt, als ob sie ihr Geschaeft voellig ausgerichtet habe. Daher selbst die psychologische Idee, wenn sie als ein konstitutives Prinzip fuer die Erklaerung der Erscheinungen unserer Seele, und hernach gar, zur Erweiterung unserer Erkenntnis dieses Subjekts, noch ueber alle Erfahrung hinaus (ihren Zustand nach dem Tode) gebraucht wird, es der Vernunft zwar sehr bequem macht, aber auch allen Naturgebrauch derselben nach der Leitung der Erfahrungen ganz verdirbt und zugrunde richtet. So erklaert der dogmatische Spiritualist die durch allen Wechsel der Zustaende unveraendert bestehende Einheit der Person aus der Einheit der denkenden Substanz, die er in dem Ich unmittelbar wahrzunehmen glaubt, das Interesse, was wir an Dingen nehmen, die sich allererst nach unserem Tode zutragen sollen, aus dem Bewusstsein der immateriellen Natur unseres denkenden Subjekts usw. und ueberhebt sich aller Naturuntersuchung der Ursache dieser unserer inneren Erscheinungen aus physischen Erklaerungsgruenden, indem er gleichsam durch den Machtspruch einer transzendenten Vernunft die immanenten Erkenntnisquellen der Erfahrung, zum Behuf seiner Gemaechlichkeit, aber mit Einbusse aller Einsicht, vorbeigeht. Noch deutlicher faellt diese nachteilige Folge bei dem Dogmatismus unserer Idee von einer hoechsten Intelligenz und dem darauf faelschlich gegruendeten theologischen System der Natur (Physikotheologie) in die Augen. Denn da dienen alle sich in der Natur zeigenden, oft nur von uns selbst dazu gemachten Zwecke dazu, es uns in der Erforschung der Ursachen recht bequem zu machen, naemlich, anstatt sie in den allgemeinen Gesetzen des Mechanismus der Materie zu suchen, sich geradezu auf den unerforschlichen Ratschluss der hoechsten Weisheit zu berufen, und die Vernunftbemuehung alsdann fuer vollendet anzusehen, wenn man sich ihres Gebrauchs ueberhebt, der doch nirgend einen Leitfaden findet, als wo ihn uns die Ordnung der Natur und die Reihe der Veraenderungen, nach ihren inneren und allgemeineren Gesetzen, an die Hand gibt. Dieser Fehler kann vermieden werden, wenn wir nicht bloss einige Naturstuecke, als z.B. die Verteilung des festen Landes, das Bauwerk desselben, und die Beschaffenheit und Lage der Gebirge, oder wohl gar nur die Organisation im Gewaechs- und Tierreiche aus dem Gesichtspunkte der Zwecke betrachten, sondern diese systematische Einheit der Natur, in Beziehung auf die Idee einer hoechsten Intelligenz, ganz allgemein machen. Denn alsdann legen wir eine Zweckmaessigkeit nach allgemeinen Gesetzen der Natur zum Grunde, von denen keine besondere Einrichtung ausgenommen, sondern nur mehr oder weniger kenntlich fuer uns ausgezeichnet worden, und haben ein regulatives Prinzip der systematischen Einheit einer teleologischen Verknuepfung, die wir aber nicht zum voraus bestimmen, sondern nur in Erwartung derselben die physischmechanische Verknuepfung nach allgemeinen Gesetzen verfolgen duerfen. Denn so allein kann das Prinzip der zweckmaessigen Einheit den Vernunftgebrauch in Ansehung der Erfahrung jederzeit erweitern, ohne ihm in irgendeinem Falle Abbruch zu tun. * So nannten die alten Dialektiker einen Trugschluss, der so lautete: Wenn es dein Schicksal mit sich bringt, du sollst von dieser Krankheit genesen, so wird es geschehen, du magst einen Arzt brauchen, oder nicht. Cicero sagt, dass diese Art zu schliessen ihren Namen daher habe, dass, wenn man ihr folgt, gar kein Gebrauch der Vernunft im Leben uebrig bleibe. Dieses ist die Ursache, warum ich das sophistische Argument der reinen Vernunft mit demselben Namen belege. Der zweite Fehler, der aus der Missdeutung des gedachten Prinzips der systematischen Einheit entspringt, ist der der verkehrten Vernunft (perversa ratio, ysteron proteron rationis). Die Idee der systematischen Einheit sollte nur dazu dienen, um als regulatives Prinzip sie in der Verbindung der Dinge nach allgemeinen Naturgesetzen zu suchen, und, soweit sich etwas davon auf dem empirischen Wege antreffen laesst, um so viel auch zu glauben, dass man sich der Vollstaendigkeit ihres Gebrauchs genaehert habe, ob man sie freilich niemals erreichen wird. Anstatt dessen kehrt man die Sache um, und faengt davon an, dass man die Wirklichkeit eines Prinzips der zweckmaessigen Einheit als hypostatisch zum Grunde legt, den Begriff einer solchen hoechsten Intelligenz, weil er an sich gaenzlich unerforschlich ist, anthropomorphistisch bestimmt, und dann der Natur Zwecke, gewaltsam und diktatorisch, aufdringt, anstatt sie, wie billig, auf dem Wege der physischen Nachforschung zu suchen, so dass nicht allein Teleologie, die bloss dazu dienen sollte, um die Natureinheit nach allgemeinen Gesetzen zu ergaenzen, nun vielmehr dahin wirkt, sie aufzuheben, sondern die Vernunft sich noch dazu selbst um ihren Zweck bringt, naemlich das Dasein einer solchen intelligenten obersten Ursache, nach diesem, aus der Natur zu beweisen. Denn, wenn man nicht die hoechste Zweckmaessigkeit in der Natur a priori, d.i. als zum Wesen derselben gehoerig, voraussetzen kann, wie will man denn angewiesen sein, sie zu suchen und auf der Stufenleiter derselben sich der hoechsten Vollkommenheit eines Urhebers, als einer schlechterdings notwendigen, mithin a priori erkennbaren Vollkommenheit, zu naehern? Das regulative Prinzip verlangt, die systematische Einheit als Natureinheit, welche nicht bloss empirisch erkannt, sondern a priori, obzwar noch unbestimmt, vorausgesetzt wird, schlechterdings, mithin als aus dem Wesen der Dinge folgend, vorauszusetzen. Lege ich aber zuvor ein hoechstes ordnendes Wesen zum Grunde, so wird die Natureinheit in der Tat aufgehoben. Denn sie ist der Natur der Dinge ganz fremd und zufaellig, und kann auch nicht aus allgemeinen Gesetzen derselben erkannt werden. Daher entspringt ein fehlerhafter Zirkel im Beweisen, da man das voraussetzt, was eigentlich hat bewiesen werden sollen. Das regulative Prinzip der systematischen Einheit der Natur fuer ein konstitutives nehmen, und, was nur in der Idee zum Grunde des einhelligen Gebrauchs der Vernunft gelegt wird, als Ursache hypostatisch voraussetzen, heisst nur die Vernunft verwirren. Die Naturforschung geht ihren Gang ganz allein an der Kette der Naturursachen nach allgemeinen Gesetzen derselben, zwar nach der Idee eines Urhebers, aber nicht um die Zweckmaessigkeit, der sie allerwaerts nachgeht, von demselben abzuleiten, sondern sein Dasein aus dieser Zweckmaessigkeit, die in den Wesen der Naturdinge gesucht wird, womoeglich auch in den Wesen aller Dinge ueberhaupt, mithin als schlechthin notwendig zu erkennen. Das Letztere mag nun gelingen oder nicht, so bleibt die Idee immer richtig, und ebensowohl auch deren Gebrauch, wenn er auf die Bedingungen eines bloss regulativen Prinzips restringiert worden. Vollstaendige zweckmaessige Einheit ist Vollkommenheit (schlechthin betrachtet). Wenn wir diese nicht in dem Wesen der Dinge, welche den ganzen Gegenstand der Erfahrung, d.i. aller unserer objektiv gueltigen Erkenntnis, ausmachen, mithin in allgemeinen und notwendigen Naturgesetzen finden; wie wollen wir daraus gerade auf die Idee einer hoechsten und schlechthin notwendigen Vollkommenheit eines Urwesens schliessen, welches der Ursprung aller Kausalitaet ist? Die groesste systematische, folglich auch die zweckmaessige Einheit ist die Schule und selbst die Grundlage der Moeglichkeit des groessten Gebrauchs der Menschenvernunft. Die Idee derselben ist also mit dem Wesen unserer Vernunft unzertrennlich verbunden. Eben dieselbe Idee ist also fuer uns gesetzgebend, und so ist es sehr natuerlich, eine ihr korrespondierende gesetzgebende Vernunft (intellectus archetypus) anzunehmen, von der alle systematische Einheit der Natur, als dem Gegenstande unserer Vernunft, abzuleiten sei. Wir haben bei Gelegenheit der Antinomie der reinen Vernunft gesagt: dass alle Fragen, welche die reine Vernunft aufwirft, schlechterdings beantwortlich sein muessen, und dass die Entschuldigung mit den Schranken unserer Erkenntnis, die in vielen Naturfragen ebenso unvermeidlich als billig ist, hier nicht gestattet werden koenne, weil uns hier nicht von der Natur der Dinge, sondern allein durch die Natur der Vernunft und lediglich ueber ihre innere Einrichtung, die Fragen vorgelegt werden. Jetzt koennen wir diese dem ersten Anscheine nach kuehne Behauptung in Ansehung der zwei Fragen, wobei die reine Vernunft ihr groesstes Interesse hat, bestaetigen, und dadurch unsere Betrachtung ueber die Dialektik derselben zur gaenzlichen Vollendung bringen. Fraegt man denn also (in Absicht auf eine transzendentale Theologie)* erstlich: ob es etwas von der Welt Unterschiedenes gebe, was den Grund der Weltordnung und ihres Zusammenhanges nach allgemeinen Gesetzen enthalte, so ist die Antwort: ohne Zweifel. Denn die Welt ist eine Summe von Erscheinungen, es muss also irgendein transzendentaler, d.i. bloss dem reinen Verstande denkbarer Grund derselben sein. Ist zweitens die Frage: ob dieses Wesen Substanz, von der groessten Realitaet, notwendig usw. sei; so antworte ich: dass diese Frage gar keine Bedeutung habe. Denn alle Kategorien, durch welche ich mir einen Begriff von einem solchen Gegenstande zu machen versuche, sind von keinem anderen als empirischen Gebrauche, und haben gar keinen Sinn, wenn sie nicht auf Objekte moeglicher Erfahrung, d.i. auf die Sinnenwelt angewandt werden. Ausser diesem Felde sind sie bloss Titel zu Begriffen, die man einraeumen, dadurch man aber auch nichts verstehen kann. Ist endlich drittens die Frage: ob wir nicht wenigstens dieses von der Welt unterschiedene Wesen nach einer Analogie mit den Gegenstaenden der Erfahrung denken duerfen? so ist die Antwort: allerdings, aber nur als Gegenstand in der Idee und nicht in der Realitaet, naemlich nur, sofern er ein uns unbekanntes Substratum der systematischen Einheit, Ordnung und Zweckmaessigkeit der Welteinrichtung ist, welche sich die Vernunft zum regulativen Prinzip ihrer Naturforschung machen muss. Noch mehr, wir koennen in dieser Idee gewisse Anthropomorphismen, die dem gedachten regulativen Prinzip befoerderlich sind, ungescheut und ungetadelt erlauben. Denn es ist immer nur eine Idee, die gar nicht direkt auf ein von der Welt unterschiedenes Wesen, sondern auf das regulative Prinzip der systematischen Einheit der Welt, aber nur vermittelst eines Schema derselben, naemlich einer obersten Intelligenz, die nach weisen Absichten Urheber derselben sei, bezogen wird. Was dieser Ungrund der Welteinheit an sich selbst sei, hat dadurch nicht gedacht werden sollen, sondern wie wir ihn, oder vielmehr seine Idee, relativ auf den systematischen Gebrauch der Vernunft in Ansehung der Dinge der Welt, brauchen sollen. * Dasjenige, was ich schon vorher von der psychologischen Idee und deren eigentlichen Bestimmung, als Prinzips zum bloss regulativen Vernunftgebrauch, gesagt habe, ueberhebt mich der Weitlaeufigkeit, die transzendentale Illusion, nach der jene systematische Einheit aller Mannigfaltigkeit des inneren Sinnes hypostatisch vorgestellt wird, noch besonders zu eroertern. Das Verfahren hierbei ist demjenigen sehr aehnlich, welches die Kritik in Ansehung des theologischen Ideals beobachtet. Auf solche Weise aber koennen wir doch (wird man fortfahren zu fragen) einen einigen weisen und allgewaltigen Welturheber annehmen? Ohne allen Zweifel; und nicht allein dies, sondern wir muessen einen solchen voraussetzen. Aber alsdann erweitern wir doch unsere Erkenntnis ueber das Feld moeglicher Erfahrung? Keineswegs. Denn wir haben nur ein Etwas vorausgesetzt, wovon wir gar keinen Begriff haben, was es an sich selbst sei (einen bloss transzendentalen Gegenstand), aber, in Beziehung auf die systematische und zweckmaessige Ordnung des Weltbaues, welche wir, wenn wir die Natur studieren, voraussetzen muessen, haben wir jenes uns unbekannte Wesen nur nach der Analogie mit einer Intelligenz (ein empirischer Begriff) gedacht, d.i. es in Ansehung der Zwecke und der Vollkommenheit, die sich auf demselben gruenden, gerade mit denen Eigenschaften begabt, die nach den Bedingungen unserer Vernunft den Grund einer solchen systematischen Einheit enthalten koennen. Diese Idee ist also respektiv auf den Weltgebrauch unserer Vernunft ganz gegruendet. Wollten wir ihr aber schlechthin objektive Gueltigkeit erteilen, so wuerden wir vergessen, dass es lediglich ein Wesen in der Idee sei, das wir denken, und, indem wir alsdann von einem durch die Weltbetrachtung gar nicht bestimmbaren Grunde anfingen, wuerden wir dadurch ausserstand gesetzt, dieses Prinzip dem empirischen Vernunftgebrauch angemessen anzuwenden. Aber (wird man ferner fragen) auf solche Weise kann ich doch von dem Begriffe und der Voraussetzung eines hoechsten Wesens in der vernuenftigen Weltbetrachtung Gebrauch machen? Ja, dazu war auch eigentlich diese Idee von der Vernunft zum Grunde gelegt. Allein darf ich nun zweckaehnliche Anordnungen als Absichten ansehen, indem ich sie vom goettlichen Willen, obzwar vermittelst besonderer dazu in der Welt darauf gestellten Anlagen, ableite? Ja, das koennt ihr auch tun, aber so, dass es euch gleich viel gelten muss, ob jemand sage, die goettliche Weisheit hat alles so zu seinen obersten Zwecken geordnet, oder die Idee der hoechsten Weisheit ist ein Regulativ in der Nachforschung der Natur und ein Prinzip der systematischen und zweckmaessigen Einheit derselben nach allgemeinen Naturgesetzen, auch selbst da, wo wir jene nicht gewahr werden, d.i. es muss euch da, wo ihr sie wahrnehmt, voellig einerlei sein, zu sagen: Gott hat es weislich so gewollt, oder die Natur hat es also weislich geordnet. Denn die groesste systematische und zweckmaessige Einheit, welche eure Vernunft aller Naturforschung als regulatives Prinzip zum Grunde zu legen verlangte, war eben das, was euch berechtigte, die Idee einer hoechsten Intelligenz als ein Schema des regulativen Prinzips zum Grunde zu legen, und, so viel ihr nun, nach demselben, Zweckmaessigkeit in der Welt antrefft, so viel habt ihr Bestaetigung der Rechtmaessigkeit eurer Idee; da aber gedachtes Prinzip nichts anderes zur Absicht hatte, als notwendige und groesstmoegliche Natureinheit zu suchen, so werden wir diese zwar, so weit als wir sie erreichen, der Idee eines hoechsten Wesens zu danken haben, koennen aber die allgemeinen Gesetze der Natur, als in Absicht auf welche die Idee nur zum Grunde gelegt wurde, ohne mit uns selbst in Widerspruch zu geraten, nicht vorbeigehen, um diese Zweckmaessigkeit der Natur als zufaellig und hyperphysisch ihrem Ursprunge nach anzusehen, weil wir nicht berechtigt waren, ein Wesen ueber die Natur von den gedachten Eigenschaften anzunehmen, sondern nur die Idee desselben zum Grunde zu legen, um nach der Analogie einer Kausalbestimmung der Erscheinungen als systematisch untereinander verknuepft anzusehen. Eben daher sind wir auch berechtigt, die Weltursache in der Idee nicht allein nach einem subtileren Anthropomorphismus (ohne welchen sich gar nichts von ihm denken lassen wuerde), naemlich als ein Wesen, das Verstand, Wohlgefallen und Missfallen, imgleichen eine demselben gemaesse Begierde und Willen hat usw. zu denken, sondern demselben unendliche Vollkommenheit beizulegen, die also diejenige weit uebersteigt, dazu wir durch empirische Kenntnis der Weltordnung berechtigt sein koennen. Denn das regulative Gesetz der systematischen Einheit will, dass wir die Natur so studieren sollen, als ob allenthalben ins Unendliche systematische und zweckmaessige Einheit, bei der groesstmoeglichen Mannigfaltigkeit, angetroffen wuerde. Denn, wiewohl wir nur wenig von dieser Weltvollkommenheit ausspaehen, oder erreichen werden, so gehoert es doch zur Gesetzgebung unserer Vernunft, sie allerwaerts zu suchen und zu vermuten, und es muss uns jederzeit vorteilhaft sein, niemals aber kann es nachteilig werden, nach diesem Prinzip die Naturbetrachtung anzustellen. Es ist aber, unter dieser Vorstellung, der zum Grunde gelegten Idee eines hoechsten Urhebers, auch klar: dass ich nicht das Dasein und die Kenntnis eines solchen Wesens, sondern nur die Idee desselben zum Grunde lege, und also eigentlich nichts von diesem Wesen, sondern bloss von der Idee desselben, d.i. von der Natur der Dinge der Welt, nach einer solchen Idee, ableite. Auch scheint ein gewisses, obzwar unentwickeltes Bewusstsein, des echten Gebrauchs dieses unseren Vernunftbegriffs, die bescheidene und billige Sprache der Philosophen aller Zeiten veranlasst zu haben, da sie von der Weisheit und Vorsorge der Natur, und der goettlichen Weisheit, als gleichbedeutenden Ausdruecken reden, ja den ersteren Ausdruck, so lange es um bloss spekulative Vernunft zu tun ist, vorziehen, weil er die Anmassung einer groesseren Behauptung, als die ist, wozu wir befugt sind, zurueckhaelt, und zugleich die Vernunft auf ihr eigentuemliches Feld, die Natur, zurueckweist. So enthaelt die reine Vernunft, die uns anfangs nichts Geringeres, als Erweiterung der Kenntnisse ueber alle Grenzen der Erfahrung, zu versprechen schiene, wenn wir sie recht verstehen, nichts als regulative Prinzipien, die zwar groessere Einheit gebieten, als der empirische Verstandesgebrauch erreichen kann, aber eben dadurch, dass sie das Ziel der Annaeherung desselben so weit hinausruecken, die Zusammenstimmung desselben mit sich selbst durch systematische Einheit zum hoechsten Grade bringen, wenn man sie aber missversteht, und sie fuer konstitutive Prinzipien transzendenter Erkenntnisse haelt, durch einen zwar glaenzenden, aber trueglichen Schein, Ueberredung und eingebildetes Wissen, hiermit aber ewige Widersprueche und Streitigkeiten hervorbringen. * * * So faengt denn alle menschliche Erkenntnis mit Anschauungen an, geht von da zu Begriffen, und endigt mit Ideen. Ob sie zwar in Ansehung aller dreien Elemente Erkenntnisquellen a priori hat, die beim ersten Anblicke die Grenzen aller Erfahrung zu verschmaehen scheinen, so ueberzeugt doch eine vollendete Kritik, dass alle Vernunft im spekulativen Gebrauche mit diesen Elementen niemals ueber das Feld moeglicher Erfahrung hinauskommen koenne, und dass die eigentliche Bestimmung dieses obersten Erkenntnisvermoegens sei, sich aller Methoden und der Grundsaetze derselben nur zu bedienen, um der Natur nach allen moeglichen Prinzipien der Einheit, worunter die der Zwecke die vornehmste ist, bis in ihr Innerstes nachzugehen, niemals aber ihre Grenze zu ueberfliegen, ausserhalb welcher fuer uns nichts als leerer Raum ist. Zwar hat uns die kritische Untersuchung aller Saetze, welche unsere Erkenntnis ueber die wirkliche Erfahrung hinaus erweitern koennen, in der transzendentalen Analytik hinreichend ueberzeugt, dass sie niemals zu etwas mehr, als einer moeglichen Erfahrung leiten koennen, und, wenn man nicht selbst gegen die klarsten abstrakten und allgemeinen Lehrsaetze misstrauisch waere, wenn nicht reizende und scheinbare Aussichten uns lockten, den Zwang der ersteren abzuwerfen, so haetten wir allerdings der muehsamen Abhoerung aller dialektischen Zeugen, die eine transzendente Vernunft zum Behuf ihrer Anmassungen auftreten laesst, ueberhoben sein koennen; denn wir wussten es schon zum voraus mit voelliger Gewissheit, dass alles Vorgeben derselben zwar vielleicht ehrlich gemeint, aber schlechterdings nichtig sein muesse, weil es eine Kundschaft betraf, die kein Mensch jemals bekommen kann. Allein, weil doch des Redens kein Ende wird, wenn man nicht hinter die wahre Ursache des Scheins kommt, wodurch selbst der Vernuenftigste hintergangen werden kann, und die Aufloesung aller unserer transzendenten Erkenntnis in ihre Elemente (als ein Studium unserer inneren Natur) an sich selbst keinen geringen Wert hat, dem Philosophen aber sogar Pflicht ist, so war es nicht allein noetig, diese ganze, obzwar eitle Bearbeitung der spekulativen Vernunft bis zu ihren ersten Quellen ausfuehrlich nachzusuchen, sondern, da der dialektische Schein hier nicht allein dem Urteile nach taeuschend, sondern auch dem Interesse nach, das man hier am Urteile nimmt, anlockend, und jederzeit natuerlich ist, und so in alle Zukunft bleiben wird, so war es ratsam, gleichsam die Akten dieses Prozesses ausfuehrlich abzufassen, und sie im Archive der menschlichen Vernunft, zur Verhuetung kuenftiger Irrungen aehnlicher Art, niederzulegen. II. Transzendentale Methodenlehre Wenn ich den Inbegriff aller Erkenntnis der reinen und spekulativen Vernunft wie ein Gebaeude ansehe, dazu wir wenigstens die Idee in uns haben, so kann ich sagen, wir haben in der transzendentalen Elementarlehre den Bauzeug ueberschlagen und bestimmt, zu welchem Gebaeude, von welcher Hoehe und Festigkeit er zulange. Freilich fand es sich, dass, ob wir zwar einen Turm im Sinne hatten, der bis an den Himmel reichen sollte, der Vorrat der Materialien doch nur zu einem Wohnhause zureichte, welches zu unseren Geschaeften auf der Ebene der Erfahrung gerade geraeumig und hoch genug war, sie zu uebersehen; dass aber jene kuehne Unternehmung aus Mangel an Stoff fehlschlagen musste, ohne einmal auf die Sprachverwirrung zu rechnen, welche die Arbeiter ueber den Plan unvermeidlich entzweien, und sie in alle Welt zerstreuen musste, um sich, ein jeder nach seinem Entwurfe, besonders anzubauen. Jetzt ist es uns nicht sowohl um die Materialien, als vielmehr um den Plan zu tun, und, indem wir gewarnt sind, es nicht auf einen beliebigen blinden Entwurf, der vielleicht unser ganzes Vermoegen uebersteigen koennte, zu wagen, gleichwohl doch von der Errichtung eines festen Wohnsitzes nicht wohl abstehen koennen, den Anschlag zu einem Gebaeude in Verhaeltnis auf den Vorrat, der uns gegeben und zugleich unserem Beduerfnis angemessen ist, zu machen. Ich verstehe also unter der transzendentalen Methodenlehre die Bestimmung der formalen Bedingungen eines vollstaendigen Systems der reinen Vernunft. Wir werden es in dieser Absicht mit einer Disziplin, einem Kanon, einer Architektonik, endlich einer Geschichte der reinen Vernunft zu tun haben, und dasjenige in transzendentaler Absicht leisten, was, unter dem Namen einer praktischen Logik, in Ansehung des Gebrauchs des Verstandes ueberhaupt in den Schulen gesucht, aber schlecht geleistet wird; weil, da die allgemeine Logik auf keine besondere Art der Verstandeserkenntnis (z.B. nicht auf die reine), auch nicht auf gewisse Gegenstaende eingeschraenkt ist, sie, ohne Kenntnisse aus anderen Wissenschaften zu borgen, nichts mehr tun kann, als Titel zu moeglichen Methoden und technische Ausdruecke, deren man sich in Ansehung des Systematischen in allerlei Wissenschaften bedient, vorzutragen, die den Lehrling zum voraus mit Namen bekannt machen, deren Bedeutung und Gebrauch er kuenftig allererst soll kennenlernen. Der transzendentalen Methodenlehre Erstes Hauptstueck Die Disziplin der reinen Vernunft Die negativen Urteile, die es nicht bloss der logischen Form, sondern auch dem Inhalte nach sind, stehen bei der Wissbegierde der Menschen in keiner sonderlichen Achtung, man sieht sie wohl gar als neidische Feinde unseres unablaessig zur Erweiterung strebenden Erkenntnistriebes an, und es bedarf beinahe einer Apologie, um ihnen nur Duldung, und noch mehr, um ihnen Gunst und Hochschaetzung zu verschaffen. Man kann zwar logisch alle Saetze, die man will, negativ ausdruecken, in Ansehung des Inhalts aber unserer Erkenntnis ueberhaupt, ob sie durch ein Urteil erweitert, oder beschraenkt wird, haben die verneinenden das eigentuemliche Geschaeft, lediglich den Irrtum abzuhalten. Daher auch negative Saetze, welche eine falsche Erkenntnis abhalten sollen, wo doch niemals ein Irrtum moeglich ist, zwar sehr wahr, aber doch leer, d.i. ihrem Zwecke gar nicht angemessen, und eben darum oft laecherlich sind. Wie der Satz jenes Schulredners: dass Alexander ohne Kriegsheer keine Laender haette erobern koennen. Wo aber die Schranken unserer moeglichen Erkenntnis sehr enge, der Anreiz zum Urteilen gross, der Schein, der sich darbietet, sehr betrueglich, und der Nachteil aus dem Irrtum erheblich ist, da hat das Negative der Unterweisung, welches bloss dazu dient, um uns vor Irrtuemer zu verwahren, noch mehr Wichtigkeit, als manche positive Belehrung, dadurch unser Erkenntnis Zuwachs bekommen koennte. Man nennt den Zwang, wodurch der bestaendige Hang, von gewissen Regeln abzuweichen, eingeschraenkt, und endlich vertilgt wird, die Disziplin. Sie ist von der Kultur unterschieden, welche bloss eine Fertigkeit verschaffen soll, ohne eine andere, schon vorhandene, dagegen aufzuheben. Zu der Bildung eines Talents, welches schon vor sich selbst einen Antrieb zur Aeusserung hat, wird also die Disziplin einen negativen*, die Kultur aber und Doktrin einen positiven Beitrag leisten. * Ich weiss wohl, dass man in der Schulsprache den Namen der Disziplin mit dem der Unterweisung gleichgeltend zu brauchen pflegt. Allein, es gibt dagegen so viele andere Faelle, da der erstere Ausdruck, als Zucht, von dem zweiten, als Belehrung, sorgfaeltig unterschieden wird, und die Natur der Dinge erheischt es auch selbst, fuer diesen Unterschied die einzigen schicklichen Ausdruecke aufzubewahren, dass ich wuensche, man moege niemals erlauben, jenes Wort in anderer als negativer Bedeutung zu brauchen. Dass das Temperament, imgleichen dass Talente, die sich gern eine freie und uneingeschraenkte Bewegung erlauben, (als Einbildungskraft und Witz,) in mancher Absicht einer Disziplin beduerfen, wird jedermann leicht zugeben. Dass aber die Vernunft, der es eigentlich obliegt, allen anderen Bestrebungen ihre Disziplin vorzuschreiben, selbst noch eine solche noetig habe, das mag allerdings befremdlich scheinen, und in der Tat ist sie auch einer solchen Demuetigung eben darum bisher entgangen, weil, bei der Feierlichkeit und dem gruendlichen Anstande, womit sie auftritt, niemand auf den Verdacht eines leichtsinnigen Spiels, mit Einbildungen statt Begriffen, und Worten statt Sachen, leichtlich geraten konnte. Es bedarf keiner Kritik der Vernunft im empirischen Gebrauche, weil ihre Grundsaetze am Probierstein der Erfahrung einer kontinuierlichen Pruefung unterworfen werden; imgleichen auch nicht in der Mathematik, wo ihre Begriffe an der reinen Anschauung sofort in concreto dargestellt werden muessen, und jedes Ungegruendete und Willkuerliche dadurch alsbald offenbar wird. Wo aber weder empirische noch reine Anschauung die Vernunft in einem sichtbaren Geleise halten, naemlich in ihrem transzendentalen Gebrauche, nach blossen Begriffen, da bedarf sie so sehr einer Disziplin, die ihren Hang zur Erweiterung, ueber die engen Grenzen moeglicher Erfahrung, baendige, und sie von Ausschweifung und Irrtum abhalte, dass auch die ganze Philosophie der reinen Vernunft bloss mit diesem negativen Nutzen zu tun hat. Einzelnen Verirrungen kann durch Zensur und den Ursachen derselben durch Kritik abgeholfen werden. Wo aber, wie in der reinen Vernunft, ein ganzes System von Taeuschungen und Blendwerken angetroffen wird, die unter sich wohl verbunden und unter gemeinschaftlichen Prinzipien vereinigt sind, da scheint eine ganz eigene und zwar negative Gesetzgebung erforderlich zu sein, welche unter dem Namen einer Disziplin aus der Natur der Vernunft und der Gegenstaende ihres reinen Gebrauchs gleichsam ein System der Vorsicht und Selbstpruefung errichte, vor welchem kein falscher vernuenftelnder Schein bestehen kann, sondern sich sofort, unerachtet aller Gruende seiner Beschoenigung, verraten muss. Es ist aber wohl zu merken: dass ich in diesem zweiten Hauptteile der transzendentalen Kritik die Disziplin der reinen Vernunft nicht auf den Inhalt, sondern bloss auf die Methode der Erkenntnis aus reiner Vernunft richte. Das erstere ist schon in der Elementarlehre geschehen. Es hat aber der Vernunftgebrauch so viel Aehnliches, auf welchen Gegenstand er auch angewandt werden mag, und ist doch, sofern er transzendental sein soll, zugleich von allem anderen so wesentlich unterschieden, dass, ohne die warnende Negativlehre einer besonders darauf gestellten Disziplin, die Irrtuemer nicht zu verhueten sind, die aus einer unschicklichen Befolgung solcher Methoden, die zwar sonst der Vernunft, aber nur nicht hier anpassen, notwendig entspringen muessen. Des ersten Hauptstuecks Erster Abschnitt Die Disziplin der reinen Vernunft im dogmatischen Gebrauche Die Mathematik gibt das glaenzendste Beispiel, einer sich, ohne Beihilfe der Erfahrung, von selbst gluecklich erweiternden reinen Vernunft. Beispiele sind ansteckend, vornehmlich fuer dasselbe Vermoegen, welches sich natuerlicherweise schmeichelt, eben dasselbe Glueck in anderen Faellen zu haben, welches ihm in einem Falle zuteil worden. Daher hofft reine Vernunft im transzendentalen Gebrauche sich ebenso gluecklich und gruendlich erweitern zu koennen, als es ihr im mathematischen gelungen ist, wenn sie vornehmlich dieselbe Methode dort anwendet, die hier von so augenscheinlichem Nutzen gewesen ist. Es liegt uns also viel daran, zu wissen: ob die Methode, zur apodiktischen Gewissheit zu gelangen, die man in der letzteren Wissenschaft mathematisch nennt, mit derjenigen einerlei sei, womit man eben dieselbe Gewissheit in der Philosophie sucht, und die daselbst dogmatisch genannt werden muesste. Die philosophische Erkenntnis ist die Vernunfterkenntnis aus Begriffen, die mathematische aus der Konstruktion der Begriffe. Einen Begriff aber konstruieren, heisst: die ihm korrespondierende Anschauung a priori darstellen. Zur Konstruktion eines Begriffs wird also eine nicht empirische Anschauung erfordert, die folglich, als Anschauung, ein einzelnes Objekt ist, aber nichtsdestoweniger, als die Konstruktion eines Begriffs (einer allgemeinen Vorstellung), Allgemeingueltigkeit fuer alle moeglichen Anschauungen, die unter denselben Begriff gehoeren, in der Vorstellung ausdruecken muss. So konstruiere ich einen Triangel, indem ich den diesem Begriffe entsprechenden Gegenstand, entweder durch blosse Einbildung, in der reinen, oder nach derselben auch auf dem Papier, in der empirischen Anschauung, beidemal aber voellig a priori, ohne das Muster dazu aus irgendeiner Erfahrung geborgt zu haben, darstelle. Die einzelne hingezeichnete Figur ist empirisch, und dient gleichwohl den Begriff, unbeschadet seiner Allgemeinheit, auszudruecken, weil bei dieser empirischen Anschauung immer nur auf die Handlung der Konstruktion des Begriffs, welchem viele Bestimmungen, z.E. der Groesse, der Seiten und der Winkel, ganz gleichgueltig sind, gesehen, und also von diesen Verschiedenheiten, die den Begriff des Triangels nicht veraendern, abstrahiert wird. Die philosophische Erkenntnis betrachtet also das Besondere nur im Allgemeinen, die mathematische das Allgemeine im Besonderen, ja gar im Einzelnen, gleichwohl doch a priori und vermittelst der Vernunft, so dass, wie dieses Einzelne unter gewissen allgemeinen Bedingungen der Konstruktion bestimmt ist, ebenso der Gegenstand des Begriffs, dem dieses Einzelne nur als sein Schema korrespondiert, allgemein bestimmt gedacht werden muss. In dieser Form besteht also der wesentliche Unterschied dieser beiden Arten der Vernunfterkenntnis, und beruht nicht auf dem Unterschied ihrer Materie, oder Gegenstaende. Diejenigen, welche Philosophie von Mathematik dadurch zu unterscheiden vermeinten, dass sie von jener sagten, sie habe bloss die Qualitaet, diese aber nur die Quantitaet zum Objekt, haben die Wirkung fuer die Ursache genommen. Die Form der mathematischen Erkenntnis ist die Ursache, dass diese lediglich auf Quanta gehen kann. Denn nur der Begriff von Groessen laesst sich konstruieren, d.i. a priori in der Anschauung darlegen, Qualitaeten aber lassen sich in keiner anderen als empirischen Anschauung darstellen. Daher kann eine Vernunfterkenntnis derselben nur durch Begriffe moeglich sein. So kann niemand eine dem Begriff der Realitaet korrespondierende Anschauung anders woher, als aus der Erfahrung nehmen, niemals aber a priori aus sich selbst und vor dem empirischen Bewusstsein derselben teilhaftig werden. Die konische Gestalt wird man ohne alle empirische Beihilfe, bloss nach dem Begriffe, anschauend machen koennen, aber die Farbe dieses Kegels wird in einer oder anderer Erfahrung zuvor gegeben sein muessen. Den Begriff einer Ursache ueberhaupt kann ich auf keine Weise in der Anschauung darstellen, als an einem Beispiele, das mir Erfahrung an die Hand gibt, usw. Uebrigens handelt die Philosophie ebensowohl von Groessen, als die Mathematik, z.B. von der Totalitaet, der Unendlichkeit usw. Die Mathematik beschaeftigt sich auch mit dem Unterschiede der Linien und Flaechen, als Raeumen, von verschiedener Qualitaet, mit der Kontinuitaet der Ausdehnung, als einer Qualitaet derselben. Aber, obgleich sie in solchen Faellen einen gemeinschaftlichen Gegenstand haben, so ist die Art, ihn durch die Vernunft zu behandeln, doch ganz anders in der philosophischen, als mathematischen Betrachtung. Jene haelt sich bloss an allgemeinen Begriffen, diese kann mit dem blossen Begriffe nichts ausrichten, sondern eilt sogleich zur Anschauung, in welcher sie den Begriff in concreto betrachtet, aber doch nicht empirisch, sondern bloss in einer solchen, die sie a priori darstellt, d.i. konstruiert hat, und in welcher dasjenige, was aus den allgemeinen Bedingungen der Konstruktion folgt, auch von dem Objekte des konstruierten Begriffs allgemein gelten muss. Man gebe einem Philosophen den Begriff eines Triangels, und lasse ihn nach seiner Art ausfindig machen, wie sich wohl die Summe seiner Winkel zum rechten verhalten moege. Er hat nun nichts als den Begriff von einer Figur, die in drei geraden Linien eingeschlossen ist, und an ihr den Begriff von ebensoviel Winkeln. Nun mag er diesem Begriffe nachdenken, so lange er will, er wird nichts Neues herausbringen. Er kann den Begriff der geraden Linie, oder eines Winkels, oder der Zahl drei zergliedern und deutlich machen, aber nicht auf andere Eigenschaften kommen, die in diesen Begriffen gar nicht liegen. Allein der Geometer nehme diese Frage vor. Er faengt sofort davon an, einen Triangel zu konstruieren. Weil er weiss, dass zwei rechte Winkel zusammen gerade so viel austragen, als alle beruehrenden Winkel, die aus einem Punkte auf einer geraden Linie gezogen werden koennen, zusammen, so verlaengert er eine Seite seines Triangels, und bekommt zwei beruehrende Winkel, die zweien rechten zusammen gleich sind. Nun teilt er den aeusseren von diesen Winkeln, indem er eine Linie mit der gegenueberstehenden Seite des Triangels parallel zieht, und sieht, dass hier ein aeusserer beruehrender Winkel entspringe, der einem inneren gleich ist, usw. Er gelangt auf solche Weise durch eine Kette von Schluessen, immer von der Anschauung geleitet, zur voellig einleuchtenden und zugleich allgemeinen Aufloesung der Frage. Die Mathematik aber konstruiert nicht bloss Groessen (quanta), wie in der Geometrie, sondern auch die blosse Groesse (quantitatem), wie in der Buchstabenrechnung, wobei sie von der Beschaffenheit des Gegenstandes, der nach einem solchen Groessenbegriff gedacht werden soll, gaenzlich abstrahiert. Sie waehlt sich alsdann eine gewisse Bezeichnung aller Konstruktionen von Groessen ueberhaupt (Zahlen, als der Addition, Subtraktion usw.), Ausziehung der Wurzel, und, nachdem sie den allgemeinen Begriff der Groessen nach den verschiedenen Verhaeltnissen derselben auch bezeichnet hat, so stellt sie alle Behandlung, die durch die Groesse erzeugt und veraendert wird, nach gewissen allgemeinen Regeln in der Anschauung dar; wo eine Groesse durch die andere dividiert werden soll, setzt sie beider ihre Charaktere nach der bezeichnenden Form der Division zusammen usw., und gelangt also vermittelst einer symbolischen Konstruktion ebensogut, wie die Geometrie nach einer ostensiven oder geometrischen (der Gegenstaende selbst) dahin, wohin die diskursive Erkenntnis vermittelst blosser Begriffe niemals gelangen koennte. Was mag die Ursache dieser so verschiedenen Lage sein, darin sich zwei Vernunftkuenstler befinden, deren der eine seinen Weg nach Begriffen, der andere nach Anschauungen nimmt, die er a priori den Begriffen gemaess darstellt. Nach den oben vorgetragenen transzendentalen Grundlehren ist diese Ursache klar. Es kommt hier nicht auf analytische Saetze an, die durch blosse Zergliederung der Begriffe erzeugt werden koennen, (hierin wuerde der Philosoph ohne Zweifel den Vorteil ueber seinen Nebenbuhler haben,) sondern auf synthetische, und zwar solche, die a priori sollen erkannt werden. Denn ich soll nicht auf dasjenige sehen, was ich in meinem Begriffe vom Triangel wirklich denke, (dieses ist nichts weiter, als die blosse Definition,) vielmehr soll ich ueber ihn zu Eigenschaften, die in diesem Begriffe nicht liegen, aber doch zu ihm gehoeren, hinausgehen. Nun ist dieses nicht anders moeglich, als dass ich meinen Gegenstand nach den Bedingungen, entweder der empirischen Anschauung, oder der reinen Anschauung bestimme. Das erstere wuerde nur einen empirischen Satz (durch Messen seiner Winkel), der keine Allgemeinheit, noch weniger Notwendigkeit enthielte, abgeben, und von dergleichen ist gar nicht die Rede. Das zweite Verfahren aber ist die mathematische und zwar hier die geometrische Konstruktion, vermittelst deren ich in einer reinen Anschauung, ebenso wie in der empirischen, das Mannigfaltige, was zu dem Schema eines Triangels ueberhaupt, mithin zu seinem Begriffe gehoert, hinzusetzen wodurch allerdings allgemeine synthetische Saetze konstruiert werden muessen. Ich wuerde also umsonst ueber den Triangel philosophieren, d.i. diskursiv nachdenken, ohne dadurch im mindesten weiter zu kommen, als auf die blosse Definition, von der ich aber billig anfangen muesste. Es gibt zwar eine transzendentale Synthesis aus lauter Begriffen, die wiederum allein dem Philosophen gelingt, die aber niemals mehr als ein Ding ueberhaupt betrifft, unter welchen Bedingungen dessen Wahrnehmung zur moeglichen Erfahrung gehoeren koenne. Aber in den mathematischen Aufgaben ist hiervon und ueberhaupt von der Existenz gar nicht die Frage, sondern von den Eigenschaften der Gegenstaende an sich selbst, lediglich sofern diese mit dem Begriffe derselben verbunden sind. Wir haben in dem angefuehrten Beispiele nur deutlich zu machen gesucht, welcher grosse Unterschied zwischen dem diskursiven Vernunftgebrauch nach Begriffen und dem intuitiven durch die Konstruktion der Begriffe anzutreffen sei. Nun fraegts sich natuerlicherweise, was die Ursache sei, die einen solchen zwiefachen Vernunftgebrauch notwendig macht, und an welchen Bedingungen man erkennen koenne, ob nur der erste, oder auch der zweite stattfinde. Alle unsere Erkenntnis bezieht sich doch zuletzt auf moegliche Anschauungen: denn durch diese allein wird ein Gegenstand gegeben. Nun enthaelt ein Begriff a priori (ein nicht empirischer Begriff) entweder schon eine reine Anschauung in sich, und alsdann kann er konstruiert werden; oder nichts als die Synthesis moeglicher Anschauungen, die a priori nicht gegeben sind, und alsdann kann man wohl durch ihn synthetisch und a priori urteilen, aber nur diskursiv, nach Begriffen, und niemals intuitiv durch die Konstruktion des Begriffes. Nun ist von aller Anschauung keine a priori gegeben, als die blosse Form der Erscheinungen, Raum und Zeit, und ein Begriff von diesen, als Quantis, laesst sich entweder zugleich mit der Qualitaet derselben (ihre Gestalt), oder auch bloss ihre Quantitaet (die blosse Synthesis des gleichartig Mannigfaltigen) durch Zahl a priori in der Anschauung darstellen, d.i. konstruieren. Die Materie aber der Erscheinungen, wodurch uns Dinge im Raume und der Zeit gegeben werden, kann nur in der Wahrnehmung, mithin a posteriori vorgestellt werden. Der einzige Begriff, der a priori diesen empirischen Gehalt der Erscheinungen vorstellt, ist der Begriff des Dinges ueberhaupt, und die synthetische Erkenntnis von demselben a priori kann nichts weiter, als die blosse Regel der Synthesis desjenigen, was die Wahrnehmung a posteriori geben mag, niemals aber die Anschauung des realen Gegenstandes a priori liefern, weil diese notwendig empirisch sein muss. Synthetische Saetze, die auf Dinge ueberhaupt, deren Anschauung sich a priori gar nicht geben laesst, gehen, sind transzendental. Demnach lassen sich transzendentale Saetze niemals durch Konstruktion der Begriffe, sondern nur nach Begriffen a priori geben. Sie enthalten bloss die Regel, nach der eine gewisse synthetische Einheit desjenigen, was nicht a priori anschaulich vorgestellt werden kann, (der Wahrnehmungen,) empirisch gesucht werden soll. Sie koennen aber keinen einzigen ihrer Begriffe a priori in irgendeinem Falle darstellen, sondern tun dieses nur a posteriori, vermittelst der Erfahrung, die nach jenen synthetischen Grundsaetzen allererst moeglich wird. Wenn man von einem Begriffe synthetisch urteilen soll, so muss man aus diesem Begriffe hinausgehen, und zwar zur Anschauung, in welcher er gegeben ist. Denn, bliebe man bei dem stehen, was im Begriffe enthalten ist, so waere das Urteil bloss analytisch, und eine Erklaerung des Gedanken, nach demjenigen, was wirklich in ihm enthalten ist. Ich kann aber von dem Begriffe zu der ihm korrespondierenden reinen oder empirischen Anschauung gehen, um ihn in derselben in concreto zu erwaegen, und, was dem Gegenstande desselben zukommt, a priori oder a posteriori zu erkennen. Das erstere ist die rationale und mathematische Erkenntnis durch die Konstruktion des Begriffs, das zweite die blosse empirische (mechanische) Erkenntnis, die niemals notwendige und apodiktische Saetze geben kann. So koennte ich meinen empirischen Begriff vom Golde zergliedern, ohne dadurch etwas weiter zu gewinnen, als alles, was ich bei diesem Worte wirklich denke, herzaehlen zu koennen, wodurch in meinem Erkenntnis zwar eine logische Verbesserung vorgeht, aber keine Vermehrung oder Zusatz erworben wird. Ich nehme aber die Materie, welche unter diesem Namen vorkommt, und stelle mit ihr Wahrnehmungen an, welche mir verschiedene synthetische, aber empirische Saetze an die Hand geben werden. Den mathematischen Begriff eines Triangels wuerde ich konstruieren, d.i. a priori in der Anschauung geben, und auf diesem Wege eine synthetische, aber rationale Erkenntnis bekommen. Aber, wenn mir der transzendentale Begriff einer Realitaet, Substanz, Kraft usw. gegeben ist, so bezeichnet er weder eine empirische, noch reine Anschauung, sondern lediglich die Synthesis der empirischen Anschauungen (die also a priori nicht gegeben werden koennen), und es kann also aus ihm, weil die Synthesis nicht a priori zu der Anschauung, die ihm korrespondiert, hinausgehen kann, auch kein bestimmender synthetischer Satz, sondern nur ein Grundsatz der Synthesis* moeglicher empirischer Anschauungen entspringen. Also ist ein transzendentaler Satz ein synthetisches Vernunfterkenntnis nach blossen Begriffen, und mithin diskursiv, indem dadurch alle synthetische Einheit der empirischen Erkenntnis allererst moeglich, keine Anschauung aber dadurch a priori gegeben wird. * Vermittelst des Begriffs der Ursache gehe ich wirklich aus dem empirischen Begriffe von einer Begebenheit (da etwas geschieht) heraus, aber nicht zu der Anschauung, die den Begriff der Ursache in concreto darstellt, sondern zu den Zeitbedingungen ueberhaupt, die in der Erfahrung dem Begriffe der Ursache gemaess gefunden werden moechten. Ich verfahre also bloss nach Begriffen, und kann nicht durch Konstruktion der Begriffe verfahren, weil der Begriff eine Regel der Synthesis der Wahrnehmungen ist, die keine reine Anschauungen sind, und sich also a priori nicht geben lassen. So gibt es denn einen doppelten Vernunftgebrauch, der, unerachtet der Allgemeinheit der Erkenntnis und ihrer Erzeugung a priori, welche sie gemein haben, dennoch im Fortgange sehr verschieden ist, und zwar darum, weil in der Erscheinung, als wodurch uns alle Gegenstaende gegeben werden, zwei Stuecke sind: die Form der Anschauung (Raum und Zeit), die voellig a priori erkannt und bestimmt werden kann, und die Materie (das Physische), oder der Gehalt, welcher ein Etwas bedeutet, das im Raume und der Zeit angetroffen wird, mithin ein Dasein enthaelt und der Empfindung korrespondiert. In Ansehung des letzteren, welches niemals anders auf bestimmte Art, als empirisch gegeben werden kann, koennen wir nichts a priori haben, als unbestimmte Begriffe der Synthesis moeglicher Empfindungen, sofern sie zur Einheit der Apperzeption (in einer moeglichen Erfahrung) gehoeren. In Ansehung der ersteren koennen wir unsere Begriffe in der Anschauung a priori bestimmen, indem wir uns im Raume und der Zeit die Gegenstaende selbst durch gleichfoermige Synthesis schaffen, indem wir sie bloss als Quanta betrachten. Jener heisst der Vernunftgebrauch nach Begriffen, indem wir nichts weiter tun koennen, als Erscheinungen dem realen Inhalte nach unter Begriffe zu bringen, welche darauf nicht anders als empirisch, d.i. a posteriori, (aber jenen Begriffen als Regeln einer empirischen Synthesis gemaess,) koennen bestimmt werden; dieser ist der Vernunftgebrauch durch Konstruktion der Begriffe, indem diese, da sie schon auf eine Anschauung a priori gehen, auch eben darum a priori und ohne alle empirische data in der reinen Anschauung bestimmt gegeben werden koennen. Alles, was da ist (ein Ding im Raum oder der Zeit), zu erwaegen, ob und wiefern es ein Quantum ist oder nicht, dass ein Dasein in demselben oder Mangel vorgestellt werden muesse, wie fern dieses Etwas (welches Raum oder Zeit erfuellt) ein erstes Substratum, oder blosse Bestimmung sei, eine Beziehung seines Daseins auf etwas anderes, als Ursache oder Wirkung, habe, und endlich isoliert oder in wechselseitiger Abhaengigkeit mit anderen in Ansehung des Daseins stehe, die Moeglichkeit dieses Daseins, die Wirklichkeit und Notwendigkeit, oder die Gegenteile derselben zu erwaegen: dieses alles gehoert zum Vernunfterkenntnis aus Begriffen, welches philosophisch genannt wird. Aber im Raume eine Anschauung a priori zu bestimmen (Gestalt), die Zeit zu teilen (Dauer), oder bloss das Allgemeine der Synthesis von einem und demselben in der Zeit und dem Raume, und die daraus entspringende Groesse einer Anschauung ueberhaupt (Zahl) zu erkennen, das ist ein Vernunftgeschaeft durch Konstruktion der Begriffe, und heisst mathematisch. Das grosse Glueck, welches die Vernunft vermittelst der Mathematik macht, bringt ganz natuerlicherweise die Vermutung zuwege, dass es, wo nicht ihr selbst, doch ihrer Methode, auch ausser dem Felde der Groessen gelingen werde, indem sie alle ihre Begriffe auf Anschauungen bringt, die sie a priori geben kann, und wodurch sie, so zu reden, Meister ueber die Natur wird; da hingegen reine Philosophie mit diskursiven Begriffen a priori in der Natur herumpfuscht, ohne die Realitaet derselben a priori anschauend und eben dadurch beglaubigt machen zu koennen. Auch scheint es den Meistern in dieser Kunst an dieser Zuversicht zu sich selbst und dem gemeinen Wesen an grossen Erwartungen von ihrer Geschicklichkeit, wenn sie sich einmal hiermit befassen sollten, gar nicht zu fehlen. Denn da sie kaum jemals ueber ihre Mathematik philosophiert haben, (ein schweres Geschaeft!) so kommt ihnen der spezifische Unterschied des einen Vernunftgebrauchs von dem anderen gar nicht in Sinn und Gedanken. Gangbare und empirisch gebrauchte Regeln, die sie von der gemeinen Vernunft borgen, gelten ihnen dann statt Axiomen. Wo ihnen die Begriffe von Raum und Zeit, womit sie sich (als den einzigen urspruenglichen Quantis) beschaeftigen, herkommen moegen, daran ist ihnen gar nichts gelegen, und ebenso scheint es ihnen unnuetz zu sein, den Ursprung reiner Verstandesbegriffe, und hiermit auch den Umfang ihrer Gueltigkeit zu erforschen, sondern nur sich ihrer zu bedienen. In allem diesem tun sie ganz recht, wenn sie nur ihre angewiesene Grenze, naemlich die der Natur nicht ueberschreiten. So aber geraten sie unvermerkt, von dem Felde der Sinnlichkeit, auf den unsicheren Boden reiner und selbst transzendentaler Begriffe, wo der Grund (instabilis tellus, innabilis unda) ihnen weder zu stehen, noch zu schwimmen erlaubt, und sich nur fluechtige Schritte tun lassen, von denen die Zeit nicht die mindeste Spur aufbehaelt, da hingegen ihr Gang in der Mathematik eine Heeresstrasse macht, welche noch die spaeteste Nachkommenschaft mit Zuversicht betreten kann. Da wir es uns zur Pflicht gemacht haben, die Grenzen der reinen Vernunft im transzendentalen Gebrauche genau und mit Gewissheit zu bestimmen, diese Art der Bestrebung aber das Besondere an sich hat, unerachtet der nachdruecklichsten und klarsten Warnungen, sich noch immer durch Hoffnung hinhalten zu lassen, ehe man den Anschlag gaenzlich aufgibt, ueber Grenzen der Erfahrungen hinaus in die reizenden Gegenden des Intellektuellen zu gelangen: so ist es notwendig, noch gleichsam den letzten Anker einer phantasiereichen Hoffnung wegzunehmen, und zu zeigen, dass die Befolgung der mathematischen Methode in dieser Art Erkenntnis nicht den mindesten Vorteil schaffen koenne, es muesste denn der sein, die Bloessen ihrer selbst desto deutlicher aufzudecken, dass Messkunst und Philosophie zwei ganz verschiedene Dinge seien, ob sie sich zwar in der Naturwissenschaft einander die Hand bieten, mithin das Verfahren des einen niemals von dem anderen nachgeahmt werden koenne. Die Gruendlichkeit der Mathematik beruht auf Definitionen, Axiomen, Demonstrationen. Ich werde mich damit begnuegen, zu zeigen: dass keines dieser Stuecke in dem Sinne, darin sie der Mathematiker nimmt, von der Philosophie koenne geleistet, noch nachgeahmt werden. Dass der Messkuenstler, nach seiner Methode, in der Philosophie nichts als Kartengebaeude zustande bringe, der Philosoph nach der seinigen in dem Anteil der Mathematik nur ein Geschwaetz erregen koenne, wiewohl eben darin Philosophie besteht, seine Grenzen zu kennen, und selbst der Mathematiker, wenn das Talent desselben nicht etwa schon von der Natur begrenzt und auf sein Fach eingeschraenkt ist, die Warnungen der Philosophie nicht ausschlagen, noch sich ueber sie wegsetzen kann. 1. Von den Definitionen. Definieren soll, wie es der Ausdruck selbst gibt, eigentlich nur so viel bedeuten, als, den ausfuehrlichen Begriff eines Dinges innerhalb seiner Grenzen urspruenglich darstellen*. Nach einer solchen Forderung kann ein empirischer Begriff gar nicht definiert, sondern nur expliziert werden. Denn, da wir an ihm nur einige Merkmale von einer gewissen Art Gegenstaende der Sinne haben, so ist es niemals sicher, ob man unter dem Worte, der denselben Gegenstand bezeichnet, nicht einmal mehr, das andere Mal weniger Merkmale desselben denke. So kann der eine im Begriffe vom Golde sich ausser dem Gewichte, der Farbe, der Zaehigkeit, noch die Eigenschaft, dass es nicht rostet, denken, der andere davon vielleicht nichts wissen. Man bedient sich gewisser Merkmale nur so lange, als sie zum Unterscheiden hinreichend sind; neue Bemerkungen dagegen nehmen welche weg und setzen einige hinzu, der Begriff steht also niemals zwischen sicheren Grenzen. Und wozu sollte es auch dienen, einen solchen Begriff zu definieren, da, wenn z.B. von dem Wasser und dessen Eigenschaften die Rede ist, man sich bei dem nicht aufhalten wird, was man bei dem Worte Wasser denkt, sondern zu Versuchen schreitet, und das Wort, mit den wenigen Merkmalen, die ihm anhaengen, nur eine Bezeichnung und nicht einen Begriff der Sache ausmachen soll, mithin die angebliche Definition nichts anderes als Wortbestimmung ist. Zweitens kann auch, genau zu reden, kein a priori gegebener Begriff definiert werden, z.B. Substanz, Ursache, Recht, Billigkeit usw. Denn ich kann niemals sicher sein, dass die deutliche Vorstellung eines (noch verworren) gegebenen Begriffs ausfuehrlich entwickelt worden, als wenn ich weiss, dass dieselbe dem Gegenstande adaequat sei. Da der Begriff desselben aber, so wie er gegeben ist, viel dunkle Vorstellungen enthalten kann, die wir in der Zergliederung uebergehen, ob wir sie zwar in der Anwendung jederzeit brauchen: so ist die Ausfuehrlichkeit der Zergliederung meines Begriffs immer zweifelhaft, und kann nur durch vielfaeltig zutreffende Beispiele vermutlich, niemals aber apodiktisch gewiss gemacht werden. Anstatt des Ausdrucks: Definition, wuerde ich lieber den der Exposition brauchen, der immer noch behutsam bleibt, und bei dem der Kritiker sie auf einen gewissen Grad gelten lassen und doch wegen der Ausfuehrlichkeit noch Bedenken tragen kann. Da also weder empirisch, noch a priori gegebene Begriffe definiert werden koennen, so bleiben keine anderen als willkuerlich gedachte uebrig, an denen man dieses Kunststueck versuchen kann. Meinen Begriff kann ich in solchem Falle jederzeit definieren; denn ich muss doch wissen, was ich habe denken wollen, da ich ihn selbst vorsetzlich gemacht habe, und er mir weder durch die Natur des Verstandes, noch durch die Erfahrung gegeben worden, aber ich kann nicht sagen, dass ich dadurch einen wahren Gegenstand definiert habe. Denn, wenn der Begriff auf empirischen Bedingungen beruht, z.B. eine Schiffsuhr, so wird der Gegenstand und dessen Moeglichkeit durch diesen willkuerlichen Begriff noch nicht gegeben; ich weiss daraus nicht einmal, ob er ueberall einen Gegenstand habe, und meine Erklaerung kann besser eine Deklaration (meines Projekts) als Definition eines Gegenstandes heissen. Also blieben keine anderen Begriffe uebrig, die zum Definieren taugen, als solche, die eine willkuerliche Synthesis enthalten, welche a priori konstruiert werden kann, mithin hat nur die Mathematik Definitionen. Denn, den Gegenstand, den sie denkt, stellt sie auch a priori in der Anschauung dar, und dieser kann sicher nicht mehr noch weniger enthalten, als der Begriff, weil durch die Erklaerung der Begriff von dem Gegenstande urspruenglich, d.i. ohne die Erklaerung irgend wovon abzuleiten, gegeben wurde. Die deutsche Sprache hat fuer die Ausdruecke der Exposition, Explikation, Deklaration und Definition nichts mehr, als das eine Wort: Erklaerung, und daher muessen wir schon von der Strenge der Forderung, da wir naemlich den philosophischen Erklaerungen den Ehrennamen der Definition verweigerten, etwas ablassen, und wollen diese ganze Anmerkung darauf einschraenken, dass philosophische Definitionen nur als Expositionen gegebener, mathematische aber als Konstruktionen urspruenglich gemachter Begriffe, jene nur analytisch durch Zergliederung (deren Vollstaendigkeit nicht apodiktisch gewiss ist), diese synthetisch zustande gebracht werden, und also den Begriff selbst machen, dagegen die ersteren ihn nur erklaeren. Hieraus folgt: * Ausfuehrlichkeit bedeutet die Klarheit und Zulaenglichkeit der Merkmale; Grenzen die Praezision, dass deren nicht mehr sind, als zum ausfuehrlichen Begriffe gehoeren; urspruenglich aber, dass diese Grenzbestimmung nicht irgend woher abgeleitet sei und also noch eines Beweises beduerfe, welches die vermeintliche Erklaerung unfaehig machen wuerde, an der Spitze aller Urteile ueber einen Gegenstand zu stehen. a) dass man es in der Philosophie der Mathematik nicht so nachtun muesse, die Definition voranzuschicken, als nur etwa zum blossen Versuche. Denn, da sie Zergliederungen gegebener Begriffe sind, so gehen diese Begriffe, obzwar nur noch verworren, voran, und die unvollstaendige Exposition geht vor der vollstaendigen, so, dass wir aus einigen Merkmalen, die wir aus einer noch unvollendeten Zergliederung gezogen haben, manches vorher schliessen koennen, ehe wir zur vollstaendigen Exposition, d.i. zur Definition gelangt sind; mit einem Worte, dass in der Philosophie die Definition, als abgemessene Deutlichkeit, das Werk eher schliesse, als anfangen muesse*. Dagegen haben wir in der Mathematik gar keinen Begriff vor der Definition, als durch welche der Begriff allererst gegeben wird, sie muss also und kann auch jederzeit davon anfangen. * Die Philosophie wimmelt von fehlerhaften Definitionen, vornehmlich solchen, die zwar wirklich Elemente zur Definition, aber noch nicht vollstaendig enthalten. Wuerde man nun eher gar nichts mit einem Begriffe anfangen koennen, als bis man ihn definiert haette, so wuerde es gar schlecht mit allem Philosophieren stehen. Da aber, so weit die Elemente (der Zergliederung) reichen, immer ein guter und sicherer Gebrauch davon zu machen ist, so koennen auch mangelhafte Definitionen, d.i. Saetze, die eigentlich noch nicht Definitionen, aber uebrigens wahr und also Annaeherungen zu ihnen sind, sehr nuetzlich gebraucht werden. In der Mathematik gehoert die Definition ad esse, in der Philosophie ad melius esse. Es ist schoen, aber oft sehr schwer, dazu zu gelangen. Noch suchen die Juristen eine Definition zu ihrem Begriffe vom Recht. b) Mathematische Definitionen koennen niemals irren. Denn, weil der Begriff durch die Definition zuerst gegeben wird, so enthaelt er gerade nur das, was die Definition durch ihn gedacht haben will. Aber, obgleich dem Inhalte nach nichts Unrichtiges darin vorkommen kann, so kann doch bisweilen, obzwar nur selten, in der Form (der Einkleidung) gefehlt werden, naemlich in Ansehung der Praezision. So hat die gemeine Erklaerung der Kreislinie, dass sie eine krumme Linie sei, deren alle Punkte von einem einigen (dem Mittelpunkte) gleich weit abstehen, den Fehler, dass die Bestimmung krumm unnoetiger Weise eingeflossen ist. Denn es muss einen besonderen Lehrsatz geben, der aus der Definition gefolgert wird und leicht bewiesen werden kann: dass eine jede Linie, deren alle Punkte von einem einigen gleich weit abstehen, krumm (kein Teil von ihr gerade) sei. Analytische Definitionen koennen dagegen auf vielfaeltige Art irren, entweder indem sie Merkmale hineinbringen, die wirklich nicht im Begriffe lagen, oder an der Ausfuehrlichkeit ermangeln, die das Wesentliche einer Definition ausmacht, weil man der Vollstaendigkeit seiner Zergliederung nicht so voellig gewiss sein kann. Um deswillen laesst sich die Methode der Mathematik im Definieren in der Philosophie nicht nachahmen. 2. Von den Axiomen. Diese sind synthetische Grundsaetze a priori, sofern sie unmittelbar gewiss sind. Nun laesst sich nicht ein Begriff mit dem anderen synthetisch und doch unmittelbar verbinden, weil, damit wir ueber einen Begriff hinausgehen koennen, ein drittes vermittelndes Erkenntnis noetig ist. Da nun Philosophie bloss die Vernunfterkenntnis nach Begriffen ist, so wird in ihr kein Grundsatz anzutreffen sein, der den Namen eines Axioms verdiene. Die Mathematik dagegen ist der Axiomen faehig, weil sie vermittelst der Konstruktion der Begriffe in der Anschauung des Gegenstandes die Praedikate desselben a priori und unmittelbar verknuepfen kann, z.B. dass drei Punkte jederzeit in einer Ebene liegen. Dagegen kann ein synthetischer Grundsatz bloss aus Begriffen niemals unmittelbar gewiss sein; z.B. der Satz: alles, was geschieht, hat seine Ursache, da ich mich nach einem dritten herumgehen muss, naemlich der Bedingung der Zeitbestimmung in einer Erfahrung, und nicht direkt unmittelbar aus den Begriffen allein einen solchen Grundsatz erkennen konnte. Diskursive Grundsaetze sind also ganz etwas anderes als intuitive, d.i. Axiomen. Jene erfordern jederzeit noch eine Deduktion, deren die letzteren ganz und gar entbehren koennen, und, da diese eben um desselben Grundes willen evident sind, welches die philosophischen Grundsaetze, bei aller ihrer Gewissheit, doch niemals vorgeben koennen, so fehlt unendlich viel daran, dass irgendein synthetischer Satz der reinen und transzendentalen Vernunft so augenscheinlich sei (wie man sich trotzig auszudruecken pflegt), als der Satz: dass zweimal zwei vier geben. Ich habe zwar in der Analytik, bei der Tafel der Grundsaetze des reinen Verstandes, auch gewisser Axiomen der Anschauung gedacht; allein der daselbst angefuehrte Grundsatz war selbst kein Axiom, sondern diente nur dazu, das Prinzipium der Moeglichkeit der Axiomen ueberhaupt anzugeben, und selbst nur ein Grundsatz aus Begriffen. Denn sogar die Moeglichkeit der Mathematik muss in der Transzendentalphilosophie gezeigt werden. Die Philosophie hat also keine Axiomen und darf niemals ihre Grundsaetze a priori so schlechthin gebieten, sondern muss sich dazu bequemen, ihre Befugnis wegen derselben durch gruendliche Deduktion zu rechtfertigen. 3. Von den Demonstrationen. Nur ein apodiktischer Beweis, sofern er intuitiv ist, kann Demonstration heissen. Erfahrung lehrt uns wohl, was da sei, aber nicht, dass es gar nicht anders sein koenne. Daher koennen empirische Beweisgruende keinen apodiktischen Beweis verschaffen. Aus Begriffen a priori (im diskursiven Erkenntnisse) kann aber niemals anschauende Gewissheit d.i. Evidenz entspringen, so sehr auch sonst das Urteil apodiktisch gewiss sein mag. Nur die Mathematik enthaelt also Demonstrationen, weil sie nicht aus Begriffen, sondern der Konstruktion derselben, d.i. der Anschauung, die den Begriffen entsprechend a priori gegeben werden kann, ihr Erkenntnis ableitet. Selbst das Verfahren der Algeber mit ihren Gleichungen, aus denen sie durch Reduktion die Wahrheit zusamt dem Beweise hervorbringt, ist zwar keine geometrische, aber doch charakteristische Konstruktion, in welcher man an den Zeichen die Begriffe, vornehmlich von dem Verhaeltnisse der Groessen, in der Anschauung darlegt, und, ohne einmal auf das Heuristische zu sehen, alle Schluesse vor Fehlern dadurch sichert, dass jeder derselben vor Augen gestellt wird. Da hingegen das philosophische Erkenntnis dieses Vorteils entbehren muss, indem es das Allgemeine jederzeit in abstracto (durch Begriffe) betrachten muss, indessen dass Mathematik das Allgemeine in concreto (in der einzelnen Anschauung) und doch durch reine Vorstellung a priori erwaegen kann, wobei jeder Fehltritt sichtbar wird. Ich moechte die ersteren daher lieber akroamatische (diskursive) Beweise nennen, weil sie sich nur durch lauter Worte (den Gegenstand in Gedanken) fuehren lassen, als Demonstrationen, welche, wie der Ausdruck es schon anzeigt, in der Anschauung des Gegenstandes fortgehen. Aus allem diesem folgt nun, dass es sich fuer die Natur der Philosophie gar nicht schicke, vornehmlich im Felde der reinen Vernunft, mit einem dogmatischen Gange zu strotzen und sich mit den Titeln und Baendern der Mathematik auszuschmuecken, in deren Orden sie doch nicht gehoert, ob sie zwar auf schwesterliche Vereinigung mit derselben zu hoffen alle Ursache hat. Jene sind eitle Anmassungen, die niemals gelingen koennen, vielmehr ihre Absicht rueckgaengig machen muessen, die Blendwerke einer ihre Grenzen verkennenden Vernunft zu entdecken, und, vermittelst hinreichender Aufklaerung unserer Begriffe, den Eigenduenkel der Spekulation auf das bescheidene, aber gruendliche Selbsterkenntnis zurueckzufuehren. Die Vernunft wird also in ihren transzendentalen Versuchen nicht so zuversichtlich vor sich hinsehen koennen, gleich als wenn der Weg, den sie zurueckgelegt hat, so ganz gerade zum Ziele fuehre, und auf ihre zum Grunde gelegten Praemissen nicht so mutig rechnen koennen, dass es nicht noetig waere, oefters zurueck zu sehen und achtzuhaben, ob sich nicht etwa im Fortgange der Schluesse Fehler entdecken, die in den Prinzipien uebersehen worden, und es noetig machen, sie entweder mehr zu bestimmen, oder ganz abzuaendern. Ich teile alle apodiktischen Saetze (sie moegen nun erweislich oder auch unmittelbar gewiss sein) in Dogmata und Mathemata ein. Ein direkt synthetischer Satz aus Begriffen ist ein Dogma; hingegen ein dergleichen Satz durch Konstruktion der Begriffe, ist ein Mathema. Analytische Urteile lehren uns eigentlich nichts mehr vom Gegenstande, als was der Begriff, den wir von ihm haben, schon in sich enthaelt, weil sie die Erkenntnis ueber den Begriff des Subjekts nicht erweitern, sondern diesen nur erlaeutern. Sie koennen daher nicht fueglich Dogmen heissen (welches Wort man vielleicht durch Lehrsprueche uebersetzen koennte). Aber unter den gedachten zwei Arten synthetischer Saetze a priori koennen, nach dem gewoehnlichen Redegebrauch, nur die zum philosophischen Erkenntnisse gehoerigen diesen Namen fuehren, und man wuerde schwerlich die Saetze der Rechenkunst, oder Geometrie, Dogmata nennen. Also bestaetigt dieser Gebrauch die Erklaerung, die wir gaben, dass nur Urteile aus Begriffen, und nicht die aus der Konstruktion der Begriffe, dogmatisch heissen koennen. Nun enthaelt die ganze reine Vernunft in ihrem bloss spekulativen Gebrauche nicht ein einziges direkt synthetisches Urteil aus Begriffen. Denn durch Ideen ist sie, wie wir gezeigt haben, gar keiner synthetischen Urteile, die objektive Gueltigkeit haetten, faehig; durch Verstandesbegriffe aber errichtet sie zwar sichere Grundsaetze, aber gar nicht direkt aus Begriffen, sondern immer nur indirekt durch Beziehung dieser Begriffe auf etwas ganz Zufaelliges, naemlich moegliche Erfahrung; da sie denn, wenn diese (etwas als Gegenstand moeglicher Erfahrungen) vorausgesetzt wird, allerdings apodiktisch gewiss sind, an sich selbst aber (direkt) a priori gar nicht einmal erkannt werden koennen. So kann niemand den Satz: alles, was geschieht, hat seine Ursache, aus diesen gegebenen Begriffen allein gruendlich einsehen. Daher ist er kein Dogma, ob er gleich in einem anderen Gesichtspunkte, naemlich dem einzigen Felde seines moeglichen Gebrauchs, d.i. der Erfahrung, ganz wohl und apodiktisch bewiesen werden kann. Er heisst aber Grundsatz und nicht Lehrsatz, ob er gleich bewiesen werden muss, darum, weil er die besondere Eigenschaft hat, dass er seinen Beweisgrund, naemlich Erfahrung, selbst zuerst moeglich macht, und bei dieser immer vorausgesetzt werden muss. Gibt es nun im spekulativen Gebrauche der reinen Vernunft auch dem Inhalte nach gar keine Dogmate, so ist alle dogmatische Methode, sie mag nun dem Mathematiker abgeborgt sein, oder eine eigentuemliche Manier werden sollen, fuer sich unschicklich. Denn sie verbirgt nur die Fehler und Irrtuemer, und taeuscht die Philosophie, deren eigentliche Absicht ist, alle Schritte der Vernunft in ihrem klarsten Lichte sehen zu lassen. Gleichwohl kann die Methode immer systematisch sein. Denn unsere Vernunft (subjektiv) ist selbst ein System, aber in ihrem reinen Gebrauche, vermittelst blosser Begriffe, nur ein System der Nachforschung nach Grundsaetzen der Einheit, zu welcher Erfahrung allein den Stoff hergeben kann. Von der eigentuemlichen Methode einer Transzendentalphilosophie laesst sich aber hier nichts sagen, da wir es nur mit einer Kritik unserer Vermoegensumstaende zu tun haben, ob wir ueberall bauen, und wie hoch wir wohl unser Gebaeude, aus dem Stoffe, den wir haben, (den reinen Begriffen a priori,) auffuehren koennen. Des ersten Hauptstuecks Zweiter Abschnitt Die Disziplin der reinen Vernunft in Ansehung ihres polemischen Gebrauchs Die Vernunft muss sich in allen ihren Unternehmungen der Kritik unterwerfen, und kann der Freiheit derselben durch kein Verbot Abbruch tun, ohne sich selbst zu schaden und einen ihr nachteiligen Verdacht auf sich zu ziehen. Da ist nun nichts so wichtig, in Ansehung des Nutzens, nichts so heilig, das sich dieser pruefenden und musternden Durchsuchung, die kein Ansehen der Person kennt, entziehen duerfte. Auf dieser Freiheit beruht sogar die Existenz der Vernunft, die kein diktatorisches Ansehen hat, sondern deren Ausspruch jederzeit nichts als die Einstimmung freier Buerger ist, deren jeglicher seine Bedenklichkeiten, ja sogar sein veto, ohne Zurueckhalten muss aeussern koennen. Ob nun aber gleich die Vernunft sich der Kritik niemals verweigern kann, so hat sie doch nicht jederzeit Ursache, sie zu scheuen. Aber die reine Vernunft in ihrem dogmatischen (nicht mathematischen) Gebrauche ist sich nicht so sehr der genauesten Beobachtung ihrer obersten Gesetze bewusst, dass sie nicht mit Bloedigkeit, ja mit gaenzlicher Ablegung alles angemassten dogmatischen Ansehens, vor dem kritischen Auge einer hoeheren und richterlichen Vernunft erscheinen muesste. Ganz anders ist es bewandt, wenn sie es nicht mit der Zensur des Richters, sondern den Anspruechen ihres Mitbuergers zu tun hat, und sich dagegen bloss verteidigen soll. Denn, da diese ebensowohl dogmatisch sein wollen, obzwar im Verneinen, als jene im Bejahen: so findet eine Rechtfertigung kat' anthropon statt, die wider alle Beeintraechtigung sichert, und einen titulierten Besitz verschafft, der keine fremden Anmassungen scheuen darf, ob er gleich selbst kat' aletheian nicht hinreichend bewiesen werden kann. Unter dem polemischen Gebrauche der reinen Vernunft verstehe ich nun die Verteidigung ihrer Saetze gegen die dogmatischen Verneinungen derselben. Hier kommt es nun nicht darauf an, ob ihre Behauptungen nicht vielleicht auch falsch sein moechten, sondern nur, dass niemand das Gegenteil jemals mit apodiktischer Gewissheit (ja auch nur mit groesserem Scheine) behaupten koenne. Denn wir sind alsdann doch nicht bittweise in unserem Besitz, wenn wir einen, obzwar nicht hinreichenden, Titel derselben vor uns haben, und es voellig gewiss ist, dass niemand die Unrechtmaessigkeit dieses Besitzes jemals beweisen koenne. Es ist etwas Bekuemmerndes und Niederschlagendes, dass es ueberhaupt eine Antithetik der reinen Vernunft geben, und diese, die doch den obersten Gerichtshof ueber alle Streitigkeiten vorstellt, mit sich selbst in Streit geraten soll. Zwar hatten wir oben eine solche scheinbare Antithetik derselben vor uns; aber es zeigte sich, dass sie auf einem Missverstande beruhte, da man naemlich, dem gemeinen Vorurteile gemaess, Erscheinungen fuer Sachen an sich selbst nahm, und dann eine absolute Vollstaendigkeit ihrer Synthesis, auf eine oder andere Art (die aber auf beiderlei Art gleich unmoeglich war), verlangte, welches aber von Erscheinungen gar nicht erwartet werden kann. Es war also damals kein wirklicher Widerspruch der Vernunft mit ihr selbst bei den Saetzen: die Reihe an sich gegebener Erscheinungen hat einen absolut ersten Anfang, und: diese Reihe ist schlechthin und an sich selbst ohne allen Anfang; denn beide Saetze bestehen gar wohl zusammen, weil Erscheinungen nach ihrem Dasein (als Erscheinungen) an sich selbst gar nichts d.i. etwas Widersprechendes sind, und also deren Voraussetzung natuerlicherweise widersprechende Folgerungen nach sich ziehen muss. Ein solcher Missverstand kann aber nicht vorgewandt und dadurch der Streit der Vernunft beigelegt werden, wenn etwa theistisch behauptet wuerde: es ist ein hoechstes Wesen, und dagegen atheistisch: es ist kein hoechstes Wesen; oder, in der Psychologie: alles, was denkt, ist von absoluter beharrlicher Einheit und also von aller vergaenglichen materiellen Einheit unterschieden, welchem ein anderer entgegengesetzte: die Seele ist nicht immaterielle Einheit und kann von der Vergaenglichkeit nicht ausgenommen werden. Denn der Gegenstand der Frage ist hier von allem Fremdartigen, das seiner Natur widerspricht, frei, und der Verstand hat es nur mit Sachen an sich selbst und nicht mit Erscheinungen zu tun. Es wuerde also hier freilich ein wahrer Widerstreit anzutreffen sein, wenn nur die reine Vernunft auf der verneinenden Seite etwas zu sagen haette, was dem Grunde einer Behauptung nahe kaeme; denn was die Kritik der Beweisgruende des dogmatisch Bejahenden betrifft, die kann man ihm sehr wohl einraeumen, ohne darum diese Saetze aufzugeben, die doch wenigstens das Interesse der Vernunft fuer sich haben, darauf sich der Gegner gar nicht berufen kann. Ich bin zwar nicht der Meinung, welche vortreffliche und nachdenkende Maenner (z.B. Sulzer) so oft geaeussert haben, da sie die Schwaeche der bisherigen Beweise fuehlten: dass man hoffen koenne, man werde dereinst noch evidente Demonstrationen der zwei Kardinalsaetze unserer reinen Vernunft: es ist ein Gott, es ist ein kuenftiges Leben, erfinden. Vielmehr bin ich gewiss, dass dieses niemals geschehen werde. Denn, wo will die Vernunft den Grund zu solchen synthetischen Behauptungen, die sich nicht auf Gegenstaende der Erfahrung und deren innere Moeglichkeit beziehen, hernehmen? Aber es ist auch apodiktisch gewiss, dass niemals irgendein Mensch auftreten werde, der das Gegenteil mit dem mindesten Scheine, geschweige dogmatisch behaupten koenne. Denn, weil er dieses doch bloss durch reine Vernunft dartun koennte, so muesste er es unternehmen, zu beweisen: dass ein hoechstes Wesen, dass das in uns denkende Subjekt, als reine Intelligenz, unmoeglich sei. Wo will er aber die Kenntnisse hernehmen, die ihn, von Dingen ueber alle moegliche Erfahrung hinaus so synthetisch zu urteilen, berechtigten. Wir koennen also darueber ganz unbekuemmert sein, dass uns jemand das Gegenteil einstens beweisen werde; dass wir darum eben nicht noetig haben, auf schulgerechte Beweise zu sinnen, sondern immerhin diejenigen Saetze annehmen koennen, welche mit dem spekulativen Interesse unserer Vernunft im empirischen Gebrauch ganz wohl zusammenhaengen, und ueberdem es mit dem praktischen Interesse zu vereinigen die einzigen Mittel sind. Fuer den Gegner (der hier nicht bloss als Kritiker betrachtet werden muss,) haben wir unser non liquet in Bereitschaft, welches ihn unfehlbar verwirren muss, indessen dass wir die Retorsion desselben auf uns nicht weigern, indem wir die subjektive Maxime der Vernunft bestaendig im Rueckhalte haben, die dem Gegner notwendig fehlt, und unter deren Schutz wir alle seine Luftstreiche mit Ruhe und Gleichgueltigkeit ansehen koennen. Auf solche Weise gibt es eigentlich gar keine Antithetik der reinen Vernunft. Denn der einzige Kampfplatz fuer sie wuerde auf dem Felde der reinen Theologie und Psychologie zu suchen sein; dieser Boden aber traegt keinen Kaempfer in seiner ganzen Ruestung, und mit Waffen, die zu fuerchten waeren. Er kann nur mit Spott oder Grosssprecherei auftreten, welches als ein Kinderspiel belacht werden kann. Das ist eine troestende Bemerkung, die der Vernunft wieder Mut gibt; denn, worauf wollte sie sich sonst verlassen, wenn sie, die allein alle Irrungen abzutun berufen ist, in sich selbst zerruettet waere, ohne Frieden und ruhigen Besitz hoffen zu koennen? Alles, was die Natur selbst anordnet, ist zu irgendeiner Absicht gut. Selbst Gifte dienen dazu, andere Gifte, welche sich in unseren eigenen Saeften erzeugen, zu ueberwaeltigen, und duerfen daher in einer vollstaendigen Sammlung von Heilmitteln (Offizin) nicht fehlen. Die Einwuerfe, wider die Ueberredungen und den Eigenduenkel unserer bloss spekulativen Vernunft, sind selbst durch die Natur dieser Vernunft aufgegeben, und muessen also ihre gute Bestimmung und Absicht haben, die man nicht in den Wind schlagen muss. Wozu hat uns die Vorsehung manche Gegenstaende, ob sie gleich mit unserem hoechsten Interesse zusammenhaengen, so hoch gestellt, dass uns fast nur vergoennt ist, sie in einer undeutlichen und von uns selbst bezweifelten Wahrnehmung anzutreffen, dadurch ausspaehende Blicke mehr gereizt, als befriedigt werden, ob es nuetzlich sei, in Ansehung solcher Aussichten dreiste Bestimmungen zu wagen, ist wenigstens zweifelhaft, vielleicht gar schaedlich. Allemal aber und ohne allen Zweifel ist es nuetzlich, die forschende sowohl, als pruefende Vernunft in voellige Freiheit zu versetzen, damit sie ungehindert ihr eigen Interesse besorgen koenne, welches ebensowohl dadurch befoerdert wird, dass sie ihren Einsichten Schranken setzt, als dass sie solche erweitert, und welches allemal leidet, wenn sich fremde Haende einmengen, um sie wider ihren natuerlichen Gang nach erzwungenen Absichten zu lenken. Lasset demnach euren Gegner nur Vernunft sagen, und bekaempfst ihn bloss mit Waffen der Vernunft. Uebrigens seid wegen der guten Sache (des praktischen Interesses) ausser Sorgen, denn die kommt in bloss spekulativem Streite niemals mit ins Spiel. Der Streit entdeckt alsdann nichts, als eine gewisse Antinomie der Vernunft, die, da sie auf ihrer Natur beruht, notwendig angehoert und geprueft werden muss. Er kultiviert dieselbe durch Betrachtung ihres Gegenstandes auf zweien Seiten, und berichtigt ihr Urteil dadurch, dass er solches einschraenkt. Das, was hierbei streitig wird, ist nicht die Sache, sondern der Ton. Denn es bleibt euch noch genug uebrig, um die vor der schaerfsten Vernunft gerechtfertigte Sprache eines festen Glaubens zu sprechen, wenn ihr gleich die des Wissens habt aufgeben muessen. Wenn man den kaltbluetigen, zum Gleichgewichte des Urteils eigentlich geschaffenen David Hume fragen sollte: was bewog euch, durch muehsam ergruebelte Bedenklichkeiten, die fuer den Menschen so troestliche und nuetzliche Ueberredung, dass ihre Vernunfteinsicht zur Behauptung und zum bestimmten Begriff eines hoechsten Wesens zulange, zu untergraben? so wuerde er antworten: nichts, als die Absicht, die Vernunft in ihrer Selbsterkenntnis weiter zu bringen, und zugleich ein gewisser Unwille ueber den Zwang, den man der Vernunft antun will, indem man mit ihr gross tut, und sie zugleich hindert, ein freimuetiges Gestaendnis ihrer Schwaechen abzulegen, die ihr bei der Pruefung ihrer selbst offenbar werden. Fragt ihr dagegen den, den Grundsaetzen des empirischen Vernunftgebrauchs allein ergebenen, und aller transzendenten Spekulation abgeneigten Priestley, was er fuer Bewegungsgruende gehabt habe, unserer Seele Freiheit und Unsterblichkeit (die Hoffnung des kuenftigen Lebens ist bei ihm nur die Erwartung eines Wunders der Wiedererweckung), zwei solche Grundpfeiler aller Religion niederzureissen, er, der selbst ein frommer und eifriger Lehrer der Religion ist; so wuerde er nichts anderes antworten koennen, als: das Interesse der Vernunft, welche dadurch verliert, dass man gewisse Gegenstaende den Gesetzen der materiellen Natur, den einzigen, die wir genau kennen und bestimmen koennen, entziehen will. Es wuerde unbillig scheinen, den letzteren, der seine paradoxe Behauptung mit der Religionsabsicht zu vereinigen weiss, zu verschreien, und einem wohldenkenden Manne wehe zu tun, weil er sich nicht zurechtfinden kann, sobald er sich aus dem Felde der Naturlehre verloren hatte. Aber diese Gunst muss dem nicht minder gut gesinnten und seinem sittlichen Charakter nach untadelhaften Hume ebensowohl zustatten kommen, der seine abgezogene Spekulation darum nicht verlassen kann, weil er mit Recht dafuer haelt, dass ihr Gegenstand ganz ausserhalb den Grenzen der Naturwissenschaft im Felde reiner Ideen liege. Was ist nun hierbei zu tun, vornehmlich in Ansehung der Gefahr, die daraus dem gemeinen Besten zu drohen scheint? Nichts ist natuerlicher, nichts billiger, als die Entschliessung, die ihr deshalb zu nehmen habt. Lasst diese Leute nur machen; wenn sie Talent, wenn sie tiefe und neue Nachforschung, mit einem Worte, wenn sie nur Vernunft zeigen, so gewinnt jederzeit die Vernunft. Wenn ihr andere Mittel ergreift, als die einer zwanglosen Vernunft, wenn ihr ueber Hochverrat schreiet, das gemeine Wesen, das sich auf so subtile Bearbeitungen gar nicht versteht, gleichsam als zum Feuerloeschen zusammenruft, so macht ihr euch laecherlich. Denn es ist die Rede gar nicht davon, was dem gemeinen Besten hierunter vorteilhaft, oder nachteilig sei, sondern nur, wie weit die Vernunft es wohl in ihrer von allem Interesse abstrahierenden Spekulation bringen koenne, und ob man auf diese ueberhaupt etwas rechnen, oder sie lieber gegen das Praktische gar aufgeben muesse. Anstatt also mit dem Schwerte drein zu schlagen, so sehet vielmehr von dem sicheren Sitze der Kritik diesem Streite geruhig zu, der fuer die Kaempfenden muehsam, fuer euch unterhaltend, und bei einem gewiss unblutigen Ausgange, fuer eure Einsichten erspriesslich ausfallen muss. Denn es ist sehr was Ungereimtes, von der Vernunft Aufklaerung zu erwarten, und ihr doch vorher vorzuschreiben, auf welche Seite sie notwendig ausfallen muesse. Ueberdem wird Vernunft schon von selbst durch Vernunft so wohl gebaendigt und in Schranken gehalten, dass ihr gar nicht noetig habt, Scharwachen aufzubieten, um demjenigen Teile, dessen besorgliche Obermacht euch gefaehrlich scheint, buergerlichen Widerstand entgegenzusetzen. In dieser Dialektik gibt's keinen Sieg, ueber den ihr besorgt zu sein Ursache haettet. Auch bedarf die Vernunft gar sehr eines solchen Streits, und es waere zu wuenschen, dass er eher und mit uneingeschraenkter oeffentlicher Erlaubnis waere gefuehrt worden. Denn um desto frueher waere eine reife Kritik zustande gekommen, bei deren Erscheinung alle diese Streithaendel von selbst wegfallen muessen, indem die Streitenden ihre Verblendung und Vorurteile, welche sie veruneinigt haben, einsehen lernen. Es gibt eine gewisse Unlauterkeit in der menschlichen Natur, die am Ende doch, wie alles, was von der Natur kommt, eine Anlage zu guten Zwecken enthalten muss, naemlich eine Neigung, seine wahren Gesinnungen zu verhehlen, und gewisse angenommene, die man fuer gut und ruehmlich haelt, zur Schau zu tragen. Ganz gewiss haben die Menschen durch diesen Hang, sowohl sich zu verhehlen, als auch einen ihnen vorteilhaften Schein anzunehmen, sich nicht bloss zivilisiert, sondern nach und nach, in gewisser Masse, moralisiert, weil keiner durch die Schminke der Anstaendigkeit, Ehrbarkeit und Sittsamkeit durchdringen konnte, also an vermeintlich echten Beispielen des Guten, die er um sich sah, eine Schule der Besserung fuer sich selbst fand. Allein diese Anlage, sich besser zu stellen, als man ist, und Gesinnungen zu aeussern, die man nicht hat, dient nur gleichsam provisorisch dazu, um den Menschen aus der Rohigkeit zu bringen, und ihn zuerst wenigstens die Manier des Guten, das er kennt, annehmen zu lassen; denn nachher, wenn die echten Grundsaetze einmal entwickelt und in die Denkungsart uebergegangen sind, so muss jene Falschheit nach und nach kraeftig bekaempft werden, weil sie sonst das Herz verdirbt, und gute Gesinnungen unter dem Wucherkraute des schoenen Scheins nicht aufkommen laesst. Es tut mir leid, eben dieselbe Unlauterkeit, Verstellung und Heuchelei sogar in den Aeusserungen der spekulativen Denkungsart wahrzunehmen, worin doch Menschen, das Gestaendnis ihrer Gedanken billigermassen offen und unverhohlen zu entdecken, weit weniger Hindernisse und gar keinen Vorteil haben. Denn was kann den Einsichten nachteiliger sein, als sogar blosse Gedanken verfaelscht einander mitzuteilen, Zweifel, die wir wider unsere eigenen Behauptungen fuehlen, zu verhehlen, oder Beweisgruenden, die uns selbst nicht genugtun, einen Anstrich von Evidenz zu geben? So lange indessen bloss die Privateitelkeit diese geheimen Raenke anstiftet (welches in spekulativen Urteilen, die kein besonderes Interesse haben und nicht leicht einer apodiktischen Gewissheit faehig sind, gemeiniglich der Fall ist), so widersteht denn doch die Eitelkeit anderer mit oeffentlicher Genehmigung, und die Sachen kommen zuletzt dahin, wo die lauterste Gesinnung und Aufrichtigkeit, obgleich weit frueher, sie hingebracht haben wuerde. Wo aber das gemeine Wesen dafuer haelt, dass spitzfindige Vernuenftler mit nichts minderem umgehen, als die Grundfeste der oeffentlichen Wohlfahrt wankend zu machen, da scheint es nicht allein der Klugheit gemaess, sondern auch erlaubt und wohl gar ruehmlich, der guten Sache eher durch Scheingruende zu Hilfe zu kommen, als den vermeintlichen Gegnern derselben auch nur den Vorteil zu lassen, unseren Ton zur Maessigung einer bloss praktischen Ueberzeugung herabzustimmen, und uns zu noetigen, den Mangel der spekulativen und apodiktischen Gewissheit zu gestehen. Indessen sollte ich denken, dass sich mit der Absicht, eine gute Sache zu behaupten, in der Welt wohl nichts uebler, als Hinterlist, Verstellung und Betrug vereinigen lasse. Dass es in der Abwiegung der Vernunftgruende, einer blossen Spekulation alles ehrlich zugehen muesse, ist wohl das wenigste, was man fordern kann. Koennte man aber auch nur auf dieses Wenige sicher rechnen, so waere der Streit der spekulativen Vernunft ueber die wichtigen Fragen von Gott, der Unsterblichkeit (der Seele) und der Freiheit, entweder laengst entschieden, oder wuerde sehr bald zu Ende gebracht werden. So steht oefters die Lauterkeit der Gesinnung im umgekehrten Verhaeltnisse der Gutartigkeit der Sache selbst, und diese hat vielleicht mehr aufrichtige und redliche Gegner, als Verteidiger. Ich setze also Leser voraus, die keine gerechte Sache mit Unrecht verteidigt wissen wollen. In Ansehung deren ist es nun entschieden, dass, nach unseren Grundsaetzen der Kritik, wenn man nicht auf dasjenige sieht, was geschieht, sondern was billig geschehen sollte, es eigentlich gar keine Polemik der reinen Vernunft geben muesse. Denn wie koennen zwei Personen einen Streit ueber eine Sache fuehren, deren Realitaet keiner von beiden in einer wirklichen, oder auch nur moeglichen Erfahrung darstellen kann, ueber deren Idee er allein bruetet, um aus ihr etwas mehr als Idee, naemlich die Wirklichkeit des Gegenstandes selbst, herauszubringen? Durch welches Mittel wollen sie aus dem Streite herauskommen, da keiner von beiden seine Sache geradezu begreiflich und gewiss machen, sondern nur die seines Gegners angreifen und widerlegen kann? Denn dieses ist das Schicksal aller Behauptungen der reinen Vernunft: dass, da sie ueber die Bedingungen aller moeglichen Erfahrung hinausgehen, ausserhalb welchen kein Dokument der Wahrheit irgendwo angetroffen wird, sich aber gleichwohl der Verstandesgesetze, die bloss zum empirischen Gebrauche bestimmt sind, ohne die sich aber kein Schritt im synthetischen Denken tun laesst, bedienen muessen, sie dem Gegner jederzeit Bloessen geben und sich gegenseitig die Bloesse ihres Gegners zunutze machen koennen. Man kann die Kritik der reinen Vernunft als den wahren Gerichtshof fuer alle Streitigkeiten derselben ansehen; denn sie ist in die letzteren, als welche auf Objekte unmittelbar gehen, nicht mit verwickelt, sondern ist dazu gesetzt, die Rechtsame der Vernunft ueberhaupt nach den Grundsaetzen ihrer ersten Institution zu bestimmen und zu beurteilen. Ohne dieselbe ist die Vernunft gleichsam im Stande der Natur, und kann ihre Behauptungen und Ansprueche nicht anders geltend machen, oder sichern, als durch Krieg. Die Kritik dagegen, welche alle Entscheidungen aus den Grundregeln ihrer eigenen Einsetzung hernimmt, deren Ansehen keiner bezweifeln kann, verschafft uns die Ruhe eines gesetzlichen Zustandes, in welchem wir unsere Streitigkeit nicht anders fuehren sollen, als durch Prozess. Was die Haendel in dem ersten Zustande endigt, ist ein Sieg, dessen sich beide Teile ruehmen, auf den mehrenteils ein nur unsicherer Friede folgt, den die Obrigkeit stiftet, welche sich ins Mittel legt, im zweiten aber die Sentenz, die, weil sie hier die Quelle der Streitigkeiten selbst trifft, einen ewigen Frieden gewaehren muss. Auch noetigen die endlosen Streitigkeiten einer bloss dogmatischen Vernunft, endlich in irgendeiner Kritik dieser Vernunft selbst, und in einer Gesetzgebung, die sich auf sie gruendet, Ruhe zu suchen; so wie Hobbes behauptet: der Stand der Natur sei ein Stand des Unrechts und der Gewalttaetigkeit, und man muesse ihn notwendig verlassen, um sich dem gesetzlichen Zwange zu unterwerfen, der allein unsere Freiheit dahin einschraenkt, dass sie mit jedes anderen Freiheit und eben dadurch mit dem gemeinen Besten zusammen bestehen koenne. Zu dieser Freiheit gehoert denn auch die, seine Gedanken, seine Zweifel, die man sich nicht selbst aufloesen kann, oeffentlich zur Beurteilung auszustellen, ohne darueber fuer einen unruhigen und gefaehrlichen Buerger verschrieen zu werden. Dies liegt schon in dem urspruenglichen Rechte der menschlichen Vernunft, welche keinen anderen Richter erkennt, als selbst wiederum die allgemeine Menschenvernunft, worin ein jeder seine Stimme hat; und, da von dieser alle Besserung, deren unser Zustand faehig ist, herkommen muss, so ist ein solches Recht heilig, und darf nicht geschmaelert werden. Auch ist es sehr unweise, gewisse gewagte Behauptungen oder vermessene Angriffe auf die, welche schon die Beistimmung des groessten und besten Teils des gemeinen Wesens auf ihrer Seite haben, fuer gefaehrlich auszuschreien: denn das heisst, ihnen eine Wichtigkeit geben, die sie gar nicht haben sollten. Wenn ich hoere, dass ein nicht gemeiner Kopf die Freiheit des menschlichen Willens, die Hoffnung eines kuenftigen Lebens, und das Dasein Gottes wegdemonstriert haben solle, so bin ich begierig, das Buch zu lesen, denn ich erwarte von seinem Talent, dass er meine Einsichten weiter bringen werde. Das weiss ich schon zum voraus voellig gewiss, dass er nichts von allem diesem wird geleistet haben, nicht darum, weil ich etwa schon im Besitze unbezwinglicher Beweise dieser wichtigen Saetze zu sein glaubte, sondern weil mich die transzendentale Kritik, die mir den ganzen Vorrat unserer reinen Vernunft aufdeckte, voellig ueberzeugt hat, dass, so wie sie zu bejahenden Behauptungen in diesem Felde ganz unzulaenglich ist, so wenig und noch weniger werde sie wissen, um ueber diese Fragen etwas verneinend behaupten zu koennen. Denn, wo will der angebliche Freigeist seine Kenntnis hernehmen, dass es z.B. kein hoechstes Wesen gebe? Dieser Satz liegt ausserhalb dem Felde moeglicher Erfahrung, und darum auch ausser den Grenzen aller menschlichen Einsicht. Den dogmatischen Verteidiger der guten Sache gegen diesen Feind wuerde ich gar nicht lesen, weil ich zum voraus weiss, dass er nur darum die Scheingruende des anderen angreifen werde, um seinen eigenen Eingang zu verschaffen, ueberdem ein alltaegiger Schein doch nicht so viel Stoff zu neuen Bemerkungen gibt, als ein befremdlicher und sinnreich ausgedachter. Hingegen wuerde der nach seiner Art auch dogmatische Religionsgegner, meiner Kritik gewuenschte Beschaeftigung und Anlass zu mehrerer Berichtigung ihrer Grundsaetze geben, ohne dass seinetwegen im mindesten etwas zu befuerchten waere. Aber die Jugend, welche dem akademischen Unterrichte anvertraut ist, soll doch wenigstens vor dergleichen Schriften gewarnt, und von der fruehen Kenntnis so gefaehrlicher Saetze abgehalten werden, ehe ihre Urteilskraft gereift, oder vielmehr die Lehre, welche man in ihnen gruenden will, fest gewurzelt ist, um aller Ueberredung zum Gegenteil, woher sie auch kommen moege, kraeftig zu widerstehen? Muesste es bei dem dogmatischen Verfahren in Sachen der reinen Vernunft bleiben, und die Abfertigung der Gegner eigentlich polemisch, d.i. so beschaffen sein, dass man sich ins Gefecht einliesse, und mit Beweisgruenden zu entgegengesetzten Behauptungen bewaffnete, so waere freilich nichts ratsamer vor der Hand, aber zugleich nichts eitler und fruchtloser auf die Dauer, als die Vernunft der Jugend eine Zeitlang unter Vormundschaft zu setzen, und wenigstens so lange vor Verfuehrung zu bewahren. Wenn aber in der Folge entweder Neugierde, oder der Modeton des Zeitalters ihr dergleichen Schriften in die Haende spielen: wird alsdann jene jugendliche Ueberredung noch Stich halten? Derjenige, der nichts als dogmatische Waffen mitbringt, um den Angriffen seines Gegners zu widerstehen, und die verborgene Dialektik, die nicht minder in seinem eigenen Busen, als in dem des Gegenteils liegt, nicht zu entwickeln weiss, sieht Scheingruende, die den Vorzug der Neuigkeit haben, gegen Scheingruende, welche dergleichen nicht mehr haben, sondern vielmehr den Verdacht einer missbrauchten Leichtglaeubigkeit der Jugend erregen, auftreten. Er glaubt nicht besser zeigen zu koennen, dass er der Kinderzucht entwachsen sei, als wenn er sich ueber jene wohlgemeinten Warnungen wegsetzt, und, dogmatisch gewohnt, trinkt er das Gift, das seine Grundsaetze dogmatisch verdirbt, in langen Zuegen in sich. Gerade das Gegenteil von dem, was man hier anraet, muss in der akademischen Unterweisung geschehen, aber freilich nur unter der Voraussetzung eines gruendlichen Unterrichts in der Kritik der reinen Vernunft. Denn, um die Prinzipien derselben so frueh als moeglich in Ausuebung zu bringen, und ihre Zulaenglichkeit bei dem groessten dialektischen Scheine zu zeigen, ist es durchaus noetig, die fuer den Dogmatiker so furchtbaren Angriffe wider seine, obzwar noch schwache, aber durch Kritik aufgeklaerte Vernunft zu richten, und ihn den Versuch machen zu lassen, die grundlosen Behauptungen des Gegners Stueck fuer Stueck an jenen Grundsaetzen zu pruefen. Es kann ihm gar nicht schwer werden, sie in lauter Dunst aufzuloesen, und so fuehlt er fruehzeitig seine eigene Kraft, sich wider dergleichen schaedliche Blendwerke, die fuer ihn zuletzt allen Schein verlieren muessen, voellig zu sichern. Ob nun zwar eben dieselben Streiche, die das Gebaeude des Feindes niederschlagen, auch seinem eigenen spekulativen Bauwerke, wenn er etwa dergleichen zu errichten gedaechte, ebenso verderblich sein muessen: so ist er darueber doch gaenzlich unbekuemmert, indem er es gar nicht bedarf, darinnen zu wohnen, sondern noch eine Aussicht in das praktische Feld vor sich hat, wo er mit Grund einen festeren Boden hoffen kann, um darauf sein vernuenftiges und heilsames System zu errichten. So gibts demnach keine eigentliche Polemik im Felde der reinen Vernunft. Beide Teile sind Luftfechter, die sich mit ihrem Schatten herumbalgen, denn sie gehen ueber die Natur hinaus, wo fuer ihre dogmatischen Griffe nichts vorhanden ist, was sich fassen und halten liesse. Sie haben gut kaempfen; die Schatten, die sie zerhauen, wachsen, wie die Helden in Walhalla, in einem Augenblicke wiederum zusammen, um sich aufs neue in unblutigen Kaempfen belustigen zu koennen. Es gibt aber auch keinen zulaessigen skeptischen Gebrauch der reinen Vernunft, welchen man den Grundsatz der Neutralitaet bei allen ihren Streitigkeiten nennen koennte. Die Vernunft wider sich selbst zu verhetzen, ihr auf beiden Seiten Waffen zu reichen, und alsdann ihrem hitzigsten Gefechte ruhig und spoettisch zuzusehen, sieht aus einem dogmatischen Gesichtspunkte nicht wohl aus, sondern hat das Ansehen einer schadenfrohen und haemischen Gemuetsart an sich. Wenn man indessen die unbezwingliche Verblendung und das Grosstun der Vernuenftler, die sich durch keine Kritik will maessigen lassen, ansieht, so ist doch wirklich kein anderer Rat, als der Grosssprecherei auf einer Seite, eine andere, welche auf eben dieselben Rechte fusst, entgegen zu setzen, damit die Vernunft durch den Widerstand eines Feindes wenigstens nur stutzig gemacht werde, um in ihre Anmassungen einigen Zweifel zu setzen, und der Kritik Gehoer zu geben. Allein es bei diesen Zweifeln gaenzlich bewenden zu lassen, und es darauf auszusetzen, die Ueberzeugung und das Gestaendnis seiner Unwissenheit, nicht bloss als ein Heilmittel wider den dogmatischen Eigenduenkel, sondern zugleich als die Art, den Streit der Vernunft mit sich selbst zu beendigen, empfehlen zu wollen, ist ein ganz vergeblicher Anschlag, und kann keineswegs dazu tauglich sein, der Vernunft einen Ruhestand zu verschaffen, sondern ist hoechstens nur ein Mittel, sie aus ihrem suessen dogmatischen Traume zu erwecken, um ihren Zustand in sorgfaeltigere Pruefung zu ziehen. Da indessen diese skeptische Manier, sich aus einem verdriesslichen Handel der Vernunft zu ziehen, gleichsam der kurze Weg zu sein scheint, zu einer beharrlichen philosophischen Ruhe zu gelangen, wenigstens die Heeresstrasse, welche diejenigen gern einschlagen, die sich in einer spoettischen Verachtung aller Nachforschungen dieser Art ein philosophisches Ansehen zu geben meinen, so finde ich es noetig, diese Denkungsart in ihrem eigentuemlichen Lichte darzustellen. Von der Unmoeglichkeit einer skeptischen Befriedigung der mit sich selbst veruneinigten reinen Vernunft Das Bewusstsein meiner Unwissenheit, (wenn diese nicht zugleich als notwendig erkannt wird,) statt dass sie meine Untersuchungen endigen sollte, ist vielmehr die eigentliche Ursache, sie zu erwecken. Alle Unwissenheit ist entweder die der Sachen, oder der Bestimmung und Grenzen meiner Erkenntnis. Wenn die Unwissenheit nun zufaellig ist, so muss sie mich antreiben, im ersteren Falle den Sachen (Gegenstaenden) dogmatisch, im zweiten den Grenzen meiner moeglichen Erkenntnis kritisch nachzuforschen. Dass aber meine Unwissenheit schlechthin notwendig sei, und mich daher von aller weiteren Nachforschung freispreche, laesst sich nicht empirisch, aus Beobachtung, sondern allein kritisch, durch Ergruendung der ersten Quellen unserer Erkenntnis ausmachen. Also kann die Grenzbestimmung unserer Vernunft nur nach Gruenden a priori geschehen; die Einschraenkung derselben aber, welche eine obgleich nur unbestimmte Erkenntnis einer nie voellig zu hebenden Unwissenheit ist, kann auch a posteriori, durch das, was uns bei allem Wissen immer noch zu wissen uebrigbleibt, erkannt werden. Jene durch Kritik der Vernunft selbst allein moegliche Erkenntnis seiner Unwissenheit ist also Wissenschaft, diese ist nichts als Wahrnehmung, von der man nicht sagen kann, wie weit der Schluss aus selbiger reichen moege. Wenn ich mir die Erdflaeche (dem sinnlichen Scheine gemaess) als einen Teller vorstelle, so kann ich nicht wissen, wie weit sie sich erstrecke. Aber das lehrt mich die Erfahrung: dass, wohin ich nur komme, ich immer einen Raum um mich sehe, dahin ich weiter fortgehen koennte; mithin erkenne ich Schranken meiner jedesmal wirklichen Erdkunde, aber nicht die Grenzen aller moeglichen Erdbeschreibung. Bin ich aber doch so weit gekommen, zu wissen, dass die Erde eine Kugel und ihre Flaeche eine Kugelflaeche sei, so kann ich auch aus einem kleinen Teil derselben, z.B. der Groesse eines Grades, den Durchmesser, und, durch diesen, die voellige Begrenzung der Erde, d.i. ihre Oberflaeche, bestimmt und nach Prinzipien a priori erkennen; und ob ich gleich in Ansehung der Gegenstaende, die diese Flaeche enthalten mag, unwissend bin, so bin ich es doch nicht in Ansehung des Umfanges, der sie enthaelt, der Groesse und Schranken derselben. Der Inbegriff aller moeglichen Gegenstaende fuer unsere Erkenntnis scheint uns eine ebene Flaeche zu sein, die ihren scheinbaren Horizont hat, naemlich das, was den ganzen Umfang derselben befasst und von uns der Vernunftbegriff der unbedingten Totalitaet genannt worden. Empirisch denselben zu erreichen, ist unmoeglich, und nach einem gewissen Prinzip ihn a priori zu bestimmen, dazu sind alle Versuche vergeblich gewesen. Indessen gehen doch alle Fragen unserer reinen Vernunft auf das, was ausserhalb diesem Horizonte, oder allenfalls auch in seiner Grenzlinie liegen moege. Der beruehmte David Hume war einer dieser Geographen der menschlichen Vernunft, welcher jene Fragen insgesamt dadurch hinreichend abgefertigt zu haben vermeinte, dass er sie ausserhalb den Horizont derselben verwies, den er doch nicht bestimmen konnte. Er hielt sich vornehmlich bei dem Grundsatze der Kausalitaet auf, und bemerkte von ihm ganz richtig, dass man seine Wahrheit (ja nicht einmal die objektive Gueltigkeit des Begriffs einer wirkenden Ursache ueberhaupt) auf gar keine Einsicht, d.i. Erkenntnis a priori, fusse, dass daher auch nicht im mindesten die Notwendigkeit dieses Gesetzes, sondern eine blosse allgemeine Brauchbarkeit desselben in dem Laufe der Erfahrung und eine daher entspringende subjektive Notwendigkeit, die er Gewohnheit nennt, sein ganzes Ansehen ausmache. Aus dem Unvermoegen unserer Vernunft nun, von diesem Grundsatze einen ueber alle Erfahrung hinausgehenden Gebrauch zu machen, schloss er die Nichtigkeit aller Anmassungen der Vernunft ueberhaupt ueber das Empirische hinauszugehen. Man kann ein Verfahren dieser Art, die Fakta der Vernunft der Pruefung und nach Befinden dem Tadel zu unterwerfen, die Zensur der Vernunft nennen. Es ist ausser Zweifel, dass diese Zensur unausbleiblich auf Zweifel gegen allen transzendenten Gebrauch der Grundsaetze fuehre. Allein dies ist nur der zweite Schritt, der noch lange nicht das Werk vollendet. Der erste Schritt in Sachen der reinen Vernunft, der das Kindesalter derselben auszeichnet ist dogmatisch. Der obengenannte zweite Schritt ist skeptisch, und zeugt von Vorsichtigkeit der durch Erfahrung gewitzigten Urteilskraft. Nun ist aber noch ein dritter Schritt noetig, der nur der gereiften und maennlichen Urteilskraft zukommt, welche feste und ihrer Allgemeinheit nach bewaehrte Maximen zum Grunde hat; naemlich, nicht die Fakta der Vernunft, sondern die Vernunft selbst, nach ihrem ganzen Vermoegen und Tauglichkeit zu reinen Erkenntnissen a priori, der Schaetzung zu unterwerfen; welches nicht die Zensur, sondern Kritik der Vernunft ist, wodurch nicht bloss Schranken, sondern die bestimmten Grenzen derselben, nicht bloss Unwissenheit an einem oder anderen Teil, sondern in Ansehung aller moeglichen Fragen von einer gewissen Art, und zwar nicht etwa nur vermutet, sondern aus Prinzipien bewiesen wird. So ist der Skeptizismus ein Ruheplatz fuer die menschliche Vernunft, da sie sich ueber ihre dogmatische Wanderung besinnen und den Entwurf von der Gegend machen kann, wo sie sich befindet, um ihren Weg fernerhin mit mehrerer Sicherheit waehlen zu koennen, aber nicht ein Wohnplatz zum bestaendigen Aufenthalte; denn dieser kann nur in einer voelligen Gewissheit angetroffen werden, es sei nun der Erkenntnis der Gegenstaende selbst, oder der Grenzen, innerhalb denen alle unsere Erkenntnis von Gegenstaenden eingeschlossen ist. Unsere Vernunft ist nicht etwa eine unbestimmbar weit ausgebreitete Ebene, deren Schranken man nur so ueberhaupt erkennt, sondern muss vielmehr mit einer Sphaere verglichen werden, deren Halbmesser sich aus der Kruemmung des Bogens auf ihrer Oberflaeche (der Natur synthetischer Saetze a priori) finden, daraus aber auch der Inhalt und die Begrenzung derselben mit Sicherheit angeben laesst. Ausser dieser Sphaere (Feld der Erfahrung) ist nichts fuer ihr Objekt, ja selbst Fragen ueber dergleichen vermeintliche Gegenstaende betreffen nur subjektive Prinzipien einer durchgaengigen Bestimmung der Verhaeltnisse, welche unter den Verstandesbegriffen innerhalb dieser Sphaere vorkommen koennen. Wir sind wirklich im Besitz synthetischer Erkenntnis a priori, wie dieses die Verstandesgrundsaetze, welche die Erfahrung antizipieren, dartun. Kann jemand nun die Moeglichkeit derselben sich gar nicht begreiflich machen, so mag er zwar anfangs zweifeln, ob sie uns auch wirklich a priori beiwohnen; er kann dieses aber noch nicht fuer eine Unmoeglichkeit derselben, durch blosse Kraefte des Verstandes, und alle Schritte, die die Vernunft nach der Richtschnur derselben tut, fuer nichtig ausgeben. Er kann nur sagen: wenn wir ihren Ursprung und Echtheit einsaehen, so wuerden wir den Umfang und die Grenzen unserer Vernunft bestimmen koennen; ehe aber dieses geschehen ist, sind alle Behauptungen der letzten blindlings gewagt. Und auf solche Weise waere ein durchgaengiger Zweifel an aller dogmatischen Philosophie, die ohne Kritik der Vernunft selbst ihren Gang geht, ganz wohl gegruendet; allein darum koennte doch der Vernunft nicht ein solcher Fortgang, wenn er durch bessere Grundlegung vorbereitet und gesichert wuerde, gaenzlich abgesprochen werden. Denn, einmal liegen alle Begriffe, ja alle Fragen, welche uns die reine Vernunft vorlegt, nicht etwa in der Erfahrung, sondern selbst wiederum nur in der Vernunft, und muessen daher koennen aufgeloest und ihrer Gueltigkeit oder Nichtigkeit nach begriffen werden. Wir sind auch nicht berechtigt, diese Aufgaben, als laege ihre Aufloesung wirklich in der Natur der Dinge, doch unter dem Vorwande unseres Unvermoegens abzuweisen, und uns ihrer weiteren Nachforschung zu weigern, da die Vernunft in ihrem Schosse allein diese Ideen selbst erzeugt hat, von deren Gueltigkeit oder dialektischem Scheine sie also Rechenschaft zu geben gehalten ist. Alles skeptische Polemisieren ist eigentlich nur wider den Dogmatiker gekehrt, der, ohne ein Misstrauen auf seine urspruenglichen objektiven Prinzipien zu setzen, d.i. ohne Kritik, gravitaetisch seinen Gang fortsetzt, bloss um ihm das Konzept zu verruecken und ihn zur Selbsterkenntnis zu bringen. An sich macht sie in Ansehung dessen, was wir wissen und was wir dagegen nicht wissen koennen, ganz und gar nichts aus. Alle fehlgeschlagenen dogmatischen Versuche der Vernunft sind Fakta, die der Zensur zu unterwerfen immer nuetzlich ist. Dieses aber kann nichts ueber die Erwartungen der Vernunft entscheiden, einen besseren Erfolg ihrer kuenftigen Bemuehungen zu hoffen und darauf Ansprueche zu machen; die blosse Zensur kann also die Streitigkeit ueber die Rechtsame der menschlichen Vernunft niemals zu Ende bringen. Da Hume vielleicht der geistreichste unter allen Skeptikern, und ohne Widerrede der vorzueglichste in Ansehung des Einflusses ist, den das skeptische Verfahren auf die Erweckung einer gruendlichen Vernunftpruefung haben kann, so verlohnt es sich wohl der Muehe, den Gang seiner Schluesse und die Verirrungen eines so einsehenden und schaetzbaren Mannes, die doch auf der Spur der Wahrheit angefangen haben, so weit es zu meiner Absicht schicklich ist, vorstellig zu machen. Hume hatte es vielleicht in Gedanken, wiewohl er es niemals voellig entwickelte, dass wir in Urteilen von gewisser Art, ueber unseren Begriff vom Gegenstande hinausgehen. Ich habe diese Art von Urteilen synthetisch genannt. Wie ich aus meinem Begriffe, den ich bis dahin habe, vermittelst der Erfahrung hinausgehen koenne, ist keiner Bedenklichkeit unterworfen. Erfahrung ist selbst eine solche Synthesis der Wahrnehmungen, welche meinen Begriff, den ich vermittelst einer Wahrnehmung habe, durch andere hinzukommende vermehrt. Allein wir glauben auch a priori aus unserem Begriffe hinausgehen und unsere Erkenntnis erweitern zu koennen. Dieses versuchen wir entweder durch den reinen Verstand, in Ansehung desjenigen, was wenigstens ein Objekt der Erfahrung sein kann, oder sogar durch reine Vernunft, in Ansehung solcher Eigenschaften der Dinge, oder auch wohl des Daseins solcher Gegenstaende, die in der Erfahrung niemals vorkommen koennen. Unser Skeptiker unterschied diese beiden Arten der Urteile nicht, wie er es doch haette tun sollen, und hielt geradezu diese Vermehrung der Begriffe aus sich selbst, und, sozusagen, die Selbstgebaerung unseres Verstandes (samt der Vernunft), ohne durch Erfahrung geschwaengert zu sein, fuer unmoeglich, mithin alle vermeintlichen Prinzipien derselben a priori fuer eingebildet, und fand, dass sie nichts als eine aus Erfahrung und deren Gesetzen entspringende Gewohnheit, mithin bloss empirische d.i. an sich zufaellige Regeln sind, denen wir eine vermeinte Notwendigkeit und Allgemeinheit beimessen. Er bezog sich aber zu Behauptung dieses befremdlichen Satzes auf den allgemein anerkannten Grundsatz von dem Verhaeltnis der Ursache zur Wirkung. Denn da uns kein Verstandesvermoegen von dem Begriffe eines Dinges zu dem Dasein von etwas anderem, was dadurch allgemein und notwendig gegeben sei, fuehren kann: so glaubte er daraus folgern zu koennen, dass wir ohne Erfahrung nichts haben, was unseren Begriff vermehren und uns zu einem solchen a priori sich selbst erweiternden Urteile berechtigen koennte. Dass das Sonnenlicht, welches das Wachs beleuchtet, es zugleich schmelze, indessen es den Ton haertet, koenne kein Verstand aus Begriffen, die wir vorher von diesen Dingen hatten, erraten, viel weniger gesetzmaessig schliessen, und nur Erfahrung koenne uns ein solches Gesetz lehren. Dagegen haben wir in der transzendentalen Logik gesehen: dass, ob wir zwar niemals unmittelbar ueber den Inhalt des Begriffs, der uns gegeben ist, hinausgehen koennen, wir doch voellig a priori, aber in Beziehung auf ein drittes, naemlich moegliche Erfahrung, also doch a priori, das Gesetz der Verknuepfung mit anderen Dingen erkennen koennen. Wenn also vorher fest gewesenes Wachs schmilzt, so kann ich a priori erkennen, dass etwas vorausgegangen sein muesse, (z.B. Sonnenwaerme,) worauf dieses nach einem bestaendigen Gesetze gefolgt ist, ob ich zwar, ohne Erfahrung, aus der Wirkung weder die Ursache noch aus der Ursache, die Wirkung, a priori und ohne Belehrung der Erfahrung bestimmt erkennen koennte. Er schloss also faelschlich aus der Zufaelligkeit unserer Bestimmung nach dem Gesetze, auf die Zufaelligkeit des Gesetzes selbst, und das Herausgehen aus dem Begriffe eines Dinges auf moegliche Erfahrung (welches a priori geschieht und die objektive Realitaet desselben ausmacht,) verwechselte er mit der Synthesis der Gegenstaende wirklicher Erfahrung, welche freilich jederzeit empirisch ist; dadurch machte er aber aus einem Prinzip der Affinitaet, welches im Verstande seinen Sitz hat, und notwendige Verknuepfung aussagt, eine Regel der Assoziation, die bloss in der nachbildenden Einbildungskraft angetroffen wird, und nur zufaellige, gar nicht objektive Verbindungen darstellen kann. Die skeptischen Verirrungen aber dieses sonst aeusserst scharfsinnigen Mannes entsprangen vornehmlich aus einem Mangel, den er doch mit allen Dogmatikern gemein hatte naemlich, dass er nicht alle Arten der Synthesis des Verstandes a priori systematisch uebersah. Denn da wuerde er, ohne der uebrigen hier Erwaehnung zu tun, z.B. den Grundsatz der Beharrlichkeit als einen solchen gefunden haben, der ebensowohl, als der der Kausalitaet, die Erfahrung antizipiert. Dadurch wuerde er auch dem a priori sich erweiternden Verstande und der reinen Vernunft bestimmte Grenzen haben vorzeichnen koennen. Da er aber unseren Verstand nur einschraenkt, ohne ihn zu begrenzen, und, zwar ein allgemeines Misstrauen, aber keine bestimmte Kenntnis der uns unvermeidlichen Unwissenheit zustande bringt, da er einige Grundsaetze des Verstandes unter Zensur bringt, ohne diesen Verstand in Ansehung seines ganzen Vermoegens auf die Probierwage der Kritik zu bringen, und, indem er ihm dasjenige abspricht, was er wirklich nicht leisten kann, weiter geht, und ihm alles Vermoegen, sich a priori zu erweitern, bestreitet, unerachtet er dieses ganze Vermoegen nicht zur Schaetzung gezogen; so widerfaehrt ihm das, was jederzeit den Skeptizismus niederschlaegt, naemlich, dass er selbst bezweifelt wird, indem seine Einwuerfe nur auf Faktis, welche zufaellig sind, nicht aber auf Prinzipien beruhen, die eine notwendige Entsagung auf das Recht dogmatischer Behauptungen bewirken koennten. Da er auch zwischen den gegruendeten Anspruechen des Verstandes und den dialektischen Anmassungen der Vernunft, wider welche doch hauptsaechlich seine Angriffe gerichtet sind, keinen Unterschied kennt: so fuehlt die Vernunft, deren ganz eigentuemlicher Schwung hierbei nicht im mindesten gestoert, sondern nur gehindert worden, den Raum zu ihrer Ausbreitung nicht verschlossen, und kann von ihren Versuchen, unerachtet sie hier oder da gezwackt wird, niemals gaenzlich abgebracht werden. Denn wider Angriffe ruestet man sich zur Gegenwehr, und setzt noch um desto steifer seinen Kopf darauf, um seine Forderungen durchzusetzen. Ein voelliger Ueberschlag aber seines ganzen Vermoegens und die daraus entspringende Ueberzeugung der Gewissheit eines kleinen Besitzes, bei der Eitelkeit hoeherer Ansprueche, hebt allen Streit auf, und bewegt, sich an einem eingeschraenkten, aber unstrittigen Eigentume friedfertig zu begnuegen. Wider den unkritischen Dogmatiker, der die Sphaere seines Verstandes nicht gemessen, mithin die Grenzen seiner moeglichen Erkenntnis nicht nach Prinzipien bestimmt hat, der also nicht schon zum voraus weiss, wie viel er kann, sondern es durch blosse Versuche ausfindig zu machen denkt, sind diese skeptischen Angriffe nicht allein gefaehrlich, sondern ihm sogar verderblich. Denn, wenn er auf einer einzigen Behauptung betroffen wird, die er nicht rechtfertigen, deren Schein er aber auch nicht aus Prinzipien entwickeln kann, so faellt der Verdacht auf alle, so ueberredend sie auch sonst immer sein moegen. Und so ist der Skeptiker der Zuchtmeister des dogmatischen Vernuenftlers auf eine gesunde Kritik des Verstandes und der Vernunft selbst. Wenn er dahin gelangt ist, so hat er weiter keine Anfechtung zu fuerchten; denn er unterscheidet alsdann seinen Besitz von dem, was gaenzlich ausserhalb demselben liegt, worauf er keine Ansprueche macht und darueber auch nicht in Streitigkeiten verwickelt werden kann. So ist das skeptische Verfahren zwar an sich selbst fuer die Vernunftfragen nicht befriedigend, aber doch voruebend, um ihre Vorsichtigkeit zu erwecken und auf gruendliche Mittel zu weisen, die sie in ihren rechtmaessigen Besitzen sichern koennen. Des ersten Hauptstuecks Dritter Abschnitt Die Disziplin der reinen Vernunft in Ansehung der Hypothesen Weil wir denn durch Kritik unserer Vernunft endlich so viel wissen, dass wir in ihrem reinen und spekulativen Gebrauche in der Tat gar nichts wissen koennen; sollte sie nicht ein desto weiteres Feld zu Hypothesen eroeffnen, da es wenigstens vergoennt ist, zu dichten und zu meinen, wenngleich nicht zu behaupten? Wo nicht etwa Einbildungskraft schwaermen, sondern, unter der strengen Aufsicht der Vernunft, dichten soll, so muss immer vorher etwas voellig gewiss und nicht erdichtet, oder blosse Meinung sein, und das ist die Moeglichkeit des Gegenstandes selbst. Alsdann ist es wohl erlaubt, wegen der Wirklichkeit desselben, zur Meinung seine Zuflucht zu nehmen, die aber, um nicht grundlos zu sein, mit dem, was wirklich gegeben und folglich gewiss ist, als Erklaerungsgrund in Verknuepfung gebracht werden muss, und alsdann Hypothese heisst. Da wir uns nun von der Moeglichkeit der dynamischen Verknuepfung a priori nicht den mindesten Begriff machen koennen, und die Kategorie des reinen Verstandes nicht dazu dient, dergleichen zu erdenken, sondern nur, wo sie in der Erfahrung angetroffen wird, zu verstehen: so koennen wir nicht einen einzigen Gegenstand, nach einer neuen und empirisch nicht anzugebenden Beschaffenheit, diesen Kategorien gemaess, urspruenglich aussinnen und sie einer erlaubten Hypothese zum Grunde legen; denn dieses hiesse, der Vernunft leere Hirngespinste, statt der Begriffe von Sachen, unterzulegen. So ist es nicht erlaubt, sich irgend neue urspruengliche Kraefte zu erdenken, z.B. einen Verstand, der vermoegend sei, seinen Gegenstand ohne Sinne anzuschauen, oder eine Anziehungskraft ohne alle Beruehrung, oder eine neue Art Substanzen, z.B. die ohne Undurchdringlichkeit im Raume gegenwaertig waere, folglich auch keine Gemeinschaft der Substanzen, die von aller derjenigen unterschieden ist, welche Erfahrung an die Hand gibt: keine Gegenwart anders, als im Raume; keine Dauer, als bloss in der Zeit. Mit einem Worte: es ist unserer Vernunft nur moeglich, die Bedingungen moeglicher Erfahrung als Bedingungen der Moeglichkeit der Sachen zu brauchen; keineswegs aber, ganz unabhaengig von diesen, sich selbst welche gleichsam zu schaffen, weil dergleichen Begriffe, obzwar ohne Widerspruch, dennoch auch ohne Gegenstand sein wuerden. Die Vernunftbegriffe sind, wie gesagt, blosse Ideen, und haben freilich keinen Gegenstand in irgendeiner Erfahrung, aber bezeichnen darum doch nicht gedichtete und zugleich dabei fuer moeglich angenommene Gegenstaende. Sie sind bloss problematisch gedacht, um, in Beziehung auf sie (als heuristische Fiktionen), regulative Prinzipien des systematischen Verstandesgebrauchs im Felde der Erfahrung zu gruenden. Geht man davon ab, so sind es blosse Gedankendinge, deren Moeglichkeit nicht erweislich ist, und die daher auch nicht der Erklaerung wirklicher Erscheinungen durch eine Hypothese zum Grunde gelegt werden koennen. Die Seele sich als einfach denken, ist ganz wohl erlaubt, um, nach dieser Idee, eine vollstaendige und notwendige Einheit aller Gemuetskraefte, ob man sie gleich nicht in concreto einsehen kann, zum Prinzip unserer Beurteilung ihrer inneren Erscheinungen zu legen. Aber die Seele als einfache Substanz anzunehmen (ein transzendenter Begriff), waere ein Satz, der nicht allein unerweislich, (wie es mehrere physische Hypothesen sind,) sondern auch ganz willkuerlich und blindlings gewagt sein wuerde, weil das Einfache in ganz und gar keiner Erfahrung vorkommen kann, und, wenn man unter Substanz hier das beharrliche Objekt der sinnlichen Anschauung versteht, die Moeglichkeit einer einfachen Erscheinung gar nicht einzusehen ist. Bloss intelligible Wesen, oder bloss intelligible Eigenschaften der Dinge der Sinnenwelt, lassen sich mit keiner gegruendeten Befugnis der Vernunft als Meinung annehmen, obzwar (weil man von ihrer Moeglichkeit oder Unmoeglichkeit keine Begriffe hat) auch durch keine vermeinte bessere Einsicht dogmatisch ableugnen. Zur Erklaerung gegebener Erscheinungen koennen keine anderen Dinge und Erklaerungsgruende, als die, so nach schon bekannten Gesetzen der Erscheinungen mit den gegebenen in Verknuepfung gesetzt worden, angefuehrt werden. Eine transzendentale Hypothese, bei der eine blosse Idee der Vernunft zur Erklaerung der Naturdinge gebraucht wuerde, wuerde daher gar keine Erklaerung sein, indem das, was man aus bekannten empirischen Prinzipien nicht hinreichend versteht, durch etwas erklaert werden wuerde, davon man gar nichts versteht. Auch wuerde das Prinzip einer solchen Hypothese eigentlich nur zur Befriedigung der Vernunft und nicht zur Befoerderung des Verstandesgebrauchs in Ansehung der Gegenstaende dienen. Ordnung und Zweckmaessigkeit in der Natur muss wiederum aus Naturgruenden und nach Naturgesetzen erklaert werden, und hier sind selbst die wildesten Hypothesen, wenn sie nur physisch sind, ertraeglicher, als eine hyperphysische, d.i. die Berufung auf einen goettlichen Urheber, den man zu diesem Behuf voraussetzt. Denn das waere ein Prinzip der faulen Vernunft (ignava ratio), alle Ursachen, deren objektive Realitaet, wenigstens der Moeglichkeit nach, man noch durch fortgesetzte Erfahrung kann kennenlernen, auf einmal vorbeizugehen, um in einer blossen Idee, die der Vernunft sehr bequem ist, zu ruhen. Was aber die absolute Totalitaet des Erklaerungsgrundes in der Reihe derselben betrifft, so kann das kein Hindernis in Ansehung der Weltobjekte machen, weil, da diese nichts als Erscheinungen sind, an ihnen niemals etwas Vollendetes in der Synthesis der Reihen von Bedingungen gehofft werden kann. Transzendentale Hypothesen des spekulativen Gebrauchs der Vernunft, und eine Freiheit, zu Ersetzung des Mangels an physischen Erklaerungsgruenden, sich allenfalls hyperphysischer zu bedienen, kann gar nicht gestattet werden, teils weil die Vernunft dadurch gar nicht weiter gebracht wird, sondern vielmehr den ganzen Fortgang ihres Gebrauchs abschneidet, teils weil diese Lizenz sie zuletzt um alle Fruechte der Bearbeitung ihres eigentuemlichen Bodens, naemlich der Erfahrung, bringen muesste. Denn, wenn uns die Naturerklaerung hier oder da schwer wird, so haben wir bestaendig einen transzendenten Erklaerungsgrund bei der Hand, der uns jener Untersuchung ueberhebt, und unsere Nachforschung schliesst nicht durch Einsicht, sondern durch gaenzliche Unbegreiflichkeit eines Prinzips, welches so schon zum voraus ausgedacht war, dass es den Begriff des absolut Ersten enthalten musste. Das zweite erforderliche Stueck zur Annehmungswuerdigkeit einer Hypothese ist die Zulaenglichkeit derselben, um daraus a priori die Folgen, welche gegeben sind, zu bestimmen. Wenn man zu diesem Zwecke hilfleistende Hypothesen herbeizurufen genoetigt ist, so geben sie den Verdacht einer blossen Erdichtung, weil jede derselben an sich dieselbe Rechtfertigung bedarf, welche der zum Grunde gelegte Gedanke noetig hatte, und daher keinen tuechtigen Zeugen abgeben kann. Wenn, unter Voraussetzung einer unbeschraenkt vollkommenen Ursache, zwar an Erklaerungsgruenden aller Zweckmaessigkeit, Ordnung und Groesse, die sich in der Welt finden, kein Mangel ist, so bedarf jene doch, bei den, wenigstens nach unseren Begriffen, sich zeigenden Abweichungen und Uebeln, noch neuer Hypothesen, um gegen diese, als Einwuerfe, gerettet zu werden. Wenn die einfache Selbstaendigkeit der menschlichen Seele, die zum Grunde ihrer Erscheinungen gelegt worden, durch die Schwierigkeiten ihrer, den Abaenderungen einer Materie (dem Wachstum und Abnahme) aehnlichen Phaenomene angefochten wird, so muessen neue Hypothesen zu Hilfe gerufen werden, die zwar nicht ohne Schein, aber doch ohne alle Beglaubigung sind, ausser derjenigen, welche ihnen die zum Hauptgrunde angenommene Meinung gibt, der sie gleichwohl das Wort reden sollen. Wenn die hier zum Beispiele angefuehrten Vernunftbehauptungen (unkoerperliche Einheit der Seele und Dasein eines hoechsten Wesens) nicht als Hypothesen, sondern a priori bewiesene Dogmate gelten sollen, so ist alsdann von ihnen gar nicht die Rede. In solchem Falle aber sehe man sich ja vor, dass der Beweis die apodiktische Gewissheit einer Demonstration habe. Denn die Wirklichkeit solcher Ideen bloss wahrscheinlich machen zu wollen, ist ein ungereimter Vorsatz, ebenso, als wenn man einen Satz der Geometrie bloss wahrscheinlich zu beweisen gedaechte. Die von aller Erfahrung abgesonderte Vernunft kann alles nur a priori und als notwendig oder gar nicht erkennen; daher ist ihr Urteil niemals Meinung, sondern entweder Enthaltung von allem Urteile, oder apodiktische Gewissheit. Meinungen und wahrscheinliche Urteile von dem, was Dingen zukommt, koennen nur als Erklaerungsgruende dessen, was wirklich gegeben ist, oder Folgen nach empirischen Gesetzen von dem, was als wirklich zum Grunde liegt, mithin nur in der Reihe der Gegenstaende der Erfahrung vorkommen. Ausser diesem Felde ist meinen so viel, als mit Gedanken spielen, es muesste denn sein, dass man von einem unsicheren Wege des Urteils bloss die Meinung haette, vielleicht auf ihm die Wahrheit zu finden. Ob aber gleich bei bloss spekulativen Fragen der reinen Vernunft keine Hypothesen stattfinden, um Saetze darauf zu gruenden, so sind sie dennoch ganz zulaessig, um sie allenfalls nur zu verteidigen, d.i. zwar nicht im dogmatischen, aber doch im polemischen Gebrauche. Ich verstehe aber unter Verteidigung nicht die Vermehrung der Beweisgruende seiner Behauptung, sondern die blosse Vereitlung der Scheineinsichten des Gegners, welche unserem behaupteten Satze Abbruch tun sollen. Nun haben aber alle synthetischen Saetze aus reiner Vernunft das Eigentuemliche an sich: dass, wenn der, welcher die Realitaet gewisser Ideen behauptet, gleich niemals so viel weiss, um diesen seinen Satz gewiss zu machen, auf der anderen Seite der Gegner ebensowenig wissen kann, um das Widerspiel zu behaupten. Diese Gleichheit des Loses der menschlichen Vernunft, beguenstigt nun zwar im spekulativen Erkenntnisse keinen von beiden, und da ist auch der rechte Kampfplatz nimmer beizulegender Fehden. Es wird sich aber in der Folge zeigen, dass doch, in Ansehung des praktischen Gebrauchs, die Vernunft ein Recht habe, etwas anzunehmen, was sie auf keine Weise im Felde der blossen Spekulation, ohne hinreichende Beweisgruende, vorauszusetzen befugt waere; weil alle solche Voraussetzungen der Vollkommenheit der Spekulation Abbruch tun, um welche sich aber das praktische Interesse gar nicht bekuemmert. Dort ist sie also im Besitze, dessen Rechtmaessigkeit sie nicht beweisen darf, und wovon sie in der Tat den Beweis auch nicht fuehren koennte. Der Gegner soll also beweisen. Da dieser aber ebensowenig etwas von dem bezweifelten Gegenstande weiss, um dessen Nichtsein darzutun, als der erstere, der dessen Wirklichkeit behauptet: so zeigt sich hier ein Vorteil auf der Seite desjenigen, der etwas als praktisch notwendige Voraussetzung behauptet (melior est conditio possidentis). Es steht ihm naemlich frei, sich gleichsam aus Notwehr eben derselben Mittel fuer seine gute Sache, als der Gegner wider dieselbe, d.i. der Hypothesen zu bedienen, die gar nicht dazu dienen sollen, um den Beweis derselben zu verstaerken, sondern nur zu zeigen, dass der Gegner viel zu wenig von dem Gegenstande des Streites verstehe, als dass er sich eines Vorteils der spekulativen Einsicht in Ansehung unserer schmeicheln koenne. Hypothesen sind also im Felde der reinen Vernunft nur als Kriegswaffen erlaubt, nicht um darauf ein Recht zu gruenden, sondern nur es zu verteidigen. Den Gegner aber muessen wir hier jederzeit in uns selbst suchen. Denn spekulative Vernunft in ihrem transzendentalen Gebrauche ist an sich dialektisch. Die Einwuerfe, die zu fuerchten sein moechten, liegen in uns selbst. Wir muessen sie, gleich alten, aber niemals verjaehrenden Anspruechen, hervorsuchen, um einen ewigen Frieden auf deren Vernichtigung zu gruenden. Aeussere Ruhe ist nur scheinbar. Der Keim der Anfechtungen, der in der Natur der Menschenvernunft liegt, muss ausgerottet werden; wie koennen wir ihn aber ausrotten, wenn wir ihm nicht Freiheit, ja selbst Nahrung geben, Kraut auszuschiessen, um sich dadurch zu entdecken, und es nachher mit der Wurzel zu vertilgen? Sinnet demnach selbst auf Einwuerfe, auf die noch kein Gegner gefallen ist, und leihet ihm sogar Waffen, oder raeumet ihm den guenstigsten Platz ein, den er sich nur wuenschen kann. Es ist hierbei gar nichts zu fuerchten, wohl aber zu hoffen, naemlich, dass ihr euch einen in alle Zukunft niemals mehr anzufechtenden Besitz verschaffen werdet. Zu euerer vollstaendigen Ruestung gehoeren nun auch die Hypothesen der reinen Vernunft, welche, obzwar nur bleierne Waffen (weil sie durch kein Erfahrungsgesetz gestaehlt sind), dennoch immer so viel vermoegen, als die, deren sich irgendein Gegner wider euch bedienen mag. Wenn euch also, wider die (in irgendeiner anderen nicht spekulativen Ruecksicht) angenommene immaterielle und keiner koerperlichen Umwandlung unterworfene Natur der Seele, die Schwierigkeit aufstoesst, dass gleichwohl die Erfahrung sowohl die Erhebung, als Zerruettung unserer Geisteskraefte bloss als verschiedene Modifikation unserer Organen zu beweisen scheine; so koennt ihr die Kraft dieses Beweises dadurch schwaechen, dass ihr annehmt, unser Koerper sei nichts, als die Fundamentalerscheinung, worauf, als Bedingung, sich in dem jetzigen Zustande (im Leben) das ganze Vermoegen der Sinnlichkeit und hiermit alles Denken bezieht. Die Trennung vom Koerper sei das Ende dieses sinnlichen Gebrauchs eurer Erkenntniskraft und der Anfang des intellektuellen. Der Koerper waere also nicht die Ursache des Denkens, sondern eine bloss restringierende Bedingung desselben, mithin zwar als Befoerderung des sinnlichen und animalischen, aber desto mehr auch als Hindernis des reinen und spirituellen Lebens anzusehen, und die Abhaengigkeit des ersteren von der koerperlichen Beschaffenheit bewiese nichts fuer die Abhaengigkeit des ganzen Lebens von dem Zustande unserer Organen. Ihr koennt aber noch weiter gehen, und wohl gar neue, entweder nicht aufgeworfene, oder nicht weit genug getriebene Zweifel ausfindig machen. Die Zufaelligkeit der Zeugungen, die bei Menschen, sowie beim vernunftslosen Geschoepfe, von der Gelegenheit, ueberdem aber auch oft vom Unterhalte, von der Regierung, deren Launen und Einfaellen, oft sogar vom Laster abhaengt, macht eine grosse Schwierigkeit wider die Meinung der auf Ewigkeiten sich erstreckenden Fortdauer eines Geschoepfs, dessen Leben unter so unerheblichen und unserer Freiheit so ganz und gar ueberlassenen Umstaenden zuerst angefangen hat. Was die Fortdauer der ganzen Gattung (hier auf Erden) betrifft, so hat diese Schwierigkeit in Ansehung derselben wenig auf sich, weil der Zufall im Einzelnen nichtsdestoweniger einer Regel im Ganzen unterworfen ist; aber in Ansehung eines jeden Individuum eine so maechtige Wirkung von so geringfuegigen Ursachen zu erwarten, scheint allerdings bedenklich. Hiewider koennt ihr aber eine transzendentale Hypothese aufbieten: dass alles Leben eigentlich nur intelligibel sei, den Zeitveraenderungen gar nicht unterworfen, und weder durch Geburt angefangen habe, noch durch den Tod geendigt werde. Dass dieses Leben nichts als eine blosse Erscheinung, d.i. eine sinnliche Vorstellung von dem reinen geistigen Leben, und die ganze Sinnenwelt ein blosses Bild sei, welches unserer jetzigen Erkenntnisart vorschwebt, und, wie ein Traum, an sich keine objektive Realitaet habe: dass, wenn wir die Sachen und uns selbst anschauen sollen, wie sie sind, wir uns in einer Welt geistiger Naturen sehen wuerden, mit welcher unsere einzig wahre Gemeinschaft weder durch Geburt angefangen habe, noch durch den Leibestod (als blosse Erscheinungen) aufhoeren werde, usw. Ob wir nun gleich von allem diesem, was wir hier wider den Angriff hypothetisch vorschuetzen, nicht das Mindeste wissen, noch im Ernste behaupten, sondern alles nicht einmal Vernunftidee, sondern bloss zur Gegenwehr ausgedachter Begriff ist, so verfahren wir doch hierbei ganz vernunftmaessig, indem wir dem Gegner, welcher alle Moeglichkeit erschoepft zu haben meint, indem er den Mangel ihrer empirischen Bedingungen fuer einen Beweis der gaenzlichen Unmoeglichkeit des von uns Geglaubten faelschlich ausgibt, nur zeigen: dass er ebensowenig durch blosse Erfahrungsgesetze das ganze Feld moeglicher Dinge an sich selbst umspannen, als wir ausserhalb der Erfahrung fuer unsere Vernunft irgend etwas auf gegruendete Art erwerben koennen. Der solche hypothetische Gegenmittel wider die Anmassungen des dreist verneinenden Gegners verkehrt, muss nicht dafuer gehalten werden, als wolle er sie sich als seine wahren Meinungen eigen machen. Er verlaesst sie, sobald er den dogmatischen Eigenduenkel des Gegners abgefertigt hat. Denn so bescheiden und gemaessigt es auch anzusehen ist, wenn jemand sich in Ansehung fremder Behauptungen bloss weigernd und verneinend verhaelt, so ist doch jederzeit, sobald er diese seine Einwuerfe als Beweise des Gegenteils geltend machen will, der Anspruch nicht weniger stolz und eingebildet, als ob er die bejahende Partei und deren Behauptung ergriffen haette. Man sieht also hieraus, dass im spekulativen Gebrauche der Vernunft Hypothesen keine Gueltigkeit als Meinungen an sich selbst, sondern nur relativ auf entgegengesetzte transzendente Anmassungen haben. Denn die Ausdehnung der Prinzipien moeglicher Erfahrung auf die Moeglichkeit der Dinge ueberhaupt ist ebensowohl transzendent, als die Behauptung der objektiven Realitaet solcher Begriffe, welche ihre Gegenstaende nirgends als ausserhalb der Grenze aller moeglichen Erfahrung finden koennen. Was reine Vernunft assertorisch urteilt, muss (wie alles, was Vernunft erkennt,) notwendig sein, oder es ist gar nichts. Demnach enthaelt sie in der Tat gar keine Meinungen. Die gedachten Hypothesen aber sind nur problematische Urteile, die wenigstens nicht widerlegt, obgleich freilich durch nichts bewiesen werden koennen, und sind also keine Privatmeinungen, koennen aber doch nicht fueglich (selbst zur inneren Beruhigung) gegen sich regende Skrupel entbehrt werden. In dieser Qualitaet aber muss man sie erhalten, und ja sorgfaeltig verhueten, dass sie nicht als an sich selbst beglaubigt, und von einiger absoluten Gueltigkeit, auftreten, und die Vernunft unter Erdichtungen und Blendwerken ersaeufen. Des ersten Hauptstuecks Vierter Abschnitt Die Disziplin der reinen Vernunft in Ansehung ihrer Beweise Die Beweise transzendentaler und synthetischer Saetze haben das Eigentuemliche, unter allen Beweisen einer synthetischen Erkenntnis a priori, an sich, dass die Vernunft bei jenen vermittelst ihrer Begriffe sich nicht geradezu an den Gegenstand wenden darf, sondern zuvor die objektive Gueltigkeit der Begriffe und die Moeglichkeit der Synthesis derselben a priori dartun muss. Dieses ist nicht etwa bloss eine noetige Regel der Behutsamkeit, sondern betrifft das Wesen und die Moeglichkeit der Beweise selbst. Wenn ich ueber den Begriff von einem Gegenstande a priori hinausgehen soll, so ist dieses, ohne einen besonderen und ausserhalb diesem Begriffe befindlichen Leitfaden, unmoeglich. In der Mathematik ist es die Anschauung a priori, die meine Synthesis leitet, und da koennen alle Schluesse unmittelbar von der reinen Anschauung gefuehrt werden. Im transzendentalen Erkenntnis, so lange es bloss mit Begriffen des Verstandes zu tun hat, ist diese Richtschnur die moegliche Erfahrung. Der Beweis zeigt naemlich nicht, dass der gegebene Begriff (z.B. von dem, was geschieht,) geradezu auf einen anderen Begriff (den einer Ursache) fuehre; denn dergleichen Uebergang waere ein Sprung, der sich gar nicht verantworten liesse; sondern er zeigt, dass die Erfahrung selbst, mithin das Objekt der Erfahrung, ohne eine solche Verknuepfung unmoeglich waere. Also musste der Beweis zugleich die Moeglichkeit anzeigen, synthetisch und a priori zu einer gewissen Erkenntnis von Dingen zu gelangen, die in dem Begriffe von ihnen nicht enthalten war. Ohne diese Aufmerksamkeit laufen die Beweise wie Wasser, welche ihre Ufer durchbrechen, wild und querfeldein, dahin, wo der Hang der verborgenen Assoziation sie zufaelligerweise herleitet. Der Schein der Ueberzeugung, welcher auf subjektiven Ursachen der Assoziation beruht, und fuer die Einsicht einer natuerlichen Affinitaet gehalten wird, kann der Bedenklichkeit gar nicht die Wage halten, die sich billigermassen ueber dergleichen gewagte Schritte einfinden muss. Daher sind auch alle Versuche, den Satz des zureichenden Grundes zu beweisen, nach dem allgemeinen Gestaendnisse der Kenner, vergeblich gewesen, und ehe die transzendentale Kritik auftrat, hat man lieber, da man diesen Grundsatz doch nicht verlassen konnte, sich trotzig auf den gesunden Menschenverstand berufen, (eine Zuflucht, die jederzeit beweist, dass die Sache der Vernunft verzweifelt ist,) als neue dogmatische Beweise versuchen wollen. Ist aber der Satz, ueber den ein Beweis gefuehrt werden soll, eine Behauptung der reinen Vernunft, und will ich sogar vermittelst blosser Ideen ueber meine Erfahrungsbegriffe hinausgehen, so muesste derselbe noch vielmehr die Rechtfertigung eines solchen Schrittes der Synthesis (wenn er anders moeglich waere) als eine notwendige Bedingung seiner Beweiskraft in sich enthalten. So scheinbar daher auch der vermeintliche Beweis der einfachen Natur unserer denkenden Substanz aus der Einheit der Apperzeption sein mag, so steht ihm doch die Bedenklichkeit unabweislich entgegen: dass, da die absolute Einfachheit doch kein Begriff ist, der unmittelbar auf eine Wahrnehmung bezogen werden kann, sondern als Idee bloss geschlossen werden muss, gar nicht einzusehen ist, wie mich das blosse Bewusstsein, welches in allem Denken enthalten ist, oder wenigstens sein kann, ob es zwar sofern eine einfache Vorstellung ist, zu dem Bewusstsein und der Kenntnis eines Dinges ueberfuehren solle, in welchem das Denken allein enthalten sein kann. Denn, wenn ich mir die Kraft meines Koerpers in Bewegung vorstelle, so ist er sofern fuer mich absolute Einheit, und meine Vorstellung von ihm ist einfach; daher kann ich diese auch durch die Bewegung eines Punkts ausdruecken, weil sein Volumen hierbei nichts tut, und, ohne Verminderung der Kraft, so klein, wie man will, und also auch als in einem Punkt befindlich gedacht werden kann. Hieraus werde ich aber doch nicht schliessen: dass, wenn mir nichts, als die bewegende Kraft eines Koerpers, gegeben ist, der Koerper als einfache Substanz gedacht werden koenne, darum, weil seine Vorstellung von aller Groesse des Raumesinhalts abstrahiert und also einfach ist. Hierdurch nun, dass das Einfache in der Abstraktion vom Einfachen im Objekt ganz unterschieden ist, und dass das Ich, welches im ersteren Verstande gar keine Mannigfaltigkeit in sich fasst, im zweiten, da es die Seele selbst bedeutet, ein sehr komplexen Begriff sein kann, naemlich sehr vieles unter sich zu enthalten und zu bezeichnen, entdecke ich einen Paralogismus. Allein, um diesen vorher zu ahnden, (denn ohne eine solche vorlaeufige Vermutung wuerde man gar keinen Verdacht gegen den Beweis fassen,) ist durchaus noetig, ein immerwaehrendes Kriterium der Moeglichkeit solcher synthetischen Saetze die mehr beweisen sollen, als Erfahrung geben kann, bei Hand zu haben, welches darin besteht: dass der Beweis nicht geradezu auf das verlangte Praedikat, sondern nur vermittelst eines Prinzips der Moeglichkeit, unseren gegebenen Begriff a priori bis zu Ideen zu erweitern, und diese zu realisieren, gefuehrt werde. Wenn diese Behutsamkeit immer gebraucht wird, wenn man, ehe der Beweis noch versucht wird, zuvor weislich bei sich zu Rate geht, wie und mit welchem Grunde der Hoffnung man wohl eine solche Erweiterung durch reine Vernunft erwarten koenne, und woher man, in dergleichen Falle, diese Einsichten, die nicht aus Begriffen entwickelt, und auch nicht in Beziehung auf moegliche Erfahrung antizipiert werden koennen, denn hernehmen wolle: so kann man sich viel schwere und dennoch fruchtlose Bemuehungen ersparen, indem man der Vernunft nichts zumutet, was offenbar ueber ihr Vermoegen geht, oder vielmehr sie, die, bei Anwandlungen ihrer spekulativen Erweiterungssucht, sich nicht gerne einschraenken laesst, der Disziplin der Enthaltsamkeit unterwirft. Die erste Regel ist also diese: keine transzendentalen Beweise zu versuchen, ohne zuvor ueberlegt und sich desfalls gerechtfertigt zu haben, woher man die Grundsaetze nehmen wolle, auf welche man sie zu errichten gedenkt, und mit welchem Rechte man von ihnen den guten Erfolg der Schluesse erwarten koenne. Sind es Grundsaetze des Verstandes (z.B. der Kausalitaet), so ist es umsonst, vermittelst ihrer zu Ideen der reinen Vernunft zu gelangen; denn jene gelten nur fuer Gegenstaende moeglicher Erfahrung. Sollen es Grundsaetze aus reiner Vernunft sein, so ist wiederum alle Muehe umsonst. Denn die Vernunft hat deren zwar, aber als objektive Grundsaetze sind sie insgesamt dialektisch, und koennen allenfalls nur wie regulative Prinzipien des systematisch zusammenhaengenden Erfahrungsgebrauchs gueltig sein. Sind aber dergleichen angebliche Beweise schon vorhanden: so setzet der trueglichen Ueberzeugung das non liquet eurer gereiften Urteilskraft entgegen, und, ob ihr gleich das Blendwerk derselben noch nicht durchdringen koennt, so habt ihr doch voelliges Recht, die Deduktion der darin gebrauchten Grundsaetze zu verlangen, welche, wenn sie aus blosser Vernunft entsprungen sein sollen, euch niemals geschafft werden kann. Und so habt ihr nicht einmal noetig, euch mit der Entwicklung und Widerlegung eines jeden grundlosen Scheins zu befassen, sondern koennt alle an Kunstgriffen unerschoepfliche Dialektik am Gerichtshofe einer kritischen Vernunft, welche Gesetze verlangt, in ganzen Haufen auf einmal abweisen. Die zweite Eigentuemlichkeit transzendentaler Beweise ist diese: dass zu jedem transzendentalen Satze nur ein einziger Beweis gefunden werden koenne. Soll ich nicht aus Begriffen, sondern aus der Anschauung, die einem Begriffe korrespondiert, es sei nun eine reine Anschauung, wie in der Mathematik, oder empirische, wie in der Naturwissenschaft, schliessen: so gibt mir die zum Grunde gelegte Anschauung mannigfaltigen Stoff zu synthetischen Saetzen, welchen ich auf mehr als eine Art verknuepfen, und, indem ich von mehr als einem Punkte ausgehen darf, durch verschiedene Wege zu demselben Satze gelangen kann. Nun geht aber ein jeder transzendentaler Satz bloss von Einem Begriffe aus, und sagt die synthetische Bedingung der Moeglichkeit des Gegenstandes nach diesem Begriffe. Der Beweisgrund kann also nur ein einziger sein, weil ausser diesem Begriffe nichts weiter ist, wodurch der Gegenstand bestimmt werden koennte, der Beweis also nichts weiter, als die Bestimmung eines Gegenstandes ueberhaupt nach diesem Begriffe, der auch nur ein einziger ist, enthalten kann. Wir hatten z.B. in der transzendentalen Analytik den Grundsatz: alles, was geschieht, hat eine Ursache, aus der einzigen Bedingung der objektiven Moeglichkeit eines Begriffs, von dem, was ueberhaupt geschieht, gezogen: dass die Bestimmung einer Begebenheit in der Zeit, mithin diese (Begebenheit) als zur Erfahrung gehoerig, ohne unter einer solchen dynamischen Regel zu stehen, unmoeglich waere. Dieses ist nun auch der einzig moegliche Beweisgrund; denn dadurch nur, dass dem Begriffe vermittelst des Gesetzes der Kausalitaet ein Gegenstand bestimmt wird, hat die vorgestellte Begebenheit objektive Gueltigkeit, d.i. Wahrheit. Man hat zwar noch andere Beweise von diesem Grundsatze z.B. aus der Zufaelligkeit versucht; allein, wenn dieser beim Lichte betrachtet wird, so kann man kein Kennzeichen der Zufaelligkeit auffinden, als das Geschehen, d.i. das Dasein, vor welchem ein Nichtsein des Gegenstandes vorhergeht, und kommt also immer wiederum auf den naemlichen Beweisgrund zurueck. Wenn der Satz bewiesen werden soll: alles, was denkt, ist einfach; so haelt man sich nicht bei dem Mannigfaltigen des Denkens auf, sondern beharrt bloss bei dem Begriffe des Ich, welcher einfach ist und worauf alles Denken bezogen wird. Ebenso ist es mit dem transzendentalen Beweise vom Dasein Gottes bewandt, welcher lediglich auf der Reziprokabilitaet der Begriffe vom realsten und notwendigen Wesen beruht, und nirgends anders gesucht werden kann. Durch diese warnende Anmerkung wird die Kritik der Vernunftbehauptungen sehr ins Kleine gebracht. Wo Vernunft ihr Geschaeft durch blosse Begriffe treibt, da ist nur ein einziger Beweis moeglich, wenn ueberall nur irgendeiner moeglich ist. Daher, wenn man schon den Dogmatiker mit zehn Beweisen auftreten sieht, da kann man sicher glauben, dass er gar keinen habe. Denn, haette er einen, der (wie es in Sachen der reinen Vernunft sein muss) apodiktisch bewiese, wozu beduerfte er der uebrigen? Seine Absicht ist nur, wie die von jenem Parlamentsadvokaten: das eine Argument ist fuer diesen, das andere fuer jenen, naemlich, um sich die Schwaeche seiner Richter zunutze zu machen, die, ohne sich tief einzulassen, und, um von dem Geschaeft bald loszukommen, das Erstebeste, was ihnen eben auffaellt, ergreifen und darnach entscheiden. Die dritte eigentuemliche Regel der reinen Vernunft, wenn sie in Ansehung transzendentaler Beweise einer Disziplin unterworfen wird, ist: dass ihre Beweise niemals apagogisch, sondern jederzeit ostensiv sein muessen. Der direkte oder ostensive Beweis ist in aller Art der Erkenntnis derjenige, welcher mit der Ueberzeugung von der Wahrheit, zugleich Einsicht in die Quellen derselben verbindet; der apagogische dagegen kann zwar Gewissheit, aber nicht Begrifflichkeit der Wahrheit in Ansehung des Zusammenhanges mit den Gruenden ihrer Moeglichkeit hervorbringen. Daher sind die letzteren mehr eine Nothilfe, als ein Verfahren, welches allen Absichten der Vernunft ein Genuege tut. Doch haben diese einen Vorzug der Evidenz vor den direkten Beweisen, darin: dass der Widerspruch allemal mehr Klarheit in der Vorstellung bei sich fuehrt, als die beste Verknuepfung, und sich dadurch dem Anschaulichen einer Demonstration mehr naehert. Die eigentliche Ursache des Gebrauchs apagogischer Beweise in verschiedenen Wissenschaften ist wohl diese. Wenn die Gruende, von denen eine gewisse Erkenntnis abgeleitet werden soll, zu mannigfaltig oder zu tief verborgen liegen: so versucht man, ob sie nicht durch die Folgen zu erreichen sei. Nun waere der modus ponens, auf die Wahrheit einer Erkenntnis aus der Wahrheit ihrer Folgen zu schliessen, nur alsdann erlaubt, wenn alle moeglichen Folgen daraus wahr sind; denn alsdann ist zu diesem nur ein einziger Grund moeglich, der also auch der wahre ist. Dieses Verfahren aber ist untunlich, weil es ueber unsere Kraefte geht, alle moeglichen Folgen von irgendeinem angenommenen Satze einzusehen; doch bedient man sich dieser Art zu schliessen, obzwar freilich mit einer gewissen Nachsicht, wenn es darum zu tun ist, um etwas bloss als Hypothese zu beweisen, indem man den Schluss nach der Analogie einraeumt: dass, wenn so viele Folgen, als man nur immer versucht hat, mit einem angenommenen Grunde wohl zusammenstimmen, alle uebrigen moeglichen auch darauf einstimmen werden. Um deswillen kann durch diesen Weg niemals eine Hypothese in demonstrierte Wahrheit verwandelt werden. Der modus tollens der Vernunftschluesse, die von den Folgen auf die Gruende schliessen, beweist nicht allein ganz strenge, sondern auch ueberaus leicht. Denn, wenn auch nur eine einzige falsche Folge aus einem Satze gezogen werden kann, so ist dieser Satz falsch. Anstatt nun die ganze Reihe der Gruende in einem ostensiven Beweise durchzulaufen, die auf die Wahrheit einer Erkenntnis, vermittelst der vollstaendigen Einsicht in ihre Moeglichkeit, fuehren kann, darf man nur unter den aus dem Gegenteil derselben fliessenden Folgen eine einzige falsch finden, so ist dieses Gegenteil auch falsch, mithin die Erkenntnis, welche man zu beweisen hatte, wahr. Die apagogische Beweisart kann aber nur in den Wissenschaften erlaubt sein, wo es unmoeglich ist, das Subjektive unserer Vorstellungen dem Objektiven, naemlich der Erkenntnis desjenigen, was am Gegenstande ist, unterzuschieben. Wo dieses letztere aber herrschend ist, da muss es sich haeufig zutragen, dass das Gegenteil eines gewissen Satzes entweder bloss den subjektiven Bedingungen des Denkens widerspricht, aber nicht dem Gegenstande, oder dass beide Saetze nur unter einer subjektiven Bedingung, die, faelschlich fuer objektiv gehalten, einander widersprechen, und da die Bedingung falsch ist, alle beide falsch sein koennen, ohne dass von der Falschheit des einen auf die Wahrheit des anderen geschlossen werden kann. In der Mathematik ist diese Subreption unmoeglich; daher haben sie daselbst auch ihren eigentlichen Platz. In der Naturwissenschaft, weil sich daselbst alles auf empirische Anschauungen gruendet, kann jene Erschleichung durch viel verglichene Beobachtungen zwar so mehrenteils verhuetet werden; aber diese Beweisart ist daselbst doch mehrenteils unerheblich. Aber die transzendentalen Versuche der reinen Vernunft werden insgesamt innerhalb dem eigentlichen Medium des dialektischen Scheins angestellt, d.i. des Subjektiven, welches sich der Vernunft in ihren Praemissen als objektiv anbietet, oder gar aufdraengt. Hier nun kann es, was synthetische Saetze betrifft, gar nicht erlaubt werden, seine Behauptungen dadurch zu rechtfertigen, dass man das Gegenteil widerlegt. Denn, entweder diese Widerlegung ist nichts anderes, als die blosse Vorstellung des Widerstreits der entgegengesetzten Meinung, mit den subjektiven Bedingungen der Begreiflichkeit durch unsere Vernunft, welches gar nichts dazu tut, um die Sache selbst darum zu verwerfen, (sowie z.B. die unbedingte Notwendigkeit im Dasein eines Wesens schlechterdings von uns nicht begriffen werden kann, und sich daher subjektiv jedem spekulativen Beweise eines notwendigen obersten Wesens mit Recht, der Moeglichkeit eines solchen Urwesens aber an sich selbst mit Unrecht widersetzt,) oder beide, sowohl der behauptende, als der verneinende Teil, legen, durch den transzendentalen Schein betrogen, einen unmoeglichen Begriff vom Gegenstande zum Grunde, und da gilt die Regel: non entis nulla sunt praedicata, d.i. sowohl was man bejahend, als was man verneinend von dem Gegenstande behauptete, ist beides unrichtig, und man kann nicht apagogisch durch die Widerlegung des Gegenteils zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen. So zum Beispiel, wenn vorausgesetzt wird, dass die Sinnenwelt an sich selbst ihrer Totalitaet nach gegeben sei, so ist es falsch, dass sie entweder unendlich dem Raume nach, oder endlich und begrenzt sein muesse, darum weil beides falsch ist. Denn Erscheinungen (als blosse Vorstellungen), die doch an sich selbst (als Objekte) gegeben waeren, sind etwas Unmoegliches, und die Unendlichkeit dieses eingebildeten Ganzen wuerde zwar unbedingt sein, widerspraeche aber (weil alles an Erscheinungen bedingt ist) der unbedingten Groessenbestimmung, die doch im Begriffe vorausgesetzt wird. Die apagogische Beweisart ist auch das eigentliche Blendwerk, womit die Bewunderer der Gruendlichkeit unserer dogmatischen Vernuenftler jederzeit hingehalten worden: sie ist gleichsam der Champion, der die Ehre und das unstreitige Recht seiner genommenen Partei dadurch beweisen will, dass er sich mit jedermann zu raufen anheischig macht, der es bezweifeln wollte, obgleich durch solche Grosssprecherei nichts in der Sache, sondern nur der respektiven Staerke der Gegner ausgemacht wird, und zwar auch nur auf der Seite desjenigen, der sich angreifend verhaelt. Die Zuschauer, indem sie sehen, dass ein jeder in seiner Reihe bald Sieger ist, bald unterliegt, nehmen oftmals daraus Anlass, das Objekt des Streites selbst skeptisch zu bezweifeln. Aber sie haben nicht Ursache dazu, und es ist genug, ihnen zuzurufen: non defensoribus istis tempus eget. Ein jeder muss seine Sache vermittelst eines durch transzendentale Deduktion der Beweisgruende gefuehrten rechtlichen Beweises, d.i. direkt, fuehren, damit man sehe, was seine Vernunftansprueche fuer sich selbst anzufuehren haben. Denn, fusset sich sein Gegner auf subjektive Gruende, so ist er freilich leicht zu widerlegen, aber ohne Vorteil fuer den Dogmatiker, der gemeiniglich ebenso den subjektiven Ursachen des Urteils anhaengt, und gleichergestalt von seinem Gegner in die Enge getrieben werden kann. Verfahren aber beide Teile bloss direkt, so werden sie entweder die Schwierigkeit, ja Unmoeglichkeit, den Titel ihrer Behauptungen auszufinden, von selbst bemerken, und sich zuletzt nur auf Verjaehrung berufen koennen, oder die Kritik wird den dogmatischen Schein leicht entdecken, und die reine Vernunft noetigen, ihre zu hoch getriebenen Anmassungen im spekulativen Gebrauch aufzugeben, und sich innerhalb die Grenzen ihres eigentuemlichen Bodens, naemlich praktischer Grundsaetze, zurueckzuziehen. Der transzendentalen Methodenlehre Zweites Hauptstueck Der Kanon der reinen Vernunft Es ist demuetigend fuer die menschliche Vernunft, dass sie in ihrem reinen Gebrauche nichts ausrichtet, und sogar noch einer Disziplin bedarf, um ihre Ausschweifungen zu baendigen, und die Blendwerke, die ihr daher kommen, zu verhueten. Allein andererseits erhebt es sie wiederum und gibt ihr ein Zutrauen zu sich selbst, dass sie diese Disziplin selbst ausueben kann und muss, ohne eine andere Zensur ueber sich zu gestatten, imgleichen dass die Grenzen, die sie ihrem spekulativen Gebrauche zu setzen genoetigt ist, zugleich die vernuenftelnden Anmassungen jeden Gegners einschraenken, und mithin alles, was ihr noch von ihren vorher uebertriebenen Forderungen uebrigbleiben moechte, gegen alle Angriffe sicherstellen koenne. Der groesste und vielleicht einzige Nutzen aller Philosophie der reinen Vernunft ist also wohl nur negativ; da sie naemlich nicht, als Organon, zur Erweiterung, sondern, als Disziplin, zur Grenzbestimmung dient, und, anstatt Wahrheit zu entdecken, nur das stille Verdienst hat, Irrtuemer zu verhueten. Indessen muss es doch irgendwo einen Quell von positiven Erkenntnissen geben, welche ins Gebiet der reinen Vernunft gehoeren, und die vielleicht nur durch Missverstand zu Irrtuemern Anlass geben, in der Tat aber das Ziel der Beeiferung der Vernunft ausmachen. Denn welcher Ursache sollte sonst wohl die nicht zu daempfende Begierde, durchaus ueber die Grenze der Erfahrung hinaus irgendwo festen Fuss zu fassen, zuzuschreiben sein? Sie ahndet Gegenstaende, die ein grosses Interesse fuer sie bei sich fuehren. Sie tritt den Weg der blossen Spekulation an, um sich ihnen zu naehern; aber diese fliehen vor sie. Vermutlich wird auf dem einzigen Wege, der ihr noch uebrig ist, naemlich dem des praktischen Gebrauchs, besseres Glueck fuer sie zu hoffen sein. Ich verstehe unter einem Kanon den Inbegriff der Grundsaetze a priori des richtigen Gebrauchs gewisser Erkenntnisvermoegen ueberhaupt. So ist die allgemeine Logik in ihrem analytischen Teile ein Kanon fuer Verstand und Vernunft ueberhaupt, aber nur der Form nach, denn sie abstrahiert von allem Inhalte. So war die transzendentale Analytik der Kanon des reinen Verstandes; denn der ist allein wahrer synthetischer Erkenntnisse a priori faehig. Wo aber kein richtiger Gebrauch einer Erkenntniskraft moeglich ist, da gibt es keinen Kanon. Nun ist alle synthetische Erkenntnis der reinen Vernunft in ihrem spekulativen Gebrauche, nach allen bisher gefuehrten Beweisen, gaenzlich unmoeglich. Also gibt es gar keinen Kanon des spekulativen Gebrauchs derselben (denn dieser ist durch und durch dialektisch), sondern alle transzendentale Logik ist in dieser Absicht nichts als Disziplin. Folglich, wenn es ueberall einen richtigen Gebrauch der reinen Vernunft gibt, in welchem Fall es auch einen Kanon derselben geben muss, so wird dieser nicht den spekulativen, sondern den praktischen Vernunftgebrauch betreffen, den wir also jetzt untersuchen wollen. Des Kanons der reinen Vernunft Erster Abschnitt Von dem letzten Zwecke des reinen Gebrauchs unserer Vernunft Die Vernunft wird durch einen Hang ihrer Natur getrieben, ueber den Erfahrungsgebrauch hinauszugehen, sich in einem reinen Gebrauche und vermittelst blosser Ideen zu den aeussersten Grenzen aller Erkenntnis hinaus zu wagen, und nur allererst in der Vollendung ihres Kreises, in einem fuer sich bestehenden systematischen Ganzen, Ruhe zu finden. Ist nun diese Bestrebung bloss auf ihr spekulatives, oder vielmehr einzig und allein auf ihr praktisches Interesse gegruendet? Ich will das Glueck, welches die reine Vernunft in spekulativer Absicht macht, jetzt beiseite setzen, und frage nur nach den Aufgaben, deren Aufloesung ihren letzten Zweck ausmacht, sie mag diesen nun erreichen oder nicht, und in Ansehung dessen alle anderen bloss den Wert der Mittel haben. Diese hoechsten Zwecke werden, nach der Natur der Vernunft, wiederum Einheit haben muessen, um dasjenige Interesse der Menschheit, welches keinem hoeheren untergeordnet ist, vereinigt zu befoerdern. Die Endabsicht, worauf die Spekulation der Vernunft im transzendentalen Gebrauche zuletzt hinauslaeuft, betrifft drei Gegenstaende: die Freiheit des Willens, die Unsterblichkeit der Seele, und das Dasein Gottes. In Ansehung aller drei ist das bloss spekulative Interesse der Vernunft nur sehr gering, und in Absicht auf dasselbe wuerde wohl schwerlich eine ermuedende, mit unaufhoerlichen Hindernissen ringende Arbeit transz. Nachforschung uebernommen werden, weil man von allen Entdeckungen, die hierueber zu machen sein moechten, doch keinen Gebrauch machen kann, der in concreto, d.i. in der Naturforschung, seinen Nutzen bewiese. Der Wille mag auch frei sein, so kann dieses doch nur die intelligible Ursache unseres Wollens angehen. Denn, was die Phaenomene der Aeusserungen desselben, d.i. die Handlungen betrifft, so muessen wir, nach einer unverletzlichen Grundmaxime, ohne welche wir keine Vernunft im empirischen Gebrauche ausueben koennen, sie niemals anders als alle uebrigen Erscheinungen der Natur, naemlich nach unwandelbaren Gesetzen derselben, erklaeren. Es mag zweitens auch die geistige Natur der Seele (und mit derselben ihre Unsterblichkeit) eingesehen werden koennen, so kann darauf doch, weder in Ansehung der Erscheinungen dieses Lebens, als einen Erklaerungsgrund, noch auf die besondere Beschaffenheit des kuenftigen Zustandes Rechnung gemacht werden, weil unser Begriff einer unkoerperlichen Natur bloss negativ ist, und unsere Erkenntnis nicht im mindesten erweitert, noch einigen tauglichen Stoff zu Folgerungen darbietet, als etwa zu solchen, die nur fuer Erdichtungen gelten koennen, die aber von der Philosophie nicht gestattet werden. Wenn auch drittens das Dasein einer hoechsten Intelligenz bewiesen waere: so wuerden wir uns zwar daraus das Zweckmaessige in der Welteinrichtung und Ordnung in allgemeinen begreiflich machen, keineswegs aber befugt sein, irgendeine besondere Anstalt und Ordnung daraus abzuleiten, oder, wo sie nicht wahrgenommen wird, darauf kuehnlich zu schliessen, indem es eine notwendige Regel des spekulativen Gebrauchs der Vernunft ist, Naturursachen nicht vorbeizugehen, und das, wovon wir uns durch Erfahrung belehren koennen, aufzugeben, um etwas, was wir kennen, von demjenigen abzuleiten, was alle unsere Kenntnis gaenzlich uebersteigt. Mit einem Worte, diese drei Saetze bleiben fuer die spekulative Vernunft jederzeit transzendent, und haben gar keinen immanenten, d.i. fuer Gegenstaende der Erfahrung zulaessigen, mithin fuer uns auf einige Art nuetzlichen Gebrauch, sondern sind an sich betrachtet ganz muessige und dabei noch aeussert schwere Anstrengungen unserer Vernunft. Wenn demnach diese drei Kardinalsaetze uns zum Wissen gar nicht noetig sind, und uns gleichwohl durch unsere Vernunft dringend empfohlen werden; so wird ihre Wichtigkeit wohl eigentlich nur das Praktische angehen muessen. Praktisch ist alles, was durch Freiheit moeglich ist. Wenn die Bedingungen der Ausuebung unserer freien Willkuer aber empirisch sind, so kann die Vernunft dabei keinen anderen als regulativen Gebrauch haben, und nur die Einheit empirischer Gesetze zu bewirken dienen, wie z.B. in der Lehre der Klugheit die Vereinigung aller Zwecke, die uns von unseren Neigungen aufgegeben sind, in den einigen, die Glueckseligkeit, und die Zusammenstimmung der Mittel, um dazu zu gelangen, das ganze Geschaeft der Vernunft ausmacht, die um deswillen keine anderen als pragmatische Gesetze des freien Verhaltens, zu Erreichung der uns von den Sinnen empfohlenen Zwecke, und also keine reinen Gesetze, voellig a priori bestimmt, liefern kann. Dagegen wuerden reine praktische Gesetze, deren Zweck durch die Vernunft voellig a priori gegeben ist, und die nicht empirisch bedingt, sondern schlechthin gebieten, Produkte der reinen Vernunft sein. Dergleichen aber sind die moralischen Gesetze, mithin gehoeren diese allein zum praktischen Gebrauche der reinen Vernunft, und erlauben einen Kanon. Die ganze Zuruestung also der Vernunft, in der Bearbeitung, die man reine Philosophie nennen kann, ist in der Tat nur auf die drei gedachten Probleme gerichtet. Diese selber aber haben wiederum ihre entferntere Absicht, naemlich, was zu tun sei, wenn der Wille frei, wenn ein Gott und eine kuenftige Welt ist. Da dieses nun unser Verhalten in Beziehung auf den hoechsten Zweck betrifft, so ist die letzte Absicht der weislich uns versorgenden Natur, bei der Einrichtung unserer Vernunft, eigentlich nur aufs Moralische gestellt. Es ist aber Behutsamkeit noetig, um, da wir unser Augenmerk auf einen Gegenstand werfen, der der transzendentalen Philosophie fremd* ist, nicht in Episoden auszuschweifen und die Einheit des Systems zu verletzen, andererseits auch, um, indem man von seinem neuen Stoffe zu wenig sagt, es an Deutlichkeit oder Ueberzeugung nicht fehlen zu lassen. Ich hoffe beides dadurch zu leisten, dass ich mich so nahe als moeglich am Transzendentalen halte und das, was etwa hierbei psychologisch, d.h. empirisch sein moechte, gaenzlich beiseite setze. * Alle praktischen Begriffe gehen auf Gegenstaende des Wohlgefallens, oder Missfallens, d.i. der Lust oder Unlust, mithin, wenigstens indirekt, auf Gegenstaende unseres Gefuehls. Da dieses aber keine Vorstellungskraft der Dinge ist, sondern ausser der gesamten Erkenntniskraft liegt, so gehoeren die Elemente unserer Urteile, sofern sie sich auf Lust oder Unlust beziehen, mithin der praktischen, nicht in den Inbegriff der Transzendentalphilosophie, welche lediglich mit reinen Erkenntnissen a priori zu tun hat. Und da ist denn zuerst anzumerken, dass ich mich vorjetzt des Begriffs der Freiheit nur im praktischen Verstande bedienen werde, und den in transzendentaler Bedeutung, welcher nicht als ein Erklaerungsgrund der Erscheinungen empirisch vorausgesetzt werden kann, sondern selbst ein Problem fuer die Vernunft ist, hier, als oben abgetan, beiseite setze. Eine Willkuer naemlich ist bloss tierisch (arbitrium brutum), die nicht anders als durch sinnliche Antriebe, d.i. pathologisch bestimmt werden kann. Diejenige aber, welche unabhaengig von sinnlichen Antrieben, mithin durch Bewegursachen, welche nur von der Vernunft vorgestellt werden, bestimmt werden kann, heisst die freie Willkuer (arbitrium liberum), und alles, was mit dieser, es sei als Grund oder Folge, zusammenhaengt, wird Praktisch genannt. Die praktische Freiheit kann durch Erfahrung bewiesen werden. Denn, nicht bloss das, was reizt, d.i. die Sinne unmittelbar affiziert, bestimmt die menschliche Willkuer, sondern wir haben ein Vermoegen, durch Vorstellungen von dem, was selbst auf entferntere Art nuetzlich oder schaedlich ist, die Eindruecke auf unser sinnliches Begehrungsvermoegen zu ueberwinden; diese Ueberlegungen aber von dem, was in Ansehung unseres ganzen Zustandes begehrungswert, d.i. gut und nuetzlich ist, beruhen auf der Vernunft. Diese gibt daher auch Gesetze, welche Imperative, d.i. objektive Gesetze der Freiheit sind, und welche sagen, was geschehen soll, ob es gleich vielleicht nie geschieht, und sich darin von Naturgesetzen, die nur von dem handeln, was geschieht, unterscheiden, weshalb sie auch praktische Gesetze genannt werden. Ob aber die Vernunft selbst in diesen Handlungen, dadurch sie Gesetze vorschreibt, nicht wiederum durch anderweitige Einfluesse bestimmt sei, und das, was in Absicht auf sinnliche Antriebe Freiheit heisst, in Ansehung hoeherer und entfernterer wirkender Ursachen nicht wiederum Natur sein moege, das geht uns im Praktischen, da wir nur die Vernunft um die Vorschrift des Verhaltens zunaechst befragen, nichts an, sondern ist eine bloss spekulative Frage, die wir, so lange als unsere Absicht aufs Tun oder Lassen gerichtet ist, beiseite setzen koennen. Wir erkennen also die praktische Freiheit durch Erfahrung, als eine von den Naturursachen, naemlich eine Kausalitaet der Vernunft in Bestimmung des Willens, indessen dass die transzendentale Freiheit eine Unabhaengigkeit dieser Vernunft selbst (in Ansehung ihrer Kausalitaet, eine Reihe von Erscheinungen anzufangen,) von allen bestimmenden Ursachen der Sinnenwelt fordert, und sofern dem Naturgesetze, mithin aller moeglichen Erfahrung, zuwider zu sein scheint, und also ein Problem bleibt. Allein vor die Vernunft im praktischen Gebrauche gehoert dieses Problem nicht, also haben wir es in einem Kanon der reinen Vernunft nur mit zwei Fragen zu tun, die das praktische Interesse der reinen Vernunft angehen, und in Ansehung deren ein Kanon ihres Gebrauchs moeglich sein muss, naemlich: ist ein Gott? ist ein kuenftiges Leben? Die Frage wegen der transzendentalen Freiheit betrifft bloss das spekulative Wissen, welche wir als ganz gleichgueltig beiseite setzen koennen, wenn es um das Praktische zu tun ist, und worueber in der Antinomie der reinen Vernunft schon hinreichende Eroerterung zu finden ist. Des Kanons der reinen Vernunft Zweiter Abschnitt Von dem Ideal des hoechsten Guts, als einem Bestimmungsgrunde des letzten Zwecks der reinen Vernunft Die Vernunft fuehrte uns in ihrem spekulativen Gebrauche durch das Feld der Erfahrungen, und, weil daselbst fuer sie niemals voellige Befriedigung anzutreffen ist, von da zu spekulativen Ideen, die uns aber am Ende wiederum auf Erfahrung zurueckfuehrten, und also ihre Absicht auf eine zwar nuetzliche, aber unserer Erwartung gar nicht gemaesse Art erfuellten. Nun bleibt uns noch ein Versuch uebrig: ob naemlich auch reine Vernunft im praktischen Gebrauche anzutreffen sei, ob sie in demselben zu den Ideen fuehre, welche die hoechsten Zwecke der reinen Vernunft, die wir eben angefuehrt haben, erreichen, und diese also aus dem Gesichtspunkte ihres praktischen Interesses nicht dasjenige gewaehren koenne, was sie uns in Ansehung des spekulativen ganz und gar abschlaegt. Alles Interesse meiner Vernunft (das spekulative sowohl, als das praktische) vereinigt sich in folgenden drei Fragen: 1. Was kann ich wissen? 2. Was soll ich tun? 3. Was darf ich hoffen? Die erste Frage ist bloss spekulativ. Wir haben (wie ich mir schmeichle) alle moeglichen Beantwortungen derselben erschoepft und endlich diejenige gefunden, mit welcher sich die Vernunft zwar befriedigen muss, und, wenn sie nicht aufs Praktische sieht, auch Ursache hat zufrieden zu sein; sind aber von den zwei grossen Zwecken, worauf diese ganze Bestrebung der reinen Vernunft eigentlich gerichtet war, ebenso weit entfernt geblieben, als ob wir uns aus Gemaechlichkeit dieser Arbeit gleich anfangs verweigert haetten. Wenn es also um Wissen zu tun ist, so ist wenigstens so viel sicher und ausgemacht, dass uns dieses, in Ansehung jener zwei Aufgaben, niemals zuteil werden koenne. Die zweite Frage ist bloss praktisch. Sie kann als eine solche zwar der reinen Vernunft angehoeren, ist aber alsdann doch nicht transzendental, sondern moralisch, mithin kann sie unsere Kritik an sich selbst nicht beschaeftigen. Die dritte Frage, naemlich: wenn ich nun tue, was ich soll, was darf ich alsdann hoffen? ist praktisch und theoretisch zugleich, so, dass das Praktische nur als ein Leitfaden zur Beantwortung der theoretischen, und, wenn diese hoch geht, spekulativen Frage fuehrt. Denn alles Hoffen geht auf Glueckseligkeit, und ist in Absicht auf das Praktische und das Sittengesetz eben dasselbe, was das Wissen und das Naturgesetz in Ansehung der theoretischen Erkenntnis der Dinge ist. Jenes laeuft zuletzt auf den Schluss hinaus, dass etwas sei (was den letzten moeglichen Zweck bestimmt), weil etwas geschehen soll; dieses, dass etwas sei (was als oberste Ursache wirkt), weil etwas geschieht. Glueckseligkeit ist die Befriedigung aller unserer Neigungen, (sowohl extensive, der Mannigfaltigkeit der selben, als intensive, dem Grade, und auch protensive, der Dauer nach). Das praktische Gesetz aus dem Bewegungsgrunde der Glueckseligkeit nenne ich pragmatisch (Klugheitsregel); dasjenige aber, wofern ein solches ist, das zum Bewegungsgrunde nichts anderes hat, als die Wuerdigkeit, gluecklich zu sein, moralisch (Sittengesetz). Das erstere raet, was zu tun sei, wenn wir der Glueckseligkeit wollen teilhaftig, das zweite gebietet, wie wir uns verhalten sollen, um nur der Glueckseligkeit wuerdig zu werden. Das erstere gruendet sich auf empirische Prinzipien; denn anders, als vermittelst der Erfahrung, kann ich weder wissen, welche Neigungen da sind, die befriedigt werden wollen, noch welches die Naturursachen sind, die ihre Befriedigung bewirken koennen. Das zweite abstrahiert von Neigungen, und Naturmitteln sie zu befriedigen, und betrachtet nur die Freiheit eines vernuenftigen Wesens ueberhaupt, und die notwendigen Bedingungen, unter denen sie allein mit der Austeilung der Glueckseligkeit nach Prinzipien zusammenstimmt, und kann also wenigstens auf blossen Ideen der reinen Vernunft beruhen und a priori erkannt werden. Ich nehme an, dass es wirklich reine moralische Gesetze gebe, die voellig a priori (ohne Ruecksicht auf empirische Bewegungsgruende, d.i. Glueckseligkeit,) das Tun und Lassen, d.i. den Gebrauch der Freiheit eines vernuenftigen Wesens ueberhaupt, bestimmen, und dass diese Gesetze schlechterdings (nicht bloss hypothetisch unter Voraussetzung anderer empirischen Zwecke) gebieten, und also in aller Absicht notwendig sind. Diesen Satz kann ich mit Recht voraussetzen, nicht allein, indem ich mich auf die Beweise der aufgeklaertesten Moralisten, sondern auf das sittliche Urteil eines jeden Menschen berufe, wenn er sich ein dergleichen Gesetz deutlich denken will. Die reine Vernunft enthaelt also, zwar nicht in ihrem spekulativen, aber doch in einem gewissen praktischen, naemlich dem moralischen Gebrauche, Prinzipien der Moeglichkeit der Erfahrung, naemlich solcher Handlungen, die den sittlichen Vorschriften gemaess in der Geschichte des Menschen anzutreffen sein koennten. Denn, da sie gebietet, dass solche geschehen sollen, so muessen sie auch geschehen koennen, und es muss also eine besondere Art von systematischer Einheit, naemlich die moralische, moeglich sein, indessen dass die systematische Natureinheit nach spekulativen Prinzipien der Vernunft nicht bewiesen werden konnte, weil die Vernunft zwar in Ansehung der Freiheit ueberhaupt, aber nicht in Ansehung der gesamten Natur Kausalitaet hat, und moralische Vernunftprinzipien zwar freie Handlungen, aber nicht Naturgesetze hervorbringen koennen. Demnach haben die Prinzipien der reinen Vernunft in ihrem praktischen, namentlich aber, dem moralischen Gebrauche, objektive Realitaet. Ich nenne die Welt, sofern sie allen sittlichen Gesetzen gemaess waere, (wie sie es denn, nach der Freiheit der vernuenftigen Wesen, sein kann, und, nach den notwendigen Gesetzen der Sittlichkeit, sein soll,) eine moralische Welt. Diese wird sofern bloss als intelligible Welt gedacht, weil darin von allen Bedingungen (Zwecken) und selbst von allen Hindernissen der Moralitaet in derselben (Schwaeche oder Unlauterkeit der menschlichen Natur) abstrahiert wird. Sofern ist sie also eine blosse, aber doch praktische Idee, die wirklich ihren Einfluss auf die Sinnenwelt haben kann und soll, um sie dieser Idee so viel als moeglich gemaess zu machen. Die Idee einer moralischen Welt hat daher objektive Realitaet, nicht als wenn sie auf einen Gegenstand einer intelligiblen Anschauung ginge (dergleichen wir uns gar nicht denken koennen), sondern auf die Sinnenwelt, aber als einen Gegenstand der reinen Vernunft in ihrem praktischen Gebrauche, und ein corpus mysticum der vernuenftigen Wesen in ihr, sofern deren freie Willkuer unter moralischen Gesetzen sowohl mit sich selbst, als mit jedes anderen Freiheit durchgaengige systematische Einheit an sich hat. Das war die Beantwortung der ersten von den zwei Fragen der reinen Vernunft, die das praktische Interesse betrafen: Tue das, wodurch du wuerdig wirst, gluecklich zu sein. Die zweite fraegt nun: wie, wenn ich mich nun so verhalte, dass ich der Glueckseligkeit nicht unwuerdig sei, darf ich auch hoffen, ihrer dadurch teilhaftig werden zu koennen? Es kommt bei der Beantwortung derselben darauf an, ob die Prinzipien der reinen Vernunft, welche a priori das Gesetz vorschreiben, auch diese Hoffnung notwendigerweise damit verknuepfen. Ich sage demnach: dass ebensowohl, als die moralischen Prinzipien nach der Vernunft in ihrem praktischen Gebrauche notwendig sind, ebenso notwendig sei es auch nach der Vernunft, in ihrem theoretischen Gebrauch anzunehmen, dass jedermann die Glueckseligkeit in demselben Masse zu hoffen Ursache habe, als er sich derselben in seinem Verhalten wuerdig gemacht hat, und dass also das System der Sittlichkeit mit dem der Glueckseligkeit unzertrennlich, aber nur in der Idee der reinen Vernunft verbunden sei. Nun laesst sich in einer intelligiblen, d.i. der moralischen Welt, in deren Begriff wir von allen Hindernissen der Sittlichkeit (der Neigungen,) abstrahieren, ein solches System der mit der Moralitaet verbundenen proportionierten Glueckseligkeit auch als notwendig denken, weil die durch sittliche Gesetze teils bewegte, teils restringierte Freiheit, selbst die Ursache der allgemeinen Glueckseligkeit, die vernuenftigen Wesen also selbst, unter der Leitung solcher Prinzipien, Urheber ihrer eigenen und zugleich anderer dauerhafter Wohlfahrt sein wuerden. Aber dieses System der sich selbst lohnenden Moralitaet ist nur eine Idee, deren Ausfuehrung auf der Bedingung beruht, dass jedermann tue, was er soll, d.i. alle Handlungen vernuenftiger Wesen so geschehen, als ob sie aus einem obersten Willen, der alle Privatwillkuer in sich, oder unter sich befasst, entspraengen. Da aber die Verbindlichkeit aus dem moralischen Gesetze fuer jedes besonderen Gebrauch der Freiheit gueltig bleibt, wenngleich andere diesem Gesetze sich nicht gemaess verhielten, so ist weder aus der Natur der Dinge der Welt, noch der Kausalitaet der Handlungen selbst und ihrem Verhaeltnisse zur Sittlichkeit bestimmt, wie sich ihre Folgen zur Glueckseligkeit verhalten werden, und die angefuehrte notwendige Verknuepfung der Hoffnung, gluecklich zu sein, mit dem unablaessigen Bestreben, sich der Glueckseligkeit wuerdig zu machen, kann durch die Vernunft nicht erkannt werden, wenn man bloss Natur zum Grunde legt, sondern darf nur gehofft werden, wenn eine hoechste Vernunft, die nach moralischen Gesetzen gebietet, zugleich als Ursache der Natur zum Grunde gelegt wird. Ich nenne die Idee einer solchen Intelligenz, in welcher der moralisch vollkommenste Wille, mit der hoechsten Seligkeit verbunden, die Ursache aller Glueckseligkeit in der Welt ist, sofern sie mit der Sittlichkeit (als der Wuerdigkeit gluecklich zu sein) in genauem Verhaeltnisse steht, das Ideal des hoechsten Guts. Also kann die reine Vernunft nur in dem Ideal des hoechsten urspruenglichen Guts den Grund der praktisch notwendigen Verknuepfung beider Elemente des hoechsten abgeleiteten Gutes, naemlich einer intelligiblen d.i. moralischen Welt, antreffen. Da wir uns nun notwendigerweise durch die Vernunft, als zu einer solchen Welt gehoerig, vorstellen muessen, obgleich die Sinne uns nichts als eine Welt von Erscheinungen darstellen, so werden wir jene als eine Folge unseres Verhaltens in der Sinnenwelt, da uns diese eine solche Verknuepfung nicht darbietet, als eine fuer uns kuenftige Welt annehmen muessen. Gott also und ein kuenftiges Leben, sind zwei von der Verbindlichkeit, die uns reine Vernunft auferlegt, nach Prinzipien eben derselben Vernunft nicht zu trennende Voraussetzungen. Die Sittlichkeit an sich selbst macht ein System aus, aber nicht die Glueckseligkeit, ausser, sofern sie der Moralitaet genau angemessen ausgeteilt ist. Dieses aber ist nur moeglich in der intelligiblen Welt, unter einem weisen Urheber und Regierer. Einen solchen, samt dem Leben in einer solchen Welt, die wir als eine kuenftige ansehen muessen, sieht sich die Vernunft genoetigt anzunehmen, oder die moralischen Gesetze als leere Hirngespinste anzusehen, weil der notwendige Erfolg derselben, den dieselbe Vernunft mit ihnen verknuepft, ohne jene Voraussetzung wegfallen muesste. Daher auch jedermann die moralischen Gesetze als Gebote ansieht, welches sie aber nicht sein koennten, wenn sie nicht a priori angemessene Folgen mit ihrer Regel verknuepften, und also Verheissungen und Drohungen bei sich fuehrten. Dieses koennen sie aber auch nicht tun, wo sie nicht in einem notwendigen Wesen, als dem hoechsten Gut liegen, welches eine solche zweckmaessige Einheit allein moeglich machen kann. Leibnitz nannte die Welt, sofern man darin nur auf die vernuenftigen Wesen und ihren Zusammenhang nach moralischen Gesetzen unter der Regierung des hoechsten Guts achthat, das Reich der Gnaden, und unterschied es vom Reiche der Natur, da sie zwar unter moralischen Gesetzen stehen, aber keine anderen Erfolge ihres Verhaltens erwarten, als nach dem Laufe der Natur unserer Sinnenwelt. Sich also im Reiche der Gnaden zu sehen, wo alle Glueckseligkeit auf uns wartet, ausser sofern wir unseren Anteil an derselben durch die Unwuerdigkeit, gluecklich zu sein, nicht selbst einschraenken, ist eine praktisch notwendige Idee der Vernunft. Praktische Gesetze, sofern sie zugleich subjektive Gruende der Handlungen, d.i. subjektive Grundsaetze werden, heissen Maximen. Die Beurteilung der Sittlichkeit, ihrer Reinigkeit und Folgen nach, geschieht nach Ideen, die Befolgung ihrer Gesetze nach Maximen. Es ist notwendig, dass unser ganzer Lebenswandel sittlichen Maximen untergeordnet werde; es ist aber zugleich unmoeglich, dass dieses geschehe, wenn die Vernunft nicht mit dem moralischen Gesetze, welches eine blosse Idee ist, eine wirkende Ursache verknuepft, welche dem Verhalten nach demselben einen unseren hoechsten Zwecken genau entsprechenden Ausgang, es sei in diesem, oder einem anderen Leben, bestimmt. Ohne also einen Gott und eine fuer uns jetzt nicht sichtbare, aber gehoffte Welt, sind die herrlichen Ideen der Sittlichkeit zwar Gegenstaende des Beifalls und der Bewunderung, aber nicht Triebfedern des Vorsatzes und der Ausuebung, weil sie nicht den ganzen Zweck, der einem jeden vernuenftigen Wesen natuerlich und durch eben dieselbe reine Vernunft a priori bestimmt und notwendig ist, erfuellen. Glueckseligkeit allein ist fuer unsere Vernunft bei weitem nicht das vollstaendige Gut. Sie billigt solche nicht (so sehr als auch Neigung dieselbe wuenschen mag), wofern sie nicht mit der Wuerdigkeit, gluecklich zu sein, d.i. dem sittlichen Wohlverhalten, vereinigt ist. Sittlichkeit allein, und, mit ihr, die blosse Wuerdigkeit, gluecklich zu sein, ist aber auch noch lange nicht das vollstaendige Gut. Um dieses zu vollenden, muss der, so sich als der Glueckseligkeit nicht unwert verhalten hatte, hoffen koennen, ihrer teilhaftig zu werden. Selbst die von aller Privatabsicht freie Vernunft, wenn sie, ohne dabei ein eigenes Interesse in Betracht zu ziehen, sich in die Stelle eines Wesens setzte, das alle Glueckseligkeit anderen auszuteilen haette, kann nicht anders urteilen; denn in der praktischen Idee sind beide Stuecke wesentlich verbunden, obzwar so, dass die moralische Gesinnung, als Bedingung, den Anteil an Glueckseligkeit, und nicht umgekehrt die Aussicht auf Glueckseligkeit die moralische Gesinnung zuerst moeglich mache. Denn im letzteren Falle waere sie nicht moralisch und also auch nicht der ganzen Glueckseligkeit wuerdig, die vor der Vernunft keine andere Einschraenkung erkennt, als die, welche von unserem eigenen unsittlichen Verhalten herruehrt. Glueckseligkeit also, in dem genauen Ebenmasse mit der Sittlichkeit der vernuenftigen Wesen, dadurch sie derselben wuerdig sind, macht allein das hoechste Gut einer Welt aus, darin wir uns nach den Vorschriften der reinen aber praktischen Vernunft durchaus versetzen muessen, und welche freilich nur eine intelligible Welt ist, da die Sinnenwelt uns von der Natur der Dinge dergleichen systematische Einheit der Zwecke nicht verheisst, deren Realitaet auch auf nichts anderes gegruendet werden kann, als auf die Voraussetzung eines hoechsten urspruenglichen Guts, da selbstaendige Vernunft, mit aller Zulaenglichkeit einer obersten Ursache ausgeruestet, nach der vollkommensten Zweckmaessigkeit die allgemeine, obgleich in der Sinnenwelt uns sehr verborgene Ordnung der Dinge gruendet, erhaelt und vollfuehrt. Diese Moraltheologie hat nun den eigentuemlichen Vorzug vor der spekulativen, dass sie unausbleiblich auf den Begriff eines einigen, allervollkommensten und vernuenftigen Urwesens fuehrt, worauf uns spekulative Theologie nicht einmal aus objektiven Gruenden hinweist, geschweige uns davon ueberzeugen konnte. Denn, wir finden weder in der transzendentalen, noch natuerlichen Theologie, so weit uns auch Vernunft darin fuehren mag, einigen bedeutenden Grund, nur ein einiges Wesen anzunehmen, welches wir allen Naturursachen vorsetzen, und von dem wir zugleich diese in allen Stuecken abhaengend zu machen hinreichende Ursache haetten. Dagegen, wenn wir aus dem Gesichtspunkte der sittlichen Einheit, als einem notwendigen Weltgesetze, die Ursache erwaegen, die diesem allein den angemessenen Effekt, mithin auch fuer uns verbindende Kraft geben kann, so muss es ein einiger oberster Wille sein, der alle diese Gesetze in sich befasst. Denn, wie wollten wir unter verschiedenen Willen vollkommene Einheit der Zwecke finden? Dieser Wille muss allgewaltig sein, damit die ganze Natur und deren Beziehung auf Sittlichkeit in der Welt ihm unterworfen sei; allwissend, damit er das Innerste der Gesinnungen und deren moralischen Wert erkenne; allgegenwaertig, damit er unmittelbar allem Beduerfnisse, welches das hoechste Weltbeste erfordert, nahe sei; ewig, damit in keiner Zeit diese Uebereinstimmung der Natur und Freiheit ermangle, usw. Aber diese systematische Einheit der Zwecke in dieser Welt der Intelligenzen, welche, obzwar, als blosse Natur, nur Sinnenwelt, als ein System der Freiheit aber, intelligible, d.i. moralische Welt (regnum gratiae) genannt werden kann, fuehrt unausbleiblich auch auf die zweckmaessige Einheit aller Dinge, die dieses grosse Ganze ausmachen, nach allgemeinen Naturgesetzen, so wie die erstere nach allgemeinen und notwendigen Sittengesetzen, und vereinigt die praktische Vernunft mit der spekulativen. Die Welt muss als aus einer Idee entsprungen vorgestellt werden, wenn sie mit demjenigen Vernunftgebrauch, ohne welchen wir uns selbst der Vernunft unwuerdig halten wuerden, naemlich dem moralischen, als welcher durchaus auf der Idee des hoechsten Guts beruht, zusammenstimmen soll. Dadurch bekommt alle Naturforschung eine Richtung nach der Form eines Systems der Zwecke, und wird in ihrer hoechsten Ausbreitung Physikotheologie. Diese aber, da sie doch von sittlicher Ordnung, als einer in dem Wesen der Freiheit gegruendeten und nicht durch aeussere Gebote zufaellig gestifteten Einheit, anhob, bringt die Zweckmaessigkeit der Natur auf Gruende, die a priori mit der inneren Moeglichkeit der Dinge unzertrennlich verknuepft sein muessen, und dadurch auf eine transzendentale Theologie, die sich das Ideal der hoechsten ontologischen Vollkommenheit zu einem Prinzip der systematischen Einheit nimmt, welches nach allgemeinen und notwendigen Naturgesetzen alle Dinge verknuepft, weil sie alle in der absoluten Notwendigkeit eines einigen Urwesens ihren Ursprung haben. Was koennen wir fuer einen Gebrauch von unserem Verstande machen, selbst in Ansehung der Erfahrung, wenn wir uns nicht Zwecke vorsetzen? Die hoechsten Zwecke aber sind die der Moralitaet, und diese kann uns nur reine Vernunft zu erkennen geben. Mit diesen nun versehen, und an dem Leitfaden derselben, koennen wir von der Kenntnis der Natur selbst keinen zweckmaessigen Gebrauch in Ansehung der Erkenntnis machen, wo die Natur nicht selbst zweckmaessige Einheit hingelegt hat; denn ohne diese haetten wir sogar selbst keine Vernunft, weil wir keine Schule fuer dieselbe haben wuerden, und keine Kultur durch Gegenstaende, welche den Stoff zu solchen Begriffen darboeten. Jene zweckmaessige Einheit ist aber notwendig, und in dem Wesen der Willkuer selbst gegruendet, diese also, welche die Bedingung der Anwendung derselben in concreto enthaelt, muss es auch sein, und so wuerde die transzendentale Steigerung unserer Vernunfterkenntnis nicht die Ursache, sondern bloss die Wirkung von der praktischen Zweckmaessigkeit sein, die uns die reine Vernunft auferlegt. Wir finden daher auch in der Geschichte der menschlichen Vernunft: dass, ehe die moralischen Begriffe genugsam gereinigt, bestimmt, und die systematische Einheit der Zwecke nach denselben und zwar aus notwendigen Prinzipien eingesehen waren, die Kenntnis der Natur und selbst ein ansehnlicher Grad der Kultur der Vernunft in manchen anderen Wissenschaften, teils nur rohe und umherschweifende Begriffe von der Gottheit hervorbringen konnte, teils eine zu bewundernde Gleichgueltigkeit ueberhaupt in Ansehung dieser Frage uebrig liess. Eine groessere Bearbeitung sittlicher Ideen, die durch das aeusserst reine Sittengesetz unserer Religion notwendig gemacht wurde, schaerfte die Vernunft auf den Gegenstand, durch das Interesse, das sie an demselben zu nehmen noetigte, und, ohne dass weder erweiterte Naturerkenntnisse, noch richtige und zuverlaessige transzendentale Einsichten (dergleichen zu aller Zeit gemangelt haben), dazu beitrugen, brachten sie einen Begriff vom goettlichen Wesen zustande, den wir jetzt fuer den richtigen halten, nicht weil uns spekulative Vernunft von dessen Richtigkeit ueberzeugt, sondern weil er mit den moralischen Vernunftprinzipien vollkommen zusammenstimmt. Und so hat am Ende doch immer nur reine Vernunft, aber nur in ihrem praktischen Gebrauche, das Verdienst, ein Erkenntnis, das die blosse Spekulation nur waehnen, aber nicht geltend machen kann, an unser hoechstes Interesse zu knuepfen, und dadurch zwar nicht zu einem demonstrierten Dogma, aber doch zu einer schlechterdings notwendigen Voraussetzung bei ihren wesentlichsten Zwecken zu machen. Wenn aber praktische Vernunft nun diesen hohen Punkt erreicht hat, naemlich den Begriff eines einigen Urwesens, als des hoechsten Guts, so darf sie sich gar nicht unterwinden, gleich als haette sie sich ueber alle empirischen Bedingungen seiner Anwendung erhoben, und zur unmittelbaren Kenntnis neuer Gegenstaende emporgeschwungen, um von diesem Begriffe auszugehen, und die moralischen Gesetze selbst von ihm abzuleiten. Denn diese waren es eben, deren innere praktische Notwendigkeit uns zu der Voraussetzung einer selbstaendigen Ursache, oder eines weisen Weltregierers fuehrte, um jenen Gesetzen Effekt zu geben, und daher koennen wir sie nicht nach diesem wiederum als zufaellig und vom blossen Willen abgeleitet ansehen, insonderheit von einem solchen Willen, von dem wir gar keinen Begriff haben wuerden, wenn wir ihn nicht jenen Gesetzen gemaess gebildet haetten. Wir werden, soweit praktische Vernunft uns zu fuehren das Recht hat, Handlungen nicht darum fuer verbindlich halten, weil sie Gebote Gottes sind, sondern sie darum als goettliche Gebote ansehen, weil wir dazu innerlich verbindlich sind. Wir werden die Freiheit, unter der zweckmaessigen Einheit nach Prinzipien der Vernunft, studieren, und nur sofern glauben dem goettlichen Willen gemaess zu sein, als wir das Sittengesetz, welches uns die Vernunft aus der Natur der Handlungen selbst lehrt, heilig halten, ihm dadurch allein zu dienen glauben, dass wir das Weltbeste an uns und an anderen befoerdern. Die Moraltheologie ist also nur von immanentem Gebrauche, naemlich unsere Bestimmung hier in der Welt zu erfuellen, indem wir in das System aller Zwecke passen, und nicht schwaermerisch oder wohl gar frevelhaft den Leitfaden einer moralisch gesetzgebenden Vernunft im guten Lebenswandel zu verlassen, um ihn unmittelbar an die Idee des hoechsten Wesens zu knuepfen, welches einen transzendenten Gebrauch geben wuerde, aber ebenso, wie der der blossen Spekulation, die letzten Zwecke der Vernunft verkehren und vereiteln muss. Des Kanons der reinen Vernunft Dritter Abschnitt Vom Meinen, Wissen und Glauben Das Fuerwahrhalten ist eine Begebenheit in unserem Verstande, die auf objektiven Gruenden beruhen mag, aber auch subjektive Ursachen im Gemuete dessen, der da urteilt, erfordert. Wenn es fuer jedermann gueltig ist, sofern er nur Vernunft hat, so ist der Grund desselben objektiv hinreichend, und das Fuerwahrhalten heisst alsdann Ueberzeugung. Hat es nur in der besonderer Beschaffenheit des Subjekts seinen Grund, so wird es Ueberredung genannt. Ueberredung ist ein blosser Schein, weil der Grund des Urteils, welcher lediglich im Subjekte liegt, fuer objektiv gehalten wird. Daher hat ein solches Urteil auch nur Privatgueltigkeit, und das Fuerwahrhalten laesst sich nicht mitteilen. Wahrheit aber beruht auf der Uebereinstimmung mit dem Objekte, in Ansehung dessen folglich die Urteile eines jeden Verstandes einstimmig sein muessen (consentientia uni tertio, consentiunt inter se). Der Probierstein des Fuerwahrhaltens, ob es Ueberzeugung oder blosse Ueberredung sei, ist also, aeusserlich, die Moeglichkeit, dasselbe mitzuteilen und das Fuerwahrhalten fuer jedes Menschen Vernunft gueltig zu befinden; denn alsdann ist wenigstens eine Vermutung, der Grund der Einstimmung aller Urteile, ungeachtet der Verschiedenheit der Subjekte untereinander, werde auf dem gemeinschaftlichen Grunde, naemlich dem Objekte, beruhen, mit welchem sie daher alle zusammenstimmen und dadurch die Wahrheit des Urteils beweisen werden. Ueberredung demnach kann von der Ueberzeugung subjektiv zwar nicht unterschieden werden, wenn das Subjekt das Fuerwahrhalten, bloss als Erscheinung seines eigenen Gemuets, vor Augen hat; der Versuch aber, den man mit den Gruenden desselben, die fuer uns gueltig sind, an anderer Verstand macht, ob sie auf fremde Vernunft eben dieselbe Wirkung tun, als auf die unsrige, ist doch ein, obzwar nur subjektives, Mittel, zwar nicht Ueberzeugung zu bewirken, aber doch die blosse Privatgueltigkeit des Urteils, d.i. etwas in ihm, was blosse Ueberredung ist, zu entdecken. Kann man ueberdem die subjektiven Ursachen des Urteils, welche wir fuer objektive Gruende desselben nehmen, entwickeln, und mithin das truegliche Fuerwahrhalten als eine Begebenheit in unserem Gemuete erklaeren, ohne dazu die Beschaffenheit des Objekts noetig zu haben, so entbloessen wir den Schein und werden dadurch nicht mehr hintergangen, obgleich immer noch in gewissem Grade versucht, wenn die subjektive Ursache des Scheins unserer Natur anhaengt. Ich kann nichts behaupten, d.i. als ein fuer jedermann notwendig gueltiges Urteil aussprechen, als was Ueberzeugung wirkt. Ueberredung kann ich fuer mich behalten, wenn ich mich dabei wohlbefinde, kann sie aber und soll sie ausser mir nicht geltend machen wollen. Das Fuerwahrhalten, oder die subjektive Gueltigkeit des Urteils, in Beziehung auf die Ueberzeugung (welche zugleich objektiv gilt), hat folgende drei Stufen: Meinen, Glauben und Wissen. Meinen ist ein mit Bewusstsein sowohl subjektiv, als objektiv unzureichendes Fuerwahrhalten. Ist das letztere nur subjektiv zureichend und wird zugleich fuer objektiv unzureichend gehalten, so heisst es Glauben. Endlich heisst das sowohl subjektiv als objektiv zureichende Fuerwahrhalten das Wissen. Die subjektive Zulaenglichkeit heisst Ueberzeugung (fuer mich selbst), die objektive, Gewissheit (fuer jedermann). Ich werde mich bei der Erlaeuterung so fasslicher Begriffe nicht aufhalten. Ich darf mich niemals unterwinden, zu meinen, ohne wenigstens etwas zu wissen, vermittelst dessen das an sich bloss problematische Urteil eine Verknuepfung mit Wahrheit bekommt, die, ob sie gleich nicht vollstaendig, doch mehr als willkuerliche Erdichtung ist. Das Gesetz einer solchen Verknuepfung muss ueberdem gewiss sein. Denn, wenn ich in Ansehung dessen auch nichts als Meinung habe, so ist alles nur Spiel der Einbildung, ohne die mindeste Beziehung auf Wahrheit. In Urteilen aus reiner Vernunft ist es gar nicht erlaubt, zu meinen. Denn, weil sie nicht auf Erfahrungsgruende gestuetzt werden, sondern alles a priori erkannt werden soll, wo alles notwendig ist, so erfordert das Prinzip der Verknuepfung Allgemeinheit und Notwendigkeit, mithin voellige Gewissheit, widrigenfalls gar keine Leitung auf Wahrheit angetroffen wird. Daher ist es ungereimt, in der reinen Mathematik zu meinen; man muss wissen, oder sich alles Urteilens enthalten. Ebenso ist es mit den Grundsaetzen der Sittlichkeit bewandt, da man nicht auf blosse Meinung, dass etwas erlaubt sei, eine Handlung wagen darf, sondern dieses wissen muss. Im transzendentalen Gebrauche der Vernunft ist dagegen Meinen freilich zu wenig, aber Wissen auch zu viel. In bloss spekulativer Absicht koennen wir also hier gar nicht urteilen; weil subjektive Gruende des Fuerwahrhaltens, wie die, so das Glauben bewirken koennen, bei spekulativen Fragen keinen Beifall verdienen, da sie sich frei von aller empirischen Beihilfe nicht halten, noch in gleichem Masse anderen mitteilen lassen. Es kann aber ueberall bloss in praktischer Beziehung das theoretisch unzureichende Fuerwahrhalten Glauben genannt werden. Diese praktische Absicht ist nun entweder die der Geschicklichkeit, oder der Sittlichkeit, die erste zu beliebigen und zufaelligen, die zweite aber zu schlechthin notwendigen Zwecken. Wenn einmal ein Zweck vorgesetzt ist, so sind die Bedingungen der Erreichung desselben hypothetisch notwendig. Diese Notwendigkeit ist subjektiv, aber doch nur komparativ zureichend, wenn ich gar keine anderen Bedingungen weiss, unter denen der Zweck zu erreichen waere; aber sie ist schlechthin und fuer jedermann zureichend, wenn ich gewiss weiss, dass niemand andere Bedingungen kennen koenne, die auf den vorgesetzten Zweck fuehren. Im ersten Falle ist meine Voraussetzung und das Fuerwahrhalten gewisser Bedingungen ein bloss zufaelliger, im zweiten Falle aber ein notwendiger Glaube. Der Arzt muss bei einem Kranken, der in Gefahr ist, etwas tun, kennt aber die Krankheit nicht. Er sieht auf die Erscheinungen, und urteilt, weil er nichts Besseres weiss, es sei die Schwindsucht. Sein Glaube ist selbst in seinem eigenen Urteile bloss zufaellig, ein anderer moechte es vielleicht besser treffen. Ich nenne dergleichen zufaelligen Glauben, der aber dem wirklichen Gebrauche der Mittel zu gewissen Handlungen zum Grunde liegt, den pragmatischen Glauben. Der gewoehnliche Probierstein: ob etwas blosse Ueberredung, oder wenigstens subjektive Ueberzeugung, d.i. festes Glauben sei, was jemand behauptet, ist das Wetten. Oefters spricht jemand seine Saetze mit so zuversichtlichem und unlenkbarem Trotze aus, dass er alle Besorgnis des Irrtums gaenzlich abgelegt zu haben scheint. Eine Wette macht ihn stutzig. Bisweilen zeigt sich, dass er zwar Ueberredung genug, die auf einen Dukaten an Wert geschaetzt werden kann, aber nicht auf zehn, besitze. Denn den ersten wagt er noch wohl, aber bei zehn wird er allererst inne, was er vorher nicht bemerkte, dass es naemlich doch wohl moeglich sei, er habe sich geirrt. Wenn man sich in Gedanken vorstellt, man solle worauf das Glueck des ganzen Lebens verwetten, so schwindet unser triumphierendes Urteil gar sehr, wir werden ueberaus schuechtern und entdecken so allererst, dass unser Glaube so weit nicht zulange. So hat der pragmatische Glaube nur einen Grad, der nach Verschiedenheit des Interesses, das dabei im Spiele ist, gross oder auch klein sein kann. Weil aber, ob wir gleich in Beziehung auf ein Objekt gar nichts unternehmen koennen, also das Fuerwahrhalten bloss theoretisch ist, wir doch in vielen Faellen eine Unternehmung in Gedanken fassen und uns einbilden koennen, zu welcher wir hinreichende Gruende zu haben vermeinen, wenn es ein Mittel gaebe, die Gewissheit der Sache auszumachen, so gibt es in bloss theoretischen Urteilen ein Analogon von praktischen, auf deren Fuerwahrhaltung das Wort Glauben passt, und den wir den doktrinalen Glauben nennen koennen. Wenn es moeglich waere durch irgendeine Erfahrung auszumachen, so moechte ich wohl alles das Meinige darauf verwetten, dass es wenigstens in irgendeinem von den Planeten, die wir sehen, Einwohner gebe. Daher sage ich, ist es nicht bloss Meinung, sondern ein starker Glaube (auf dessen Richtigkeit ich schon viele Vorteile des Lebens wagen wuerde), dass es auch Bewohner anderer Welten gebe. Nun muessen wir gestehen, dass die Lehre vom Dasein Gottes zum doktrinalen Glauben gehoere. Denn, ob ich gleich in Ansehung der theoretischen Weltkenntnis nichts zu verfuegen habe, was diesen Gedanken, als Bedingung meiner Erklaerungen der Erscheinungen der Welt, notwendig voraussetze, sondern vielmehr verbunden bin, meiner Vernunft mich so zu bedienen, als ob alles bloss Natur sei; so ist doch die zweckmaessige Einheit eine so grosse Bedingung der Anwendung der Vernunft auf Natur, dass ich, da mir ueberdem Erfahrung reichlich davon Beispiele darbietet, sie gar nicht vorbeigehen kann. Zu dieser Einheit aber kenne ich keine andere Bedingung, die sie mir zum Leitfaden der Naturforschung machte, als wenn ich voraussetze, dass eine hoechste Intelligenz alles nach den weisesten Zwecken so geordnet habe. Folglich ist es eine Bedingung einer zwar zufaelligen, aber doch nicht unerheblichen Absicht, naemlich, um eine Leitung in der Nachforschung der Natur zu haben, einen weisen Welturheber vorauszusetzen. Der Ausgang meiner Versuche bestaetigt auch so oft die Brauchbarkeit dieser Voraussetzung, und nichts kann auf entscheidende Art dawider angefuehrt werden; dass ich viel zu wenig sage, wenn ich mein Fuerwahrhalten bloss ein Meinen nennen wollte, sondern es kann selbst in diesem theoretischen Verhaeltnisse gesagt werden, dass ich festiglich einen Gott glaube; aber alsdann ist dieser Glaube in strenger Bedeutung dennoch nicht praktisch, sondern muss ein doktrinaler Glaube genannt werden, den die Theologie der Natur (Physikotheologie) notwendig allerwaerts bewirken muss. In Ansehung eben derselben Weisheit, in Ruecksicht auf die vortreffliche Ausstattung der menschlichen Natur und die derselben so schlecht angemessene Kuerze des Lebens, kann ebensowohl genugsamer Grund zu einem doktrinalen Glauben des kuenftigen Lebens der menschlichen Seele angetroffen werden. Der Ausdruck des Glaubens ist in solchen Faellen ein Ausdruck der Bescheidenheit in objektiver Absicht, aber doch zugleich der Festigkeit des Zutrauens in subjektiver. Wenn ich das bloss theoretische Fuerwahrhalten hier auch nur Hypothese nennen wollte, die ich anzunehmen berechtigt waere, so wuerde ich mich dadurch schon anheischig machen, mehr, von der Beschaffenheit einer Weltursache und einer anderen Welt, Begriff zu haben, als ich wirklich aufzeigen kann; denn was ich auch nur als Hypothese annehme, davon muss ich wenigstens seinen Eigenschaften nach so viel kennen, dass ich nicht seinen Begriff, sondern nur sein Dasein erdichten darf. Das Wort Glauben aber geht nur auf die Leitung, die mir eine Idee gibt, und den subjektiven Einfluss auf die Befoerderung meiner Vernunfthandlungen, die mich an derselben festhaelt, ob ich gleich von ihr nicht imstande bin, in spekulativer Absicht Rechenschaft zu geben. Aber der bloss doktrinale Glaube hat etwas Wankendes in sich; man wird oft durch Schwierigkeiten, die sich in der Spekulation vorfinden, aus demselben gesetzt, ob man zwar unausbleiblich dazu immer wiederum zurueckkehrt. Ganz anders ist es mit dem moralischen Glauben bewandt. Denn da ist es schlechterdings notwendig, dass etwas geschehen muss, naemlich, dass ich dem sittlichen Gesetze in allen Stuecken Folge leiste. Der Zweck ist hier unumgaenglich festgestellt, und es ist nur eine einzige Bedingung nach aller meiner Einsicht moeglich, unter welcher dieser Zweck mit allen gesamten Zwecken zusammenhaengt, und dadurch praktische Gueltigkeit habe, naemlich, dass ein Gott und eine kuenftige Welt sei: ich weiss auch ganz gewiss, dass niemand andere Bedingungen kenne, die auf dieselbe Einheit der Zwecke unter dem moralischen Gesetze fuehre. Da aber also die sittliche Vorschrift zugleich meine Maxime ist (wie denn die Vernunft gebietet, dass sie es sein soll), so werde ich unausbleiblich ein Dasein Gottes und ein kuenftiges Leben glauben, und ich bin sicher, dass diesen Glauben nichts wankend machen koennte, weil dadurch meine sittlichen Grundsaetze selbst umgestuerzt werden wuerden, denen ich nicht entsagen kann, ohne in meinen eigenen Augen verabscheuungswuerdig zu sein. Auf solche Weise bleibt uns, nach Vereitlung aller ehrsuechtigen Absichten einer ueber die Grenzen aller Erfahrung hinaus herumschweifenden Vernunft, noch genug uebrig, dass wir damit in praktischer Absicht zufrieden zu sein Ursache haben. Zwar wird freilich sich niemand ruehmen koennen: er wisse, dass ein Gott und dass ein kuenftig Leben sei; denn, wenn er das weiss, so ist er gerade der Mann, den ich laengst gesucht habe. Alles Wissen (wenn es einen Gegenstand der blossen Vernunft betrifft) kann man mitteilen, und ich wuerde also auch hoffen koennen, durch seine Belehrung mein Wissen in so bewunderungswuerdigem Masse ausgedehnt zu sehen. Nein, die Ueberzeugung ist nicht logische, sondern moralische Gewissheit, und, da sie auf subjektiven Gruenden (der moralischen Gesinnung) beruht, so muss ich nicht einmal sagen: es ist moralisch gewiss, dass ein Gott sei usw., sondern, ich bin moralisch gewiss usw. Das heisst: der Glaube an einen Gott und eine andere Welt ist mit meiner moralischen Gesinnung so verwebt, dass, so wenig ich Gefahr laufe, die erstere einzubuessen, ebensowenig besorge ich, dass mir der zweite jemals entrissen werden koenne. Das einzige Bedenkliche, das sich hierbei findet, ist, dass sich dieser Vernunftglaube auf die Voraussetzung moralischer Gesinnungen gruendet. Gehen wir davon ab, und nehmen einen, der in Ansehung sittlicher Gesetze gaenzlich gleichgueltig waere, so wird die Frage, welche die Vernunft aufwirft, bloss eine Aufgabe fuer die Spekulation, und kann alsdann zwar noch mit starken Gruenden aus der Analogie, aber nicht mit solchen, denen sich die hartnaeckigste Zweifelsucht ergeben muesste, unterstuetzt werden*. Es ist aber kein Mensch bei diesen Fragen frei von allem Interesse. Denn, ob er gleich von dem moralischen, durch den Mangel guter Gesinnungen, getrennt sein moechte: so bleibt doch auch in diesem Falle genug uebrig, um zu machen, dass er ein goettliches Dasein und eine Zukunft fuerchte. Denn hierzu wird nichts mehr erfordert, als dass er wenigstens keine Gewissheit vorschuetzen koenne, dass kein solches Wesen und kein kuenftig Leben anzutreffen sei, wozu, weil es durch blosse Vernunft, mithin apodiktisch bewiesen werden muesste, er die Unmoeglichkeit von beiden darzutun haben wuerde, welches gewiss kein vernuenftiger Mensch uebernehmen kann. Das wuerde ein negativer Glaube sein, der zwar nicht Moralitaet und gute Gesinnungen, aber doch das Analogon derselben bewirken, naemlich den Ausbruch der boesen maechtig zurueckhalten koennte. * Das menschliche Gemuet nimmt (so wie ich glaube, dass es bei jedem vernuenftigen Wesen notwendig geschieht) ein natuerliches Interesse an der Moralitaet, ob es gleich nicht ungeteilt und praktisch ueberwiegend ist. Befestigt und vergroessert dieses Interesse, und ihr werdet die Vernunft sehr gelehrig und selbst aufgeklaerter finden, um mit dem praktischen auch das spekulative Interesse zu vereinigen. Sorget ihr aber nicht dafuer, dass ihr vorher, wenigstens auf dem halben Wege, gute Menschen macht, so werdet ihr auch niemals aus ihnen aufrichtigglaeubige Menschen machen! Ist das aber alles, wird man sagen, was reine Vernunft ausrichtet, indem sie ueber die Grenzen der Erfahrung hinaus Aussichten eroeffnet? nichts mehr, als zwei Glaubensartikel? so viel haette auch wohl der gemeine Verstand, ohne darueber die Philosophen zu Rate zu ziehen, ausrichten koennen! Ich will hier nicht das Verdienst ruehmen, das Philosophie durch die muehsame Bestrebung ihrer Kritik um die menschliche Vernunft habe; gesetzt, es sollte auch beim Ausgange bloss negativ befunden werden; denn davon wird in dem folgenden Abschnitte noch etwas vorkommen. Aber verlangt ihr denn, dass ein Erkenntnis, welches alle Menschen angeht, den gemeinen Verstand uebersteigen, und euch nur von Philosophen entdeckt werden solle? Eben das, was ihr tadelt, ist die beste Bestaetigung von der Richtigkeit der bisherigen Behauptungen, da es das, was man anfangs nicht vorhersehen konnte, entdeckt, naemlich, dass die Natur, in dem, was Menschen ohne Unterschied angelegen ist, keiner parteiischen Austeilung ihrer Gaben zu beschuldigen sei, und die hoechste Philosophie in Ansehung der wesentlichen Zwecke der menschlichen Natur es nicht weiter bringen koenne, als die Leitung, welche sie auch dem gemeinsten Verstande hat angedeihen lassen. Der transzendentalen Methodenlehre Drittes Hauptstueck Die Architektonik der reinen Vernunft Ich verstehe unter einer Architektonik die Kunst der Systeme. Weil die systematische Einheit dasjenige ist, was gemeine Erkenntnis allererst zur Wissenschaft, d.i. aus einem blossen Aggregat derselben ein System macht, so ist Architektonik die Lehre des Scientifischen in unserer Erkenntnis ueberhaupt, und sie gehoert also notwendig zur Methodenlehre. Unter der Regierung der Vernunft duerfen unsere Erkenntnisse ueberhaupt keine Rhapsodie, sondern sie muessen ein System ausmachen, in welchem sie allein die wesentlichen Zwecke derselben unterstuetzen und befoerdern koennen. Ich verstehe aber unter einem Systeme die Einheit der mannigfaltigen Erkenntnisse unter einer Idee. Diese ist der Vernunftbegriff von der Form eines Ganzen, sofern durch denselben der Umfang des Mannigfaltigen sowohl, als die Stelle der Teile untereinander, a priori bestimmt wird. Der szientifische Vernunftbegriff enthaelt also den Zweck und die Form des Ganzen, das mit demselben kongruiert. Die Einheit des Zwecks, worauf sich alle Teile und in der Idee desselben auch untereinander beziehen, macht, dass ein jeder Teil bei der Kenntnis der uebrigen vermisst werden kann, und keine zufaellige Hinzusetzung, oder unbestimmte Groesse der Vollkommenheit, die nicht ihre a priori bestimmten Grenzen habe, stattfindet. Das Ganze ist also gegliedert (articulatio) und nicht gehaeuft (coacervatio); es kann zwar innerlich (per intus susceptionem), aber nicht aeusserlich (per appositionem) wachsen, wie ein tierischer Koerper, dessen Wachstum kein Glied hinzusetzt, sondern, ohne Veraenderung der Proportion, ein jedes zu seinen Zwecken staerker und tuechtiger macht. Die Idee bedarf zur Ausfuehrung ein Schema, d.i. eine a priori aus dem Prinzip des Zwecks bestimmte wesentliche Mannigfaltigkeit und Ordnung der Teile. Das Schema, welches nicht nach einer Idee, d.i. aus dem Hauptzwecke der Vernunft, sondern empirisch, nach zufaellig sich darbietenden Absichten (deren Menge man nicht voraus wissen kann), entworfen wird, gibt technische, dasjenige aber, was nur zufolge einer Idee entspringt (wo die Vernunft die Zwecke a priori aufgibt, und nicht empirisch erwartet), gruendet architektonische Einheit. Nicht technisch, wegen der Aehnlichkeit des Mannigfaltigen, oder des zufaelligen Gebrauchs der Erkenntnis in concreto zu allerlei beliebigen aeusseren Zwecken, sondern architektonisch, um der Verwandtschaft willen und der Ableitung von einem einigen obersten und inneren Zwecke, der das Ganze allererst moeglich macht, kann dasjenige entspringen, was wir Wissenschaft nennen, dessen Schema den Umriss (monogramma) und die Einteilung des Ganzen in Glieder, der Idee gemaess, d.i. a priori enthalten, und dieses von allen anderen sicher und nach Prinzipien unterscheiden muss. Niemand versucht es, eine Wissenschaft zustande zu bringen, ohne dass ihm eine Idee zum Grunde liege. Allein, in der Ausarbeitung derselben entspricht das Schema, ja sogar die Definition, die er gleich zu Anfang von seiner Wissenschaft gibt, sehr selten seiner Idee; denn diese liegt, wie ein Keim, in der Vernunft, in welchem alle Teile noch sehr eingewickelt und kaum der mikroskopischen Beobachtung kennbar, verborgen liegen. Um deswillen muss man Wissenschaften, weil sie doch alle aus dem Gesichtspunkte eines gewissen allgemeinen Interesses ausgedacht werden, nicht nach der Beschreibung, die der Urheber derselben davon gibt, sondern nach der Idee, welche man aus der natuerlichen Einheit der Teile, die er zusammengebracht hat, in der Vernunft selbst gegruendet findet, erklaeren und bestimmen. Denn da wird sich finden, dass der Urheber und oft noch seine spaetesten Nachfolger um eine Idee herumirren, die sie sich selbst nicht haben deutlich machen und daher den eigentuemlichen Inhalt, die Artikulation (systematische Einheit) und Grenzen der Wissenschaft nicht bestimmen koennen. Es ist schlimm, dass nur allererst, nachdem wir lange Zeit, nach Anweisung einer in uns versteckt liegenden Idee, rhapsodistisch viele dahin sich beziehenden Erkenntnisse, als Bauzeug, gesammelt, ja gar lange Zeiten hindurch sie technisch zusammengesetzt haben, es uns dann allererst moeglich ist, die Idee in hellerem Lichte zu erblicken, und ein Ganzes nach den Zwecken der Vernunft architektonisch zu entwerfen. Die Systeme scheinen, wie Gewuerme, durch eine generatio aequivoca, aus dem blossen Zusammenfluss von aufgesammelten Begriffen, anfangs verstuemmelt, mit der Zeit vollstaendig, gebildet worden zu sein, ob sie gleich alle insgesamt ihr Schema, als den urspruenglichen Keim, in der sich bloss auswickelnden Vernunft hatten, und darum, nicht allein ein jedes fuer sich nach einer Idee gegliedert, sondern noch dazu alle untereinander in einem System menschlicher Erkenntnis wiederum als Glieder eines Ganzen zweckmaessig vereinigt sind, und eine Architektonik alles menschlichen Wissens erlauben, die jetziger Zeit, da schon so viel Stoff gesammelt ist, oder aus Ruinen eingefallener alter Gebaeude genommen werden kann, nicht allein moeglich, sondern nicht einmal sogar schwer sein wuerde. Wir begnuegen uns hier mit der Vollendung unseres Geschaeftes, naemlich, lediglich die Architektonik aller Erkenntnis aus reiner Vernunft zu entwerfen, und fangen nur von dem Punkte an, wo sich die allgemeine Wurzel unserer Erkenntniskraft teilt und zwei Staemme auswirft, deren einer Vernunft ist. Ich verstehe hier aber unter Vernunft das ganze obere Erkenntnisvermoegen, und setze also das Rationale dem Empirischen entgegen. Wenn ich von allem Inhalte der Erkenntnis, objektiv betrachtet, abstrahiere, so ist alles Erkenntnis, subjektiv, entweder historisch oder rational. Die historische Erkenntnis ist cognitio ex datis, die rationale aber cognitio ex principiis. Eine Erkenntnis mag urspruenglich gegeben sein, woher sie wolle, so ist sie doch bei dem, der sie besitzt, historisch, wenn er nur in dem Grade und so viel erkennt, als ihm anderwaerts gegeben worden, es mag dieses ihm nun durch unmittelbare Erfahrung oder Erzaehlung, oder auch Belehrung (allgemeiner Erkenntnisse) gegeben sein. Daher hat der, welcher ein System der Philosophie, z.B. das Wolfische, eigentlich gelernt hat, ob er gleich alle Grundsaetze, Erklaerungen und Beweise, zusamt der Einteilung des ganzen Lehrgebaeudes, im Kopfe haette, und alles an den Fingern abzaehlen koennte, doch keine andere als vollstaendige historische Erkenntnis der Wolfischen Philosophie; er weiss und urteilt nur so viel, als ihm gegeben war. Streitet ihm eine Definition, so weiss er nicht, wo er eine andere hernehmen soll. Er bildete sich nach fremder Vernunft, aber das nachbildende Vermoegen ist nicht das erzeugende, d.i. das Erkenntnis entsprang bei ihm nicht aus Vernunft, und, ob es gleich, objektiv, allerdings ein Vernunfterkenntnis war, so ist es doch, subjektiv, bloss historisch. Er hat gut gefasst und behalten, d.i. gelernt, und ist ein Gipsabdruck von einem lebenden Menschen. Vernunfterkenntnisse, die es objektiv sind, (d.i. anfangs nur aus der eigenen Vernunft des Menschen entspringen koennen,) duerfen nur dann allein auch subjektiv diesen Namen fuehren, wenn sie aus allgemeinen Quellen der Vernunft, woraus auch die Kritik, ja selbst die Verwerfung des Gelernten entspringen kann, d.i. aus Prinzipien geschoepft worden. Alle Vernunfterkenntnis ist nun entweder die aus Begriffen, oder aus der Konstruktion der Begriffe; die erstere heisst philosophisch, die zweite mathematisch. Von dem inneren Unterschiede beider habe ich schon im ersten Hauptstuecke gehandelt. Ein Erkenntnis demnach kann objektiv philosophisch sein, und ist doch subjektiv historisch, wie bei den meisten Lehrlingen, und bei allen, die ueber die Schule niemals hinausgehen und zeitlebens Lehrlinge bleiben. Es ist aber doch sonderbar, dass das mathematische Erkenntnis, so wie man es erlernt hat, doch auch subjektiv fuer Vernunfterkenntnis gelten kann, und ein solcher Unterschied bei ihr nicht so, wie bei dem philosophischen stattfindet. Die Ursache ist, weil die Erkenntnisquellen, aus denen der Lehrer allein schoepfen kann, nirgend anders als in den wesentlichen und echten Prinzipien der Vernunft liegen, und mithin von dem Lehrlinge nirgend anders hergenommen, noch etwa gestritten werden koennen, und dieses zwar darum, weil der Gebrauch der Vernunft hier nur in concreto, obzwar dennoch a priori, naemlich an der reinen, und eben deswegen fehlerfreien, Anschauung geschieht, und alle Taeuschung und Irrtum ausschliesst. Man kann also unter allen Vernunftwissenschaften (a priori) nur allein Mathematik, niemals aber Philosophie (es sei denn historisch), sondern, was die Vernunft betrifft, hoechstens nur philosophieren lernen. Das System aller philosophischen Erkenntnis ist nun Philosophie. Man muss sie objektiv nehmen, wenn man darunter das Urbild der Beurteilung aller Versuche zu philosophieren versteht, welche jede subjektive Philosophie zu beurteilen dienen soll, deren Gebaeude oft so mannigfaltig und so veraenderlich ist. Auf diese Weise ist Philosophie eine blosse Idee von einer moeglichen Wissenschaft, die nirgend in concreto gegeben ist, welcher man sich aber auf mancherlei Wegen zu naehern sucht, so lange, bis der einzige, sehr durch Sinnlichkeit verwachsene Fusssteig entdeckt wird, und das bisher verfehlte Nachbild, so weit als es Menschen vergoennt ist, dem Urbilde gleich zu machen gelingt. Bis dahin kann man keine Philosophie lernen; denn, wo ist sie, wer hat sie im Besitze, und woran laesst sie sich erkennen? Man kann nur philosophieren lernen, d.i. das Talent der Vernunft in der Befolgung ihrer allgemeinen Prinzipien an gewissen vorhandenen Versuchen ueben, doch immer mit Vorbehalt des Rechts der Vernunft, jene selbst in ihren Quellen zu untersuchen und zu bestaetigen, oder zu verwerfen. Bis dahin ist aber der Begriff von Philosophie nur ein Schulbegriff, naemlich von einem System der Erkenntnis, die nur als Wissenschaft gesucht wird, ohne etwas mehr als die systematische Einheit dieses Wissens, mithin die logische Vollkommenheit der Erkenntnis zum Zwecke zu haben. Es gibt aber noch einen Weltbegriff (conceptus cosmicus), der dieser Benennung jederzeit zum Grunde gelegen hat, vornehmlich wenn man ihn gleichsam personifizierte und in dem Ideal des Philosophen sich als ein Urbild vorstellte. In dieser Absicht ist Philosophie die Wissenschaft von der Beziehung aller Erkenntnis auf die wesentlichen Zwecke der menschlichen Vernunft (teleologia rationis humanae), und der Philosoph ist nicht ein Vernunftkuenstler, sondern der Gesetzgeber der menschlichen Vernunft. In solcher Bedeutung waere es sehr ruhmredig, sich selbst einen Philosophen zu nennen, und sich anzumassen, dem Urbilde, das nur in der Idee liegt, gleichgekommen zu sein. Der Mathematiker, der Naturkuendiger, der Logiker sind, so vortrefflich die ersteren auch ueberhaupt im Vernunfterkenntnisse, die zweiten besonders im philosophischen Erkenntnisse Fortgang haben moegen, doch nur Vernunftkuenstler. Es gibt noch einen Lehrer im Ideal, der alle diese ansetzt, sie als Werkzeuge nutzt, um die wesentlichen Zwecke der menschlichen Vernunft zu befoerdern. Diesen allein muessten wir den Philosophen nennen; aber, da er selbst doch nirgend, die Idee aber seiner Gesetzgebung allenthalben in jeder Menschenvernunft angetroffen wird, so wollen wir uns lediglich an der letzteren halten, und naeher bestimmen, was Philosophie, nach diesem Weltbegriffe*, fuer systematische Einheit aus dem Standpunkte der Zwecke vorschreibe. * Weltbegriff heisst hier derjenige, der das betrifft, was jedermann notwendig interessiert; mithin bestimme ich die Absicht einer Wissenschaft nach Schulbegriffen, wenn sie nur als eine von den Geschicklichkeiten zu gewissen beliebigen Zwecken angesehen wird. Wesentliche Zwecke sind darum noch nicht die hoechsten, deren (bei vollkommener systematischer Einheit der Vernunft) nur ein einziger sein kann. Daher sind sie entweder der Endzweck, oder subalterne Zwecke, die zu jenem als Mittel notwendig gehoeren. Der erstere ist kein anderer, als die ganze Bestimmung des Menschen, und die Philosophie ueber dieselbe heisst Moral. Um dieses Vorzugs willen, den die Moralphilosophie vor aller anderen Vernunftbewerbung hat, verstand man auch bei den Alten unter dem Namen des Philosophen jederzeit zugleich und vorzueglich den Moralisten, und selbst macht der aeussere Schein der Selbstbeherrschung durch Vernunft, dass man jemanden noch jetzt, bei seinem eingeschraenkten Wissen, nach einer gewissen Analogie, Philosoph nennt. Die Gesetzgebung der menschlichen Vernunft (Philosophie) hat nun zwei Gegenstaende, Natur und Freiheit, und enthaelt also sowohl das Naturgesetz, als auch das Sittengesetz, anfangs in zwei besonderen, zuletzt aber in einem einzigen philosophischen System. Die Philosophie der Natur geht auf alles, was da ist; die der Sitten, nur auf das, was da sein soll. Alle Philosophie aber ist entweder Erkenntnis aus reiner Vernunft, oder Vernunfterkenntnis aus empirischen Prinzipien. Die erstere heisst reine, die zweite empirische Philosophie. Die Philosophie der reinen Vernunft ist nun entweder Propaedeutik (Voruebung), welche das Vermoegen der Vernunft in Ansehung aller reinen Erkenntnis a priori untersucht, und heisst Kritik, oder zweitens das System der reinen Vernunft (Wissenschaft), die ganze (wahre sowohl als scheinbare) philosophische Erkenntnis aus reiner Vernunft im systematischen Zusammenhange, und heisst Metaphysik; wiewohl dieser Name auch der ganzen reinen Philosophie mit Inbegriff der Kritik gegeben werden kann, um, sowohl die Untersuchung alles dessen, was jemals a priori erkannt werden kann, als auch die Darstellung desjenigen, was ein System reiner philosophischer Erkenntnisse dieser Art ausmacht, von allein empirischen aber, imgleichen dem mathematischen Vernunftgebrauche unterschieden ist, zusammen zu fassen. Die Metaphysik teilt sich in die des spekulativen und praktischen Gebrauchs der reinen Vernunft, und ist also entweder Metaphysik der Natur, oder Metaphysik der Sitten. Jene enthaelt alle reinen Vernunftprinzipien aus blossen Begriffen (mithin mit Ausschliessung der Mathematik) von dem theoretischen Erkenntnisse aller Dinge; diese die Prinzipien, welche das Tun und Lassen a priori bestimmen und notwendig machen. Nun ist die Moralitaet die einzige Gesetzmaessigkeit der Handlungen, die voellig a priori aus Prinzipien abgeleitet werden kann. Daher ist die Metaphysik der Sitten eigentlich die reine Moral, in welcher keine Anthropologie (keine empirische Bedingung) zum Grunde gelegt wird. Die Metaphysik der spekulativen Vernunft ist nun das, was man im engeren Verstande Metaphysik zu nennen pflegt; sofern aber reine Sittenlehre doch gleichwohl zu dem besonderen Stamme menschlicher und zwar philosophischer Erkenntnis aus reiner Vernunft gehoert, so wollen wir ihr jene Benennung erhalten, obgleich wir sie, als zu unserem Zwecke jetzt nicht gehoerig, hier beiseite setzen. Es ist von der aeussersten Erheblichkeit, Erkenntnisse, die ihrer Gattung und Ursprunge nach von anderen unterschieden sind, zu isolieren, und sorgfaeltig zu verhueten, dass sie nicht mit anderen, mit welchen sie im Gebrauche gewoehnlich verbunden sind, in ein Gemisch zusammenfliessen. Was Chemiker beim Scheiden der Materien, was Mathematiker in ihrer reinen Groessenlehre tun, das liegt noch weit mehr dem Philosophen ob, damit er den Anteil, den eine besondere Art der Erkenntnis am herumschweifenden Verstandesgebrauch hat, ihren eigenen Wert und Einfluss sicher bestimmen koenne. Daher hat die menschliche Vernunft seitdem, dass sie gedacht, oder vielmehr nachgedacht hat, niemals einer Metaphysik entbehren, aber gleichwohl sie nicht, genugsam gelaeutert von allem Fremdartigen, darstellen koennen. Die Idee einer solchen Wissenschaft ist ebenso alt, als spekulative Menschenvernunft; und welche Vernunft spekuliert nicht, es mag nun auf scholastische, oder populaere Art geschehen? Man muss indessen gestehen, dass die Unterscheidung der zwei Elemente unserer Erkenntnis, deren die einen voellig a priori in unserer Gewalt sind, die anderen nur a posteriori aus der Erfahrung genommen werden koennen, selbst bei Denkern von Gewerbe, nur sehr undeutlich blieb, und daher niemals die Grenzbestimmung einer besonderen Art von Erkenntnis, mithin nicht die echte Idee einer Wissenschaft, die so lange und so sehr die menschliche Vernunft beschaeftigt hat, zustande bringen konnte. Wenn man sagte: Metaphysik ist die Wissenschaft von den ersten Prinzipien der menschlichen Erkenntnis, so bemerkte man dadurch nicht eine ganz besondere Art, sondern nur einen Rang in Ansehung der Allgemeinheit, dadurch sie also vom Empirischen nicht kenntlich unterschieden werden konnte; denn auch unter empirischen Prinzipien sind einige allgemeiner, und darum hoeher als andere, und, in der Reihe einer solchen Unterordnung, (da man das, was voellig a priori, von dem, was nur a posteriori erkannt wird, nicht unterscheidet,) wo soll man den Abschnitt machen, der den ersten Teil und die obersten Glieder von dem letzten und den untergeordneten unterschiede? Was wuerde man dazu sagen, wenn die Zeitrechnung die Epochen der Welt nur so bezeichnen koennte, dass sie sie in die ersten Jahrhunderte und in die darauffolgenden einteilte? Gehoert das fuenfte, das zehnte usw. Jahrhundert auch zu den ersten? wuerde man fragen; ebenso frage ich: gehoert der Begriff des Ausgedehnten zur Metaphysik? ihr antwortet, ja! ei, aber auch der des Koerpers? ja! und der des fluessigen Koerpers? ihr werdet stutzig, denn, wenn es so weiterfortgeht, so wird alles in die Metaphysik gehoeren. Hieraus sieht man, dass der blosse Grad der Unterordnung (das Besondere unter dem Allgemeinen) keine Grenzen einer Wissenschaft bestimmen koenne, sondern in unserem Falle die gaenzliche Ungleichartigkeit und Verschiedenheit des Ursprungs. Was aber die Grundidee der Metaphysik noch auf einer anderen Seite verdunkelte, war, dass sie als Erkenntnis a priori mit der Mathematik eine gewisse Gleichartigkeit zeigt, die zwar, was den Ursprung a priori betrifft, sie einander verwandt, was aber die Erkenntnisart aus Begriffen bei jener, in Vergleichung mit der Art, bloss durch Konstruktion der Begriffe a priori zu urteilen, bei dieser, mithin den Unterschied einer philosophischen Erkenntnis von der mathematischen anlangt; so zeigt sich eine so entschiedene Ungleichartigkeit, die man zwar jederzeit gleichsam fuehlte, niemals aber auf deutliche Kriterien bringen konnte. Dadurch ist es nun geschehen, dass, da Philosophen selbst in der Entwicklung der Idee ihrer Wissenschaften fehlten, die Bearbeitung derselben keinen bestimmten Zweck und keine sichere Richtschnur haben konnte, und sie, bei einem so willkuerlich gemachten Entwurfe, unwissend in dem Wege, den sie zu nehmen haetten, und jederzeit unter sich streitig, ueber die Entdeckungen, die ein jeder auf dem seinigen gemacht haben wollte, ihre Wissenschaft zuerst bei anderen und endlich sogar bei sich selbst in Verachtung brachten. Alle reine Erkenntnis a priori macht also, vermoege des besonderen Erkenntnisvermoegens, darin es allein seinen Sitz haben kann, eine besondere Einheit aus, und Metaphysik ist diejenige Philosophie, welche jene Erkenntnis in dieser systematischen Einheit darstellen soll. Der spekulative Teil derselben, der sich diesen Namen vorzueglich zugeeignet hat, naemlich die, welche wir Metaphysik der Natur nennen, und alles, sofern es ist, (nicht das, was sein soll,) aus Begriffen a priori erwaegt, wird nun auf folgende Art eingeteilt. Die im engeren Verstande so genannte Metaphysik besteht aus der Transzendentalphilosophie und der Physiologie der reinen Vernunft. Die erstere betrachtet nur den Verstand, und Vernunft selbst in einem System aller Begriffe und Grundsaetze, die sich auf Gegenstaende ueberhaupt beziehen, ohne Objekte anzunehmen, die gegeben waeren (Ontologia); die zweite betrachtet Natur, d.i. den Inbegriff gegebener Gegenstaende, (sie moegen nun den Sinnen, oder, wenn man will, einer anderen Art von Anschauung gegeben sein,) und ist also Physiologie (obgleich nur rationalis). Nun ist aber der Gebrauch der Vernunft in dieser rationalen Naturbetrachtung entweder physisch, oder hyperphysisch, oder besser, entweder immanent oder transzendent. Der erstere geht auf die Natur, so weit als ihre Erkenntnis in der Erfahrung (in concreto) kann angewandt werden, der zweite auf diejenige Verknuepfung der Gegenstaende der Erfahrung, welche alle Erfahrung uebersteigt. Diese transzendente Physiologie hat daher entweder eine innere Verknuepfung, oder aeussere, die aber beide ueber moegliche Erfahrung hinausgehen, zu ihrem Gegenstande; jene ist die Physiologie der gesamten Natur, d.i. die transzendentale Welterkenntnis, diese des Zusammenhanges der gesamten Natur mit einem Wesen ueber der Natur, d.i. die transzendentale Gotteserkenntnis. Die immanente Physiologie betrachtet dagegen Natur als den Inbegriff aller Gegenstaende der Sinne, mithin so wie sie uns gegeben ist, aber nur nach Bedingungen a priori, unter denen sie uns ueberhaupt gegeben werden kann. Es sind aber nur zweierlei Gegenstaende derselben. 1. Die der aeusseren Sinne, mithin der Inbegriff derselben, die koerperliche Natur. 2. Der Gegenstand des inneren Sinnes, die Seele, und, nach den Grundbegriffen derselben ueberhaupt, die denkende Natur. Die Metaphysik der koerperlichen Natur heisst Physik, aber, weil sie nur die Prinzipien ihrer Erkenntnis a priori enthalten soll, rationale Physik. Die Metaphysik der denkenden Natur heisst Psychologie und aus der eben angefuehrten Ursache ist hier nur die rationale Erkenntnis derselben zu verstehen. Demnach besteht das ganze System der Metaphysik aus vier Hauptteilen. 1. Der Ontologie. 2. Der rationalen Physiologie. 3. Der rationalen Kosmologie. 4. Der rationalen Theologie. Der zweite Teil, naemlich die Naturlehre der reinen Vernunft, enthaelt zwei Abteilungen, die physica rationalis* und psychologia rationalis. * Man denke ja nicht, dass ich hierunter dasjenige verstehe, was man gemeiniglich physica generalis nennt, und mehr Mathematik, als Philosophie der Natur ist. Denn die Metaphysik der Natur sondert sich gaenzlich von der Mathematik ab, hat auch bei weitem nicht so viel erweiternde Einsichten anzubieten, als diese, ist aber doch sehr wichtig, in Ansehung der Kritik des auf die Natur anzuwendenden reinen Verstandeserkenntnisses ueberhaupt; in Ermanglung deren selbst Mathematiker, indem sie gewissen gemeinen, in der Tat doch metaphysischen Begriffen anhaengen, die Naturlehre unvermerkt mit Hypothesen belaestigt haben, welche bei einer Kritik dieser Prinzipien verschwinden, ohne dadurch doch dem Gebrauche der Mathematik in diesem Felde (der ganz unentbehrlich ist) im mindesten Abbruch zu tun. Die urspruengliche Idee einer Philosophie der reinen Vernunft schreibt diese Abteilung selbst vor; sie ist also architektonisch, ihren wesentlichen Zwecken gemaess, und nicht bloss technisch, nach zufaellig wahrgenommenen Verwandtschaften und gleichsam auf gut Glueck angestellt, eben darum aber auch unwandelbar und legislatorisch. Es finden sich aber hierbei einige Punkte, die Bedenklichkeit erregen, und die Ueberzeugung von der Gesetzmaessigkeit derselben schwaechen koennten. Zuerst, wie kann ich eine Erkenntnis a priori, mithin Metaphysik, von Gegenstaenden erwarten, sofern sie unseren Sinnen, mithin a posteriori gegeben sind? und, wie ist es moeglich, nach Prinzipien a priori, die Natur der Dinge zu erkennen und zu einer rationalen Physiologie zu gelangen? Die Antwort ist: wir nehmen aus der Erfahrung nichts weiter, als was noetig ist, uns ein Objekt, teils des aeusseren, teils des inneren Sinnes zu geben. Jenes geschieht durch den blossen Begriff Materie (undurchdringliche leblose Ausdehnung), dieses durch den Begriff eines denkenden Wesens (in der empirischen inneren Vorstellung: Ich denke). Uebrigens muessten wir in der ganzen Metaphysik dieser Gegenstaende, uns aller empirischen Prinzipien gaenzlich enthalten, die ueber den Begriff noch irgendeine Erfahrung hinzusetzen moechten, um etwas ueber diese Gegenstaende daraus zu urteilen. Zweitens: wo bleibt denn die empirische Psychologie, welche von jeher ihren Platz in der Metaphysik behauptet hat, und von welcher man in unseren Zeiten so grosse Dinge zur Aufklaerung derselben erwartet hat, nachdem man die Hoffnung aufgab, etwas Taugliches a priori auszurichten? Ich antworte: sie kommt dahin, wo die eigentliche (empirische) Naturlehre hingestellt werden muss, naemlich auf die Seite der angewandten Philosophie, zu welcher die reine Philosophie die Prinzipien a priori enthaelt, die also mit jener zwar verbunden, aber nicht vermischt werden muss. Also muss empirische Psychologie aus der Metaphysik gaenzlich verbannt sein, und ist schon durch die Idee derselben davon gaenzlich ausgeschlossen. Gleichwohl wird man ihr nach dem Schulgebrauch doch noch immer (obzwar nur als Episode) ein Plaetzchen darin verstatten muessen, und zwar aus oekonomischen Bewegursachen, weil sie noch nicht so reich ist, dass sie allein ein Studium ausmachen, und doch zu wichtig, als dass man sie ganz ausstossen, oder anderwaerts anheften sollte, wo sie noch weniger Verwandtschaft als in der Metaphysik antreffen duerfte. Es ist also bloss ein so lange aufgenommener Fremdling, dem man auf einige Zeit einen Aufenthalt vergoennt, bis er in einer ausfuehrlichen Anthropologie (dem Pendant zu der empirischen Naturlehre) seine eigene Behausung wird beziehen koennen. Das ist also die allgemeine Idee der Metaphysik, welche, da man ihr anfaenglich mehr zumutete, als billigerweise verlangt werden kann, und sich eine zeitlang mit angenehmen Erwartungen ergoetzte, zuletzt in allgemeine Verachtung gefallen ist, da man sich in seiner Hoffnung betrogen fand. Aus dem ganzen Verlauf unserer Kritik wird man sich hinlaenglich ueberzeugt haben: dass, wenngleich Metaphysik nicht die Grundfeste der Religion sein kann, so muesse sie doch jederzeit als die Schutzwehr derselben stehenbleiben, und dass die menschliche Vernunft, welche schon durch die Richtung ihrer Natur dialektisch ist, einer solchen Wissenschaft niemals entbehren koennte, die sie zuegelt, und, durch ein szientifisches und voellig einleuchtendes Selbsterkenntnis, die Verwuestungen abhaelt, welche eine gesetzlose spekulative Vernunft sonst ganz unfehlbar, in Moral sowohl als Religion, anrichten wuerde. Man kann also sicher sein, so sproede, oder geringschaetzend auch diejenigen tun, die eine Wissenschaft nicht nach ihrer Natur, sondern allein aus ihren zufaelligen Wirkungen zu beurteilen wissen, man werde jederzeit zu ihr, wie zu einer mit uns entzweiten Geliebten zurueckkehren, weil die Vernunft, da es hier wesentliche Zwecke betrifft, rastlos, entweder auf gruendliche Einsicht oder Zerstoerung schon vorhandener guter Einsichten arbeiten muss. Metaphysik also, sowohl der Natur, als der Sitten, vornehmlich die Kritik der sich auf eigenen Fluegeln wagenden Vernunft, welche voruebend (propaedeutisch) vorhergeht, machen eigentlich allein dasjenige aus, was wir im echten Verstande Philosophie nennen koennen. Diese bezieht alles auf Weisheit, aber durch den Weg der Wissenschaft, den einzigen, der, wenn er einmal gebahnt ist, niemals verwaechst, und keine Verirrungen verstattet. Mathematik, Naturwissenschaft, selbst die empirische Kenntnis des Menschen, haben einen hohen Wert als Mittel, groesstenteils zu zufaelligen, am Ende aber doch zu notwendigen und wesentlichen Zwecken der Menschheit, aber alsdann nur durch Vermittlung einer Vernunfterkenntnis aus blossen Begriffen, die, man mag sie benennen, wie man will, eigentlich nichts als Metaphysik ist. Eben deswegen ist Metaphysik auch die Vollendung aller Kultur der menschlichen Vernunft, die unentbehrlich ist, wenn man gleich ihren Einfluss, als Wissenschaft, auf gewisse bestimmte Zwecke bei Seite setzt. Denn sie betrachtet die Vernunft nach ihren Elementen und obersten Maximen, die selbst der Moeglichkeit einiger Wissenschaften, und dem Gebrauche aller, zum Grunde liegen muessen. Dass sie, als blosse Spekulation, mehr dazu dient, Irrtuemer abzuhalten, als Erkenntnis zu erweitern, tut ihrem Werte keinen Abbruch, sondern gibt ihr vielmehr Wuerde und Ansehen durch das Zensoramt, welches die allgemeine Ordnung und Eintracht, ja den Wohlstand des wissenschaftlichen gemeinen Wesens sichert, und dessen mutige und fruchtbare Bearbeitungen abhaelt, sich nicht von dem Hauptzwecke, der allgemeinen Glueckseligkeit, zu entfernen. Der transzendentalen Methodenlehre Viertes Hauptstueck Die Geschichte der reinen Vernunft Dieser Titel steht nur hier, um eine Stelle zu bezeichnen, die im System uebrigbleibt, und kuenftig ausgefuellt werden muss. Ich begnuege mich, aus einem bloss transzendentalen Gesichtspunkte, naemlich der Natur der reinen Vernunft, einen fluechtigen Blick auf das Ganze der bisherigen Bearbeitungen derselben zu werfen, welches freilich meinem Auge zwar Gebaeude, aber nur in Ruinen vorstellt. Es ist merkwuerdig genug, ob es gleich natuerlicherweise nicht anders zugehen konnte, dass die Menschen im Kindesalter der Philosophie davon anfingen, wo wir jetzt lieber endigen moechten, naemlich, zuerst die Erkenntnis Gottes, und die Hoffnung oder wohl gar die Beschaffenheit einer anderen Welt zu studieren. Was auch die alten Gebraeuche, die noch von dem rohen Zustande der Voelker uebrig waren, fuer grobe Religionsbegriffe eingefuehrt haben mochten, so hinderte dieses doch nicht den aufgeklaerteren Teil, sich freien Nachforschungen ueber diesen Gegenstand zu widmen, und man sah leicht ein, dass es keine gruendliche und zuverlaessigere Art geben koenne, der unsichtbaren Macht, die die Welt regiert, zu gefallen, um wenigstens in einer anderen Welt gluecklich zu sein, als den guten Lebenswandel. Daher waren Theologie und Moral die zwei Triebfedern, oder besser, Beziehungspunkte zu allen abgezogenen Vernunftforschungen, denen man sich nachher jederzeit gewidmet hat. Die erstere war indessen eigentlich das, was die bloss spekulative Vernunft nach und nach in das Geschaeft zog, welches in der Folge unter dem Namen der Metaphysik so beruehmt geworden. Ich will jetzt die Zeiten nicht unterscheiden, auf welche diese oder jene Veraenderung der Metaphysik traf, sondern nur die Verschiedenheit der Idee, welche die hauptsaechlichsten Revolutionen veranlasste, in einem fluechtigen Abrisse darstellen. Und da finde ich eine dreifache Absicht, in welcher die namhaftesten Veraenderungen auf dieser Buehne des Streits gestiftet worden. 1. In Ansehung des Gegenstandes aller unserer Vernunfterkenntnisse, waren einige bloss Sensual-, andere bloss Intellektualphilosophen. Epikur kann der vornehmste Philosoph der Sinnlichkeit, Plato des Intellektuellen genannt werden. Dieser Unterschied der Schulen aber, so subtil er auch ist, hatte schon in den fruehesten Zeiten angefangen, und hat sich lange ununterbrochen erhalten. Die von der ersteren behaupteten, in den Gegenstaenden der Sinne sei allein Wirklichkeit, alles uebrige sei Einbildung; die von der zweiten sagten dagegen: in den Sinnen ist nichts als Schein, nur der Verstand erkennt das Wahre. Darum stritten aber die ersteren den Verstandesbegriffen doch eben nicht Realitaet ab, sie war aber bei ihnen nur logisch, bei den anderen aber mystisch. Jene raeumten intellektuelle Begriffe ein, aber nahmen bloss sensible Gegenstaende an. Diese verlangten, dass die wahren Gegenstaende bloss intelligibel waeren, und behaupteten eine Anschauung durch den von keinen Sinnen begleiteten und ihrer Meinung nach nur verwirrten reinen Verstand. 2. In Ansehung des Ursprungs reiner Vernunfterkenntnisse, ob sie aus der Erfahrung abgeleitet, oder, unabhaengig von ihr, in der Vernunft ihre Quelle haben. Aristoteles kann als das Haupt der Empiristen, Plato aber der Noologisten angesehen werden. Locke, der in neueren Zeiten dem ersteren, und Leibnitz, der dem letzteren (obzwar in einer genugsamen Entfernung von dessen mystischem Systeme) folgte, haben es gleichwohl in diesem Streite noch zu keiner Entscheidung bringen koennen. Wenigstens verfuhr Epikur seinerseits viel konsequenter nach seinem Sensualsystem (denn er ging mit seinen Schluessen niemals ueber die Grenze der Erfahrung hinaus), als Aristoteles und Locke, (vornehmlich aber der letztere,) der, nachdem er alle Begriffe und Grundsaetze von der Erfahrung abgeleitet hatte, soweit im Gebrauche derselben geht, dass er behauptet, man koenne das Dasein Gottes und die Unsterblichkeit der Seele (obzwar beide Gegenstaende ganz ausser den Grenzen moeglicher Erfahrung liegen) ebenso evident beweisen, als irgendeinen mathematischen Lehrsatz. 3. In Ansehung der Methode. Wenn man etwas Methode nennen soll, so muss es ein Verfahren nach Grundsaetzen sein. Nun kann man die jetzt in diesem Fache der Naturforschung herrschende Methode in die naturalistische und szientifische einteilen. Der Naturalist der reinen Vernunft nimmt es sich zum Grundsatze: dass durch gemeine Vernunft ohne Wissenschaft (welche er die gesunde Vernunft nennt) sich in Ansehung der erhabensten Fragen, die die Aufgabe der Metaphysik ausmachen, mehr ausrichten lasse, als durch Spekulation. Er behauptet also, dass man die Groesse und Weite des Mondes sicherer nach dem Augenmasse, als durch mathematische Umschweife bestimmen koenne. Es ist blosse Misologie, auf Grundsaetze gebracht, und, welches das ungereimteste ist, die Vernachlaessigung aller kuenstlichen Mittel, als eine eigene Methode angeruehmt, seine Erkenntnis zu erweitern. Denn was die Naturalisten aus Mangel mehrerer Einsicht betrifft, so kann man ihnen mit Grunde nichts zur Last legen. Sie folgen der gemeinen Vernunft, ohne sich ihrer Unwissenheit als einer Methode zu ruehmen, die das Geheimnis enthalten solle, die Wahrheit aus Demokrits tiefem Brunnen herauszuholen. Quod sapio, satis est mihi; non ego curo, esse quod Arcesilas aerumnosique Solones, Pers. ist ihr Wahlspruch, bei dem sie vergnuegt und beifallswuerdig leben koennen, ohne sich um die Wissenschaft zu bekuemmern, noch deren Geschaeft zu verwirren. Was nun die Beobachter einer szientifischen Methode betrifft, so haben sie hier die Wahl, entweder dogmatisch oder skeptisch, in allen Faellen aber doch die Verbindlichkeit systematisch zu verfahren. Wenn ich hier in Ansehung der ersteren den beruehmten Wolf, bei der zweiten David Hume nenne, so kann ich die uebrigen, meiner jetzigen Absicht nach, ungenannt lassen. Der kritische Weg ist allein noch offen. Wenn der Leser diesen in meiner Gesellschaft durchzuwandern Gefaelligkeit und Geduld gehabt hat, so mag er jetzt urteilen, ob nicht, wenn es ihm beliebt, das Seinige dazu beizutragen, um diesen Fusssteig zur Heeresstrasse zu machen, dasjenige, was viele Jahrhunderte nicht leisten konnten, noch vor Ablauf des gegenwaertigen erreicht werden moege: naemlich, die menschliche Vernunft in dem, was ihre Wissbegierde jederzeit, bisher aber vergeblich, beschaeftigt hat, zur voelligen Befriedigung zu bringen. *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, KRITIK DER REINEN VERNUNFT (2ND EDITION) *** This file should be named 7ikc210.txt or 7ikc210.zip Corrected EDITIONS of our eBooks get a new NUMBER, 7ikc211.txt VERSIONS based on separate sources get new LETTER, 7ikc210a.txt Project Gutenberg eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US unless a copyright notice is included. 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